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Ambulante und stationäre Palliativpflege
This book is available to read until 5th December, 2025
- 184 pages
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Ambulante und stationäre Palliativpflege
About this book
In diesem Band werden anhand von Fallszenen aus der palliativen Pflegepraxis in Hospiz, Pflegeheim, Krankenhaus und ambulanter Pflege neueste Erkenntnisse vorgestellt und mit unterschiedlichen Komplexitätsniveaus verknüpft. Dabei geht es neben Faktenwissen vor allem um die Entwicklung der Kompetenz, die Betreuung wissensbasiert und fallverstehend praktizieren zu können. Das Buch ermutigt Pflegefachkräfte und kooperierende Berufsgruppen zur Ausbalancierung fachlich fundierter und individuell passender Lösungen.
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Information
II Fälle
In den folgenden sechs Falldarstellungen werden die Geschichten von schwerkranken und sterbenden Menschen erzählt und es wird darüber berichtet, wie die Betreuung und Versorgung erfolgt. Der Behandlungsverlauf eines Patienten oder Bewohners wird über Tage, Monate oder sogar Jahre dargestellt und ist in sich abgeschlossen. Die Betroffenen werden dabei als Menschen in einer existentiellen Krisensituation sichtbar, aber auch die Erkrankungen und der sichtbar werdende Pflegebedarf werden ausgeführt. Auf eine problemorientierte Bearbeitung zielen die Transferaufgaben am Ende eines jeden Kapitels ab. Sie sind als Anregungen für die Diskussion zu verstehen und können um eigene Fragestellungen ergänzt werden.
Manche Fallgeschichten zeigen einen gelungenen Verlauf, andere enden unbefriedigend oder sogar tragisch. Schlüsselszenen bestimmen häufig darüber, wie sich eine Fallgeschichte entwickelt. Oft ist es in solchen Situationen nicht möglich, in Ruhe nachzudenken, um dann zu einer reflektierten Entscheidung zu kommen. Auch werden kommunikative Herausforderungen nicht wahrgenommen bzw. nicht zufriedenstellend bewältigt. Durch Rollenspiele kann dies szenisch dargestellt und nachvollzogen werden. Dadurch lassen sich neue Verhaltensweisen ausprobieren und erfahrbar machen, die in ähnlichen Situationen im eigenen Berufsalltag nutzbar gemacht werden können.


Ebenso sind Recherchearbeiten durch eine Fokussierung auf die eigentlichen Fallgeschichten möglich. Vorhandenes Wissen im Gesundheitswesen ist durch medizintechnologische Entwicklungen schnell überholt, auch rechtliche/ethische Einschätzungen verändern sich mit den Jahren. Deshalb sollte bereits in der Ausbildung der Umgang mit diesem Trend eingeübt werden. Durch das Erarbeiten von zentralen Aspekten einer Fallgeschichte (z. B. »Wie hätte eine Patientenverfügung in diesem Fall aussehen müssen? Was wäre wichtig gewesen?« oder »Was ist eine palliative Sedierung und wie ist sie rechtlich/ethisch zu beurteilen?«) in der Form von Einzel- oder Gruppenarbeit oder über Internetrecherchen in Kleingruppen wird die Fähigkeit zu eigenem, wissenschaftlich fundiertem Arbeiten gefördert.


Die folgenden Fallgeschichten zeigen eine unterschiedliche Komplexität. Dies wird dadurch deutlich, dass die Pflegehandlungen in der Reihenfolge der präsentierten Fälle 1–6 anspruchsvoller und die Interaktionen schwieriger werden, dass die Organisationsstrukturen Einfluss auf die Handlung nehmen und dass darüber hinaus gesellschaftliche Werthaltungen mit ins Geschehen hineinspielen. Manchmal gelingt die professionelle Problembewältigung, die in der Situation angelegt ist – und manchmal nicht. Einen Pflegealltag abzubilden, in dem sich alle Konflikte zum Guten auflösen, ginge an der Realität vorbei. Gleichwohl soll den Lesern durch die Darstellung und Diskussion der Fallgeschichten die Überzeugung vermittelt werden: Pflegende haben entscheidenden Einfluss auf den Ausgang von schwierigen Situationen, wenn sie ihre fachlichen Kompetenzen und den Handlungsspielraum ihrer professionellen Rollen zu nutzen wissen.
2 »Eine frustrierende Erfahrung« – Der Umgang mit Tod und Sterben


Sterben findet – ungeachtet der zu würdigenden Entwicklungen und Leistungen der ambulanten Hospizarbeit und der Pflegedienste – weiterhin meist in den Institutionen Krankenhaus und Pflegeheim statt. Von den Menschen, die beruflich häufig mit Tod und Sterben zu tun haben, wird erwartet, dass sie im Laufe ihrer Berufssozialisation zu Experten im Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen geworden sind. Die Bereitschaft zu einer persönlichen Auseinandersetzung und eine gezielte Vorbereitung durch Fachkräfte mit einschlägiger Expertise und mit langjähriger Erfahrung sind hilfreiche Elemente für die Bewältigung von schwierigen Situationen um Tod und Sterben. Dabei sind insbesondere Pflegefachkräfte gefragt, ihre Expertise zu entwickeln und Auszubildende gut anzuleiten und zu begleiten. Doch gerade die Begleitung von Auszubildenden ist oft nicht optimal und problematische eigene Erfahrungen werden unreflektiert an die jungen Berufsanfänger weitergegeben. In der folgenden Falldarstellung steht die erste Begegnung einer Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege mit dem Tod einer Patientin im Vordergrund. Dabei wird die Diskrepanz aufgezeigt zwischen Zielen der Ausbildung im Unterricht und dem, was sie in der Praxis erlebt.
2.1 Sterben und Tod im Wandel der Zeit
Der Umgang mit Tod und Sterben ist gesellschaftlich heute nicht mehr allen Menschen vertraut. Das war in früheren Zeiten anders. Der Tod fand in der vormodernen Gesellschaft im Kreis der Familie, Nachbarn und Freude auf dem Totenbett im privaten Wohnraum statt und wurde vom sozialen Umfeld miterlebt. Die einzigen »Professionellen«, die Umgang mit den Sterbenden bzw. Toten hatten, waren Schreiner, Totengräber und Pfarrer. Der Tod gehörte zum alltäglichen Leben und es herrschte ein tiefes Einverständnis und eine allgemeine Akzeptanz. Es starb ein »Mitglied« der Gesellschaft und die Angehörigen wurden in ihrer Trauer gestützt. Rituale zum Umgang mit Sterben, Tod und Trauer waren bekannt und wurden praktiziert (vgl. Ariès 1991).


Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert veränderten sich die gesellschaftlichen Lebensbedingungen grundlegend und beeinflussten den Umgang mit Tod und Sterben. Die Menschen wurden durch medizinische Fortschritte/Hygiene älter und die Kindersterblichkeit ging zurück, d. h. der Tod war im Alltag nicht mehr so gegenwärtig wie früher. Die Krankenhäuser wurden zum Ort der Auseinandersetzung mit Krankheit, Tod und Sterben. Mit der allgemeinen Landflucht und dem Zuzug in die Städte ging das Totenbrauchtum zurück. Sterben und Tod waren nicht länger ein soziales Ereignis, sondern wurden in einem Subjektivierungsprozess zu einer Angelegenheit des Individuums. Eine Auseinandersetzung fand häufig nur dann statt, wenn es sich um nahe Angehörige handelte. Verlustschmerz in der Trauerphase wurde in der Öffentlichkeit verborgen. Friedhöfe und Leichenhallen wurden kommerzialisiert und es fand eine Bürokratisierung des Friedhofswesens statt. Berufe im Umgang mit Toten etablierten sich. Tod und Sterben wurden distanziert betrachtet zur Provokation für das aufgeklärte Bewusstsein, denn Autonomie und Individualität wurden nun hoch eingeschätzt.
2.2 Krankenhäuser und Altenpflegeheime als Orte des Sterbens
Seit den 1950er Jahren ist der Tod im Krankhaus bzw. im Altenheim üblich geworden. Durch den Verlust an Öffentlichkeit hat er seinen Status als Alltagsphänomen verloren, sodass der Umgang mit Tod und Sterben nicht mehr eingeübt werden kann und kein üblicher Bestandteil der Sozialisation mehr ist. Die Auslagerung des Todes in die Institutionen Krankenhaus und Altenheim geht einher mit einer sachgemäßen Pflege und Behandlung des Sterbenden unter medizinisch-technischen Erwägungen.

Problematisch wird der Umstand, dass
• die Arbeit von Pflegefachkräften und weiteren Berufsgruppen des Versorgungssystems primär an der Krankheit und/oder Versorgungsbedürftigkeit ausgerichtet ist, ohne dass eine Bezugsperson für die Bewältigungsarbeit des Patienten mit seiner Situation vorhanden ist;
• Angehörige in diesem Kontext als nachrangig wichtig erscheinen und keinen Ort in der Sterbebegleitung haben;
• Begleitung und Gefühle als »Dienstleistung« im Rahmen der regulären Versorgung in betriebswirtschaftlich arbeitenden Institutionen nicht angeboten werden können.


Als zentrale Probleme für Pflegende im Umgang mit Tod und Sterben werden häufig diskutiert:
• In der Ausbildung wird unzureichend auf die Problematik vorbereitet.
• Der Umgang mit Tod und Sterben gehört zur Tradition in der Pflege (z. B. bei den Diakonissen), steht heute aber nicht mehr im Mittelpunkt der beruflichen Identität.
• Personal- und Zeitmangel führt zu Verteilungsproblemen.
• Mit Tod und Sterben sind Schwierigkeiten in der Kooperation unterschiedlicher Berufsgruppen verbunden (Pflege/Medizin).
• Die emotionalen Äußerungen der Sterbenden und der Angehörigen erzeugen Betroffenheit und machen hilflos.
• Die Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit und Todesproblematik kommt auc...
Table of contents
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Inhalt
- Geleitwort
- Vorwort
- I Basics
- II Fälle
- Literatur
- Stichwortverzeichnis