Teil 1 Von der Antike bis ins ausgehende Mittelalter
Von Klaus Herbers
I Antike PrĂ€gungen, westgotischsuebische Reiche und christlichmuslimische Konkurrenz im frĂŒhmittelalterlichen Portugal
Die Geschichte eines Landes ist immer durch die geographischen Voraussetzungen mitbestimmt. Portugal besteht zu einem groĂen Teil aus bergigen Gebieten. Nur am Meer findet sich ausgedehntes Flachland. Das Hinterland von Lissabon ist ebenso durch breite FlusstĂ€ler wie durch fruchtbare Ebenen gekennzeichnet. FlĂŒsse wie der Minho, Douro/Duero, Tejo (und Guadiana) durchziehen Portugal von Ost nach West und strukturieren damit neben Bergland und Ebene den geographischen Raum. Insbesondere Douro/Duero und Tejo trennen das Land in drei gröĂere Teile. Die ĂŒber lange Zeit wichtigen Orte liegen fast ausschlieĂlich in KĂŒstennĂ€he und in den groĂen FlusstĂ€lern. Daraus wird klar, dass einige Völker der Antike â Phönizier, Griechen, Römer â wohl vor allem den Seeweg benutzten, um von der KĂŒste aus Handel zu treiben oder Kolonisationsvorhaben zu beginnen.
1 AnfÀnge und römische PrÀgungen
Schon vor etwa 1,2 Millionen Jahren gab es die ersten Menschen auf der Iberischen Halbinsel. Die Gruppe des Pithecanthropus stammt wohl aus der Ăquatorgegend und kam von dort nach Spanien. Abgesehen vom kantabrisch-asturischen Norden, dem Zentrum der Iberischen Halbinsel, der Gegend von CĂĄdiz sowie der Levante sind auch im nordportugiesischen Raum einschlĂ€gige archĂ€ologische Funde nachgewiesen. In der neolithischen Epoche (ca. 5000â3000 vor Chr.) bestanden Kontakte mit dem Nahen Osten, denn dort war es zu groĂen handwerklichen und materiellen Neuerungen gekommen â vor allem im Bereich des Ackerbaus und der Metallverarbeitung. Auch die groĂen Religionen erreichten teilweise den Westen. Neben Kontakten mit den Phöniziern, die von Gadir (CĂĄdiz) bis in das heutige Portugal ausgestrahlt haben könnten, beeinflussten weitere Völker die Entwicklung auf der Iberischen Halbinsel: Von den Karthagern, Griechen, Iberern, Basken und Kelten waren im portugiesischen Raum nur Iberer und Kelten von gröĂerer Bedeutung.
Die Iberer gaben der gesamten Halbinsel sogar ihren Namen. Sie sollen mit den Berbern verwandt gewesen und aus Afrika gekommen sein, weshalb ihr Einfluss im SĂŒden stĂ€rker ausfiel. Wann dies geschah, ist umstritten. Die frĂŒhesten sprachlichen Zeugnisse (Inschriften) stammen aus der Anfangszeit römischer Besatzung. Schriftliche Quellen des vorchristlichen Jahrtausends erwĂ€hnen weitere Völker auf der Iberischen Halbinsel, jedoch meist nicht das indo-europĂ€ische Volk der Kelten, das fast ausschlieĂlich archĂ€ologisch nachweisbar ist. Die Kelten ĂŒberquerten wohl um 800 bis 600 vor Christus die PyrenĂ€en und siedelten eher im Norden und Westen der Halbinsel.
Griechen, Karthager und Basken spielten fĂŒr Portugal keine gröĂere Rolle, dafĂŒr jedoch die Römer. Sie prĂ€gten die von ihnen Hispania genannte Provinz entscheidend. Es dauerte allerdings lange, bis sich der römische Einfluss ausbreiten konnte. Dieser ging seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert vom Mittelmeerraum, spĂ€ter auch vom Atlantik aus. Teilweise sind WiderstĂ€nde erkennbar: Auf der Meseta stellten sich Lusitanier, spĂ€ter die Numantier, den Römern entgegen. Erst in der Zeit des Augustus (27 vor Chr. â14 nach Chr.) konnten der Norden und Westen wenigstens teilweise in die römische Herrschaft einbezogen werden. Ortsnamen wie Asturica Augusta (Astorga), Bracara Augusta (Braga), Emerita Augusta (MĂ©rida) und Lucus Augusti (Lugo) verweisen auf diese Zeit.
Die GrĂŒnde fĂŒr die römische Eroberung werden in jĂŒngerer Zeit verstĂ€rkt im ökonomischen Bereich gesucht. Es war vor allem der Abbau von BodenschĂ€tzen (Eisen, Kupfer, Zinn, Gold und Silber), den das römische Reich auf der Iberischen Halbinsel betrieb und an dem Portugal in MaĂen teilhatte. Die in der Folge einsetzende Romanisierung verlief ungleichmĂ€Ăig; die gröĂeren Anfangserfolge lagen im SĂŒden und Osten der Iberischen Halbinsel, besonders in den StĂ€dten. Eingeteilt war die gesamte Iberische Halbinsel unter römischer Herrschaft in eine Hispania Citerior (Osten, Norden und Zentrum) und eine Hispania Ulterior (SĂŒden und Westen). Die Verwaltungsreform Diokletians (284 â 305) blieb bis ins Mittelalter hinein bestimmend: Innerhalb der gallischen PrĂ€fektur bildete die Hispania eine Diözese mit fĂŒnf Provinzen: Baetica, Lusitania, Tarraconensis, Carthaginensis, Gallaecia; die Lusitania und die Gallaecia betrafen im Wesentlichen das spĂ€tere Portugal. Die in römischer Zeit angelegten StraĂen durchzogen auch spĂ€ter noch das Land.
Grundlegend fĂŒr die anschlieĂende mittelalterliche Geschichte und damit auch fĂŒr die Staatswerdung Portugals war die geistig-geistliche Einigung durch eine recht frĂŒhe Christianisierung, die â soweit erkennbar â wohl von den StĂ€dten ausging. Die langfristige Bedeutung lĂ€sst sich daran ablesen, dass sich spĂ€ter verschiedene Theorien ĂŒber die Missionierung entwickelten. Dazu gehört zunĂ€chst die wirkmĂ€chtige Tradition, dass der Apostel Jakobus der Ăltere in der Hispania (was Portugal einschloss) zum Glauben gefĂŒhrt habe; sein Leichnam soll nach dem Jahr 44 auf wunderbare Weise nach Galicien gekommen und in Santiago de Compostela bestattet worden sein. Erste Hinweise hierauf stammen erst aus dem 7./8. Jahrhundert. Weiterhin gibt es Quellen (frĂŒhestens ab dem 6. Jahrhundert) zu sieben apostolischen Boten, beziehungsweise Bischöfen, die von Petrus und Paulus geweiht worden sein sollen, um in Spanien zu missionieren. Damit zusammen hĂ€ngt eine dritte Theorie, wonach der Apostel Paulus zwischen 63 und 67 in Spanien die Frohe Botschaft gepredigt habe (Gams 1862: 1 â 227; Herbers 2011 e: 10).
Diese Traditionen wurden spĂ€ter bedeutend, weil sie die apostolischen AnfĂ€nge der eigenen christlichen Geschichte betonten. Trotzdem ist eher zu vermuten, dass das Christentum durch Soldaten und Kaufleute in die StĂ€dte getragen wurde, von denen einzelne schon in der Unterschriftsliste des Konzils von Elvira (bei Granada) (295 â 314) zu Beginn des 4. Jahrhunderts erscheinen (Reichert 1990: 24 f.). Fest steht letztlich nur, dass zu Beginn des 3. Jahrhunderts groĂe Teile der Bevölkerung auf der Iberischen Halbinsel zum Christentum bekehrt waren. So sprach Tertullian (â um 220) im Jahre 202 davon, dass Spanien christlich sei. Die Christianisierung ging in der SpĂ€tantike mit der Romanisierung Hand in Hand.
Verschiedene Theologen dieser frĂŒhen Zeit lassen sich der Iberischen Halbinsel zuordnen, besonders im Norden machten sich aber auch abweichende christliche Glaubensvorstellungen bemerkbar. Ein auch fĂŒr Portugal wichtiges Beispiel ist der aus der Oberschicht stammende Priszillian (â 385), der in den 370er Jahren eine radikal asketische Bewegung begrĂŒndete. Die Synode von Zaragoza verurteilte im Jahre 380 seine Lehren. Dennoch wurde er 380/381 Bischof von Ăvila, aber gleichzeitig der HĂ€resie beschuldigt. Obwohl Priszillian die RĂŒcknahme dieser VorwĂŒrfe erreichte, wurde er schlieĂlich 384 â 385 in Trier gegen den Protest Martins von Tours (â 397) und des Ambrosius von Mailand (â 397) verurteilt und wenig spĂ€ter hingerichtet. Sein Kult verbreitete sich anschlieĂend vor allem in Galicien und in Nordportugal und spielte dort bis zum Ende des 6. Jahrhunderts eine Rolle (Sulpicius Severus: Cronicorum Libri: 46 ff.; Gregor der GroĂe: Dialogi III: 11 â 13; Prinz 1996: 5 â 8); er fĂŒhrte sogar zu einer Polarisierung innerhalb der spanischen Kirche.
2 Gentile Herrschaftsbildungen der Sueben und Westgoten (bis 711)
Mit diesen politischen und kirchlichen Voraussetzungen im politischen und kirchlichen Bereich wurden im 5. Jahrhundert die germanischen gentes (Völker) konfrontiert. Als im Jahre 476 der letzte weströmische Kaiser abgesetzt wurde, gab es auf der Iberischen Halbinsel nur einen gröĂeren Herrschaftsraum, von dem die Quellen Zeugnis ablegen: das Reich der Sueben im Nordwesten der Iberischen Halbinsel, das fast zwei Jahrhunderte (409 â 585) bestand. Die ĂŒbrigen Gebiete waren in dieser Zeit herrschaftlich weniger durchdrungen. Dieses Vakuum sollen die Westgoten ausgefĂŒllt haben, deren iberische Herrschaft meist auf die Jahre 507 â 711 datiert wird. Das Anfangsdatum 507 wird aber weniger durch die innere Geschichte der Iberischen Halbinsel bestimmt, sondern eher durch die westgotische Geschichte. Denn in diesem Jahr unterlagen westgotische Truppen dem frĂ€nkischen Heer Chlodwigs (â 511) in der NĂ€he von Poitiers (VouillĂ©). Damit wurde das schon seit 418 in SĂŒdwestfrankreich bestehende Westgotenreich mit seinem Mittelpunkt in Toulouse weitgehend zerschlagen, und die westgotische Herrschaft verlagerte sich nach und nach auf die Iberische Halbinsel (Giese 2004: 105 und 140 f.).
Vor den Westgoten waren einige weitere gentes wenigstens fĂŒr eine gewisse Zeit im nordportugiesischen Raum bedeutend. Im ausgehenden 4. Jahrhundert hatten Alanen und Wandalen mit Burgundern und Sueben 405/406 den Rhein bei Mainz ĂŒberschritten (Castritius 2007: 58â76; Berndt 2007: 104 â 120). Wandalen und Sueben drangen weiter bis nach Spanien vor, wo vor allem die Sueben im Nordwesten (Galicien-Nordportugal) ein Reich begrĂŒnden konnten. Dort wurden sie von Westgoten immer wieder angegriffen. Wie bei vielen sogenannten Germanenvölkern bleibt die Herkunft der Sueben umstritten, archĂ€ologisch wollte man die Ursprungsgegend einem Fundgebiet an der holsteinischen und mecklenburgischen OstseekĂŒste bis hin zum mittleren Donauraum zuordnen. Bestattungen in Urnenfriedhöfen sind belegt, an der Donau scheinen sogar römische Bauformen rezipiert worden zu sein. Nach der Ăberschreitung des Rheins und der Durchquerung Galliens kam es zur Ansiedlung der Sueben im westlichen Bereich der Iberischen Halbinsel, in den Provinzen der Lusitania und der Gallaecia. Durch Loswurf erhielten die Sueben 411 den Conventus von Braga.
Als wichtigster Historiograph der Suebenzeit gilt Hydatius (â 470), der ein negatives Bild dieses Reiches zeichnete (Hydatius: Continuatio Chronicorum Hieronymianorum). Diese Darstellung wurde lange unhinterfragt ĂŒbernommen und ist erst unlĂ€ngst differenzierten Beurteilungen gewichen. Neben Braga wurden Astorga, Lugo und MĂ©rida (439), 441 sogar Sevilla wichtige Zentren; diese zeitweise groĂe Ausdehnung des Suebenreiches war möglich, weil die Wandalen aus dem SĂŒden weiter nach Afrika zogen.
Staatliche Aufgaben des bis 476 noch bestehenden weströmischen Reiches konnten die Sueben auch deshalb weitgehend ĂŒbernehmen, weil die letzten römischen Garnisonen keine starke Herrschaft mehr ausĂŒbten. Als BegrĂŒnder des Reiches gilt Hermericus (409â438/441); seine Nachfolger Rechica (438â448) und Recharius (448 â 456) betrieben eine erkennbare Expansionspolitik, die sogar die Baetica betraf (441 Eroberung von Sevilla). Die Möglichkeit dazu bot sich aber nur kurz, weil der Druck der Westgoten, die von SĂŒdwestfrankreich aus schon seit der zweiten HĂ€lfte des 5. Jahrhunderts nach Spanien vorstieĂen, zunahm. Die Sueben traten den Westgoten zwar 455 bei Astorga entgegen, waren aber unterlegen. Nach diesem ersten Sieg konnten die Westgoten das Suebenreich jedoch noch nicht bezwingen, vielmehr gewannen die Sueben groĂe Herrschaftsbereiche zurĂŒck und errichteten ein »zweites« suebisches Königreich. Diese Ăra ist in den Quellen nicht mehr gut dokumentiert, weil der HauptgewĂ€hrsmann, Hydatius, 470 starb und weitere Nachrichten ausgesprochen verstreut sind. Trotz einiger bedeutender Herrscherpersönlichkeiten wie Chararich (550â559) und Miro (572 â 582) blieb das zweite Suebenreich in einer prekĂ€ren Situation und erlag schlieĂlich in den Jahren 576â586 den Angriffen des Westgotenkönigs Leovigild (571/572â585/586).
Die verheerenden Kriege fĂŒhrten zu Anarchie, die zeitgenössischen Quellen sprechen von bedauernswerten Zeiten (lacrimabile tempus) und ungezĂŒgelten Wirrnissen (indisciplinata perturbatio) (Thompson 1978: 15â22, »dark age«). AnschlieĂend scheinen die Sueben sich relativ schnell mit der Niederlage abgefunden zu haben, zumal die Strukturen des tĂ€glichen Lebens kaum angetastet wurden. In der Chronik Alfonsâ III. (866â910), die an dieser Stelle auf einer westgotischen Quelle des 7. Jahrhunderts basiert, wird vermerkt, dass der westgotische König Egica seinem Sohn Witiza das Reich der Sueben ĂŒbergeben habe (CrĂłnicas asturianas: 118 f. [Version Rotense u. ad Sebastianum]). Somit scheint ein gewisses Bewusstsein oder die Erinnerung an dieses Reich zumindest bis ins 7. Jahrhundert fortbestanden zu haben.
Schaut man auf die innere Struktur des Reiches, so fĂŒhrten die Sueben wie viele gentile Völkerschaften dieser Zeit Traditionen der römischen Epoche weiter: Sie unterbrachen den Aufbau der kirchlichen Institutionen nicht, sicherten den Fortbestand agrarischer TĂ€tigkeiten im Rahmen der alten königlichen FiskalgĂŒter (fisci) und unterhielten ein Netz an Beziehungen, vor allem nach Byzanz (Claude 1970: 126 â 128; Collins 1983: 21 â 23).
An der Spitze des Reiches stand ein König. Ob ein Erb- oder Wahlprinzip bei der Thronfolge bestimmend war, bleibt unklar; die Erblichkeit scheint in der Familie Hermerichs (â 441) stĂ€rker ausgeprĂ€gt gewesen zu sein, allerdings ist eine Königswahl einmal explizit belegt (Hydatius: Continuatio Chronicorum Hieronymianorum: 29, c. 181). Die Könige residierten in einem Palast und verfĂŒgten ĂŒber einen Schatz, denn die Westgoten behaupteten nach 568, diesen erbeutet zu haben. Als Residenzorte sind Braga, Porto und MĂ©rida belegt; von diesen sticht Braga besonders hervor. Die Könige betrieben auĂerdem MĂŒnzstĂ€tten. Ein nĂ€her gekennzeichneter Adel tritt in den Quellen nicht in Erscheinung, suebische AmtstrĂ€ger werden nicht genannt, so dass am ehesten starke KontinuitĂ€ten zur römischen Tradition angenommen werden können. Vielleicht machte aber auch die relative KleinrĂ€umigkeit des Reiches eine zu starke Parzellierung und Organisation der Herrschaft ĂŒberflĂŒssig.
Die ersten suebischen Könige hatten den christlichen Glauben noch nicht angenommen. König Rechila starb 448 ohne getauft worden zu sein. Wie sehr die arianische Form des Christentums ab etwa 466 an Einfluss gewinnen konnte, ist unsicher. Mit dem beginnenden Ăbertritt der Sueben zum katholischen Glauben (etwa ab der Mitte des 6. Jahrhunderts) mĂŒssen sich auch die Kontakte zwischen Sueben und Romanen verstĂ€rkt haben (SchĂ€ferdiek 1967: 105â136). Wie es zum endgĂŒltigen Umschwung kam, ist nicht ganz klar. Das Klosterbistum San MartĂn de Dumio/Dume grĂŒndete Bischof Martin von Braga (â 580). Sein Lebensweg zeigt, welchen Aktions- und Austauschraum das Mittelmeergebiet damals noch bot. Martin stammte aus Pannonien, unternahm eine Pilgerreise nach PalĂ€stina und wurde dort Mönch. 550 kam er in die iberische Provinz Gallaecia. In Dumio bei Braga stand Martin dem dortigen Klosterbistum als Abt und Bischof vor. Entscheidende Schritte auf dem Weg zum Katholizismus bedeuteten die beiden Konzilien von Braga 561 und 572. Am ersten nahm Martin teil, das zweite leitete er sogar selbst (Orlandis/Ramos-LissĂłn 1981: 77 â 92).
Mit seinem Werk De correctione rusticorum (Â»ĂŒber die Verbesserung der Bauern«) wollte Martin Handreichungen geben, um Heidentum und Irrlehren zu bekĂ€mpfen. Gerichtet war das Buch an den Bischof Polemius von Astorga (â ca. 589); es orientierte sich unter anderem an den Predigten und Sermones des Caesarius von Arles (â 542) und bot in vielen Aspekten ein GrundgerĂŒst katholischer GlaubenssĂ€tze.
Aus der SpĂ€tzeit Martins stammt das sogenannte Parochiale Suevum von 572, ein einzigartiges Dokument, das mit seiner Auflistung die bestehenden BistĂŒmer und Pfarreien dokumentiert (Parochiale Suevum: 413 â 420). Jedoch ist die Echtheit der Quelle â deren frĂŒheste Aufzeichnung aus dem 11. Jahrhundert stammt â umstritten, u. a. weil aus dieser Liste die Rechte einzelner BistĂŒmer und kirchlicher Besitzrechte nach der Reconquista abgeleitet wurden. Insbesondere machte man seit Ende des 11. Jahrhunderts geltend, dass hier die Rechte Lugos, die dieser Ort zu dieser Zeit beanspruchte, in ganz besonderer Art und Weise unterstrichen wurden. Trotzdem dĂŒrften manche Listen der Situation des 6. Jahrhunderts nahekommen und deutlich machen, in welch starkem MaĂe die Christianisierung auch organisatorisch vorangeschritten war.
Neben der entstehenden Parochialstruktur nahmen Mönchtum und Klosterwesen seit dem 6. Jahrhundert einen breiten Aufschwung, vor allem im Gebiet des alten Suebenreiches. Von dem bereits genannten Kloster Dumio erfolgten zahlreiche TochtergrĂŒndungen. Abtbischof von Dumio wurde Martin selbst, als monasterii Dumiensis episcopus bezeichnen ihn die Quellen. Die Akten des ersten Konzils von Braga (561) unterzeichnete er mit Martinus episcopus (Concilios VisigĂłticos e Hispano-Romanos: 65â77, hier 77; vgl. Orlandis/Ramos-LissĂłn 1981: 78). Auf der Iberischen Halbinsel ist die im inselkeltisch-britischen Bereich des FrĂŒhmittelalters verbreitete Institution eines Klosterbistums ansonsten eher selten. Vermutlich ist sie mit bretonischen Wanderern im 5. und 6. Jahrhundert nach Galicien, Asturien und Nordportugal gekommen. Die Vorsteher der Klöster nahmen auch Aufgaben pastoraler Art wahr. Einer der wichtigsten Nachfolger des Martin war Fructuosus, der ebenso wie Martin gemeinsam mit dem Metropolitenamt von Braga â das ihm auf dem zehnten Konzil von Toledo 656 ĂŒbertragen wurde (Concilios VisigĂłticos e Hispano-Romanos: 322 â 324; vgl. O...