Herausfordernde Verhaltensweisen in der Sozialen Arbeit
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Herausfordernde Verhaltensweisen in der Sozialen Arbeit

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Herausfordernde Verhaltensweisen in der Sozialen Arbeit

About this book

The book discusses challenging forms of behaviour in all of the major fields of social work & from welfare services for children and young adults, to help for ex-offenders, to social work in the fields of psychiatry and disabled care. For ease of understanding, each chapter starts with an outline case taken from everyday work. Building on this, well-founded explanations are given for each of the behaviour patterns, in order to present concrete approaches for ways of dealing with them. Each chapter closes with an interview, with specialists in social work reporting directly from their practical work and thus making their extensive knowledge available to readers.

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Information

1 Herausfordernde Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen im Kontext Schule

Uri Ziegele & Martina Good

Die Soziale Arbeit in der Schule muss als ein verhaltens- und verhältnisorientiertes Handlungsfeld der Sozialen Arbeit verstanden werden. Innerhalb des Funktionssystems Erziehung hat sie – in transdisziplinärer Kooperation mit der Schule – zum Ziel, die gesellschaftliche Inklusion, Sozialisation und Kohäsion ihrer Anspruchsgruppen zu unterstützen. Es ist davon auszugehen, dass auch der Schüler Mori, der in der folgenden Fallvignette vorgestellt wird, in der Schule lernen, Freunde bzw. Freundinnen haben und stärkende Selbstwirksamkeit erleben möchte. Der nachfolgende Beitrag zeigt auf, wie die Soziale Arbeit in der Schule mithilfe von Fallbeschreibung, Fallverstehen und theoretischen Grundlagen auf diese komplexe Ausgangslage mit Unterstützung der direkt Betroffenen und professionell Beteiligten reagieren kann.

1.1 Fallvignette

Der Sozialarbeiter des Asylzentrums Herr Diethelm informiert die Schulsozialarbeiterin Frau Hess, dass mehrere Familien mit Asylstatus innerhalb kurzer Zeit der Gemeinde Dengdorf zugewiesen werden. Dies veranlasst die beiden, an einer Teamsitzung der Lehrpersonen im Schulhaus Höchi, in dessen unmittelbarer Nähe eine Asylunterkunft steht, das Thema aufzugreifen und mit diesen über Befürchtungen und Herangehensweisen zu diskutieren. Anschliessend wird gemeinsam ein kurzer informativer Text für die regelmässige schriftliche Elterninformation verfasst, in welchem die Familien willkommen geheissen werden. Unter anderen wird Familie Marun Segab in der Asylunterkunft einquartiert. Am ersten Morgen begrüssen die Schulleitung und Frau Hess Herrn Marun Segab und seine vier Kinder und informieren sie soweit wie möglich über den Schulbetrieb. Der Aufenthaltsort der Mutter ist unbekannt. Alle vier Kinder sind im schulpflichtigen Alter, wobei der jüngste Sohn Mori Marun die erste Klasse besucht und die drei weiteren Mädchen in der 3. und 6. Primarklasse sowie in der 2. Oberstufe eingeschult werden. Das älteste Mädchen wird im Anschluss an die Einführung in der Primarschule (in Deutschland mit der Grundschule vergleichbar) zusammen mit ihrem Vater im Oberstufenschulhaus der Gemeinde begrüsst.
Die Mädchen zeigen sich im Verlauf des Schuljahres zurückhaltend und beobachten den Schulalltag, während Mori nach kurzer Zeit deutlich herausfordernde Verhaltensweisen zeigt. Er kneift und boxt Mitschülerinnen und Mitschüler auch aus den höheren Klassen und stört sie während des Unterrichts und in der Pause bei ihren Tätigkeiten. Er randaliert im Schulhaus, stiehlt und demoliert persönliche Dinge und Kleidung der anderen Kinder und provoziert die Mitarbeitenden des gesamten Schulhauses mit wiederkehrenden Regelverstössen. In direkter Konfrontation gesteht Mori sein Fehlverhalten zwar jeweils ein, vermittelt jedoch nicht den Eindruck des Bedauerns. Während des Unterrichts in der Regelklasse und im Deutsch-Förderunterricht kann Mori sich kaum konzentrieren. Die Hausaufgaben erledigt er selten, und obwohl die Familie nur wenige Meter vom Schulhaus entfernt wohnt, hat er oft keine Pausenverpflegung dabei und vergisst seine Turn- bzw. Schwimmsachen. Manche Kinder sind etwas verängstigt oder verärgert und fangen an, sich von ihm zu distanzieren. Versuche, sein Verhalten durch pädagogische Massnahmen direkt zu beeinflussen, zeigen kaum Veränderungen.
Die Lehrerin von Mori, Frau Keller, ersucht nach kurzer Zeit um eine Klassenintervention durch die Schulsozialarbeiterin Frau Hess, um die Beziehungen in der Klasse zu stärken. Frau Keller informiert Moris Vater darüber. Dieser ist erst etwas skeptisch, zeigt sich dann jedoch dankbar für die Unterstützung. Die sprachlichen Schwierigkeiten erschweren das vorgängige Einzelgespräch von Mori bei Frau Hess. In diesem wird jedoch deutlich, dass er in der bisherigen Schulzeit in seinem Heimatland körperliche Gewalt durch die Lehrpersonen erleiden musste. Die initiierte Hausaufgabenhilfe verweigert Mori konsequent. Es erfolgen mehrere Gruppeninterventionen mit kooperativem Spielcharakter in unterschiedlichen Settings (jungenspezifisch, geschlechtergemischt, aktuell befreundete Kinder etc.). Frau Hess organisiert ein Familiengespräch zu Hause mit allen beteiligten Fachpersonen und einem Übersetzer. In diesem Gespräch zeigt sich Mori äusserst angepasst und gehorcht sehr gut. Der Vater und auch die Schwestern zeigen sich besorgt und überfordert mit seinem Verhalten in der Schule. Das Familienleben klappt gut, verständlicherweise kann ihm jedoch niemand bei den Hausaufgaben helfen. Ebenso finden gleichzeitig medizinische Abklärungen statt, da er an Enuresis leidet und eher unterernährt zu sein scheint. Es wird vereinbart, dass die Abklärungsergebnisse der Schule kommuniziert und danach über weitere, beispielsweise schulpsychologische Abklärungen entschieden werden sollte.
Ein Regel- und Informationskonzept wird festgehalten, bei welchem Mori, seine Familie, die Schule und die Asylorganisation involviert sind. Unter anderem wird vereinbart, dass Frau Hess und Frau Keller berechtigt sind, Mori nach Hause zu schicken, wenn er den Schulbetrieb zu sehr stört, sofern sein Vater oder eine der Schwestern zu Hause ist. Er wird aufgefordert, die Hausaufgabenhilfe in der Schule regelmässig zu besuchen und stimmt dem zu. Die Gruppenaktivitäten werden weitergeführt und zweimal wöchentlich ein kurzes Einzelsetting von Frau Hess mit Mori in der Schule oder zu Hause gemeinsam mit seiner Familie vereinbart. Frau Hess nimmt regelmässig am wöchentlichen Klassenrat teil, um die Veränderungen mitverfolgen zu können. Sie versucht, möglichst häufig die Klasse und Mori im Schulalltag zu begleiten.
Sein Verhalten gegenüber den Erwachsenen verbessert sich leicht. Die Beschwerden über Mori seitens der Mitschüler und Mitschülerinnen bleiben konstant hoch. Häufig argumentiert er, dass die anderen angefangen hätten, ihn zu provozieren, was diese jedoch verneinen und häufig nicht rekonstruiert werden kann. In der Hausaufgabenhilfe zeigt sich, dass Mori nur langsam Lernfortschritte macht und ihm offensichtlich enorm viel Schulstoff fehlt. Frau Keller und Frau Hess gewinnen zudem den Eindruck, dass Mori sich absichtlich grenzüberschreitend verhält, um bei seinem Vater zu Hause sein zu können.
Als Frau Hess ihn dabei beobachtet, wie er in der Pause zornig und fluchend Steine vom Boden aufnimmt, um seine Mitschülerinnen und Mitschüler damit zu bewerfen, begleitet sie ihn nach Hause. Mori berichtete nach kurzem Zögern, dass er und seine Familie von Mitschülern und Mitschülerinnen und deren Familien abschätzig behandelt werden und sich unerwünscht fühlen. Ebenso spricht er erstmals darüber, wie sehr er seine Mutter vermisst und dass er sich Sorgen um sie macht, da noch immer niemand weiss, wo sie sich aufhält, wie es ihr geht und wann er sie wieder sehen wird.
Die älteste Schwester, welche mittlerweile über einige Deutschkenntnisse verfügt, berichtet von einer geplanten Unterschriftensammlung einer ihrer Mitschülerinnen und deren Eltern zur Schliessung der Asylunterkunft. Die Familie Segab Marun wirkt gedemütigt und resigniert. Die medizinischen Abklärungen von Mori ergeben, dass er deutlich traumatisiert und eine Familientherapie dringend angezeigt ist. Die Abklärungen zur Finanzierung dieser Therapie stellen sich jedoch bei Kindern mit Asylstatus als komplex heraus. Aufgrund dessen ersucht der Kinderarzt Frau Hess, die bisherigen Bemühungen der Einzel-, Gruppen- und Klassengespräche und den Kontakt zur Familie beizubehalten und wenn möglich zu intensivieren, bis ein therapeutisches Setting veranlasst ist. Frau Hess, Frau Keller und Herr Diethelm sind sich einig, dass die herausfordernden Verhaltensweisen von Mori aufgrund der vielschichtigen Problematik bestehen und es intensivere und umfassendere Massnahmen braucht, um ihn und seine Familie zu unterstützen, damit sich sein Verhalten weiterhin positiv verändern kann.

1.2 Erklärungsansätze und Fallverstehen

Moris Situation wird in Anlehnung an das Lebenslagenmodell (vgl. Meier Kressig 2017: 4) dargestellt. Die individuelle wie familiäre Situation, die aktuellen und zukunftsgerichteten Perspektiven werden gemäss den jeweiligen Aussagen der Familienmitglieder und der Einschätzung der involvierten Fachpersonen differenziert betrachtet. Zudem erfolgen Überlegungen zu weiteren möglichen Hintergründen der Problematik. Aussagen über kausale Zusammenhänge von Ursachen- oder Wirkfaktoren können nicht gemacht werden, denn offensichtlich leiden Mori und seine Familie unter komplexen Belastungen. Um die Situation und Moris Verhalten verstehen zu können, muss die Komplexität des Bedingungsgefüges möglichst erfasst werden, um entsprechende und gelingende Lösungswege erarbeiten zu können.

1.2.1 Individuelle und familiäre Belastungsfaktoren

Mori und seine Familie haben aufgrund traumatischer Erlebnisse in ihrem Heimatland entschieden, in die Schweiz zu flüchten und ihre sozialen und familiären Kontakte zurückzulassen. Die fehlenden Sprachkenntnisse und die unterschiedlichen kulturellen Grundlagen, wie beispielsweise das Bildungssystem, sowie die finanzielle Notlage belasten die Familie. Die Unterbringung in der Asylunterkunft mit anderen Familien mit Asylstatus und das erschwerte Zusammenleben durch die kulturellen Unterschiede lassen kein Wohlbefinden aufkommen. Die Familie verfügt über keinerlei materielle Mittel oder persönliche Kontakte in der Gemeinde. Durch die Unterschriftensammlung zur Schliessung der Asylunterkunft fühlen sie sich abgelehnt und gedemütigt und sehen sich ausser Stande, sich dieser unangenehmen Situation zu entziehen, da sie ihren Wohnort nicht frei wählen dürfen. Während der Begleitung und durch die professionelle Beziehungsarbeit wird klar, dass sie in ihrem Heimatland eine angesehene Familie waren, Haushaltsangestellte beschäftigten und über gute Bildungschancen verfügten. Die Ausbildung und berufliche Erfahrung des Vaters werden nicht anerkannt und die älteste Tochter steht unter Druck, eine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit zu finden. Die fehlende Zugehörigkeit und die grosse Unsicherheit über den Verbleib der Mutter belasten die Lebenssituation der Familie. Das komplexe Asylverfahren verunmöglicht es den Familienmitgliedern, zur Ruhe zu kommen und Stabilität zu entwickeln.
Moris Bewältigung der veränderten Lebenssituation zeigt sich nach aussen gerichtet. Ob seine Schwestern und sein Vater weniger belastet sind oder andere, weniger offensichtliche Strategien zur Bewältigung anwenden, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Die schulischen Schwierigkeiten deuten darauf hin, dass Moris kognitiven Fähigkeiten zumindest momentan eingeschränkt sind. Die Flucht und das Zurücklassen der leiblichen Mutter haben bei Mori deutliche Unsicherheiten und Ängste hervorgerufen. Seine Befindlichkeit ist stark geschwächt und er zeigt psychosomatische Reaktionen. Die Anpassungs- bzw. Bewältigungskompetenzen seiner Schwestern oder seines Vaters können aufgrund des Alters oder der fortgeschrittenen Identitätsbildung weiterentwickelt sein und unterstützend wirken. Die älteren Schwestern können mehr Aufgaben in der Haushaltsführung übernehmen, womit sie den Vater entlasten und sich selbstständiger ein soziales Umfeld aufbauen. Anstehende Entwicklungsaufgaben und die Integration in die neue Lebenswelt stellen für Mori entsprechend grosse Herausforderungen dar, da er sich nach einer mütterlichen Bezugsperson sehnt. Sein familiäres Wohlbefinden ist gestört und die Sozialisation in die fremde Klassen- bzw. Schulgemeinschaft fällt ihm schwer. Auch die Rückmeldung, dass Moris Verhalten zu Hause weniger problematisch ist, kann ein Hinweis darauf sein, dass er unter schulischem, sozialem und gesellschaftlichem Druck ausserhalb des familiären Zusammenlebens leidet. Zudem scheint die Aufnahme einer regelmässigen Freizeitaktivität in einer Peergruppe aufgrund seiner herausfordernden Verhaltensweisen momentan nicht oder nur mit professioneller Begleitung möglich. Hinzu kommt, dass Moris bisherige Schulerfahrung gemäss seinen Äusserungen im Einzelgespräch von physischem und psychischem Druck geprägt waren und das kooperative Lernen eine völlig neue Erfahrung für ihn darstellt, was sein bisheriges Schulbild irritiert.

1.2.2 Aktuelle und zukunftsgerichtete Perspektiven der Beteiligten

Die Familienmitglieder müssen sich mit ihrer persönlichen, schulischen und beruflichen Weiterentwicklung auseinandersetzen, wobei im laufenden Asylverfahren jederzeit die Möglichkeit besteht, den Aufenthaltsstatus zu verlieren und ausreisen zu müssen. Die Familie äussert ihre Bedürfnisse nach Sicherheit und einem friedlichen Zusammenleben und dem Ziel, in der Schweiz eine gute Schul- und Ausbildung zu erhalten, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Dies ist hauptsächlich für den Vater zentral, der sich eine gute Zukunft für seine Kinder wünscht. Im Gespräch mit Mori wird klar, dass er die Rückkehr in sein Heimatland bevorzugt, in der Hoffnung, sein früheres Familienleben wieder pflegen zu können. Da er vermutlich unter einer eingeschränkten Aufnahme- bzw. Lernfähigkeit und unter anderen belastenden Faktoren leidet, kann er die schulisch geforderten Leistungen nicht erfüllen. Er ist aufgefordert, selbstständig zu lernen, Lerndefizite und Sprachkenntnisse zu verbessern, sein Schulmaterial selbstständig zu organisieren, sich mit den kulturellen und institutionellen Normen und Werten vertraut zu machen, diese einzuhalten und Konflikte mit Gleichaltrigen und Erwachsenen trotz sprachlicher Hürden konstruktiv zu lösen. Aufgrund seiner dunklen Hautfarbe verstärkt sich sein Selbstbild als Aussenseiter. Die laufenden medizinischen Abklärungen können weitere gesundheitliche Schwierigkeiten aufzeigen. Die Unterstützung eines positiven Selbstwertes ist für sein Wohlbefinden zentral, wird jedoch durch eingeschränkte Erfolgsmöglichkeiten und fremdenfeindliches Verhalten des Umfeldes erschwert. Für den Vater und die Schwestern wird klar, dass Mori für die Bewältigung dieser Belastungen professionelle Hilfestellungen braucht. Ihre eigenen Handlungs- und Entscheidungsspielräume sind äusserst eingeschränkt, da sie nicht über die Möglichkeiten verfügen, beispielsweise über ihren Wohnort zu entscheiden, und die Hemmschwelle hoch ist, sich persönlich zu wehren oder sogar rechtliche Schritte einzuleiten. Die eingeschränkten Ressourcen von Mori und seiner Familie auf der psychischen, physischen, familiären und sozialen Ebene stehen im Spannungsfeld zu den anspruchsvollen Entwicklungsaufgaben, emotionalen Belastungen und Anforderungen, welche schulisch und im sozialen Umfeld an ihn und seine Familie gestellt werden. Diese Diskrepanzen und die daraus resultierende Überforderung und Frustration kann ursächlich für sein herausforderndes Verhalten sein.

1.2.3 Überlegungen zu weiteren Hintergründen der Problematik

Herausfordernde Verhaltensweisen wirken sich auf die Beziehungsgestaltung im zwischenmenschlichen Bereich aus. Dadurch können sich Unstimmigkeiten und Konflikte innerhalb von Gruppen (z. B. Klassen) entwickeln und es können Dynamiken entstehen, welche diese verstärken. Gruppenkonstellationen werden nicht durchwegs einheitlich wahrgenommen. Missverständnisse bezüglich normativer Umgangsformen bzw. gesellschaftliche Konventionen stellen erschwerende Faktoren dar und können falsche Eindrücke vermitteln. Durch die Wissensvermittlung und -generierung in Gruppen wird gleichzeitig auch das Bedürfnis von Zugehörigkeit und Gemeinschaft erfüllt sowie die Selbst- und Sozialkompetenzen der Beteiligten gestärkt. Dies gilt sowohl für Kinder- wie auch Eltern- und Lehrpersonengruppen. In einem Wohngebiet, in dem sich neben dem Wohnraum für einheimische Bewohner und Bewohnerinnen auch eine Asylunterkunft befindet, können sich Gruppen formieren. Es entstehen allenfalls Abgrenzungsmechanismen oder Ablehnungs- und Konkurrenzverhalten, wodurch sich möglicherweise Hierarchien und Diskriminierung entwickeln. Der Zusammenschluss von Einzelnen zu Gruppen mit gleichem Status oder Anliegen verstärkt das eigene Gefühl der Bedeutsamkeit. Durch die gesetzliche Schulpflicht in der Schweiz treffen auf der gesellschaftlichen Ebene unterschiedliche Schul- und Bildung...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort zur Reihe
  5. Zu diesem Buch
  6. Inhalt
  7. 1 Herausfordernde Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen im Kontext Schule
  8. 2 Herausfordernde Verhaltensweisen von Jugendlichen in institutionellen Kontexten der Jugendhilfe
  9. 3 Herausfordernde Verhaltensweisen von suchtmittelabhängigen Menschen
  10. 4 Herausfordernde Verhaltensweisen von Asylsuchenden
  11. 5 Herausfordernde Verhaltensweisen in der justiziellen Straffälligenhilfe
  12. 6 Herausfordernde Verhaltensweisen von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
  13. 7 Herausfordernde Verhaltensweisen von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen
  14. 8 Herausfordernde Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz
  15. Autorinnen- und Autorenverzeichnis