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Kognitive Verhaltenstherapie bei Autismus-Spektrum-Störungen

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Kognitive Verhaltenstherapie bei Autismus-Spektrum-Störungen

About this book

Der Autor fĂŒhrt in die kognitive Verhaltenstherapie ein und erlĂ€utert ihre Bedeutung fĂŒr die Behandlung von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen. Dabei wird auf die Lern- und Therapiemethoden eingegangen und erklĂ€rt, wie diese in der Praxis angewendet werden können. So erhalten beispielsweise die Eltern von Kindern mit herausforderndem Verhalten Tipps, wie sie ihr Kind besser verstehen, Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie in konkreten Situationen anwenden und schwierige Situationen von vornherein vermeiden können. DarĂŒber hinaus wird ein mögliches Vorgehen bei Angststörungen vorgestellt und darauf eingegangen, wie Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen soziale Kompetenzen erlernen können.

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Information

 
 
 
 
 

1          Entwicklung eines wissenschaftlichen Therapieansatzes: Kognitive Verhaltenstherapie

 
Verhaltenstherapie hat sich im spĂ€ten 20. Jahrhundert als Antwort auf die damals vorherrschende Psychoanalyse nach Freud entwickelt. Diese betonte bewusste und unbewusste VorgĂ€nge und damit schwer oder gar nicht messbares Verhalten. Der Behaviorismus (abgeleitet vom englischen Begriff behavior = Verhalten) entwickelte eine wissenschaftlich fundierte Richtung der Psychologie, die sich auf beobachtbares und messbares Verhalten stĂŒtzt. Anfangs ignorierten die Behavioristen deshalb kognitive Denkprozesse, da diese nicht direkt beobachtbar und daher schwer messbar sind. Sie gingen davon aus, dass Verhalten allein durch Konditionierung gelernt wird, die durch Interaktion mit der Umwelt auftritt. Diese geschieht durch Reize, die wiederum Reaktionen hervorrufen, die entweder verstĂ€rkt oder bestraft werden.
Jahrelang sprachen Behavioristen nicht ĂŒber Gedanken oder Emotionen, da diese nicht objektiv messbar sind. Viele der frĂŒhen Lernexperimente wurden mit Tieren durchgefĂŒhrt. Dabei wurden die Ergebnisse zunĂ€chst besonders auf nicht-sprechende Individuen mit schweren Entwicklungsstörungen ĂŒbertragen. SpĂ€ter begannen Verhaltenstherapeuten auch mit Menschen zu arbeiten, die sprechen konnten und die damit ĂŒber ihre Interpretation der Umwelt berichten können. Sie wandten einen kognitiven verhaltenstherapeutischen Ansatz an, der sich auf Konzepte der Kognitionspsychologie wie Denken, Entscheidungsfindung, Sprache und Problemlösung konzentriert. Dieser Ansatz ignoriert die mentalen Prozesse nicht mehr, sondern beachtet, wie diese VerĂ€nderungen das direkt beobachtbare Verhalten beeinflussen.
Wenn man einem Kind zum Beispiel beibringt, dass jemand, der es Ă€rgert, nur einen Spaß macht und sich danach sein Verhalten gegenĂŒber der Person, die es Ă€rgerte, Ă€ndert, es etwa weniger schlĂ€gt oder schreit, kann man das Verhalten als Ergebnis einer kognitiven Intervention messen. Solange eine kognitive Intervention zu messbaren VerĂ€nderungen im Verhalten fĂŒhrt, handelt es sich um einen wissenschaftlichen Ansatz.
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) basiert auf der Annahme, dass das Denken ĂŒber sich und die Umwelt eine ursĂ€chliche Rolle fĂŒr emotionale Reaktionen spielt. Diese fĂŒhren dann zu verĂ€ndertem Verhalten in Alltagssituationen. Autoren wie Beck, Ellis, Burns, Barlow und andere entwickelten KVT-Verfahren zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen. Hierbei lernen Betroffene ihr Denken ĂŒber Ereignisse so zu verĂ€ndern, dass eine VerĂ€nderung der depressiven oder Ă€ngstlichen Reaktionen erreicht wird. KVT-Verfahren fĂŒr Kinder zielen so auf den Umgang mit Wut, Frustration und Angst ab sowie den Aufbau von sozialen FĂ€higkeiten. Sie wurden spĂ€ter auf Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) ĂŒbertragen (Baker, 2001, 2003, 2005, 2006, 2008, 2013, 2015; Reaven et al., 2011; Durand, 2011; Garcia-Winner, 2007).
 
 
 
 
 

2          SchlĂŒsselelemente kognitiver Verhaltensmodelle

Die folgenden Aspekte mĂŒssen berĂŒcksichtigt werden um Verhalten zu verstehen:

Klassische Konditionierung

Die Klassische Konditionierung betont die Bedeutung des Assoziativen Lernens, bei welchem bestimmte Umweltfaktoren mit einer bestimmten Verhaltensreaktion assoziiert werden. Beispielsweise kann das bloße ErwĂ€hnen eines schriftlichen Tests Frustration hervorrufen, wenn ein Ă€hnlicher Test in der Vergangenheit negative GefĂŒhle ausgelöst hat.
Durch Assoziation können bestimmte Umweltfaktoren eine positive oder negative Reaktion wie Frustration, Angst oder Wut auslösen. SchlĂŒssel zur PrĂ€vention von Verhaltensproblemen ist es, die Auslöser von herausforderndem Verhalten zu verstehen.

Operante Konditionierung

Operantes Konditionieren zeigt die Bedeutung der Konsequenzen eines Verhaltens auf. Wenn auf ein Verhalten eine positive Konsequenz folgt, wird das Verhalten verstĂ€rkt und es ist wahrscheinlicher, dass dieses erneut auftritt. Die Theorie des operanten Konditionierens (d. h. welche Konsequenzen das Verhalten produziert) fĂŒhrt zu einem besseren VerstĂ€ndnis fĂŒr das Auftreten eines Verhaltens und zum Einsatz wirksamer VerstĂ€rker, um erwĂŒnschtes Verhalten ebenso wie auch soziale FĂ€higkeiten zu erhöhen.

Kognitiv-verhaltenstherapeutische AnsÀtze

Kognitive AnsĂ€tze betonen das menschliche Denken und die Interpretation der Umwelt, die Verhalten und emotionale Reaktionen bestimmen. Beispielsweise kann eine schriftliche Hausaufgabe Frustration hervorrufen, sie muss es aber nicht zwangslĂ€ufig. Das ist abhĂ€ngig von der individuellen Wahrnehmung der Hausaufgabe und den eigenen FĂ€higkeiten. Carol Dweck (2006) zeigt, dass kindliche Theorien ĂŒber Intelligenz Einfluss auf den Umgang mit schwierigen Aufgaben und Fehlern haben. Kinder, die Probleme und Fehler als dem Prozess des Lernens zugehörig sehen, sind weniger frustriert als Kinder, die Probleme und Fehler als Zeichen geringer FĂ€higkeit und schwacher Intelligenz betrachten.

Biologische Einflussfaktoren

Kognitiv-verhaltenstherapeutische AnsĂ€tze berĂŒcksichtigen den Einfluss biologischer Faktoren auf das Denken und die Reaktionen auf Umweltauslöser. Beispielsweise können Reaktionen stĂ€rker ausfallen, wenn Kinder MĂŒdigkeit, Hunger oder Schmerz verspĂŒren.

Zusammengefasst: Ein kognitives Verhaltensmodell

BerĂŒcksichtigt man alle obenstehenden Elemente, kommt man zu mehreren Kategorien, die das menschliche Verhalten beeinflussen:
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Abb. 2.1: Kognitives Verhaltensmodell
Wenn man dieses Modell zugrunde legt, kann das Verhalten auf verschiedenen Ebenen angegangen werden. VerĂ€ndern lassen sich die Auslöser eines Verhaltens, die biologischen Einflussfaktoren, das Denken und die FĂ€higkeiten zur BewĂ€ltigung einer herausfordernden Situation. Außerdem lassen sich auch die Konsequenzen verĂ€ndern, die die Wahrscheinlichkeit fĂŒr ein erneutes Auftreten des Verhaltens bestimmen. Der Fokus dieses Buchs liegt auf der VerĂ€nderung des Denkens und auf BewĂ€ltigungsstrategien, dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass manchmal auch die Umwelt verĂ€ndert werden muss. Wenn das Kind zum Beispiel von MitschĂŒlern gemobbt wird, ist es nicht ausreichend, ihm beizubringen, anders ĂŒber Gleichaltrige zu denken, um ihnen gegenĂŒber weniger Ă€ngstlich zu sein. In diesem Fall ist es viel mehr notwendig, das Mobbing zu stoppen und einen angenehmen Umgang innerhalb der Klasse zu schaffen, anstatt sich auf die Wahrnehmung der MitschĂŒler durch das Kind zu beschrĂ€nken.
VerÀndern lassen sich die Auslöser und Konsequenzen eines Verhaltens, aber auch die biologischen Einflussfaktoren, das Denken sowie die FÀhigkeiten zur BewÀltigung einer herausfordernden Situation.
In den folgenden zwei Kapiteln werden Verhaltensprobleme auf der Basis eines kognitiven Verhaltensmodells verstanden und entsprechende Interventionen geplant. Das dritte Kapitel beschĂ€ftigt sich mit Krisenmanagement und PrĂ€vention von herausforderndem und unkontrollierbarem Verhalten. Einiges aus dem Inhalt dieses Kapitels entstammt dem Buch No More Meltdowns (Baker, 2008). Kapitel vier behandelt hauptsĂ€chlich, wie Ängste ĂŒberwunden werden können, und ist eine Zusammenfassung des Buchs Overcoming Anxiety in Children and Teens (Baker, 2015). Kapitel fĂŒnf konzentriert sich auf die Verbesserung von sozialen FĂ€higkeiten und betont mehrere Aspekte des obenstehenden Modells. Dazu gehören VerĂ€nderung des Denkens ĂŒber soziale Situationen und das Geben direkter Anweisungen, ebenso wie die VerstĂ€rkung der FĂ€higkeiten und Tipps zur besseren Generalisierung der FĂ€higkeiten. Interessierte Leser finden mehr Information ĂŒber soziale Kompetenztrainings in verschiedenen BĂŒchern des Autors (Baker, 2001, 2003, 2005, 2006).

3 Krisenmanagement und PrÀvention von herausforderndem und unkontrolliertem Verhalten

Schritt 1: KVT fĂŒr Eltern – Das Kind positiv sehen

Eltern, die herausforderndes Verhalten ihrer Kinder als vorsĂ€tzliche und manipulative Handlung ansehen, entwickeln eher negative GefĂŒhle und verhĂ€ngen entsprechende Konsequenzen fĂŒr das Fehlverhalten. Sie fĂŒhlen sich persönlich angegriffen und herausgefordert, was die negativen GefĂŒhle verstĂ€rken kann. Obwohl Regeln und Konsequenzen fĂŒr viele Kinder ein guter Ausgangspunkt bei herausforderndem Verhalten sind, fĂŒhren sie bei Kindern mit ASS, ADHS und LernschwĂ€chen oft zur Eskalation des Problems, da Abwehr und MachtkĂ€mpfe entstehen.
Wenn herausforderndes Verhalten andauert, ist es nicht mehr wichtig, ob dieses absichtlich oder unabsichtlich ist. In beiden FĂ€llen ist es wichtig zu wissen, warum das Verhalten andauert. ZunĂ€chst muss verstanden werden, dass es einen Grund fĂŒr die Schwierigkeiten des Kindes gibt. Erst wenn man den Grund und die Funktion des Problems versteht, kann man das Problem letztendlich lösen.
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Abb. 3.1: Das Denken der Eltern ĂŒber ein Verhaltensproblem ist entscheidend
Mark Durand (2011) weist in seinem Buch Optimistic Parents auf Forschungsergebnisse zum Zusammenhang zwischen elterlichem VerstÀndnis des kindlichen Verhaltens und deren...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titel
  3. Copyright
  4. Vorwort zur Reihe »Autismus Konkret«
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 1 Entwicklung eines wissenschaftlichen Therapieansatzes: Kognitive Verhaltenstherapie
  8. 2 SchlĂŒsselelemente kognitiver Verhaltensmodelle
  9. 3 Krisenmanagement und PrÀvention von herausforderndem und unkontrolliertem Verhalten
  10. 4 Ängste und Panik ĂŒberwinden: Behandlung von Angststörungen
  11. 5 Soziale FĂ€higkeiten unterrichten
  12. 6 ArbeitsblÀtter
  13. 7 Zusammenfassung
  14. Literaturhinweise
  15. Zum Autor