1 Innovationsmanagement
In der Unternehmensführung gibt es nur zwei Strategien, die einer Firma langfristig das Überleben sichern. Entweder ein Unternehmen ist Kostenführer oder es ist Nutzenführer. Die Wahl heißt also »Aldi« oder »Red Bull«. Man ist so günstig in seinen Leistungsprozessen und Strukturen, dass man selbst bei niedrigen Preisen gute Renditen erwirtschaftet. Oder man bietet als Nutzenführer seinen Kunden qualitative und/oder emotionale Mehrwerte, für die diese freiwillig einen Preisaufschlag akzeptieren.
Wer jedoch weder reale Kosten- noch Nutzenvorteile bietet, befindet sich im Sumpf der Vergleich- und Austauschbarkeit. Im Sumpf bleibt zudem auch jener, der zwar Vorteile und Mehrwerte anbieten könnte, diese aber gar nicht erkennt oder nicht erfolgreich seinem Kunden vermittelt. Berühmte Beispiele sind das Fax oder das Musikformat MP3. Beide wurden von deutschen Tüftlern erfunden, doch andere machten damit ihre Gewinne.
Kosten- und Nutzenvorteile resultieren aus regelmäßigen Innovationen. Innovationen sind eine zentrale Basis für die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur von Unternehmen, sondern generell für Organisationen, Teams und Personen. Wer als Abteilung oder Projektteam dem Auftraggeber keine Kosten- oder Nutzenvorteile bietet, hat langfristig keine Existenzgrundlage. Das gleiche gilt für Arbeitnehmer, externe Dienstleister oder gemeinnützige Organisationen. Sie alle benötigen eine laufende (innovative) Weiterentwicklung, um sich nicht im Sumpf der Vergleich- und Austauschbarkeit wiederzufinden.
Doch die Kosten- und Nutzenvorteile von heute sind morgen schnell verloren. Der globale Markt und die Verfügbarkeit von Informationen in Echtzeit gibt dem Wettbewerb die Chance, schnell die aktuellen Wettbewerbsvorteile eines Anbieters zu analysieren, zu kopieren und – noch besser – weiter zu entwickeln. Unternehmen brauchen dementsprechend immer wieder Innovationen, um langfristig zu überleben! Häufig jedoch scheitert dies an fehlenden Strategien, an kurzfristigem Denken oder an Ignoranz.
Die Erfolgsfaktoren für Innovationen lassen sich mit vier Verben beschreiben: Wollen, dürfen, können und machen. Wenn Innovationen nicht vom Management und den Mitarbeitern gewollt werden, finden sie nicht statt. Mitarbeiter müssen innovativ sein dürfen. Dazu brauchen sie Strukturen und eine Unternehmenskultur, die ihnen genügend Freiräume lässt. Innovationen sind eine Frage des Könnens, der Fähigkeiten und konkreten Methoden und Instrumente. Kreativitätstechniken lassen sich ebenso erlernen wie klassische oder agile Projekt- oder Change Management-Tools. Schließlich bringt jede Idee wenig, wenn man sie nicht in eine Innovation umsetzt. Die nötige Motivation zum »Machen« bieten Anreizsysteme und Führungskräfte, die Mitarbeitern Perspektiven aufzeigen können, wenn sie sich mit ihren Ideen für das Unternehmen einsetzen.
Innovationen bedeuten Veränderungen! Neue Wege in den Prozessen, der Organisation aber auch neuartige Produkte, Märkte und Geschäftsmodelle führen meistens zu Veränderungen bestehender Strukturen, in Abläufen und Sortimenten. Veränderungen wecken aber nicht nur Sympathien bei den Beteiligten. Es entwickeln sich Sorgen, Ängste und Barrieren gegen die Veränderungen und somit gegen die erfolgreiche Umsetzung von Innovationen.
Dieses Buch bietet nicht nur einen guten Überblick über die unterschiedlichen Aspekte und Herausforderungen von Innovationen, sondern auch einen erstmaligen Bezug zwischen dem Management von Innovationen und Veränderungen. Es beschreibt moderne Methoden des agilen Managements unter Verweis auf ihre historischen Ursprünge und entwickelt eigene neue Techniken und Tools. So wird das Konzept der Innovation-Scorecard ausführlicher als in früheren Publikationen des Autors behandelt, sein Fit for Market-Innovationsprozess vom agilen Projektmanagement und Design Thinking inspiriert und die Corporate Management Canvas basierend auf der bekannten Business Model Canvas entwickelt. All diese Techniken haben sich bereits in vielen Workshops und Seminaren erfolgreich bewiesen.
Frei nach der Kreativitätsregel des Brainstormings werden in diesem Buch vorhandene Modelle, Methoden und Techniken aufgegriffen, erläutert und mit neuen Gedanken und Anregungen verknüpft. Es geht nicht um die Frage, wer die beste Idee oder wer die Idee zuerst hatte, sondern um die Auffindung einer optimalen Methodik für das Innovations- und Veränderungsmanagement.
Innovativ zu sein ist grundsätzlich gar nicht so schwer. Man muss es nur wollen und das dann konsequent durchziehen! Dieses Buch möchten Ihnen, sehr geehrte Leserin und sehr geehrter Leser, konkrete Anregungen und einfache Methoden aufzeigen, damit Sie in Ihrem beruflichen und privaten Umfeld innovativ sein können.
1.1 Grundlagen des Innovationsmanagements
Innovation bestimmt unser Leben. Die Suche nach dem Besseren zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Menschheit. Nur wem es immer wieder gelingt, sich von Neuem zu reproduzieren und neue Wettbewerbsvorteile zu gewinnen, wird langfristig überleben können. Dies gilt sowohl für die Fauna, Tierwelt, aber auch für Unternehmen, Organisationen, Teams, Beschäftigte sowie für Kommunen und ganze Staaten.
Schon Joseph Schumpeter sprach in seinem Klassiker »Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung« aus dem Jahr 1911 von innovationsorientierten Unternehmern. Der Unternehmer sucht nach Wandel, er reagiert auf Wandel und nutzt diesen als Chance. Durch neuartige Kombinationen von Fähigkeiten und Leistungen werden neue Kundennutzen gestiftet und Alleinstellungsmerkmale erzielt. Der amerikanische Nobelpreisträger Robert Solow formulierte im Jahr 1956, dass rund 88 Prozent des Wirtschaftswachstums durch Innovationen erzeugt werden. Sicherlich kann man sich über den genauen Prozentsatz streiten, doch gelten allgemein Innovationen als Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
Im Grunde wollen alle Menschen Innovationen. Niemand will als Innovationsbremser gelten. Der Begriff »Innovation« ist jedoch abgenutzt. Er wird oft als Modebegriff oder für kaum veränderte Produkte missbraucht. In manchen Firmen ist das Recht, innovativ zu sein, ein Vorrecht der Abteilung Forschung & Entwicklung, des Chief Digital Officers (CDO) oder der Unternehmensführung. Das Vorantreiben von Innovationen scheitert an internen Strukturen, fehlenden Budgets, Mutlosigkeit oder an dem fehlenden Wissen um die Instrumente des Innovationsmanagements.
Innovationen sind keine Glücksfälle. Sie resultieren meistens aus einem systematischen Prozess, der erlern- und steuerbar ist. Peter Drucker bezeichnete schon 1986 das Innovationsmanagement als eine erlernbare Fachdisziplin. Unternehmen müssen Innovationsquellen und Ideen gezielt aufspüren und gleichzeitig die Prinzipien eines methodischen Innovationsmanagements kennen und umsetzen.
Die Erkenntnis, dass Innovationen von großer Bedeutung sind, ist also nicht neu. Jeder Wirtschaftsstudent lernt dies in seinem Studium. Gerade große Organisationen haben aber in der Realität Schwierigkeiten mit der Verwirklichung von Innovationsfreiräumen. Im besten Fall konzentriert man sich lieber auf die Perfektionierung bestehender Produkte und Prozesse anstatt auf die Entwicklung neuer Lösungen für sich ändernde Kundenbedürfnisse und Wettbewerbseinflüsse. Im schlimmsten Fall beschäftigen sich große Firmen nur mit sich selbst und lassen den innovativen Wettbewerb (z. B. Start-ups) an sich vorbeiziehen. Es gilt das Motto: Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen.
Eine solche Trägheit konnte man früher noch überleben. Doch aktuelle Entwicklungen wie die Digitalisierung oder die finanziellen Mittel der Start-ups, ändern dies gerade! Dank sich immer weiter entwickelnder technologischer Produkt- und Prozessinnovationen, von jungen Unternehmen initiierten neuen Geschäftsmodellen oder von jungen Mitarbeitergenerationen geforderter Führungskonzepte, kann man sich heute nicht mehr im Sumpf der Vergleichbarkeit verstecken.
All diese Trends eröffnen auch neue Chancen. So kann heute ein Unternehmen im Idealfall auf einen Schlag sowohl Kosten- und Nutzenführer werden. Disruptive Innovationen sind auf einmal viel leichter zu realisieren, als es noch vor Jahren möglich war.
1.1.1 Gründe für Innovationen
Innovationen sind eine Voraussetzung für die langfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens, für die Sicherung der Arbeitsplätze und des Kapitals der Gesellschafter. Dies lässt sich mit den beiden zentralen Wettbewerbsstrategien von Unternehmen, die des Kosten- und/oder Nutzenführers verdeutlichen.
Abb. 1: Wettbewerbsstrategien
Hinweis: Wettbewerbsstrategien von Michael Porter
Die Strategien der Kosten-/Nutzenführerschaft entsprechen einer Weiterentwicklung der weltbekannten Wettbewerbsstrategien von Michael Porter. Schon 1985 formulierte er in seinem richtungsweisenden Werk »Competitive Advantage« seine drei generischen Wettbewerbsstrategien der Segmentierung, der Differenzierung und der Kostenführerschaft, zusammen mit der Wertkette (Value Chain und der fünf Wettbewerbskräfte anhand des Fünf-Kräfte-Modells »Five Forces« (siehe Porter M., 1985, S. 11 ff.). Mit dem Begriff der »Nutzenführerschaft« möchte der Autor dieser Publikation den Ansatz der »Differenzierung« konkretisieren und weiterentwickeln.
Kostenführer generieren ihre überdurchschnittlichen Renditen durch signifikante Kostenvorteile. Selbst bei geringen Preisen realisieren sie noch hohe Margen. Kostenführer nutzen alle möglichen Rationalisierungsmaßnahmen im Produkt- und Leistungsangebot, in der Fertigung und in allen Geschäftsprozessen, reduzieren unnötige Schnittstellen und standardisieren ihre Leistungen und Systeme.
Nutzenführer unterscheiden sich von Kostenführern durch ihre hohe Qualität, ein größeres Angebot (Sortiment), vermehrten Service und den gezielten Einsatz von Emotionen. Nutzenführer bieten etwas Besonderes, wofür der Kunde gerne bereit ist, tiefer in die Tasche zu greifen. Sie beklagen nicht den irrationalen Kunden, der nicht bereit ist, für Qualität auch die entsprechende Summe auszugeben. Nutzenführer orientieren sich an den tatsächlichen Werten und Erwartungen ihrer Abnehmer.