Die Benediktiner
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Die Benediktiner

Von den AnfÀngen bis zum Ende des Mittelalters

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Die Benediktiner

Von den AnfÀngen bis zum Ende des Mittelalters

About this book

Die Benediktiner sind der Ă€lteste christliche Orden. Von seinen AnfĂ€ngen im 6. Jahrhundert mit der alles ĂŒberragenden GrĂŒndergestalt Benedikts von Nursia zeigt das Buch auf, wie sich der Orden im Mittelalter entwickelte und immer wieder neue Antworten auf die Frage, welchen Wert christliche Orden in der Welt hatten, bieten. Die Benediktiner erneuerten mit ihren Modellklöstern und stetigen Reformen immer wieder das geistliche Leben, reformierten die Kirche und versuchten dem Leben Jesu nachzufolgen. SpĂ€testens seit 816 waren die Benediktiner fĂŒr rund 300 Jahre der einzige von der Kirche anerkannte Orden, eine Position, die der Orden zu nutzen verstand und so zu den einflussreichsten christlichen Orden des Mittelalters wurde.

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Information

 

1          Zur Einleitung

 
 
 
»An dich richte ich jetzt mein Wort, wer immer du bist« (RB Prolog, 3)1.
Benedikt von Nursia – oder wer immer die Benediktsregel niedergeschrieben hat – hat zu Beginn des Prologs ein Grundproblem des Schreibens angesprochen: An wen richtet sich der Text? Was erwarten seine Leser? WofĂŒr interessieren sie sich? Was muss der Autor erklĂ€ren, was darf er als bekannt voraussetzen? Wer sich in Deutschland im Jahr 2017 daran macht, eine einfĂŒhrende Darstellung zur Geschichte des benediktinischen Mönchtums von seiner Entstehung bis zur Reformation zu verfassen, sieht sich vor erhebliche Probleme gestellt, will er diese Fragen schlĂŒssig beantworten. Denn in der bundesrepublikanischen Kultur gibt es je nach Milieu genaue, vage oder gar keine Vorkenntnisse zu seinem Thema. Das gilt bereits fĂŒr GrundzĂŒge christlicher Praktiken und Sinnhorizonte, das gilt erst recht fĂŒr jede Form des Mönchtums als einer hoch spezialisierten Sonderform christlichen Lebens. Daraus resultieren fĂŒr dieses Buch unterschiedliche Herausforderungen. Denjenigen, denen diese Religion mit ihren Gottesdiensten und Gebeten, grundlegenden Texten sowie theologischen Konzepten weitgehend unbekannt ist, mĂŒssen wenigstens GrundzĂŒge erklĂ€rt werden, soweit das fĂŒr ein VerstĂ€ndnis der hier erzĂ€hlten Geschichte notwendig ist. Allzu ausfĂŒhrliche ErlĂ€uterungen der HintergrĂŒnde könnten allerdings das eigentliche Thema ĂŒberlagern. Der ErzĂ€hler mĂŒsste beinahe die Rolle Williams von Baskerville im Film »Der Name der Rose« ĂŒbernehmen, der nicht nur die Mordserie aufklĂ€rt, sondern nebenbei dem Novizen Adson und damit den Zuschauern in etwas aufdringlicher Weise die fremde Welt des Mittelalters erklĂ€rt – die in dem Film von fiesen PrĂ€laten sowie grotesken, intriganten und fanatischen Mönchen bewohnt wird, vor Schmutz starrt und ein Ort ungezĂŒgelter Leidenschaft und BrutalitĂ€t ist, also kaum ein Klischee moderner Mittelalterbilder auslĂ€sst. Praktizierende Christen verschiedener Konfessionen laufen hingegen Gefahr, die historischen Ausformungen ihrer religiösen Tradition als SelbstverstĂ€ndlichkeit vorauszusetzen. Weil Christen sich mit der Bibel auf eine »Heilige Schrift« berufen, die seit mehr als anderthalb Jahrtausenden unverĂ€ndert vorliegt, besteht das Risiko, das eigene VerstĂ€ndnis ihrer Botschaften als den ĂŒberzeitlich gĂŒltigen Wesenskern des Christentums zu begreifen. Bestenfalls fĂŒhrt das zu einem Missverstehen mittelalterlicher Praktiken, schlimmstenfalls zu ihrer Abwertung, weil sie sich so grundlegend von modernen AusprĂ€gungen unterscheiden.

Was das Buch will

Das vorliegende Buch ist im Zuge mehrjĂ€hriger LehrtĂ€tigkeit an den UniversitĂ€ten in MĂŒnster, Rostock und Vechta entstanden. In den Vorlesungen und Seminaren zur Geschichte des mittelalterlichen Mönchtums ist mir beides begegnet, sowohl eine fĂŒr mich ĂŒberraschende Unkenntnis christlicher Traditionen als auch die Verwechslung moderner Überzeugungen mit einem vermeintlich ĂŒberzeitlichen Wesen der eigenen Religion. Eindrucksvoll war fĂŒr mich etwa eine Seminarsitzung in Rostock, in der wir uns mit dem klösterlichen Psalmengebet auseinandergesetzt haben. Die eher beilĂ€ufig gestellte Frage: »Wie stellen Sie sich eigentlich konkret vor, was Mönche machen, wenn sie sich zum Stundengebet treffen?«, stieß auf hartnĂ€ckiges Schweigen, bis mich eine Studentin dankenswerter Weise darauf hinwies, dass die Anwesenden wirklich keine Vorstellung davon besĂ€ĂŸen. In anderen Veranstaltungen, vor allem in MĂŒnster, Ă€ußerten Studierende hingegen hĂ€ufig Bedenken, dass das, was ich ĂŒber christliche Mönche berichtete, so gar nicht zu dem passe, was das Christentum eigentlich wolle oder sei. Nicht selten besuchten schließlich in MĂŒnster Studierende meine Veranstaltungen, die selbst Theologie studierten oder in einem Benediktinerinternat zur Schule gegangen waren und denen daher vieles vertraut war, was ich umstĂ€ndlich zu erklĂ€ren versuchte. Es gleicht der Quadratur des Kreises, wenn ich mich darum bemĂŒhe, ein Buch vorzulegen, das Lesenden mit diesem grundsĂ€tzlich verschiedenen Vorwissen gerecht werden soll. In der Hoffnung, dass mir das dennoch ein StĂŒck weit gelungen ist, widme ich den Band den Studierenden in MĂŒnster und Rostock.
An wen richte ich also mein Wort? Das Buch soll Studierenden, ausgebildeten Historikern sowie allen interessierten Laien einen zuverlĂ€ssigen und anschaulichen Eindruck von der Geschichte des benediktinischen Mönchtums von der Abfassung der Benediktsregel im 6. Jahrhundert bis zur grundsĂ€tzlichen ErschĂŒtterung mittelalterlicher ReligiositĂ€t durch die Reformation vermitteln. Es soll also fĂŒr alle lesbar und verstĂ€ndlich sein, die im Zuge ihres Studiums, ihrer TĂ€tigkeit in Wissenschaft und Unterricht, eines Ausstellungsbesuchs oder einer Reise auf Spuren mittelalterlichen Mönchtums stoßen oder einfach aus Neugier ihre Kenntnisse ĂŒber diesen Zweig christlicher Askese vertiefen wollen. Weil ich selbst ĂŒber eine katholische Sozialisation verfĂŒge, bin ich mir des Risikos bewusst, Wissen vorauszusetzen, das mir selbstverstĂ€ndlich erscheint. Zum GlĂŒck liegen seit einigen Jahren hervorragende EinfĂŒhrungen in die christliche ReligiositĂ€t des Mittelalters oder in die Kultur- und MentalitĂ€tengeschichte dieser Epoche vor, die einen zuverlĂ€ssigen Zugang zu den HintergrĂŒnden eröffnen, die hier nicht in aller Breite erörtert werden können – einschlĂ€gige Titel verzeichnen die bibliographischen Hinweise am Ende des Bandes.

Andersartigkeit mittelalterlicher ReligiositÀt

Bei einer Auseinandersetzung mit mittelalterlicher ReligiositĂ€t sticht vor allem ihre Andersartigkeit ins Auge, die sie von jeder modernen Praxis und allen modernen Vorstellungen unterscheidet. Denn trotz des gemeinsamen Bezugs moderner und mittelalterlicher Christenheiten auf dieselben Basistexte und dieselben Traditionen hat das Bild, das dieses Buch vom mittelalterlichen Mönchtum entwirft, wenig mit gegenwĂ€rtigen religiösen Praktiken oder Glaubensinhalten gemeinsam. Das resultiert aus dem bestĂ€ndigen Wandel des kulturellen und gesellschaftlichen Kontexts, in dem Klöster und Mönche existierten und existieren. Die unauflösliche Vernetzung asketischen Lebens mit seiner Umwelt steht im Widerspruch zum monastischen SelbstverstĂ€ndnis, im Kloster einen Alternativentwurf zur Welt zu verwirklichen und eine »Kontrastgesellschaft« (Gerhard Lohfink) zu errichten. Ein mittelalterlicher Mönch dĂŒrfte mit seinem Eintritt ins Kloster das Bewusstsein verbunden haben, sich von der Welt ab- und dem geistlichen Leben zuzuwenden. Immer wieder wird in den Quellen die Bekehrung zum asketischen Leben als ein Verlassen der Welt beschrieben – und dennoch musste immer neu ausgehandelt werden, wie weit »die Welt« das Leben im Kloster prĂ€gte. Denn die Errichtung von Klostermauern und der RĂŒckzug hinter sie kappte keineswegs alle Verbindungen zur Welt »draußen«. Die in den monastischen Idealen scharf gezogene Grenze zwischen Kloster und Welt musste in der Praxis immer wieder neu bestimmt werden. Diese Grundspannung zwischen dem Ideal einer Abkehr von der nichtklösterlichen Gesellschaft und Kultur auf der einen und der RealitĂ€t eines unhintergehbaren Verwobenseins mit der außerklösterlichen Umgebung auf der anderen Seite verlieh dem mittelalterlichen benediktinischen Mönchtum seine Dynamik – das Kloster war nie so klar von der Welt abgegrenzt, wie es sollte. Es sah sich immer neu herausgefordert, das VerhĂ€ltnis zur Welt auszutarieren – nach Mayke de Jong machte das den Kern der ReformbemĂŒhungen aus, die die Geschichte des Mönchtums von seinen AnfĂ€ngen an begleiteten. Es wĂ€re daher verfehlt, die Geschichte des benediktinischen Mönchtums mit der Erwartung zu lesen, es gebe einen ĂŒberzeitlichen Kern, der womöglich mit seinen UrsprĂŒngen identisch wĂ€re, und daneben gebe es historische Überwucherungen, die an diesen idealen UrsprĂŒngen zu messen seien. In der Tat beriefen sich zahlreiche geistliche Gemeinschaften ĂŒber Jahrhunderte auf die Benediktsregel als Basistext fĂŒr ihr geistliches Leben. Aber erst im Wechselspiel mit den Welten, in denen diese Regel praktiziert werden sollte, ergab sich, wie sie verstanden wurde. Dazu trug bei, dass sich europaweit die unterschiedlichsten Klöster auf dieselbe Regel beriefen, ohne durch einen Orden oder eine andere institutionelle Klammer miteinander verbunden zu sein. Der RĂŒckgriff auf die gemeinsame Klosterregel einerseits und die jeweiligen gesellschaftlichen, kulturellen und spirituellen BedĂŒrfnisse der einzelnen monastischen Gemeinschaften andererseits prĂ€gen die Geschichte, die ich entwerfe. Sie ist von der Spannung zwischen dem Festhalten an eigenen Traditionen und ihrer Adaptation an grundverschiedene Lebensweisen bestimmt. Die Ausstrahlung des benediktinischen Mönchtums auf die Welt kann hingegen nur in AnsĂ€tzen angedeutet werden. Dieses Thema systematisch zu behandeln wĂŒrde bedeuten, eine EinfĂŒhrung in die Geschichte des lateinischen Mittelalters zu schreiben.

Der Aufbau des Bandes

Die folgende Geschichte des benediktinischen Mönchtums im europĂ€ischen Mittelalter besteht aus zwei Hauptteilen. ZunĂ€chst dient ein chronologischer Durchgang dem Ziel, wesentliche Etappen des Umgangs mit den normativen Grundlagen aufzuzeigen, denn der Rekurs auf die Benediktsregel ist das einzige Bindeglied zwischen den hier zu behandelnden religiösen HĂ€usern. Daher eignet sich die Fokussierung normativer Schriftlichkeit als roter Faden, um zugleich ein GrundgerĂŒst der Geschichte des benediktinischen Mönchtums zu erarbeiten. Neben der Klosterregel selbst und anderen Texten aus dem monastischen Bereich besitzen hier Synodalakten, herrscherliche Erlasse und kirchenrechtliche Bestimmungen ein erhebliches Gewicht, sodass bereits in dem chronologischen Teil die Spannung zwischen klösterlicher Autonomie und der Vernetzung von Kloster und Welt zur Sprache kommt. Der zweite Teil prĂ€sentiert systematische Kapitel, die wesentlichen Aspekten mittelalterlicher monastischer Praxis gewidmet sind, beginnend mit Gebet, Liturgie und klösterlicher LektĂŒre, auf die dann die Einbindung von Klöstern in die Politik folgen sowie eine Skizze der ökonomischen Grundlagen. Dieser Aufbau geht vom Leben innerhalb der Klostermauern aus und erweitert dann die Perspektive auf die Interaktion zwischen dem Binnenbereich und der sie umgebenden Gesellschaft.

2 Die Benediktsregel und das normative GerĂŒst benediktinischen Mönchtums im Mittelalter

»Die Regel als Anfang unseres Weges zur vollen Gerechtigkeit« (RB 73).
Der Bezug auf Benedikt von Nursia und die ihm zugeschriebene Regel stellt die zentrale Gemeinsamkeit dar, die das benediktinische Mönchtum verband. Diese Gemeinsamkeit bewirkte jedoch keine Uniformierung klösterlichen Lebens, eher ließe sich von einer gewissen FamilienĂ€hnlichkeit zwischen den verschiedenen Klöstern sprechen, in denen nach der Regula Benedicti gelebt wurde. Neben diesem normativen Text dienten andere Schriften, allen voran die Bibel, ferner ein breites Spektrum monastischer und anderer theologischer Literatur als Inspirationsquellen fĂŒr die asketische Praxis. DarĂŒber hinaus spielten schließlich die Entwicklungen christlicher ReligiositĂ€t, die Erwartungen der Umgebung an ihre Klöster sowie die Vernetzung mit kirchlichen Institutionen wie gesellschaftlichen Eliten eine entscheidende Rolle fĂŒr die Vielfalt asketischen Lebens, das unter Bezug auf den einen Regeltext verwirklicht wurde. Diese Faktoren fĂŒhrten nicht zuletzt dazu, dass sich auch der Umgang mit der Benediktsregel und anderen normativen Basistexten innerhalb des mittelalterlichen Mönchtums in fundamentaler Weise wandelte. Daher bĂŒndelt die Geschichte des normativen GerĂŒsts, das das benediktinische Mönchtum trug und formte, zentrale Aspekte seiner mittelalterlichen Entwicklung.

2.1 Eine sehr kurze Geschichte des frĂŒhen christlichen Mönchtums

Die Abfassung der Benediktsregel und die Entstehung des benediktinischen Mönchtums lassen sich nicht ohne einen knappen RĂŒckblick auf die frĂŒhe Geschichte christlicher Askese verstehen, denn sie bĂŒndelt zahlreiche Ă€ltere Traditionen, auf die sich der Regeltext sogar ausdrĂŒcklich bezieht. Auch das Modell klösterlichen Lebens, das Benedikt von Nursia entwirft, speist sich aus zahlreichen Ă€lteren Quellen, die daher an dieser Stelle wenigstens in einigen groben Strichen nachgezeichnet werden mĂŒssen.

Asketen

Seit dem Beginn des Christentums gab es zwar bereits Asketen, aber noch keine Mönche. Asketen, die sich aus religiöser Motivation bestimmte EinschrĂ€nkungen bei Nahrung, Schlaf oder SexualitĂ€t unterwerfen, sind bereits im Neuen Testament belegt. Die AnfĂ€nge christlichen Mönchtums fallen erst auf das Ende des 3. nachchristlichen Jahrhunderts. Es ordnet sich damit in ein breites Panorama »asketischen Virtuosentums« (Max Weber)1 ein, das in den meisten religiösen Traditionen der Welt zu beobachten ist. Zugleich greift es Motive einer im Hellenismus wie im zeitgenössischen Judentum verbreiteten Sorge um sich selbst auf. Philosophen wie der Neoplatoniker Plotin († 270) bemĂŒhten sich um eine strenge Disziplinierung körperlicher und geistiger VollzĂŒge im Dienste eines philosophisch-religiösen Lebensentwurfs. Ähnliches wird in der Bibel etwa vom Propheten Elias oder von Johannes dem TĂ€ufer berichtet. Neben diesen literarisch bezeugten Figuren dĂŒrfte bei der Entstehung des christlichen Mönchtums die PrĂ€senz einer hohen Zahl heidnischer wie christlicher viri Dei, sogenannter »Gottesmenschen«, in der SpĂ€tantike als Vorbild gedient haben. Dabei handelte es sich um Personen, deren asketischer Lebenswandel ihnen in den Augen der Zeitgenossen einen direkten Zugang zu Gott, Göttern oder anderen jenseitigen MĂ€chten eröffnete und es ihnen ermöglichte, Botschaften oder den heilsamen Beistand göttlicher MĂ€chte an ihre Umgebung zu vermitteln. In christlichen ZusammenhĂ€ngen fungierten MĂ€rtyrer als Vermittler göttlichen Heils, von denen geglaubt wurde, dass sie nach ihrem Tod unmittelbar in der direkten Anschauung Gottes weiterlebten und daher in der Lage seien, den Menschen göttlichen Beistand zukommen zu lassen. Nach dem Ende der antiken Christenverfolgungen traten Mönche in die Tradition der MĂ€rtyrer ein, die ihr Leben in rigoroser Askese als Zeugnis fĂŒr die »wahre« Religion und fĂŒr einen Bruch mit der Welt verstanden.

Antonius und die Eremiten

In das Panorama religiöser Virtuosen der SpĂ€tantike ordnen sich die frĂŒhen Mönche als eigenstĂ€ndige Spielart christlichen Asketentums ein. Ihre ersten beiden namentlich bekannten Vertreter, Antonius und Pachomius, lebten um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Ägypten. Antonius, der nach seiner Lebensbeschreibung (Vita) im Jahr 356 mit ĂŒber 100 Jahren starb, verließ als junger Mann den heimatlichen Bauernhof im mittleren Niltal, um in der Einsamkeit der WĂŒste ein allein Gott geweihtes Leben zu fĂŒhren. Ausschlaggebend dafĂŒr sei, so die Vita, ein Ausspruch Jesu gewesen, den er zufĂ€llig gehört habe:
»Willst du vollkommen sein, so geh, verkaufe deinen Besitz und gib ihn den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir!« (Mt 19,21).
Sein Weg fĂŒhrte ihn in mehreren Etappen in die WĂŒste, wo er in GrĂ€bern und Ruinen hauste. Dort habe er, so wird weiter berichtet, seine Tage damit zugebracht, zu beten und ĂŒber Bibelpassagen nachzudenken sowie seinen Körper durch harte Askese zu disziplinieren. Dieses psychische wie physische Training habe ihn dazu in die Lage versetzt, sich erfolgreich gegen die Anfechtungen zu verteidigen, mit denen der Teufel und seine DĂ€monen ihn bedrĂ€ngt hĂ€tten. Die Vita Antonii beschreibt diese Anfechtungen als Auseinandersetzungen darum, wer den Ort kontrolliere, an dem sich Antonius aufgehalten habe, weil der Heilige und die DĂ€monen dort nicht gemeinsam Platz gefunden hĂ€tten. Trotz dieses gezielten RĂŒckzugs in die Einsamkeit sei Antonius nach einigen Jahren wieder vermehrt mit anderen Menschen in Kontakt gekommen. Einerseits hĂ€tten sich jĂŒngere Einsiedler dem Ă€lteren Eremiten angeschlossen, um nach seinem Vorbild und nach seinen Weisungen zu leben, andererseits habe er sich in die innerchristlichen Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts eingemischt – ehe er hoch geehrt gestorben sei. Durch die Lebensbeschreibung, die der alexandrinische Bischof Athanasius bald nach Antonius’ Tod verfasste und die rasch in einer lateinischen Übersetzung im Westen Verbreitung fand, wurde der Einsiedler und »Altvater« (= abbas) Antonius zur wohl wichtigsten GrĂŒnderfigur des mittelalterlichen Mönchtums. Sein Modell, sich aus der Welt in die WĂŒste, in den Ă©remos, zurĂŒckzuziehen, um dort in strenger Askese unter bestĂ€ndiger Meditation an einem Ort auszuharren und den Anfechtungen zu widerstehen, stand an der Wiege des christlichen Mönchtums im eigentlichen Sinne. Als »Reglement« des eremitischen Lebens begegnet hier – neben der Orientierung an der Bibel – die AutoritĂ€t eines erfahrenden Einsiedlers, der jĂŒngeren SchĂŒlern als Vorbild dient und sie mit individuellen Mahnungen berĂ€t.

Pachomius und das Zönobitentum

Die zweite GrĂŒndungsfigur des Ă€gyptischen Mönchtums, Pachomius († 346/7), steht fĂŒr die Entstehung von Klöstern, in denen die sogenannten Zönobiten ein streng reglementiertes Gemeinschaftsleben fĂŒhrten. Nach seiner Vita soll Pachomius, ein Sohn nichtchristlicher Eltern, erst nach Beendigung seiner MilitĂ€rzeit zum Christentum konvertiert sein. Ähnlich wie Antonius habe er sich dann einem erfahrenen Eremiten angeschloss...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. 1 Zur Einleitung
  6. 2 Die Benediktsregel und das normative GerĂŒst benediktinischen Mönchtums im Mittelalter
  7. 3 Gebet, ReligiositÀt und Kunst im benediktinischen Mönchtum
  8. 4 Schriftkultur und Gelehrsamkeit im Kloster
  9. 5 Das Kloster zwischen König, Kirche und Stadt
  10. 6 Die Wirtschaft der Klöster
  11. 7 Ein Epilog
  12. 8 Danksagung
  13. 9 Anmerkungen
  14. 10 Bibliographie
  15. 11 Register