Das Gesundheitswesen hat einerseits hohe Bedeutung für die Bürger und Patienten, andererseits ist es ein zunehmend bedeutsamer Wirtschaftsfaktor. Häufige Reformen und vielfältige Berichterstattung lassen den Eindruck entstehen, dass eine rationale Steuerung der gesundheitlichen Versorgung kaum noch gelingen kann. Die Autoren des Buches machen die zentralen Mechanismen des Gesundheitssystems transparent und stellen ein Handwerkszeug für das Verständnis des Funktionierens der Gesundheitsversorgung vor.
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Das Gesundheitswesen in entwickelten Ländern basiert wesentlich auf einem Krankenversicherungsschutz und einem sich daraus ableitenden Anspruch auf Zugang zu gesundheitlichen Leistungen oder deren Erstattung. Dieses Zusammenspiel von Beitragszahlung und Leistungsanspruch wird oftmals gegenübergestellt als die Einnahmenseite und Ausgabenseite des Gesundheitswesens. Die Einnahmenseite behandelt somit Aspekte der Mittelerhebung. In Deutschland ist die Mittelerhebung geprägt durch die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen und deren Verteilung auf (gesetzliche) Krankenkassen. Die Ausgabenseite behandelt wiederum die Verteilung der Mittel von den (gesetzlichen) Krankenkassen an die Leistungserbringer, also insbesondere Vertragsärzte und Krankenhäuser. Weitere Leistungsbereiche sind ambulant verschriebene Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel und auch Leistungen der Prävention oder Rehabilitation.
Diese Gliederung in Einnahmen und Ausgaben hilft beim Verständnis der Zusammenhänge im deutschen Gesundheitssystem und soll in diesem Buch beibehalten werden. Mithin behandelt der nachfolgende Teil 1 die Frage, wie finanzielle Mittel in das Gesundheitssystem hinein gelangen und wie sie auf Krankenkassen verteilt werden.
1.1 Grundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung
Krankenversicherungsschutz bedeutet in Deutschland für den weitaus überwiegenden Teil der Bevölkerung (88%; Jahr 2014) eine Absicherung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) als Pflichtversicherter, freiwillig Versicherter oder als beitragsfrei mitversicherter Familienangehöriger. In Deutschland sind die Prinzipien der GKV im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) ausformuliert. Das SGB V gilt zunächst nur für die GKV und in weiten Teilen nicht für die private Krankenversicherung (PKV). Die PKV weist abweichende Prinzipien, abweichende Gesetzesregelungen und somit auch abweichende Verpflichtungen und Rechte für den Versicherten, die Versicherung und teilweise auch Ärzte auf. Die Grundsätze der PKV werden gesondert dargestellt in Kapitel 1.2.
Einigen Prinzipien der GKV wird grundsätzlicher Charakter zuerkannt. Diese Prinzipien haben sich meist über Jahrzehnte hinweg herausgebildet und sind mehr oder weniger präzise in Gesetzen hinterlegt oder gelten in der Bevölkerung beinahe als eine Art Gewohnheitsrecht, bei dem sich viele Bürger und Wähler eine grundsätzliche Abänderung überhaupt nicht mehr vorstellen können.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass historische Festlegungen unveränderbar sind oder den Charakter von Vorgaben aus dem Grundgesetz haben. Auch Eigenheiten der GKV, die vielen Bürgern heute als selbstverständlich vorkommen, sind änderbar. Die Diskussion vor der Bundestagswahl 2005 um eine Abschaffung von einkommensabhängigen Beiträgen oder die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern ohne Einkommen haben dies gezeigt (BMAS 2003).
Wichtigste grundsätzliche Vorgabe im Grundgesetz ist das Sozialstaatsgebot in Art. 20 Abs. 1 GG, nach dem die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. In Verbindung mit dem Verweis auf einen »sozialen Rechtsstaat« (Art. 28 Abs. 1 GG) wird aus der Verfassung ein Sozialstaatsgebot herausgebildet. Doch gilt das Grundgesetz auch für die PKV und die dort Versicherten. Demnach wäre auch eine Ausweitung der PKV und ihrer Prinzipien auf alle Bürger mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine Zementierung der gegenwärtigen (sozialen) Errungenschaften der GKV aus dem Grundgesetz als Ewigkeitsgarantie abzuleiten, wäre sicher falsch.
Recht prominent wird bereits in § 1 SGB V auf die Solidargemeinschaft der GKV hingewiesen. Die GKV hat innerhalb dieser solidarischen Ausgestaltung zudem den Auftrag, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen bzw. ihren Gesundheitszustand zu bessern. Explizit wird darauf verwiesen, dass auch die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind.
Als Aufgabe der Krankenkassen sieht § 1 SGB V zudem Aufklärung, Beratung und Leistungsfinanzierung für die Versicherten sowie ein Hinwirken auf gesunde Lebensverhältnisse. Solidargemeinschaft bedeutet mithin, dass nicht jeder Bürger allein für seine Gesundheitsversorgung aufkommt, sondern in Beitragsgestaltung und Inanspruchnahme auf eine gegenseitige Hilfe als Rechtsanspruch (und nicht als Almosen oder willkürliche Entscheidung) vertrauen kann. Das Solidarprinzip kann in einer Krankenversicherung auch abweichend von den Prinzipien der GKV ausgestaltet werden. In der PKV gilt grundsätzlich das Äquivalenzprinzip, welches besagt, dass die Beitragshöhe sich an den zu erwartenden Leistungsinanspruchnahmen (also dem Risiko) ausrichtet. Auch hier besteht eine Solidarität innerhalb einer Versichertengemeinschaft, jedoch auf einer anderen Grundlage.
1.1.1 Versichertenkreis
Der Versichertenkreis der GKV gliedert sich in Pflichtmitglieder, freiwillige Mitglieder und (beitragsfrei) Familienversicherte. Die gesetzlichen Grundlagen für die Möglichkeiten der Versicherung finden sich in § 5 bis § 10 SGB V. Bedeutsame Ausnahmen der Versicherungspflicht in der GKV gelten für mehrere Personengruppen (Details zu den Regelungen finden sich im SGB V, jedoch auch in der Informationsbroschüre des BMG [2013]):
• Arbeiter und Angestellte mit Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze (Versicherungspflichtgrenze). Diese Mitglieder mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze können (müssen aber nicht) in die PKV wechseln.
• Beamte, Richter, Soldaten und Gleichgestellte (Gleichgestellte sind etwa Lehrer an Privatschulen, Geistliche).
• Selbstständige, auch wenn ihr Einkommen nicht oberhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt.
• Minijobber mit einem Einkommen von höchstens 450 Euro pro Monat (Stand 2014).
Diese Ausnahmen von der Versicherungspflicht in der GKV sind weder durchweg rational aus der ökonomischen Theorie heraus zu erklären, noch folgen sie einem durchgängigen Muster. Vielmehr entwickelten sich die Ausnahmen aus historisch bedingten Sonderregelungen, politischen Steuerungswünschen und auch Finanzierungsengpässen. Unter dem Begriff der Bürgerversicherung wird diskutiert, für sämtliche Bevölkerungsgruppen einen einheitlichen Versicherungsrahmen zu setzen (
Kap. 1.4.2).
Historisch bedingt wurde in den Anfängen der Krankenversicherung nur für Arbeiter und Personen mit geringen Einkommen ein Schutz vorgesehen, da diese gesellschaftlichen Gruppen im Krankheitsfall sehr viel eher von finanzieller Überlastung (insbesondere durch Lohnausfall) bedroht waren als Bezieher hoher Einkommen (eine ausführliche Geschichte der Krankenversicherung findet sich z. B. bei Simon 2013). Da der Staat in den frühen Anfängen der Krankenversicherung Bezieher hoher Einkommen aussparte, haben sich private Versicherungsunternehmen dieser Personengruppe angenommen. Die PKV deckte somit eine Lücke ab, welche die GKV in ihren Anfangsjahren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts offen gelassen hatte. Die sich daraus ergebenden Probleme des Übergangs zwischen gesetzlicher und privater Absicherung, der gezielten Selektion von günstigen Risikogruppen (bzw. der Abweisung von ungünstigen Risiken) etc. waren damals weder bekannt noch wurden sie problematisiert. Das Bewusstsein für die politischen und auch gesundheitsökonomischen Probleme einer Teilung des Versicherungsschutzes in der Bevölkerung entwickelte sich erst, seitdem Gesundheitsversorgung ein bedeutsamer Wirtschaftsfaktor mit erheblichem Einfluss auf Wettbewerbsfähigkeit, Lohnkosten und Einkommen geworden ist.
Die Ausnahmen von der Versicherungspflicht in der GKV werden politisch und ökonomisch unterschiedlich bewertet. Die Sonderstellung von Beamten ist wesentlich dem Konstrukt der Beihilfe geschuldet. Die Beihilferegelung sieht vor, dass Beamte vom Staat (dem Dienstherrn) über eine teilweise Erstattung der Kosten einer Arztrechnung (bzw. anderweitiger Inanspruchnahmen) unterstützt werden. Beihilfe kann somit als Äquivalent zum Arbeitgeberbeitrag bei abhängig Beschäftigten interpretiert werden. Der Unterschied besteht wesentlich darin, dass Beihilfezahlungen für den Dienstherrn nur bei konkreter Inanspruchnahme von Leistungen anfallen, ein Arbeitgeberbeitrag jedoch einkommensabhängig Monat für Monat unabhängig von tatsächlichen Inanspruchnahmen. Beamte schließen eine Krankenversicherung nur über den prozentualen Anteil an Leistungsrechnungen ab, den ihr Dienstherr nicht über die Beihilfe abdeckt. Diese Krankenversicherungen für Beamte werden derzeit ausschließlich über die PKV und nicht über die GKV angeboten.
Beispiel
Übernimmt der Dienstherr über die Beihilfe 70% des Betrags der Arztrechnungen seiner Beamten, schließt der Beamte eine Versicherung bei der PKV ab, die standardmäßig jeweils die restlichen 30% des Betrags der Arztrechnungen übernimmt. Insgesamt hat der Beamte dann wie ein abhängig Beschäftigter einen Schutz von 100%. Die Angebote der PKV für Beamte sind auf diese Konstruktion bereits ausgerichtet.
Möchte sich ein Beamter hingegen vollständig in der GKV versichern, muss er sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberbeitrag selbst tragen. Dies ist nahezu immer finanziell ungünstiger als der Abschluss einer Versicherung in der PKV über die nicht von der Beihilfe abgedeckten Kosten. Aus wettbewerblicher Sicht sinnvoller wäre es, wenn Beamte vom Dienstherrn zumindest ein Wahlrecht erhielten zwischen Beihilfe und den für Arbeitnehmer üblichen Arbeitgeberbeiträgen. Faktisch stellen Beamte derzeit eine Gruppe dar, die sich ohne Wettbewerbsmöglichkeiten in der PKV versichern.
Hintergrund: Weshalb wird das Beihilfesystem nicht abgeschafft?
Offenbar sind derzeit Beihilfezahlungen, die nur fällig werden, sofern der Beamte tatsächlich zum Arzt geht, für Dienstherrn (noch) günstiger als die auch ohne Leistungsinanspruchnahme fälligen Arbeitgeberbeiträge. Es kann vermutet werden, dass hierin, neben den oftmals betonten »hergebrachten Grundsätze[n] des Berufsbeamtentums« (Art. 33 Abs. 5 GG), ein wesentlicher Grund für die Sonderstellung der Beamten liegt. Werden in naher Zukunft Beamte ebenso überaltern wie der Rest der Gesellschaft, kann vermutet werden, dass für den Dienstherrn die Entrichtung von Arbeitgeberbeiträgen günstiger wird als die Beibehaltung der Beihilfe. Über erweiterte Wahlmöglichkeiten für Beamte wird dann sicher nochmals eine politische Diskussion erfolgen.
Dass Bezieher von Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze ebenfalls nicht der Versicherungspflicht in der GKV unterliegen, kann besonders kritisiert werden. Es handelt sich bei dieser Personengruppe in der Tendenz um »gute Risiken«, also Mitglieder mit hohen Beitragszahlungen bis zur Beitragsbemessungsgrenze und vergleichsweise geringen Leistungsinanspruchnahmen. Ihre Abwanderung von der GKV in die PKV schwächt somit das Solidarprinzip in der Krankenversicherung.
Überschreitet das beitragspflichtige Einkommen die Versicherungspflichtgrenze, ändert sich für das gesetzlich versicherte Mitglied zunächst nichts, das Mitglied kann also durchaus in der gesetzlichen Krankenversicherung verbleiben. Lediglich der Status innerhalb der Krankenkasse ändert sich von Pflichtmitglied auf Freiwilliges Mitglied. Auch für die mitversicherten Familienangehörigen ändert sich nichts.
Ebenso wie für Bezieher hoher Einkommen gibt es auch eine Sonderstellung für Selbstständige. In der Historie handelte es sich dabei eher um gut situierte und zahlenmäßig begrenzte Gruppen der Gesellschaft. Zunehmend, insbesondere seit den 1980er Jahren, wurde Selbstständigkeit jedoch als Alternative zu einer angestellten Tätigkeit gesehen, die auch genutzt wurde, um höhere Flexibilität gegenüber einem Angestelltendasein zu bekommen. Unter anderem konnte Selbstständigkeit auch gewählt werden, um aus der gesetzlichen in die private Krankenkasse zu wechseln. Dies ist allerdings eine Verzerrung der Anreize, denn die Rahmenbedingungen für eine Berufstätigkeit sollten sich nicht nach dem Krankenversicherungsschutz richten, sondern nach der Produktivität.
Neben der freien Wahl des Krankenversicherungssystems besteht für Selbstständige (und auch freiwillig Versicherte) die Besonderheit, dass sie im Gegensatz zu Angestellten sämtliche Einkommensbestandteile offenlegen müssen und diese sämtlich der Beitragspflicht unterworfen sind. Dazu wird in der Regel von der gesetzlichen Krankenkasse vom Mitglied eine Einkommensteuererklärung verlangt, aus der das sozialversicherungspflichtige Einkommen hervorgeht. Auch diese Regelung kann dazu führen, dass Selbstständige eher in die PKV abwandern, da sie eine Offenlegung ihrer Einkommensteuererklärung gegenüber der Krankenversicherung ablehnen. In der PKV richten sich die Beiträge nach dem Risiko, eine Offenlegung der Einkünfte erfolgt nicht.
Für freiwillig Versicherte in der GKV ist die Pflicht zur Verbeitragun...
Table of contents
Deckblatt
Titelseite
Impressum
Inhalt
Geleitwort zur Reihe
Die Autoren
Vorwort
1 Finanzierung von Krankenversicherungsleistungen
2 Steuerung von Gesundheitssystemen
3 Methoden der Gesundheitsökonomie (Kosten-Effektivitäts-Analysen)