D Spezialprobleme der Restrukturierung und Praxisbeispiele
D.1 Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung
Karl-J. Kraus
D.1.1 Krisenbewältigung durch Restrukturierung
Es wurde bereits dargestellt, dass die Offenlegung der existenzbedrohenden Unternehmenskrise aufgrund des Verdrängungsprozesses beim Management (Totschweigen und Hoffen), der möglichen bilanziellen Spielräume etc. hinausgezögert wird. Dennoch hat bis zu diesem Zeitpunkt i.d.R. eine jahrelange negative Entwicklung stattgefunden, die von den Mitarbeitern und eingeschränkt auch von den externen Interessengruppen wahrgenommen werden konnte. Dieser Weg wird z.B. durch gescheiterte Produktinnovationen und dem Markterfolg von jungen, schnell wachsenden Wettbewerbern gekennzeichnet. Diesen externen Symptomen stehen interne Fehlentwicklungen, wie eine erstarrte Organisation ohne Anpassung an externe Anforderungen, Blockade von neuen Ideen auf den jeweiligen Hierarchiestufen, mangelhafte Kostenrechnung und schlechtes Berichtswesen gegenüber. Das Vertrauen in das Management ist meist verbraucht. Die Mitarbeiter resignieren, sind frustriert und maximieren in der Folge den Eigennutzen, indem sie z.B. jeden verfügbaren Fortbildungskurs in Anspruch nehmen und ihr Engagement im Tagesgeschäft auf ein Minimum reduzieren. Zu den quantifizierbaren Krisenindikatoren wie abnehmende Marktanteile, unbefriedigende Umsatzrendite oder kritische Eigenkapital- und Liquiditätsdecke kommen somit diese qualitativen Probleme hinzu. Die Ausgangssituation für die Restrukturierung ist somit durch die Existenzbedrohung und den weit fortgeschrittenen Ressourcenverzehr (finanzieller Engpass, Verlust der Wettbewerbsposition, kulturelle Missstände etc.) extrem. Der Handlungsdruck auf das verantwortliche Management durch Banken, Lieferanten, Kunden, Gesellschafter und Mitarbeiter ist entsprechend hoch. Die Bewältigung von Unternehmenskrisen dieses Ausmaßes ist deshalb eine der schwierigsten und anspruchsvollsten Managementaufgaben.
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird die Restrukturierung als Summe aller finanzwirtschaftlichen, leistungswirtschaftlichen und rechtlich-organisatorischen Maßnahmen bezeichnet, durch die das Leistungspotenzial wieder aufgebaut bzw. optimal ausgeschöpft und eine existenzerhaltende Rentabilität erreicht wird. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es einer Restrukturierungsstrategie, die den Handlungsrahmen für die operativen Restrukturierungsmaßnahmen vorgibt. Diese Definition ist genauso richtig wie allgem ein. Die die Inhalte prägenden Einflussfaktoren und wirklichen Anforderungen sind in dieser Definition nur unzureichend beschrieben.
Aufsetzend auf dem Ausmaß der Unternehmenskrise lassen sich die in Theorie und Praxis verwendeten Begriffe für die Bewältigung von Unternehmenskrisen voneinander abgrenzen.
Abb. D1.1: Komplexität der Restrukturierungsaufgaben
Restrukturierung setzt im akuten Krisenstadium, d.h. bei Existenzbedrohung und geringem Handlungsspielraum, an. Hierzu gehört definitorisch auch die strategische Krise, obwohl in dieser Phase noch keine Verluste realisiert werden. Der Wiederaufbau von verlorenem Erfolgspotenzial (komparativen Wettbewerbsvorteilen) ist jedoch mit so hohen Kosten (strategische Neuausrichtung und operative Maßnahmen) verbunden, dass die Existenz des Unternehmens gefährdet ist. Die Restrukturierung umfasst dabei:
- operative Maßnahmen zur Ergebnis- und Liquiditätsverbesserung,
- die grundlegende strategische Neuausrichtung (von der Portfolio-Bereinigung bis zur Neugestaltung der Produkt-/Markt-Relation einzelner Geschäftsfelder),
- die grundlegende strukturelle Veränderung (von der grundlegenden Umstrukturierung des Wertschöpfungsprozesses und der Finanzstruktur bis hin zur neuen Aufbaustruktur),
- einen umfassenden Wandel der Unternehmenskultur.
D.1.2 Erfolgsfaktoren der Restrukturierung/Sanierung
Wie bereits erwähnt ist die Bewältigung von Unternehmenskrisen eine der schwierigsten und anspruchsvollsten Managementaufgaben. Aufgrund der Heterogenität und Komplexität der individuellen Krisensituation kann es keine Patentrezepte zur Überwindung von Krisen geben. Entscheidend für den Erfolg ist vielmehr die Kenntnis der strategischen und operativen Krisenursachen und eine realistische Einschätzung über den verbleibenden Handlungsspielraum (vor dem Hintergrund der Branchenregeln) – erst dieses Wissen ermöglicht ein wirksames Gegensteuern. Insgesamt kann man fünf Erfolgsfaktoren der Restrukturierung unterscheiden, die in einer stark wechselseitigen Beziehung stehen (Abb. D1.2):
- Fähigkeit zur schnellen Erstellung eines realistischen Restrukturierungskonzeptes (inkl. Targeting),
- teilweiser Austausch des Managements, das für die Krise verantwortlich ist, und Unterstützung durch erfahrene Berater,
- Ausschöpfen von Potenzialen und Umsetzungskraft durch Projektgruppenbildung und -arbeit sowie Einbindung der Leistungsträger,
- Erzeugung von Handlungsdruck durch straffe Projektführung,
- Motivierende und vertrauensfördernde Kommunikation mit allen Interessengruppen (nach innen und außen).
Abb. D1.2: Erfolgsfaktoren der Restrukturierung
D.1.2.1 Fähigkeit zur schnellen Erstellung eines Konzeptes
Die Fähigkeit zur Erstellung eines realistischen Restrukturierungskonzeptes beinhaltet neben der Kenntnis der Krisenursachen das Know-how und die Erfahrung zur Bestimmung strategischer und operativer Potenziale sowie der notwendigen Umsetzungszeiträume. Aufgrund der Gefährdung von Eigenkapital und/oder Liquidität muss in der Regel innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen ein Konzept vorgelegt werden. Dabei müssen zur Bewältigung der Probleme mutige und tiefgreifende Vorschläge entwickelt werden. Die im Konzept empfohlenen strategischen und operativen Maßnahmen reichen dabei von der Portfolio-Bereinigung durch Verkauf von Gesellschaften bis hin zur Aufgabe von Produkten oder von Teilen der Wertschöpfungskette. Dies impliziert in der Regel einen erheblichen Abbau von Mitarbeitern sowie einen weitreichenden strukturellen Umbruch des Unternehmens.
Bei der Entwicklung des Konzeptes spielt neben den Instrumenten der strategischen Planung vor allem das Benchmarking als Instrument zur Potenzialbestimmung in der Wertschöpfungskette eine wichtige Rolle. Die Entwicklung von Ideen und Zielen, unter anderem anhand von Benchmarks, ist jedoch für ein Restrukturierungskonzept nicht hinreichend. Vielmehr müssen die Effekte aus den Maßnahmen in die Businessplanung eingebracht werden, um die Ergebniswirkung in verschiedenen Szenarien simulieren zu können. Nur dann ist die Sanierungsfähigkeit berechenbar.
D.1.2.2 Teilweiser Managementaustausch und Einbeziehung Externer
Die bisherige Geschäftsführung hat in Krisensituationen mit zwei Problembereichen zu kämpfen. Zum einen hat sie i.d.R. weder Erfahrung mit derartigen Krisensituationen noch die Fähigkeit, ein hinreichendes Restrukturierungsprogramm im sehr kurzen Zeitrahmen zu erstellen. Zweitens haben die am Unternehmen interessierten Gruppen (Gläubiger, Kunden, Mitarbeiter) zum Teil an Vertrauen in das Management verloren. Da jede Unternehmenskrise auch immer eine Vertrauenskrise ist, ist ein Höchstmaß an persönlichem Einsatz, Integrität, Konsequenz und verbindlichem Verhalten seitens des betroffenen Managements erforderlich. Dies setzt vor allem selbstkritisches und aufgeschlossenes Vorgehen voraus. Einem für die Krise verantwortlichen Management werden diese Fähigkeiten jedoch von den Mitarbeitern, Gesellschaftern, Banken etc. zum Teil abgesprochen. Dies beinhaltet auch das Vertrauen in das strategische und betriebswirtschaftliche Know-how sowie die Durchsetzungskraft. Der Austausch eines Teils des Managements ist in der Regel notwendig und stellt damit auch einen wichtigen Erfolgsfaktor für die Bewältigung von Unternehmenskrisen dar.
Die mangelnde Zeit, selbstständig ein Restrukturierungs-/Sanierungskonzept zu erstellen, sowie das mangelnde Vertrauen in die Fähigkeiten des Managements macht daher die Unterstützung durch erfahrene Berater unabdingbar. Erfahrene Restrukturierungs-/Sanierungsberater verfügen über das Know-how sowie die Instrumente/ Tools zur effizienten Erstellung der Konzepte. Wesentlicher als die Tools sind jedoch das strategische Know-how und die branchenübergreifende Erfahrung, die die Ableitung von Kostensenkungs -, Effizienzsteigerungs- oder Qualitätssteigerungszielen auf Basis von »best- practices« in anderen Branchen oder Unternehmen der gleichen Branche ermöglichen. Diese sogenannten Targets für einzelne Teile der Wertschöpfungskette oder Funktionsbereiche stellen – wie später dezidiert gezeigt werden wird – ein wichtiges Mittel, sowohl bei der Erstellung des Konzeptes bzw. Ermittlung der Sanierungsfähigkeit, als auch der Umsetzung des Restrukturierungs-/Sanierungskonzeptes dar. Des Weiteren können externe Berat...