Gruppen im Elementarbereich
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Gruppen im Elementarbereich

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About this book

Upbringing, education and supervision in groups are one of the most important ways of early childhood socialisation. The work combines central aspects of group psychology with such of developmental psychology, so that these can be used in early childhood education. An excurse into history demonstrates that supervision in groups doesn?t follow evolutionary principles, but originated in economic and fiscal needs and has always been disputed.Questions on advantages and disadvantages of learning in groups, on group structures and leading of groups in the field of early education as well as risks of groups lie at the centre of the work. The areas heterogeneity and multiculturalism, which are of increasing importance, are analysed in depth.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2015
Print ISBN
9783170213913
eBook ISBN
9783170294240

1 Einleitung – Bedienungsanleitung fĂŒr wissenschaftliche Aussagen

„Gruppen im Elementarbereich“ – zunĂ€chst muss definiert werden, was man unter einer „Gruppe“ und was man unter dem „Elementarbereich“ versteht.
Der Elementarbereich des Bildungswesens umfasst die Lebensjahre 0 bis 6 und alle Einrichtungen, die sich vor der Schule um die Bildung, Erziehung und Betreuung der kleinen Kinder kĂŒmmern. Der Besuch dieser Einrichtungen ist in Deutschland (noch) freiwillig. Es schließt sich der Primarbereich an (der Grundschulbereich, Schulpflicht), dann folgen der Sekundarbereich (unterteilt in Sekundarstufe 1 und 2) und der TertiĂ€rbereich (die Hochschulausbildung) und schließlich der QuartĂ€rbereich (die Fort- und Weiterbildung).1 Der Elementarbereich ist also die Grundlage und die erste Stufe des Bildungssystems.
„Gruppe“ zu definieren ist ungleich schwieriger, weil nicht jede Ansammlung von Menschen schon gleich als „Gruppe“ im sozialpsychologischen Sinne bezeichnet werden kann. Kinder, die sich zufĂ€llig auf der Straße treffen und fĂŒr eine gewisse Zeit zusammen Fußball spielen, sind vorĂŒbergehend sicherlich eine Gruppe, allerdings eine von kurzer Dauer. „Richtige“ Gruppen haben eigene Normen (Regeln), verteilen Rollen (Aufgaben) an die Mitglieder, haben eine FĂŒhrung, ein Ziel, das die Mitglieder gemeinsam (d. h. miteinander, nicht parallel wie in einer Schulklasse) erreichen wollen, existieren lĂ€ngere Zeit, etc. Eine Fußballmannschaft im Verein ist so eine „richtige“ Gruppe. Schulklassen und Gruppen in der KiTa sind in diesem engeren Sinne keine „richtigen“ Gruppen – sie wollen das gemeinsame Ziel (Bildung und Erziehung oder den Abschluss) parallel, gewissermaßen nebeneinander, jeder fĂŒr sich erreichen.
Wir wollen hier unter „Gruppe im Elementarbereich“ eine Anzahl von Kindern zusammen mit ihrer Erzieherin oder ihrem Erzieher verstehen, die sich nicht freiwillig und nach persönlicher Bekanntschaft zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Ziel (ein „Miteinander-Ziel“) zu erreichen, sondern die durch eine Krippe, durch ein Familienzentrum oder durch einen Kindergarten zusammengebracht worden sind und die lĂ€ngere Zeit „face to face“ (wörtlich: Gesicht zu Gesicht) Kontakt haben, um Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder zu organisieren (ein „Parallel-Ziel“).
Der Begriff „Gruppe“ kann aber auch so viel wie eine „soziale Kategorie“ bedeuten: In einem ĂŒbergeordneten Sinne gibt es in einer solchen Einrichtung die „Gruppe der Eltern“, die „Gruppe der Erzieher/-innen“, die „Gruppe der Kinder“ etc. In dem Fall stellt der Begriff der Gruppe mehr oder weniger eine Art Sammelbegriff (oder eine „Schublade“) – und nicht eine tatsĂ€chliche dauerhafte „face to face“-Gruppe – dar.
Gruppen im Elementarbereich
‱ Erste Bedeutung: Anzahl an Kindern mit ihren Erziehern und Erzieherinnen in einer Institution des Elementarbereichs
‱ Zweite Bedeutung: Soziale Kategorien wie: Eltern, Kinder, Erzieherin, Menschen mit Migrationshintergrund etc.
Wichtig ist, dass die Kinder sich im Normalfall nicht freiwillig zu einer Gruppe zusammengetan haben, sondern aus organisatorischen GrĂŒnden in Gruppen aus einer oder zwei Erziehern oder Erzieherinnen zugeordnet werden. HĂ€ufig machen sich die FachkrĂ€fte und Einrichtungen sehr viele Gedanken darĂŒber, welche Kinder in welche Gruppe kommen, weil z. B. die Kinder mit Migrationshintergrund gleichmĂ€ĂŸig verteilt werden sollen bzw. eine ausgewogene Verteilung von Jungen und MĂ€dchen und auch von unterschiedlichen Altersgruppen (jĂŒngere und Ă€ltere Kinder) miteinander in einer Gruppe sein sollen. Auch wird daran gedacht, dass Kinder, die beieinander wohnen, in einer Gruppe sind, damit sie auch ĂŒber die Zeit in der TagesstĂ€tte hinaus noch miteinander spielen bzw. in Kontakt kommen können.
Außer dem Begriff der „Gruppe“ wird der Begriff der „Clique“ auch in dieser Publikation verwendet. Eine „Clique“ ist eine flĂŒchtige, vorĂŒbergehende Gesellung, die Menschen zusammenfĂŒhrt, die freiwillig und aus Sympathie miteinander spielen oder arbeiten oder lernen wollen („
 cliques are relatively smaller friendship-based groups“, Brown in Rubin, 1990). Falls es Probleme zwischen den Kindern gibt, kann sich die Zusammensetzung der Cliquen schnell wieder Ă€ndern – man verlĂ€sst sie und schließt sich anderen an. „Cliquen“ können im Kindergarten oder in der Krippe beobachtet werden, wenn Freispiel ist oder die Kinder die Möglichkeit haben, sich tatsĂ€chlich freiwillig zusammenzuschließen. Damit ist der Begriff der Clique aufgrund der Freiwilligkeit bzw. wegen des Ă€ußeren Anlasses dem Begriff der Gruppe entgegengesetzt. Dennoch können in Cliquen Ă€hnliche sozialpsychologische Prozesse ablaufen.
Clique
Einige Kinder einer Gruppe, die miteinander interagieren (z. B. spielen), sich mögen und sich freiwillig zusammengeschlossen haben. Cliquen können auch von kurzer Dauer sein.
Andere Begriffe wie menschliche „Plurale“ (i. e. Mehrzahlen; HofstĂ€tter, 1957), Spielgruppe, Arbeitsgruppe, Lerngruppe, Bande, Gang werden hier nicht weiter berĂŒcksichtigt. Im frĂŒhen Kindesalter von 0 bis 6 Jahren dĂŒrften Gruppe und Clique die vorherrschenden Erscheinungsformen menschlicher Plurale sein.
SelbstverstĂ€ndlich macht das Kind auch in der Familie mit den Geschwistern, mit seinen Verwandten oder mit Kindern aus demselben Haus oder auf der Straße in gewisser Weise Gruppen- und Cliquenerfahrungen; insofern kommen Gruppen- und Cliquenkontakte auch im Privatleben, außerhalb der Institutionen vor.
Images
Abb. 1: MĂ€dchenclique in einer KiTa. WĂ€hrend des Freispiels haben sich diese vier zusammengefunden und erzĂ€hlen sich etwas ĂŒber ihr Lieblingsessen. Diese Clique ist nur eine vorĂŒbergehende Sozialform – nach wenigen Minuten löst sie sich auf (Foto: Gert Detering)

1.1 Wo kommt das Wissen ĂŒber „Gruppen im Elementarbereich“ her?

Die erste Frage von Wichtigkeit ist: Wie erfĂ€hrt man etwas wissenschaftlich oder praktisch Relevantes ĂŒber „Gruppen im Elementarbereich“? Konkret: Woher hat der Verfasser seine Informationen?

FrĂŒhere und aktuelle wissenschaftliche Literatur

ZunĂ€chst einmal sucht man nach BĂŒchern ĂŒber das Thema. Zu den BĂŒchern, die sich schon vor vielen Jahren mit der Kindergruppe im Kindergarten beschĂ€ftigt haben, gehört Gisela Hundertmarcks Soziale Erziehung im Kindergarten aus dem Jahre 1969. Von Helgard Ulshoefer (1986) wird die Autorin wie folgt gewĂŒrdigt:
„FĂŒr ihre Dissertation hatte sie das Thema ,Soziale Erziehung im Kindergarten‘ und als Methode ihrer pĂ€dagogischen Forschung die teilnehmende Beobachtung gewĂ€hlt: Als Ergebnis beschreibt sie, wie Kinder im Kindergarten soziales Verhalten erlernen, dass bereits kleine Kinder GefĂŒhle von Sympathie und Antipathie fĂŒreinander haben, wie notwendig eine pĂ€dagogisch versierte Gruppenerzieherin ist. Sie beschreibt aber auch die institutionellen Bedingungen, wie rĂ€umliche Ausstattung in ihrem Einfluss auf soziales Verhalten.“ (Ulshoefer, 1986, S. 115)
Von Rainer StrÀtz (1992) stammt das Buch Die Kindergartengruppe. In diesem Werk werden zahlreiche, auch Àltere Untersuchungen zum Sozialverhalten 3- bis 5-jÀhriger Kinder zusammengefasst, z. B. die HÀufigkeit sozialer Kontakte, das VerhÀltnis des Kindes zur Gruppe, das Alleinspiel, Wettbewerb und RivalitÀt, Dominanz. Des Weiteren werden auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen auch Prozesse der Kooperation und der Freundschaft nÀher untersucht.
Ein weiteres Werk von Ulrich Schmidt-Denter, Soziale Entwicklung (1988), beschĂ€ftigt sich mit der sozialen Entwicklung im gesamten Lebensverlauf. Auch dieses Werk enthĂ€lt zahlreiche AusfĂŒhrungen ĂŒber die sozialen Beziehungen im Kindesalter, die noch heute GĂŒltigkeit haben. Allerdings ist wegen der Lebensspannenperspektive das frĂŒhe Kindesalter nur ein Teil des Werkes. Dennoch werden die Gleichaltrigenbeziehungen ebenso wie Aggression, Kooperation und prosoziales Verhalten, aber auch sozial-kognitive Prozesse fĂŒr Kinder im Vorschulalter beschrieben.
Alle drei genannten Werke sind immer noch mit Gewinn lesbar, und sie werden durch das vorliegende Werk nicht ersetzt.
Zwei neue angloamerikanische Werke sind fĂŒr diese Publikation zugrunde gelegt worden: zunĂ€chst einmal The Wiley-Blackwell Handbook of Childhood Social Development von Smith und Hart (2011) – eine eher wissenschaftlich-methodisch orientierte Zusammenstellung der neueren Forschungsergebnisse zur sozialen Entwicklung des Kindes, die sich zu großen Teilen mit dem Gruppenverhalten kleiner Kinder befasst. Das zweite Buch – didaktisch hervorragend aufbereitet – ist das Lehrbuch Social Development von Parke und Clarke-Stewart (2011), das ebenfalls einen Schwerpunkt auf Kindheit und Jugend legt und umfassend ĂŒber alle Aspekte der sozialen Entwicklung und des Gruppenverhaltens berichtet. Eine BerĂŒcksichtigung des internationalen Forschungsstandes ist in Zeiten des Zusammenwachsens der Kulturen und Nationen unerlĂ€sslich.

Fachdatenbanken

Wenn man etwas ĂŒber „Gruppe“ erfahren möchte und die Bedeutung der Gruppe fĂŒr Kinder, so wird man sehr schnell auf die Sozialpsychologie bzw. die soziale Entwicklung von Kindern gestoßen. D. h. das, was fĂŒr das Verhalten von Kindern in der Gruppe relevant ist, ist ein Teil des „Sozialverhaltens“. Der Begriff „sozial“ wird in der Psychologie im Unterschied zur PĂ€dagogik nicht wertend gebraucht, sondern rein beschreibend. „Sozial“ stammt vom lateinischen „socius“ – als Adjektiv heißt es „gemeinsam“. Sozialverhalten ist also z. B. etwas „Negatives“ wie Aggression, aber auch etwas „Positives“ wie Hilfeleistung.
Es ist heutzutage recht einfach, etwas ĂŒber ein beliebiges Thema zu erfahren. Seit es das Internet gibt, gibt es keinen Mangel an Information, sondern eher einen Überfluss. Neben den eben genannten BĂŒchern sind es vor allen Dingen die Fachdatenbanken (nicht zu verwechseln mit Internet-Suchdiensten wie Google oder Yahoo), aus denen man etwas ĂŒber das Thema „Gruppen im Elementarbereich“ und „Soziale Entwicklung von Kleinkindern“ erfahren kann. Das Hauptproblem der FĂŒlle von Informationen zu einem Thema liegt also nicht in deren VerfĂŒgbarkeit, sondern in der Bewertung des Wissens. Welche der vielen Informationen ist grĂŒndlich recherchiert? Auf welches Wissen kann man sich verlassen? Was ist nur bloße Meinung und nicht wirklich bewiesen, sondern reine Spekulation? Diese Fragen beantworten die Fachdatenbanken (an den Hochschulen verfĂŒgbar).
Fachdatenbanken in der Psychologie haben z. B. folgende Namen: PsycINFO, PSYNDEX und PSYNDEXplus, PsycARTICLES – sie sind ĂŒber die UniversitĂ€t oder Hochschulbibliothek elektronisch einzusehen, stehen aber nicht jedermann von jedem Computer aus zur VerfĂŒgung. DafĂŒr erhĂ€lt man Informationen zum Thema, die zumindest an einer Stelle ĂŒberprĂŒft worden sind. In den Datenbanken werden alle empirischen und sonstigen Arbeiten aus der Psychologie, die in „peer reviewed“ Fachzeitungen der ganzen Welt erschienen sind, aufgenommen. Der Begriff „peer reviewed“ meint, dass der Beitrag von mindestens zwei Kolleginnen/Kollegen vorher auf seine wissenschaftliche QualitĂ€t geprĂŒft worden ist. Man hat also eine gewisse Sicherheit, dass die Informationen dort auch valide (gĂŒltig) sind. Es gibt auch pĂ€dagogische Datenbanken, z. B. ERIC, FIS Bildung, Education Research Complete. Auch die psychologischen Fachdatenbanken enthalten pĂ€dagogische Informationen, da die PĂ€dagogik national und international lange Zeit gezögert hatte, ein einheitliches Dokumentationssystem zu entwickeln.
Um etwas ĂŒber Gruppen- und Sozialverhalten im Elementarbereich zu erfahren, mĂŒsste man rund 34.000 Arbeiten sichten (Stand 2013). Ca. 21.000 sind zum Stichwort „preschool education“ erschienen, ca. 5000 zur „Entwicklungspsychologie kleiner Kinder“ (0 bis 6 Jahre) in Englisch und ca. 2400 auf Deutsch. 5600 ĂŒberwiegend empirische Arbeiten existieren zum Thema Kindergarten und Krippe etc. Um es gleich hier deutlich zu sagen: Diese FĂŒlle an Literatur kann ein einzelner Mensch allein nicht ĂŒberblicken. Es reicht deshalb auch nicht, ein Buch wie dieses grĂŒndlich durchzuarbeiten, um zu wissen, was international zum Thema „Gruppen“ und „Sozialverhalten von Kleinkindern“ diskutiert wird. Bescheidenheit ist die beste Einstellung, die man zu dieser FĂŒlle des Wissens haben kann.
Allerdings kann man sich zwecks eines Überblicks behelfen. Dass man BĂŒcher wie die oben genannten zu Grunde legt, dass man die Zusammenfassung der Fachliteratur von Kolleginnen/Kollegen frĂŒher und heute zur Kenntnis nimmt, reduziert die Zahl der BĂŒcher, die man lesen mĂŒsste. Auch Metaanalysen – Zusammenfassungen der Fachliteratur zu einem eng umgrenzten Thema wie z. B. zu altersgemischten Gruppen (ca. 500 gibt es aktuell) – helfen, einen Überblick zu gewinnen.
Dennoch: Nicht nur der enge Bereic...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 Einleitung – Bedienungsanleitung fĂŒr wissenschaftliche Aussagen
  7. 2 Gruppen im Elementarbereich – Geschichte und Effekte der Gruppe
  8. 3 Die entwicklungspsychologischen Voraussetzungen der GruppenfÀhigkeit kleiner Kinder
  9. 4 Wie viel Gruppe braucht ein Kind?
  10. 5 Gruppenstrukturen im Elementarbereich – Die Gruppe als soziometrisches Risiko
  11. 6 GruppenfĂŒhrung im Elementarbereich
  12. 7 HeterogenitÀt und MultikulturalitÀt von Gruppen im Elementarbereich
  13. Literatur