Christsein mit Tora und Evangelium
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Christsein mit Tora und Evangelium

BeitrÀge zum Umbau christlicher Theologie im Angesicht Israels

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Christsein mit Tora und Evangelium

BeitrÀge zum Umbau christlicher Theologie im Angesicht Israels

About this book

The link to Judaism is part of the Christian identity. This has consequences in regards to the formulation of Christian theology. The own history & as a German and as a Christian & has to be accepted, traditions are to be checked and updated in such a way, that they serve life & not lastly for "the lives of the others". This is what has been attempted through the interpretation of New Testament texts on central theologian topics. Here, the rigid dogmatic formulas of biblical statements and their Jewish context are being realised. The insights gained through the bible place Christians side by side with Jews whilst respecting remaining differences as part of a solidary partnership.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2014
eBook ISBN
9783170251465
Edition
1
Subtopic
Teologia

II. Christlich-theologische Grundaussagen in RĂŒckbesinnung auf die Bibel verstehen

Der Besprechung einzelner Themen in diesem Teil mĂŒssen einige Überlegungen vorangestellt werden. ZunĂ€chst sei noch einmal herausgestellt, dass das Neue Testament nicht die „eigentlich christliche“ Bibel ist. Die Herstellung und Verbreitung isolierter Neuer Testamente – und gar Neuer Testamente mit Psalmen – halte ich fĂŒr eine Verleitung zum Missbrauch der Bibel. Ohne das Alte Testament hĂ€ngt das Neue Testament in der Luft. Das Alte Testament ist auch nicht bloßes Vorspiel und bloße Vorbereitung fĂŒr das Neue Testament; es bildet vielmehr die Basis. Das mag man sich an einer Binsenweisheit klarmachen. Als die neutestamentlichen Autoren ihre Schriften verfassten, gab es noch kein Neues Testament und sie hatten auch nicht das Bewusstsein, Teile eines Neuen Testamentes zu schreiben, und so gab es fĂŒr sie auch kein „Altes Testament“. Aber sie hatten gleichwohl eine „Bibel“, nĂ€mlich diejenigen Schriften im Judentum ihrer Zeit, die als „heilige Schriften“ im Gebrauch waren. Sie bildeten die selbstverstĂ€ndliche Voraussetzung ihres Schreibens. Auf dieser Grundlage, nur aufgrund ihrer jĂŒdischen Bibel und mit ihr konnten etwa die Evangelisten die Geschichte Jesu als Geschichte des Mitseins Gottes darstellen. Daher gilt: Die jĂŒdische Bibel, die „heilige Schrift“ des Judentums ist der Raum des Evangeliums.156
Weiter sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es zurzeit der Abfassung der neutestamentlichen Schriften – jedenfalls der meisten von ihnen – noch kein „Christentum“ gab, es sich bei ihnen also um von Haus aus jĂŒdische Schriften handelt, die dann ab dem 2. Jahrhundert in einem zunehmend nichtjĂŒdischen Kontext rezipiert wurden.157 Mit dem sozialen Aufstieg des Christentums in der griechisch sprechenden Welt musste das neutestamentliche Zeugnis, dass der eine Gott darin begegnet, was Jesus gesagt, getan und erlitten hat, im Kontext platonischer Ontologie zum Ausdruck gebracht werden. Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass der Begriff „Sein“ bzw. „Wesen“ (ousĂ­a) eine zentrale Rolle spielte. Unter dieser Voraussetzung musste dann Wesensgleichheit von „Vater“ und „Sohn“ ausgesagt werden, sollte zum Ausdruck kommen, dass wirklich Gott in Jesus begegnet. In diesem Denkhorizont wurden in der Alten Kirche die TrinitĂ€tslehre und die Zwei-Naturen-Lehre ausgebildet. Aber platonische Philosophie ist schon lange nicht mehr der uns bestimmende Denkhorizont. Man kann sich in ihn hineinversetzen und versuchen, die Denkbewegungen bei der Formulierung der altkirchlichen Bekenntnisse nachzuvollziehen. Auch das gehört zum Annehmen der eigenen Geschichte – und nicht das besinnungslose Wegwerfen unverstandener Tradition. Aber mĂŒssen wir mit der Brille der in diesem Kontext formulierten Deutung des neutestamentlichen Zeugnisses die biblischen Texte lesen, um im Neuen Testament AnsĂ€tze und Implikationen etwa der TrinitĂ€tslehre finden zu wollen? Oder kĂ€me es nicht vielmehr darauf an, die starr gewordenen dogmatischen Formeln von den biblischen Aussagen her wieder zu verflĂŒssigen, indem wir diese in dem ihnen ursprĂŒnglichen jĂŒdischen Kontext zu verstehen suchen?

§ 5 Neues Testament und dreieiniger Gott: Trinitarisch von Gott reden im Angesicht Israels

1. Einleitendes zur Fragestellung

Die Feststellung, dass es im Neuen Testament keine TrinitĂ€tslehre gibt, wird niemanden ĂŒberraschen. Ebenso klar ist allerdings, dass die Ausbildung dieser Lehre in der Alten Kirche unter Bezug auf das biblische Reden von Gott erfolgte. Diejenigen, die die TrinitĂ€tslehre ausformulierten, wollten damit, wie eben erwĂ€hnt, in ihrem geistigen Kontext, der von griechischer Ontologie und Metaphysik gebildet wurde, das biblische Zeugnis von Gott angemessen zum Zuge bringen. Von daher hat christliches Reden von Gott sein Spezifikum darin, dass es trinitarisch erfolgt. Warum muss das so sein? Muss es wirklich sein? Ist es tatsĂ€chlich biblisch begrĂŒndet oder ĂŒberhaupt biblisch begrĂŒndbar? Ich will nun nicht so vorgehen, dass ich die von den KirchenvĂ€tern beigebrachten Bibelstellen und deren Verwendung durch sie kritisch ĂŒberprĂŒfe. Ich werde schlicht neutestamentliche Texte auslegen, die Gott und Jesus sowie Jesus und den Geist oder auch Gott, Jesus und den Geist in Relation zueinander darstellen und nach dem VerstĂ€ndnis dieser Relationen fragen. Bei der Auslegung werde ich auf den Bezug der Texte auf die jĂŒdische Bibel und ihre Einbindung in den jĂŒdischen Kontext achten.
Zur Orientierung gebe ich vorab meine These: Bei Gott, wie er im christlichen Glaubensbekenntnis bekannt wird, geht es um den in der Bibel bezeugten Gott Israels. Zu diesem Gott stehen wir als Nichtjuden in keiner unmittelbaren Beziehung, sondern in einer durch Jesus vermittelten. Aber auch Jesus als dieser Vermittler ist uns nicht zuhanden, sondern entzogen. Wir sind darauf angewiesen, dass er sich in der geistvollen und geistesgegenwÀrtigen Erinnerung seiner Worte und seiner Geschichte als lebendig erweist. Wir reden also in der Weise trinitarisch, dass wir zum Vater gekommen sind, zu ihm beten in Lob, Dank und Klage durch den Sohn kraft des heiligen Geistes. Diese SÀtze gilt es nun zu entfalten.
Zuvor sei in einem Exkurs dieser Zugangsweise eine ganz andere am Beispiel eines Beitrags von Hans-Joachim Eckstein gegenĂŒbergestellt. Er sucht „die AnfĂ€nge trinitarischer Rede von Gott im Neuen Testament“ (Kyrios, S. 3–33). Bei einer solchen Suche besteht die Gefahr, der Eckstein m.E. auch weithin erlegen ist, dass die in einem völlig anderen Kontext gewonnenen Einsichten der altkirchlichen TrinitĂ€tslehre in die Texte des Neuen Testaments hineingelesen werden. Das zeigt sich am deutlichsten am Gebrauch des Begriffes „Wesen“, wenn etwa zu Johannes 1,1–2 gesagt wird, „der Sohn“ (!) sei „eines Wesens mit dem Vater“ (S. 18), die Bezeichnung Jesu als „Sohn Gottes“ diene der Hervorhebung „der einmaligen Zugehörigkeit zu Gott und der unvergleichlichen Teilhabe an seinem Wesen und seiner Vollmacht“ (S. 17). „Wesen“ oder „Sein“ als mögliche Übersetzungen des griechischen Wortes ousĂ­a sind keine biblischen Begriffe. Im biblischen und mischnischen HebrĂ€isch gibt es dafĂŒr kein Wort. Im Neuen Testament und in der Septuaginta, der vorchristlichen jĂŒdischen Übersetzung der hebrĂ€ischen Bibel ins Griechische, begegnet das Wort ousĂ­a nur je zweimal in der Bedeutung „Habe“, „Vermögen“ (Lukas 15,12.13; Tobit 14,13; 3. MakkabĂ€er 3,28). Außerhalb des Denkhorizontes platonischer Ontologie taugen weder der Begriff „Wesen“ noch der Begriff „Subordination“ bzw. dessen Verneinung fĂŒr das VerhĂ€ltnis von Vater und Sohn dazu, neutestamentliche Texte zu erschließen. Nur wenn man diese dogmatischen Traditionen in sie eintrĂ€gt, kann vom „Bekenntnis zu dem Mensch gewordenen Sohn Gottes“ die Rede sein, „der als der gekreuzigte und von Gott auferweckte Jesus von Nazareth unweigerlich als eine zweite Person im GegenĂŒber zum Vater verstanden wird“ (S. 29). Und nur von daher kann man sie dann auch vom Judentum abheben, weil man jĂŒdisch „nicht von einer zweiten ‚Person‘ in Gott sprechen“ wĂŒrde (S. 12). Nur so gelesen, kann „fĂŒr die alttestamentlich-jĂŒdische Gottesvorstellung [
] Unbegreifliches“ konstatiert werden (S. 6). Und so wird dann auch formuliert, dass „das wahre VerstĂ€ndnis von Christus bei den neutestamentlichen Verfassern nicht von einzelnen alttestamentlich-jĂŒdischen Überlieferungen her begrenzt“ werde, „sondern umgekehrt wird der Reichtum der Tradition gerade von der Vollendung des Offenbarungsprozesses in Christus her [
] verstanden“ (S. 24). DemgegenĂŒber ist festzuhalten: Die jĂŒdische Bibel – und von ihr ausgehende Überlieferungen – bildeten fĂŒr die neutestamentlichen Autoren keine zu ĂŒberschreitende Grenze, sondern sie waren die entscheidende Voraussetzung und Quelle, um sich die Bedeutung Jesu und gerade auch seines Endes, das von außen betrachtet nur als Scheitern wahrgenommen werden konnte, zu erschließen und das Mitsein Gottes mit Jesus bis zu seinem Tod am Kreuz anderen zu bezeugen. Ich stimme Eckstein darin zu, es gehe im Neuen Testament um „die Gewissheit, dass es die Glaubenden ‚in Christus Jesus‘ mit Gott selbst zu tun haben“ (S. 18). Aber diese Gewissheit wird nicht mit der Behauptung gewonnen, dass Jesus „eines Wesens“ mit Gott sei, sondern dass von der Schrift her Gottes Mitsein mit ihm bezeugt wird. Von daher ist auch der Untertitel von Ecksteins Buch zu hinterfragen, insofern er von einer „christologischen Theologie“ spricht. Eine solche Theologie beschreibt Gott von Jesus Christus her und sie wird das tendenziell exklusiv tun. Der heiligen Schrift Alten Testaments kommt dann nur sekundĂ€re Bedeutung zu und das Judentum bleibt theologisch gĂ€nzlich außen vor. Das wird schlaglichtartig daran deutlich, wenn Eckstein zustimmend Gese zitiert: „Das Neue Testament an sich ist unverstĂ€ndlich, das Alte Testament an sich ist mißverstĂ€ndlich“ (S. 13 Anm. 29). Da Juden ihre heilige Schrift selbstverstĂ€ndlich ohne das Neue Testament lesen, heißt das in der Konsequenz, dass sie diese notwendig missverstehen. Da die neutestamentlichen Autoren die Bedeutung Jesu mit ihrer heiligen Schrift herausstellen, diese den Sprachraum bildet, in dem sie sprechen, reden sie, wenn sie von Jesus erzĂ€hlen und ihn verkĂŒndigen, von vornherein von dem in Israel bezeugten und bekannten Gott und ist also ihre „Christologie“ eine dezidiert von der Schrift bestimmte „theologische Christologie“.

2. Das VerhÀltnis Jesu zu Gott

Ich nehme meinen Ausgangspunkt von Johannes 14,1. Dort heißt es in paralleler Formulierung: Glaubt an Gott und glaubt an mich! Diese Aufforderung meint kein Nebeneinander auf unterschiedliche Personen bezogener Glaubensweisen. Wer auf Jesus vertraut, an ihn glaubt, setzt auf den in ihm prĂ€senten Gott Israels. Das sprachliche Nebeneinander des Vertrauens auf Gott und des Vertrauens auf Jesus hat eine biblische Analogie in 2. Mose 14,31. Dort wird vom Volk Israel nach der Erfahrung der Rettung am Schilfmeer gesagt: Und sie glaubten an den Ewigen und an Mose, seinen Knecht. Am Beginn des Verses hieß es: Da sah Israel die starke Hand, was der Ewige an Ägypten getan hatte. Dass sie in dem hier erzĂ€hlten Geschehen „die starke Hand“ Gottes erblickten, ist schon Ausdruck ihres Glaubens. In schier auswegloser Situation hatten sie auf das Wort des Mose als Wort Gottes gehört, durchs Meer zu gehen, und Rettung erfahren. Der Glaube an Mose ist nichts anderes als der Glaube an den durch ihn handelnden Gott.
In der Aufnahme von 2. Mose 14,31 im Midrasch wird das so aufgenommen: „Und sie glaubten an den Ewigen und an Mose, seinen Knecht. Wenn sie an Mose glaubten, um wie viel mehr an den Ewigen. Das ist gekommen, um dich zu lehren, dass alle, die an den treuen Hirten glauben, [so sind,] als ob sie an das Wort dessen glaubten, der sprach, und es ward die Welt. Analog verhĂ€lt es sich bei dem Wort: Und das Volk redete gegen Gott und gegen Mose (4. Mose 21,5). Wenn sie gegen Gott redeten, um wie viel mehr gegen Mose. Aber das ist gekommen, um dich zu lehren, dass alle, die gegen den treuen Hirten reden, [so sind,] als ob sie gegen den reden, der sprach, und es ward die Welt“.158
Diese Erfahrung Israels vom rettenden Glauben steht hinter der doppelten Aufforderung von Johannes 14,1: Glaubt an Gott, und glaubt an mich. Im Blick auf Jesus hat sich die Erfahrung vom rettenden Glauben in dem Bekenntnis verdichtet, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat. Dieses Bekenntnis bezeugt „die starke Hand“ Gottes; sie ließ die Hinrichtung Jesu nicht das Letzte sein, was ĂŒber ihn zu sagen ist. Johannes bezeugt so den Gott Israels als im Kreuzestod Jesu in tiefste Erniedrigung mitgehenden und sie ĂŒberwindenden Gott. An ihm macht sich der Glaube fest; auf ihn wird das Vertrauen gesetzt.
Die Aussage Jesu in Johannes 12,44 bringt das noch pointierter zum Ausdruck: Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich geschickt hat. Es geht nicht um einen isolierten Glauben an Jesus, um eine fĂŒr sich stehende Christologie, sondern um die Wahrnahme des in Jesus prĂ€senten Gottes. Wenn exklusiv zu reden ist, dann nur so, dass sich der auf Jesus blickende Glaube ausschließlich an Gott selbst festmacht, den er hier als wirkend erkennt. Wer an Jesus glaubt, glaubt nicht an ihn, sondern an Gott. Johannes nimmt hier nicht ohne Grund einmal mehr die Botenvorstellung auf, indem Jesus von Gott als dem spricht, der ihn gesandt hat. Der Bote ist nicht identisch mit dem, der ihn sendet; aber in der AusfĂŒhrung des Auftrags steht er an dessen Stelle. Die Unterschiedenheit zwischen dem Boten und dem, der ihn sendet, die Unterschiedenheit zwischen Gott und Jesus, lĂ€sst sich in Johannes 12,44 schlaglichtartig daran verdeutlichen, dass die Aussage dieses Verses schlechterdings nicht umkehrbar ist. Jesus könnte nicht sagen: „Wer an den glaubt, der mich gesandt hat, glaubt nicht an den, der mich gesandt hat, sondern an mich.“ Noch einmal: Es geht bei den Beziehungsaussagen zwischen Gott und Jesus darum herauszustellen, dass auf Gott selbst sein Vertrauen setzt, wer sich auf Jesus einlĂ€sst. Dass, wer an Jesus glaubt, nicht an ihn, sondern an Gott glaubt, ist also keinesfalls darin begrĂŒndet, wie ein Kommentator schrieb, dass „kein wesenhafter Unterschied zwischen ihnen besteht“.159 Johannes spekuliert nicht ĂŒber das „Wesen“.
Das wird gerade auch an der Stelle deutlich, die gerne dafĂŒr angefĂŒhrt wird: Ich und der Vater sind eins (Johannes 10,30).160 So lautet die ĂŒbliche Übersetzung, die dem griechischen Wortlaut folgt. Eine dem Sinn entsprechende Übersetzung mĂŒsste lauten: Ich und der Vater wirken zusammen. Dieser Sinn ergibt sich einmal von einer sprachlich genau entsprechenden Parallele her. In 1. Korinther 3,4–9 stellt Paulus sich und Apollos als Menschen nebeneinander, die in der korinthischen Gemeinde gewirkt haben: Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; Gott aber hat es wachsen lassen. Daher gilt weder, der pflanzt, etwas, noch der, der begießt, sondern der wachsen lĂ€sst: Gott (V. 6–7). Eine genau dem griechischen Wortlaut folgende Übersetzung des anschließenden ersten Satzes von V. 8 mĂŒsste lauten: Wer pflanzt und wer begießt sind eins. So aber formuliert nur die an keiner Stelle Wörtlichkeit scheuende und darum manchmal Unsinn produzierende Elberfelder Übersetzung. Die EinheitsĂŒbersetzung etwa hat an dieser Stelle: Wer pflanzt und wer begießt: beide arbeiten am gleichen Werk. Warum sie in Johannes 10,30 nicht so ĂŒbersetzt, liegt auf der Hand. Aber es handelt sich an beiden Stellen um die identische Formulierung. Auch der Kontext von Johannes 10,30 verlangt den Sinn des gemeinsamen Wirkens. Im unmittelbar Vorangehenden hatte Jesus von den Seinen als solchen gesprochen, die auf seine Stimme hören und denen er Leben gibt, und fuhr dann fort: Und sie gehen nie und nimmer verloren und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Was mein Vater mir gegeben hat, ist grĂ¶ĂŸer als alles, und niemand kann es aus der Hand des Vaters rauben (Johannes 10,28–29). Hier ist es geradezu terminologisch zum Ausdruck gebracht, dass Jesus und der Vater Hand in Hand zusammenarbeiten. Die danach ausgesprochene Einheit ist somit von vornherein als eine funktionale gekennzeichnet, eben als ein gemeinsames Wirken bzw. prĂ€ziser, da mit der Aussage vom Vater, der Jesus gibt, dessen Vorordnung herausgestellt ist: als ein Wirken des Vaters durch Jesus. Der danach von Jesu Gegnern vorgebrachte Vorwurf, er mache sich Gott gleich, gilt als ein MissverstĂ€ndnis. Der Evangelist lĂ€sst es Jesus unter Berufung auf eine Bibelstelle zurĂŒckweisen. Er zitiert als „eure Tora“ die Aussage aus Psalm 82,6: Ich habe gesagt: Götter seid ihr und betont, dass die Schrift doch nicht aufgelöst werden darf. Daran wird deutlich, dass die Formulierung „eure Tora“ keine Distanzierung meinen kann. Aus der zitierten Psalmstelle folgert Jesus: Wenn er jen...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. I. Die eigene Geschichte annehmen
  6. II. Christlich-theologische Grundaussagen in RĂŒckbesinnung auf die Bibel verstehen
  7. III. Solidarische Partnerschaft mit Israel/Judentum gestalten
  8. Literaturverzeichnis
  9. Stellenregister