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Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Zwischen Westbindung und europÀischer Hegemonie
This book is available to read until 5th December, 2025
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Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland
Zwischen Westbindung und europÀischer Hegemonie
About this book
The German national state has always been integrated into a dense network of transnational integration. This applies also and in particular to the Federal Republic of Germany. This book presents the history of the second German Republic in its international and transnational integration. Processes of Europeanisation and internationalisation take a central place in the work. Nevertheless it is also clear that there is no question of >the end of the nation-state". A coexistence of supranational organisations and national state is much more characteristic, where the borders between the two are always being renegotiated.
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Information
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Die internationalisierte Nation
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Die Bundesrepublik Deutschland war ohne Zweifel der am weitesten internationalisierte Staat in der deutschen Geschichte. Zwar war das Kaiserreich bis 1914 in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht ebenfalls sehr stark in internationale Strukturen eingebunden. Dies galt allerdings nicht fĂŒr den Bereich der Politik, in dem die Reichsregierung ganz im Gegenteil stark auf den Erhalt der nationalen UnabhĂ€ngigkeit achtete. Auch die Republik von Weimar blieb in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht â trotz mancher BemĂŒhungen â dem Ideal des unabhĂ€ngigen Nationalstaates verpflichtet, im Nationalsozialismus wurde die Autarkie sogar zum wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziel.
Diese Internationalisierung der Bundesrepublik Deutschland wurde der deutschen Ăffentlichkeit allerdings erst in den 1990er Jahren bewusst. Unter dem Schlagwort der Globalisierung wurden die Vor- und Nachteile der Internationalisierung diskutiert. Einige befĂŒrchteten die Auflösung des Nationalstaates, den Verlust der sozialen Sicherheit ebenso wie die politische SteuerungsfĂ€higkeit der Demokratie. Andere wiesen auf die wirtschaftlichen Vorteile der Globalisierung hin. Nicht zuletzt als Reaktion auf die politischen Diskussionen entstand eine wissenschaftliche Debatte ĂŒber die Internationalisierung der Nationalstaaten. Auch die Geschichtswissenschaft widmete sich seither wieder verstĂ€rkt der internationalen Verflechtung der deutschen Gesellschaft und Politik. In diesem Zusammenhang wurde bald deutlich, dass viele der im Kontext der öffentlichen Debatte formulierten Argumente fĂŒr oder wider die Globalisierung wenn nicht falsch, so doch oft zu einfach sind. Je nach Fokus spricht man daher in der Geschichtswissenschaft differenzierend von der Amerikanisierung, der Westernisierung und der EuropĂ€isierung. Zudem wurde deutlich, dass die Internationalisierung kein PhĂ€nomen der 1990er Jahre war, sondern eine grundsĂ€tzliche Tendenz in der deutschen und europĂ€ischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Inzwischen liegen einige Spezialuntersuchungen vor, die das Problem weiter differenzieren.
Es ist das Ziel dieses Buches, eine Zwischenbilanz in der geschichtswissenschaftlichen Debatte um die Internationalisierung zu ziehen. In wie weit wurde die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von internationalen Strukturen und Prozessen beeinflusst? Was bedeutete das fĂŒr die deutsche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft? Kann man ĂŒberhaupt noch von einem deutschen Nationalstaat sprechen? Dies sind die leitenden Fragen der folgenden Darstellung. Es wird die These aufgestellt, dass die Bundesrepublik tatsĂ€chlich der am weitesten internationalisierte deutsche Staat in der Geschichte ist. Doch muss dies eingeschrĂ€nkt werden: Zum einen ist das kein rein deutsches PhĂ€nomen, es gilt fĂŒr alle europĂ€ischen Staaten, wenn auch in je spezifischer Form. Zweitens spricht wenig fĂŒr die These, dass sich der Nationalstaat auflöst. Er befindet sich vielmehr in einem permanenten Anpassungs- und Transformationsprozess an transnationale Strukturen und Prozesse, dessen IntensitĂ€t jedoch wechselt.
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Positionen der Forschung und begriffliche Eingrenzungen
Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kann insgesamt als sehr gut erforscht gelten. Vor allem fĂŒr die Zeit bis 1990 liegen inzwischen zahlreiche Ăberblicksdarstellungen und Spezialstudien vor, die den westdeutschen Teilstaat geschichtswissenschaftlich untersuchen. Ein eindeutiger Schwerpunkt der Forschung lag bislang auf dem Zeitraum zwischen 1945 und 1980, was vor allem mit dem Zugang zu den Archiven zusammenhĂ€ngt. In diesem Zusammenhang entstanden bereits frĂŒh zwei AnsĂ€tze zu einer Gesamtinterpretation der Geschichte des zunĂ€chst westdeutschen Teilstaates, die allerdings noch stark normativ geprĂ€gt waren. In der ersten Version wurde die Geschichte der Bundesrepublik vor allem vor dem Hintergrund der gescheiterten Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der DDR als Erfolgsgeschichte prĂ€sentiert. So interpretierte Hans Peter Schwarz schon frĂŒh die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland unter dem Schlagwort der StabilitĂ€t. Im Gegensatz zur ersten deutschen Republik in der Zwischenkriegszeit habe sich die Bundesrepublik Deutschland sehr schnell als krisenfeste Demokratie bewiesen, die unter dem System der »Sozialen Marktwirtschaft« zudem auch ökonomisch erfolgreich sei.1 Ein zweiter Ansatz zur Gesamtinterpretation stellt demgegenĂŒber die gesellschaftliche, politische und kulturelle Liberalisierung Westdeutschlands zwischen 1945 und 1990 in den Mittelpunkt. AutoritĂ€re Strukturen in Staat und Gesellschaft seien vor allem in den 1960er und 1970er Jahre aufgebrochen und demokratisiert worden. Damit habe die deutsche Gesellschaft zwar spĂ€t, aber doch deutlich mit den autoritĂ€ren Systemen des Kaiserreiches und des Nationalsozialismus gebrochen und sich westlichen Entwicklungsmustern angenĂ€hert. Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde als nun letzte Phase der deutschen Geschichte auf dem »langen Weg nach Westen« gedeutet.2
Diese Interpretationen sind jedoch in den letzten Jahren in Frage gestellt worden. Vor allem drei Argumente wurden gegen sie vorgebracht:
Zum einen enthĂ€lt die These »vom langen Weg nach Westen« ein teleologisches Element. Die deutsche Geschichte vor allem des 19. und frĂŒhen 20. Jahrhunderts wird als Vorgeschichte der Vereinigung von 1990 interpretiert. Deutschland sei zwar auf Umwegen, aber schlieĂlich doch erfolgreich im »Westen« angekommen. Eine solche Interpretation neigt dazu, Alternativen, die nicht in dieses Muster passen, als nicht zur deutschen Geschichte gehörig zu ignorieren. Und auch die Frage, ob es Alternativen zur Deutschen Einheit im Jahr 1990 gegeben hat, wird nicht gestellt.
Zum zweiten ist vielfach kritisiert worden, dass der Begriff des »Westens« unklar ist. Zwar definierte Heinrich August Winkler den Westen sehr allgemein als politisches und kulturelles Modell, das auf den Menschen- und BĂŒrgerrechten in der Tradition der Habeas-Corpus Akte (die jedem Angeklagten einen Rechtsbeistand zusicherte) von 1679 sowie den US-amerikanischen und französischen VerfassungsentwĂŒrfen aus der zweiten HĂ€lfte des 18. Jahrhunderts steht. So gesehen kann kaum bestritten werden, dass sich die deutsche Geschichte der letzten 200 Jahre als AnnĂ€herung an diese Prinzipien schreiben lĂ€sst. Andererseits verdeckt dieser Ansatz die sehr verschiedenen EntwĂŒrfe politisch-kultureller Ordnung, die sich auch in der westlichen Welt finden lassen.
Drittens schlieĂlich kann man fragen, ob die Interpretation der bundesrepublikanischen Geschichte als Erfolgsgeschichte nicht vor allem politisch und nicht wissenschaftlich motiviert ist. Unbestreitbar hat der westdeutsche Staat dazu beigetragen, die Demokratie in Deutschland zu verankern, unbestreitbar ist auch der ökonomische Erfolg. Doch ist die »Berliner Republik« nicht das Ziel oder gar das Ende der deutschen Geschichte. Zugespitzt gefragt: Hat die Geschichtswissenschaft mit dieser Interpretation nicht ihre traditionelle Rolle als HĂŒterin und Erzeugerin der Nation, die sie vor allem im 19. Jahrhundert spielte, fortgefĂŒhrt? Ăbernahm sie nicht in zu starkem MaĂe eine politische Legitimationsfunktion, die sich mit wissenschaftlichen MaĂstĂ€ben nicht rechtfertigen lĂ€sst?
Unter diesen Bedingungen hat in den vergangenen zehn Jahren die Suche nach alternativen Interpretationen bundesrepublikanischer Geschichte jenseits der groĂen ErfolgserzĂ€hlungen begonnen. Man könnte auch von der beginnenden Historisierung der Bundesrepublik sprechen, insofern als nun nach anderen Analysekategorien fĂŒr die bundesrepublikanische Geschichte gesucht wird. Ein erster, von der Welle der Kulturgeschichte beeinflusster Ansatz, plĂ€diert dafĂŒr, die Bundesrepublik unter dem Aspekt einer »Kulturgeschichte der Politik« zu interpretieren. So schlĂ€gt Thomas Mergel beispielsweise vor, die Geschichte der Bundesrepublik als eine Geschichte der Entstaatlichung zu schreiben. Ihm scheint es evident, dass
»der Staat unverkennbar auf dem RĂŒckzug ist, vorlĂ€ufig noch in den Bereichen der Gesellschafts- und Sozialpolitik, warum nicht aber auch [âŠ] auf den klassischen Gebieten der Verteidigungspolitik und inneren Sicherheit?«
Klassische Kriege zwischen Staaten, so greift er eine gĂ€ngige Argumentation auf, gehörten ohnehin der Vergangenheit an; Attentate, Guerrilla-AktivitĂ€t und Ă€hnliches seien in Zukunft zu erwarten. Staatlichkeit, so vermutet er, sei vielleicht nichts anderes als ein aus der Neuzeit kommendes historisches PhĂ€nomen, das sich in Auflösung befinde. Aus diesem Grund sollten bei kĂŒnftigen Interpretationen der bundesrepublikanischen Geschichte nicht mehr der Staat und die Gesellschaft als Akteure im Zentrum stehen. Vielmehr sollte auch die Bundesrepublik als kommunikative Konstruktion aufgefasst werden, »das bedeutet, die Wirklichkeit als ein Ensemble von Produktionen, Deutungen und Sinngebungen aufzufassen.«3 Der theoretischen Faszination dieses Ansatzes steht jedoch seine begrenzte Anwendbarkeit entgegen. Zweifellos lassen sich Staat, Wirtschaft und Gesellschaft als je eigenstĂ€ndig codierte Kommunikationsprozesse verstehen und dieses VerstĂ€ndnis fördert gewiss neue Perspektiven zu Tage. Doch erfasst man damit allenfalls einen Teilaspekt der RealitĂ€t. Zudem erhebt sich die Frage, ob die These von der Entstaatlichung tatsĂ€chlich in dieser Weise zutrifft.
DemgegenĂŒber hat Eckart Conze vorgeschlagen, den Begriff der »Sicherheit« als Analysekategorie fĂŒr die Bundesrepublik zwischen 1945 und 2006 zu verwenden. Er bezeichnet »Sicherheit« als mögliches Narrativ fĂŒr eine »moderne Politikgeschichte« der Bundesrepublik Deutschland, weil dieser Begriff, wenn auch in sich wandelnden Inhalten, in allen Epochen der bundesrepublikanischen Geschichte eine SchlĂŒsselrolle gespielt hat. Das gilt fĂŒr die Ă€uĂere Sicherheit insofern als die Wahrnehmung der Bedrohung durch einen potenziellen sowjetischen Angriff zwischen 1949 und 1990 eine zentrale Rolle fĂŒr die Bundesrepublik spielte. Das gilt auch fĂŒr die materielle Sicherheit, sei es die Versorgungssicherheit oder auch die soziale Sicherheit. SchlieĂlich spielte immer auch die innere Sicherheit, vor allem in den 1970er Jahren, aber auch nach 2011, eine wichtige Rolle. »Die Suche nach Sicherheit« war daher ganz gewiss ein Leitmotiv in der Bundesrepublik Deutschland, fĂŒr die Wirtschaft, die Gesellschaft und auch die Politik.4
WĂ€hrend Conze unter dem Begriff der »Sicherheit« die KontinuitĂ€ten in der Geschichte der Bundesrepublik ĂŒber die Epochenwende von 1989/90 hinweg betont, stellt Peter Graf Kielmannsegg in seiner Darstellung den rasanten, aus seiner Sicht gar revolutionĂ€ren Wertewandel in das Zentrum seiner Interpretation. Kielmannsegg diagnostizierte eine seit den 1960er Jahren plötzlich einsetzende
»starke Beschleunigung des im Allgemeinen langsam, stetig, phasenweise kaum merklich fortschreitenden Prozesses der VerÀnderung grundlegender normativer Orientierungen«.5
UnterstĂŒtzung fand diese These durch Andreas Rödder, der ebenfalls einen raschen Wertewandel zwischen 1965 und 1990 diagnostizierte. In Anschluss an eine Formulierung von Helmut Klages spricht er von einer »Verschiebung von Pflicht- und Akzeptanzwerten â Akzeptanz verstanden als die Hinnahme des Vorfindlichen â hin zu Freiheits- und Selbstentfaltungswerten.« Freiheit- und Selbstbestimmung, Autonomie des Individuums, Emanzipation sowie hedonistische Werte seien an die Stelle von PflichterfĂŒllung, Verzicht und Treue, Anpassung und Gehorsam sowie Bindung und Verpflichtung getreten. Oder anders gewendet: Die aus dem 19. Jahrhundert tradierten Werte des BĂŒrgertums wurden seit den 1960er Jahren abgelöst von neuen, postmodernen Werten. Das geht einher mit der skeptischen Frage nach den Werten, die die bundesrepublikanische Gesellschaft in der Gegenwart noch zusammenhalten. In diesem Sinne argumentiert zuletzt auch die Darstellung des Freiburger Historikers Ulrich Herbert. Er bettet die Geschichte der Bundesrepublik in die deutsche Geschichte insgesamt ein und sieht die Jahre zwischen 1890 und 1990 als eine Epoche der »Hochmoderne« in Deutschland. Sie ist charakterisiert durch die Dominanz der Schwerindustrie und der industriellen Massenarbeit, durch den Kompromiss zwischen Kapitalismus und Sozialstaat und jenem zwischen liberalen und planerischen Steuerungskonzepten.6
In diesem Buch wird eine andere Perspektive gewĂ€hlt: Die Geschichte der Bundesrepublik soll als eine Geschichte ihrer Internationalisierung interpretiert werden. Die zentrale These lautet, dass die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen zwischen 1945 und der Gegenwart in erheblichem MaĂe von auĂen, das heiĂt durch internationale politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Strukturen geprĂ€gt wurde. Auch wenn die Bundesrepublik ab 1955 im völkerrechtlichen Sinne ein (mit EinschrĂ€nkungen) souverĂ€ner Staat war, kann ihre Geschichte nicht ohne die transnationale Einbindung verstanden werden. Das betraf die politische Einbindung etwa in die NATO und EWG/EU ebenso wie die wirtschaftliche Verflechtung mit den europĂ€ischen und den globalen MĂ€rkten. Auch in gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht war die Bundesrepublik so intensiv mit europĂ€ischen und globalen Strukturen verflochten, dass man ihre Geschichte ohne den internationalen Kontext nicht verstehen kann. Gewiss war diese Verflechtung nicht auf allen Sektoren und zu allen Zeitpunkten gleich stark. Es kann auch nicht grundsĂ€tzlich gesagt werden, dass es sich um einen sich intensivierenden Prozess handelt. Ebenso muss betont werden, dass eine solche Interpretation die Existenz eines deutschen Nationalstaates keineswegs relativiert oder gar leugnet. Im Gegenteil, der Begriff des Internationalen setzt ja schon semantisch die Existenz von Nationalstaaten voraus. Der Nationalstaat war auch im hier relevanten Zeitraum zwischen 1945 und der Gegenwart der politische, gesellschaftliche und kulturelle Bezugsrahmen der meisten Menschen. Es entsteht vielmehr ein ambivalentes Bild. Einerseits stand die Bundesrepublik Deutschland unter massivem Einfluss von internationalen und transnationalen Strukturen, die ihre Geschichte wesentlich bestimmten. Andererseits nahm sie aber auch selbst erheblichen Einfluss auf diese Strukturen. Gerade diese wechselseitige Beziehung gilt es daher in den Blick zu nehmen.
Analytisch lassen sich vier Sektoren unterscheiden, in denen sich die Internationalisierung der Bundesrepublik Deutschland vollzog. Im Bereich der Politik bedeutet Internationalisierung die Einbindung des westdeutschen Staates in die internationalen Organisationen vor allem Europas und der westlichen Welt. Diese Organisationen verfolgten sehr verschiedene Ziele, sie hatten sehr unterschiedliche Strukturen und auch die spezifische Rolle der Bundesrepublik Deutschland in diesem Kontext war verschieden. Der Grad der Internationalisierung variierte, rein intergouvernementalen Organisationen standen supranationale Organisationen gegenĂŒber, denen die Mitgliedstaaten Teile ihrer nationalen SouverĂ€nitĂ€t ĂŒbertrugen. Dominierende Akteure im Bereich der Politik waren die Regierungen der jeweiligen Staaten, vor allem der Bundesrepublik, die aus verschiedenen, zum Te...
Table of contents
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Inhaltsverzeichnis
- 1 Die internationalisierte Nation
- 2 Positionen der Forschung und begriffliche Eingrenzungen
- 3 Deutschland als Objekt alliierter Politik und die AnfĂ€nge der Bundesrepublik Deutschland 1945â1955
- 4 Supranationale Einbindung und wirtschaftlicher Wiederaufstieg 1956â1969
- 5 Wirtschaftliche Dominanz und politische ZurĂŒckhaltung 1970â1989
- 6 Deutschlands halbe Hegemonie in Europa 1990â2014
- 7 Strukturen und Prozesse der Internationalisierung
- Endnoten
- 8 Literatur (Auswahl)
- Personenregister
- Begriffsregister