Substanz- und verhaltensbezogene Suchtstörungen werden im deutschen Gesundheitsversorgungssystem sowohl im primären Behandlungssektor (Entgiftung, Entzug und Psychotherapie) als auch in der Entwöhnungsphase in der medizinischen Rehabilitation jeweils ambulant oder stationär behandelt. Diese multiprofessionelle und sektorenübergreifende Versorgungslandschaft stellt an die Behandler besondere Herausforderungen bezüglich einer dem einzelnen Patienten angemessenen Interventionsstrategie. Das Buch stellt hierzu übergeordnete Fallkonzeptionen und Heuristiken zur Therapieplanung zur Verfügung und illustriert diese anhand der Fallbeispiele dreier Personen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und Lebensbezügen.
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Yes, you can access Fallkonzeption und Therapieplanung by Wilma Funke, Oliver Bilke-Hentsch, Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Michael Klein in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Psychologie & Sucht in der Psychologie. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.
In der Reihe Sucht: Risiken – Formen – Interventionen sollen alle relevanten Themen im Umfeld der Abhängigkeitsstörungen und suchtnaher Verhaltensstörungen einschließlich der bewährten Behandlungsansätze aufgegriffen werden. Warum hier ein Band »Fallkonzeption und Therapieplanung«, und dies im Track Grundlagen? Gibt es nicht schon genügend Bücher im Rahmen der allgemeinen Psychotherapie oder der medizinischen Rehabilitation, die sich (auch) mit Methoden der Therapieplanung beschäftigen? Und gar die »Fallkonzeption«? Bedarf diese einer eigenständigen Betrachtung? Ergibt sie sich nicht quasi im Verlaufe einer Behandlung von selbst? Sind die therapieschulenspezifischen Störungs- und Behandlungsmodelle nicht die ausreichende Grundlage? Reichen das intuitive Wissen und die Erfahrung des Behandlers nicht aus, um darüber hinausgehend handlungsleitende Bilder von der Situation und Person des Patienten zu entwickeln? Bevor Sie weiterlesen, lieber Leser: Aus meiner Bewertung und Erfahrung heraus stellen eine durchdachte, hypothesenentwickelnde und -testende Therapieplanung sowie eine auf das Individuum bezogene, reflektierte Fallkonzeption von Anfang an Voraussetzungen einer gelingenden Intervention dar und sie ergeben sich nicht wie von alleine im Prozess. So wie sich die Arbeitsbeziehung mit dem Patienten entwickelt und zu gestalten ist, so wird auch die Fallkonzeption, d. h. die Vorstellung davon, wie Probleme sich im Leben des Patienten entwickeln konnten und sie sein Leben beeinflussen, differenzierter und aussagefähiger werden. Daraus lassen sich Notwendigkeiten und Chancen ableiten, wie eine angemessene und für den Patienten ökonomische Intervention aussehen könnte, um eine Behebung seiner Probleme oder eine Verbesserung seiner Lage und Befindlichkeit zu erzielen.
Eine schrittweise sich aus den Bedarfen, Störungsbereichen und Motivationen des Patienten aufbauende Therapieplanung beinhaltet auch, dass wir uns an vielen Stellen des Behandlungsprozesses immer wieder gemeinsam mit dem Patienten vergewissern, ob wir an den vereinbarten Zielen und mit der Absicht der Veränderung dysfunktionalen Erlebens und Verhaltens arbeiten bzw. uns mit dem Aufbau hilfreicher, für den Patienten zielführender Verhaltensweisen beschäftigen. Im Sinne eines test-operate-test-Prozesses (prüfen – handeln – prüfen) können so immer wieder Kurskorrekturen vorgenommen werden, Ziele eventuell angepasst und Hindernisse für das Fortschreiten erkannt und überwunden werden. Einer selektiven und differentiellen Diagnostik mithilfe objektiver, reliabler und valider Instrumente kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Dies erhöht die Sicherheit für Patient und Behandler, gute, belastbare und nachvollziehbare Grundlagen für die Intervention zu schaffen und beizubehalten und deren Ergebnisse im Prozess und zum Abschluss einzuschätzen.
Definition
Rekursives Vorgehen im Prozess durch test – operate – test (Feststellung des Ist-Zustandes – Handlung – Feststellung des Ergebniszustandes) ermöglicht Kurskorrekturen, falls erforderlich.
Auch der Therapeut selbst wird davon profitieren, immer wieder eine eigene interne Reflektion des gemeinsamen Arbeitsprozesses für sich vorzunehmen. Es wird für den Behandler nützlich sein, im Sinne der Orientierung an den Patienteninteressen und am Auftrag, aber auch in der Prüfung und gegebenenfalls Reduzierung der emotionalen Belastung für ihn selbst. Diese besteht – neben der fachlichen Herausforderung, die geeigneten Schritte mit dem Patienten zu planen, umzusetzen und diese zu begleiten – wesentlich auch darin, seine eigenen Gefühle und Empfindungen als wichtige Werkzeuge in der Interaktion mit dem Patienten wahrzunehmen und einzuordnen. Hierbei ist es wichtig, ein Gespür dafür zu behalten, die Befindlichkeit des Patienten und dessen emotionale Lage angemessen zu berücksichtigen, ohne die erforderliche Trennung zwischen eigenen Emotionen und denen des Gegenübers aufzugeben (sogenannte doppelte Emotionsregulierung; s. a. Fiehler, 1990; Witte & Petersen, 2011). Gerade in der Arbeit mit suchtkranken Menschen haben es Behandler immer wieder mit besonderen Herausforderungen zu tun, da hier erneuter Substanzkonsum, »süchtige« beziehungsgestaltende und -beeinflussende Verhaltensweisen beim Patienten und in seinem sozialen Bezugssystem, aber auch die tiefe Not und Verzweiflung von Patienten und Angehörigen angesichts oft scheinbar auswegloser Lebenssituationen einen erheblichen emotionalen Einfluss auf den Behandler ausüben. Einem solchen Einfluss süchtiger Systemdynamiken sind auch Behandler in akzeptierenden Therapiekontexten ausgesetzt, wenn auch mit etwas anderen inhaltlichen Prägungen.
Eine Quelle emotionaler Belastung, Auslastung, manchmal sogar Überforderung für Behandler in psychotherapeutisch orientierten Kontexten besteht u. a. darin, dass der Therapeut zur Realisierung der hochwirksamen unspezifischen Wirkfaktoren einer therapeutischen Intervention (z. B. Empathie, Wertschätzung und Kongruenz/Echtheit; vgl. auch Hadley & Strupp, 1983) einerseits in der Interaktion mit dem Patienten eine mitempfindende und respektvolle Haltung umsetzen muss. Dabei darf er andererseits den Blick für die Verstrickungen und Hemmnisse beim Patienten nicht verlieren und insbesondere die eigene emotionale Beteiligung bei auch für den Therapeuten relevanten Lebensthemen in die Arbeitsbeziehung nicht ungünstig einfließen lassen. Diese besondere Thematik des Schutzes vor Überlastung und Burn out des Therapeuten wird noch verschiedentlich in diesem Buch besprochen. Eine unterstützende Fallkonzeption und Sicherheit gebende Therapieplanung sowie ein kontinuierlich begleitender Evaluationsprozess sind wichtige Faktoren zum Schutz des Therapeuten und damit letztlich auch zum Schutz des Patienten. Wenn wir therapeutisch arbeiten, wird erfahrungsgemäß etwa ein Viertel der Arbeitszeit auf diese vorbereitenden und nachbereitenden Inhalte entfallen (auch im Sinne eines briefings bzw. debriefings für den Therapeuten). Daher sollten Personalberechnungen in Institutionen oder Sollstellen- und Wirtschaftsplänen immer auch diese Aspekte der therapeutischen Arbeit mit veranschlagen, um eine fachlich qualifizierte Behandlung sicherstellen zu können sowie die Psychohygiene der Mitarbeiter bzw. der Behandler ausreichend zu unterstützen.
Merke
Vor- und Nachbereitung einer therapeutischen Arbeit als »Rüstzeiten« dienen der Verlaufskontrolle und der Burnout-Prophylaxe und damit der Qualität. Sie brauchen (Arbeits-)Zeit.
Therapieplanung und Fallkonzeption erfordern je nach therapeutischer Ausrichtung verschiedene Blickwinkel, und ihre Passungen für Patient und Problem sind entscheidende Voraussetzungen zu jedem Zeitpunkt einer erfolgversprechenden therapeutischen Herangehensweise. Diese Faszination und Wertschätzung für die Bedeutung eines übergeordneten Rationalen und einer stützenden Struktur für jede therapeutische Arbeit mit einem Patienten, gleichzeitig aber auch deren Potential für eine gesunde, professionelle Haltung des Behandlers wird sich als roter Faden durch die inhaltlichen Darstellungen ziehen.
1.1 Fallkonzeption und Therapieplanung als Orientierung
Die hier verwendeten Fallbeispiele, die der Illustration dienen, werden Ihnen, wenn Sie im Suchtbereich arbeiten, sicher in ihren Konstellationen vertraut vorkommen. Es wird so vorgegangen, dass zunächst die im Überweisungskontext auftretenden Informationen gegeben werden, gefolgt von weiteren Informationen im Verlauf einer sich entwickelnden Interventionskette. So begegnen wir im weiteren Text den Patienten »wie im richtigen Leben« eines Behandlers. Allmählich werden Informationen, Fakten und Erfahrungen im Behandlungsprozess hinzukommen. In diesem Maße werden sich auch Fallkonzeption und Therapieplanung Schritt für Schritt entwickeln und verändern. Ihre gegenseitige Beeinflussung und Bedeutung füreinander kann damit besser deutlich gemacht werden (
Anhang zur Vorgeschichte der Patienten).
Als ersten Patienten möchte ich Ulli vorstellen. Er war 24 Jahre alt und hatte bereits zwei stationäre Entwöhnungsbehandlungen absolviert, als er in die Suchtberatungsstelle seines Wohnortes kommt. Nun sitzt Ulli in der offenen Sprechstunde der Suchtberatungsstelle in O. der Beraterin gegenüber und weiß selbst nicht so genau, was er ihr sagen soll. Es geht ihm nicht so gut in den letzten Wochen, er hat in seinen Augen aber schon endlose Therapien hinter sich (zwei stationäre Entwöhnungsbehandlungen in den letzten zwei Jahren) und meint, er solle es eigentlich wissen, worauf es nun ankomme. Allerdings befürchtet er, dass er die Kraft nicht dauerhaft aufbringen können wird, durchzuhalten. Durchhalten heißt für Ulli, keinen Rückfall mehr zu haben. Nach der ersten stationären Therapie war er quasi schon auf der Heimfahrt rückfällig geworden, wie er auf Nachfrage, verbunden mit viel Selbstanklage, wortreich mitteilt. Damals habe er die empfohlene Adaptionsmaßnahme nicht annehmen wollen, war wieder ins Elternhaus zurückgekehrt und hatte bereits Stoff auf der Heimfahrt angeboten bekommen, gekauft und dann am ersten Abend zuhause konsumiert. Beim letzten Mal habe er im Anschluss an die stationäre Maßnahme die Adaption durchgeführt und darüber einen befristeten Arbeitsplatz aus dem Praktikum heraus erhalten. Dieser stehe jetzt auf dem Spiel, da er schon ein paar Mal krank gefeiert habe und es langsam kritisch würde. Er sei zwar noch nicht rückfällig, habe noch nicht konsumiert und auch keinen Stoff direkt verfügbar, erlebe jedoch immer wieder Suchtdruck, vor allem abends, wenn er alleine in seiner Wohnung sitze und über seine Situation nachgrüble. Ein Freund von ihm, den er in der Adaption kennen gelernt habe und mit dem er losen Kontakt in der neuen Umgebung hält, habe ihm jetzt dringend geraten, sich Hilfe zu holen.
Der erste Kontakt mit dem Patienten bietet bereits eine Fülle an Informationen über ihn und seine Motivationen und Überzeugungen an. Bevor eine konkretere Faktensammlung erfolgt, macht es in den meisten Situationen sehr viel Sinn, etwas mehr Zeit für die aktuelle Befindlichkeit und die Wünsche des Patienten aufzubringen. Dies wird in der Regel auch eine Milderung der negativen Befindlichkeiten als erste Zielsetzung umfassen, teilweise schon sogar mit anstoßen. So schlägt Kanfer in seinem 7-Phasenmodell (
Kap. 2.1.; Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 2012) vor, gerade in den Beginn einer therapeutischen Arbeitsbeziehung bereits entlastende Aspekte bewusst mit einzubeziehen sowie unmittelbare Erfahrungen, die die Selbstwirksamkeitserwartung und die Hoffnung auf Veränderung beim Patienten positiv beeinflussen. Es wird im Fall von Ulli wahrscheinlich sinnvoll sein, ihn zunächst bei der Suche nach Hilfe zu unterstützen. Wertschätzung gegenüber dem, was er in der letzten Zeit geleistet hat – die erneute Behandlung und Adaption erfolgreich abzuschließen, einen Arbeitsplatz zu bekommen und die Signale rechtzeitig aufzugreifen, dass es Schwierigkeiten geben könnte diesbezüglich – steht neben der Empathie für die Sorge und die Angst davor, das Erreichte wieder zu verlieren. Ulli benennt selbst die Rückfallangst als ein Zeichen seiner aktuellen Überforderung mit der Situation. Aus dieser anfänglichen Interaktion ergeben sich erste Veränderungsziele, zu deren Konkretisierung der Therapeut im Sinne der Unterstützung und Entlastung für den Patienten z. B. folgende Vorgehensweisen vorschlägt: Wie kann Ulli sich Klarheit verschaffen über die Situation am Arbeitsplatz (erkannte Bedrohung ist nur halb so kritisch wie vage Befürchtungen), welche Ressourcen stehen ihm zur Verfügung, um die Situation dort gut zu bewältigen und was steht dem entgegen. Wie können die Hindernisse angegangen werden, welche Vorschläge hierfür hat der Therapeut, welche Schwierigkeiten hat der Patient bei deren Umsetzung zu erwarten, gibt es Alternativen? Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Angst vor dem Rückfall. Was fehlt Ulli hier, wie kann kurzfristig ein schützender Umgang damit gefunden werden, wer kann Ulli in seinem Alltag dabei helfen (wie sieht sein derzeit verfügbares, unterstützendes soziales Netzwerk aus)? Wie hat er selber solche Risikosituationen bislang gemeistert (Rückgriff auf bereits erfahrene erfolgreiche Bewältigungen)? Könnte eine medikamentöse Unterstützung hilfreich sein in der akuten Krisensituation? Hierzu wäre die Expertise und Begleitung durch einen möglichst in der Suchtbehandlung erfahrenen ärztlichen Kollegen bzw. Facharzt nötig.
Im Dienste der Beziehungsentwicklung steht auch die frühzeitige Rollenklärung für Patient und Therapeut. Letzterer wird zu Beginn bestenfalls sein Repertoire in der Unterstützung des Patienten für dessen Problemlösung klar definieren, aktiver in der Beziehungsgestaltung Verantwortung übernehmen und dem Patienten die Erfahrung vermitteln, dass er erstens über Kompetenzen und die Bereitschaft verfügt, ihn zu unterstützen, und zweitens seine Loyalität im Sinne der Erreichung von Veränderungen verdeutlichen. Dies bedeutet, sich als Therapeut schon sehr frühzeitig im klaren zu sein, ob ich mit diesem Patienten voraussichtlich erfolgreich werde arbeiten können, weil ich sowohl Interventionen zur Verfügung habe, die dem Patienten bei der Veränderung helfen können, als auch eine erste Idee von der Person des Patienten sich soweit herauskristallisiert hat, dass ich Hilfe sowohl anbieten kann als auch, dass diese – zunächst ganz allgemein – angenommen werden kann. Im Falle von Ulli hat dieser mit seinem Erscheinen in der Suchtberatungsstelle seine grundsätzliche Bereitschaft, Hilfe anzunehmen, gezeigt. Allerdings ist es noch kaum einzuschätzen, zu welchen Veränderungen und damit zu welchem persönlichen Einsatz Ulli bereit ist oder sich in der Lage sieht. Wir wissen zu diesem frühen Zeitpunkt der Zusammenarbeit, dass Ulli bereits ausgeprägte Behandlungserfahrung mit Mißerfolgen und (Teil-)Erfolgen hat, sowie einen hohen Leistungsanspruch dahingehend, das umzusetzen, was er sich vorgenommen hat und dass er sich am Rande des Scheiterns sieht. Er hat mit der Adaptionsmaßnahme für sich einen Weg gewählt, sich auf (erwachsene) eigene Füße zu stellen. Er möchte Abstinenz aufrecht erhalten. Die Loslösung vom Elternhaus in Richtung Verselbständigung ist in ersten Schritten geglückt. Nach anfänglich erfolgreichen Umsetzungen (und der möglichweise etwas euphorischen Sicht der Möglichkeiten) hat ihn der raue Alltag nun eingeholt.
Merke
Die Zusammenarbeit beginnt mit der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen, wozu auch die Rollenklärung gehört.
Immer wieder kommen Menschen im Laufe ihres oft jahrelang andauernden Rekonvaleszenzprozesses in der Bewältigung einer so komplexen Störung wie der Suchterkrankung in solchen äußerlichen Selbstwertkrisen ins Hilfesystem zurück. Dies ist zunächst ein gutes Zeichen, belegt es doch, dass die bisherige Unterstützung angenommen und als hilfreich bewertet wurde. So kann ein Transfer aus den vorherigen, (teil-)erfolgreichen therapeutischen Erfahrungen in die aktuelle Situation erfolgen (nicht von ganz vorne anfangen müssen – auch nicht nach erneutem Konsum). Andererseits werden hier niedrigschwellige Angebote benötigt, die ein Wiederaufsuchen von spezifischer Hilfe nicht als Scheitern oder Rückschritt markieren und die einen erneuten Substanzkonsum als einen Teil der Störung begreifen können. Außerdem müssen diese Angebote so schnell zur Verfügung stehen, dass aus einer Krise keine Katastrophe entsteht. An dieser Stelle erfüllt auch die Selbsthilfe im Suchtbereich eine ganz wichtige Funktion. Allerdings erreicht sie – wie aus Nachuntersuchungen belegt ist – nur einen kleineren Teil der Behandelten gerade in den ersten Monaten nach Beendigung einer Therapie, in einer Zeit also, in der die Rückfallwahrscheinlichkeit statistisch gesehen am höchsten ist.
In der ersten Fallkonzeption wird das Bild von Ulli deutlich als ein Mensch, der in einer aktuellen Krise steckt, Hoffnungen und Erwartungen an ein Beratungs- oder Behandlungssetting knüpft und auf zahlreiche Ressourcen zurückgreifen kann. Bezüglich der Indikationsstellung geht es nun in erster Linie darum, welche Rahmenbedingungen für Ulli hilfreich sein können und auch realitätsangemessen in der Umsetzung sind.
Nach zwei kurz hintereinander absolvierten stationären Entwöhnungsbehandlungen und dem erfolgreichen Abschluss der Adaptionsmaßnahme verfügt Ulli wahrscheinlich prinzipiell über einiges an Veränderungswissen und wird auch über seine Probleme spre...
Table of contents
Deckblatt
Titel
Copyright
Geleitwort der Reihenherausgeber
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Womit die Reise beginnt
2 Fallkonzeption und Therapieplanung: Die Modelle von Kanfer und Grawe
3 Die sechs Stufen der Fallkonzeption: ein pragmatischer Ansatz
4 Therapieplanung
5 Dokumentation, Evaluation und Supervision therapeutischer Arbeit