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Didaktik des Unterrichts mit blinden und hochgradig sehbehinderten Schülerinnen und Schülern
Band 1: Grundlagen
This book is available to read until 5th December, 2025
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Didaktik des Unterrichts mit blinden und hochgradig sehbehinderten Schülerinnen und Schülern
Band 1: Grundlagen
About this book
Das Buch bietet in der Neuauflage eine praxisnahe, fundierte und aktuelle Darstellung der spezifischen Lehr- und Lernbedürfnisse blinder und hochgradig sehbehinderter Kinder und Jugendlicher. Ausführlich wird auf Lernvoraussetzungen, didaktische Konzepte und methodische Vorgehensweisen eingegangen. Der Kontext Inklusion wird ebenso berücksichtigt wie die Unterrichtssituation von Schülerinnen und Schülern mit mehrfachen Beeinträchtigungen.
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Information
I Sehen oder Nichtsehen: Bedeutung für Lernen und aktive Teilhabe in verschiedenen Bereichen des Lebens
Ursula Hofer
1 Sehen: Funktionen, Bewertung und Zuschreibung
1.1 Wahrnehmung und Erkenntnisgewinn
Menschen sind Augenwesen. Dem Sehen wird für Lernen, für Aktivität und Teilhabe in praktisch allen Lebensbereichen unserer Gesellschaft besonderes Gewicht beigemessen.
Im 17. Jahrhundert wurde von John Locke die Metapher der »tabula rasa« geprägt: Der Mensch ist, wenn er zur Welt kommt, eine leere, unbeschriebene Wachstafel. Seine Erkenntnisse stammen aus sinnlicher Wahrnehmung (Locke 1981, II). Allerdings differenzierte Locke: Alle menschlichen Erkenntnisse entstammen entweder sinnlichen Erfahrungen oder aber der Reflexion des Geistes darüber. Die Sinne liefern in diesem Modell alles Material, welches zu geistiger Reflexion benötigt wird. Die psychische Fähigkeit zur Reflexion nahm Locke als bereits vorhanden an (ebd., 108 f.). Etwas später, im 18. Jahrhundert, versuchte Etienne Bonnot de Condillac, aufbauend auf den Ideen Lockes, wirklich tabula rasa zu machen. Er war der eigentliche Begründer des Sensualismus, der Lehre, welche alle Erkenntnisse und psychischen Zustände auf sinnliche Informationen zurückführt. Wahrnehmung war für Condillac die erste Operation des menschlichen Geistes, aus welcher sich allmählich alle geistigen Fähigkeiten entwickeln (Condillac 1983). Zur Darstellung dieser Entwicklung nutzte er die Fiktion der Marmorstatue. Indem er ihr nacheinander die fünf Sinne verlieh, ließ er sie langsam zu vollem Leben erwachen.
Die Bedeutung sinnlicher Empfindungen
Die sensualistische Vorstellung, wonach alle geistigen Fähigkeiten des Menschen sich allein aus seinen Wahrnehmungsfähigkeiten aufbauen, ist längst widerlegt. Geblieben sind Fragen der Gewichtung und der Verbindung sinnlicher Wahrnehmung im Gewinn von Erkenntnis. Insbesondere aber interessieren die Möglichkeiten der optimalen Kompensation ausfallender sinnlicher Informationen durch solche aus anderen Sinnesmodalitäten. Zumeist wird dabei auf die absolute mengenmäßige Dominanz der visuellen Anteile verwiesen. So besteht heute grundsätzlich Konsens darüber, dass durch das Auge in kürzerer Zeit mehr Informationen aufgenommen werden können als durch die anderen Sinne. Die zur Quantität häufig genannte Summe von 80% scheint einen fast magischen Wert darzustellen: »Über die Augen werden 80% unserer Informationen aufgenommen« (Käsmann-Kellner 2005, 67). Gleiche oder ähnliche mengenmäßige Angaben machen auch andere Autoren und Autorinnen (Krug 2001; Wagner 2003; Walthes 2003; Zihl et al. 2012). Gleichzeitig wird unsere Welt beschrieben, als eine »im Wesentlichen visuelle Welt«, was die besondere Bedeutung dieser Sinnesmodalität für Erfahrung und Erkenntnis unterstreicht (Zihl et al. 2012, 9).
1.2 Sehen: Ein komplexes System
Das visuelle System des Menschen ist hierarchisch strukturiert. Grob unterteilen lässt es sich in einen physiologischen (okularen) Bereich mit primär aufnehmenden Funktionen und einen cerebralen oder zentralen (neurologischen) Bereich, in welchem die Verarbeitung des Aufgenommenen erfolgt.
1.2.1 Sehen physiologisch (okular)
Die Augen, kugelförmige, mit Flüssigkeit gefüllte Hohlkörper, nehmen Sehinformationen auf, deren vielfältige Verarbeitung erst im Gehirn stattfindet. Wie Dutton betont, ist es das Gehirn, das ›sieht‹ (2013). Mit den Augen wird physikalische Energie in Form von Lichtwellen vom Sehsystem aufgenommen und über okulare Zwischenstationen zu den Rezeptoren der Netzhaut geleitet. Das okulare System besteht aus dem Augapfel und seinen Hüllen. Die innerste ist die Netzhaut (Retina) mit ihren Rezeptoren (farbempfindliche Zapfen und hell-dunkel-empfindliche Stäbchen).
Strahlengang durch das Auge: Akkommodation und Adaptation
Bevor das Licht durch die Rezeptoren in elektrische Impulse umgewandelt wird, sorgen Hornhaut und Linse (brechende Medien) dafür, dass die eintreffenden Lichtstrahlen so gebündelt und gebrochen werden, dass sie genau auf der Netzhaut auftreffen. Wird ein ausgewähltes Objekt angesehen, so bildet es sich – bei angemessenem Akkommodationsvermögen – auf der Netzhaut in der Makula ab. Hier, im Zentrum der Netzhaut, sind die Rezeptoren dicht beisammen und entsprechend scharf wird das Objekt abgebildet (vgl. Lang et al. 2004). Bei zu starker oder zu schwacher Brechung rufen die Lichtstrahlen allerdings keine scharfe Abbildung eines Sehobjekts auf der Netzhaut hervor. Werden die Strahlen zu stark gebündelt, liegt ihr Brennpunkt bereits vor der Netzhaut; das Auge ist zu lang. Dieser Brechungsfehler wird als Kurzsichtigkeit (Myopie) bezeichnet. Bei zu schwacher Bündelung treffen sich die Strahlen erst hinter der Netzhaut. Das somit zu kurze Auge wird als weitsichtig (hyperop) bezeichnet. Beide Sehschwächen lassen sich durch Linsen, die die Lichtstrahlen entweder zusätzlich brechen oder der zu starken Brechung durch Streuung entgegenwirken, korrigieren. Die Pupille, ein Loch in veränderbarer Größe im ringförmigen Muskel, Iris genannt, regelt die Menge des ins Auge einfallenden Lichts (Adaptation). Mit dem Mechanismus von Iris und Pupille kann das Auge sich unterschiedlich hellen oder dunklen Umwelten anpassen (ebd., 464 ff.). In der Netzhaut wird das Licht auf der Basis photochemischer Vorgänge in elektrische Impulse umgewandelt, welche als Nervenimpulse über Bipolar- und Ganglienzellen an die Fasern des Sehnervs (Nervus opticus) abgegeben und von diesen an zentralnervöse Strukturen im Mittel- und Zwischenhirn und letztlich an die Sehrinde weitergeleitet werden (Zihl & Priglinger 2002, 20).
Papille oder »Blinder Fleck«
Alle Menschen haben einen blinden Fleck. Dieser ist bedingt durch das Fehlen von Sehzellen an derjenigen Stelle der Netzhaut, an welcher alle Sehnerven gebündelt ins Gehirn weitergeleitet werden. Hier, in der Papille, dem blinden Fleck, fehlen die Photorezeptoren, weshalb ab dieser Stelle ein absoluter Sehausfall stattfindet (Lang et al. 2004, 394). Weil das Gehirn die wegfallenden Reize durch erhaltene Informationen aus dem Kontext ergänzt (füllt), nimmt kein Mensch seinen blinden Fleck als solchen wahr.
Besondere Sehfunktionen – Individualität des Sehens
Besondere individuelle Sehleistungen ergeben sich aus verschiedenen funktionalen Beeinträchtigungen. Ist das Auflösungsvermögen, das scharfe Sehen beeinträchtigt, so ergeben sich Probleme im Erkennen der formalen Beschaffenheit von Objekten. Die Lesefähigkeit kann in diesem Falle aufgrund gestörter Trennschärfe im Erkennen von Buchstaben und Wörtern betroffen sein. Zudem geht mit einem vollständigen Ausfall des Sehens im Zentrum der Netzhaut (Makula) der Verlust des Farbensehens einher. Die verbleibenden Sehzellen am Rande der Netzhaut werden normalerweise erst in der Dämmerung aktiv. Sie reagieren hochsensibel auf Licht, können aber keine Farben unterscheiden. Ist dagegen das Sehen im Netzhautzentrum intakt, dafür aber das Gesichtsfeld in der Peripherie stark eingeschränkt, so sind formale und farbliche Details gut erkennbar, aber deren Einbettung in ein Ganzes, der Überblick, ist erschwert. Und weil die Zellen, welche schwarz-weißes Sehen und Sehen bei schwacher Lichtintensität ermöglichen, in der Peripherie der Netzhaut angesiedelt sind, führt ein Verlust derselben überdies zu Nachtblindheit und zu Orientierungsschwierigkeiten in nicht optimal ausgeleuchteten Räumen.
Die Beweglichkeit der Augen, deren Motilität, verweist darauf, dass Sehen immer mit angemessenen Bewegungen der Augenmuskeln verbunden ist.
Ob die Fähigkeit scharf zu sehen, Farben zu erkennen oder diejenige, auch im Dunkeln etwas wahrzunehmen, beeinträchtigt ist, ob eine extreme Blendempfindlichkeit vorliegt, ob ein Einstellen der Augen auf einen bestimmten, ausgewählten Gegenstand – das Fixieren – erschwert ist: Immer ist Sehen etwas höchst Individuelles, welches sich der unmittelbaren Beobachtung entzieht.
1.2.2 Modell zur Erfassung okularer Sehfunktionen in systemischer Ausrichtung
1983 hat Corn ein Modell zur Veranschaulichung der visuellen Funktionen entworfen, welches neben den visuellen Leistungen die Qualitäten der visuellen Außenreize sowie weitere individuelle Voraussetzungen für das Sehvermögen mitberücksichtigt.

Abb. 1: Faktorenmodell des funktionalen Sehvermögens (Corn 1983)
Corns Würfelmodell ist somit ein Vorläufer der ICF, der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (vgl. 3 in diesem Kapitel). Hier folgt ein kurzer Überblick über die Vorderseite des Würfels, welcher die Sehschärfe, das Gesichtsfeld, die Motilität, Hirnfunktionen sowie die Licht- und Farbaufnahme enthält, von Corn als »visuelle Fähigkeiten« bezeichnet.
Sehschärfe/Visus
Das Auflösungsvermögen des Auges wird gemessen mit Optotypen, in Form von Buchstaben, Zahlen oder Landoltringen (nicht ganz geschlossenen Kreisen). Bei einer Messung ohne korrigierende optische Hilfsmittel (sine correctione: s. c.), wird das Ergebnis als Sehleistung bezeichnet. Im Unterschied dazu wird von Sehschärfe (Visus) gesprochen, wenn die Messung mit optimaler Korrektur durch optische Hilfsmittel (cum correctione: c. c.) erfolgt (Lang et al. 2004, 457). Der Visus wird mit Dezimalen angegeben, wobei ein Visus von 1,0 als Normwert gilt. Mit dem Visuswert wird verwiesen auf die Größe eines gerade noch erkennbaren Optotypen (ebd., 4).

Abb. 2: Sehtafel SZB Bailey

Abb. 3: Sehtafel Landoltringe
Wird ein Sehzeichen, welches, um einen Visus von 1,0 zu erhalten, auf eine bestimmte Entfernung erkannt werden sollte (Normalentfernung/Soll), erst bei einem geringeren Abstand erkannt (Testentfernung/Ist), so lässt sich aus dieser Differenz der Visus mit der folgenden Formel berechnen:

Wenn die Normalentfernung 6m beträgt und das Sehzeichen erst in einer Entfernung von 4m erkannt wird (4/6), ergibt das einen Visus von 0,66.
Sehschärfe kann auch als Trennschärfe bezeichnet werden. Der Abstand eines Objekts zu einem anderen ist somit neben deren Größe von Bedeutung. Je größer die Optotypen auf einer Sehtafel sind, desto größer ist die Distanz zwischen ihren Elementen (z. B. zwischen den Balken des E) und desto leichter sind sie erkennbar. Damit zwei Objekte als getrennt wahrnehmbar sind, muss auf der Netzhaut zwischen zwei gereizten Zellen (Fotorezeptoren: Stäbchen und Zapfen) mindestens eine weniger gereizte liegen. Weil die Sehzellen in der Mitte der Netzhaut am dichtesten sind, ist dort die Sehleistung am größten. Aufgrund der abnehmenden Dichte der Sehzellen nimmt sie gegen die Peripherie der Netzhaut zu kontinuierlich ab (ebd., 457). Der gemessene Visus ist auch abhängig von der Beleuchtung, vom Kontrast und der Anordnung von Sehzeichen.
Die Sehschärfe für die Ferne ist für Orientierung und Zurechtfinden im Raum wichtig, diejenige für die Nähe insbesondere für die Kulturtechniken Lesen und Schreiben. Hier ist zudem die Fähigkeit bedeutsam, Sehzeichen als Abfolgen ohne großen Abstand (Wörter, Rechnungen, Formeln) zu erkennen.
Gesichtsfeld
Als Gesichtsfeld wird der Teil der Außenwelt bezeichnet, welchen man bei gerade gehaltenem Kopf und unbewegten Augen (Geradeaus-Schauen) erfassen kann. Das monokulare Gesichtsfeld beträgt temporal bis 90° nasal und oben bis 60° und nach unten bis 75°. Ein grober Richtwert: Ein Gesichtsfeld von 10° in eine bestimmte Richtung entspricht der Fläche, welche man mit der Faust bei ausgestrecktem Arm (im Abstand von ca. 50 bis 60 cm) verdeckt.

Abb. 4: Gesichtsfeld des Menschen1
Motilität
Mit gezielten und koordinierten Augenbewegungen können Sehobjekte so »ins Auge gefasst werden«, dass sie auf die zentrale Stelle der Netzhaut mit dem größten

Abb. 5: Normales Gesichtsfeld2
Auflösungsvermögen fallen. Das sogenannte Springen und Fixieren der Augen ist beim raschen Überblick-Nehmen, beim differenzierten Erfassen von For...
Table of contents
- Deckblatt
- Titel
- Copyright
- Inhaltsverzeichnis
- Vorwort zur zweiten Auflage
- I Sehen oder Nichtsehen: Bedeutung für Lernen und aktive Teilhabe in verschiedenen Bereichen des Lebens
- II Didaktik des gemeinsamen Unterrichts – Kompetenzen und Erfordernisse im Kontext von Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung als Bestandteil einer »Schule für alle«
- III Allgemeindidaktische Modelle: Ihre Ressourcen für den Unterricht mit blinden und hochgradig sehbehinderten Kindern und Jugendlichen
- IV Inhaltsbereiche und konkrete Ausgestaltung einer spezifischen Didaktik des Unterrichts mit blinden und hochgradig sehbehinderten Schülerinnen und Schülern
- V Wahrnehmungsförderung und Begriffsbildung als fächerübergreifende Prinzipien des Unterrichts mit blinden und hochgradig sehbehinderten Kindern und Jugendlichen