Hitler als Symbolpolitiker
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Hitler als Symbolpolitiker

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Hitler als Symbolpolitiker

About this book

The persona of Hitler is well researched, yet there are still many unanswered questions that need to be raised about the success of the "Corporal from Braunau". The fact that Hitler knew how to lead and that he exercised "charismatic authority", is widely recognised, but little research has been undertaken to date about how Hitler was able to develop into this "charismatic ruler".This work makes clear that actively controlled symbolic communication, associated with Hitler, became a strategy of Nazi rule, which specifically used the asymmetrical and polycratic structures of the state.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2014
eBook ISBN
9783170251939
Edition
1

1 EINLEITUNG

1.1 Zur Fragestellung

Ein Forschungsvorhaben, das sich mit Hitler und dem Nationalsozialismus auseinandersetzen will, muß eine klare Fragestellung aufweisen, um nicht in der schieren Masse der vorhandenen Quellen und der bisherigen Forschungsarbeiten unterzugehen oder am Ende nur Bekanntes neu zusammenzustellen. Erst eine prĂ€zise und in diesem Fall auch theoretisch fundierte Fragestellung und die aus ihr entwickelte Strukturierung der Arbeit erlauben einen strukturierten und fruchtbaren Zugriff auf ein historisches Thema, das so gut erforscht ist wie die fĂŒr Europa und die Welt so leidvolle Herrschaft Hitlers.
In seiner Magisterarbeit ĂŒber den ‚Tag von Potsdam’ als symbolpolitische Etappe der ‚Machtergreifung‘ Hitlers war der Verfasser zu der Auffassung gelangt, daß Hitler als der (neben Hindenburg) entscheidende Planer und Gestalter dieses ĂŒberaus symboltrĂ€chtigen Staatsaktes vom 21. MĂ€rz 1933 mit großem Geschick und erstaunlichem Erfolg Kapital aus Hindenburgs mythischem Ansehen schlagen konnte; diese Absicht hatte Hitler schon im September 1932 gegenĂŒber Kurt LĂŒdecke formuliert.1 Immer mehr zeichnete sich so als Gegenstand einer Doktorarbeit die Frage ab, wie Hitler durch besondere Formen symbolpolitischer Kommunikation mit der deutschen Bevölkerung seine charismatische Herrschaft errichten und sich so ab 1934 das Entscheidungsmonopol fĂŒr alle bedeutenden politischen Fragen des ‚Dritten Reichs’ sichern konnte. Dies fĂŒhrte zu der Leitfrage, mit welchen Mitteln es Hitler verstand, die kulturell verankerten Erwartungen, SehnsĂŒchte und tieferreichenden politischen Anschauungen der deutschen Gesellschaft auf seine Person zu bĂŒndeln und wie er daraus persönliche Macht gewinnen konnte, wie er „seine ‚kommunikative Suggestionskraft’ zu einer ganz außergewöhnlichen Wirkung gesteigert“2 hat.
Zur PrÀzisierung dieser Fragestellung ist es nötig, nachfolgend zunÀchst den Forschungsstand kurz darzustellen und sodann den theoretischen Ansatz der Arbeit nÀher zu entwickeln, da insbesondere dieser theoretische Zugriff mittels eines kultursoziologisch erweiterten Charisma-Konzepts die Fragestellung erst begrifflich zuspitzt.

1.2 Anmerkungen zum Forschungsstand

Angesichts der großen Zahl von Publikationen zu Hitler und dem Nationalsozialismus soll hier nur ein knapper Überblick ĂŒber die fĂŒr die Fragestellung besonders relevanten Arbeiten gegeben werden. Ansonsten wird in den einzelnen Kapiteln jeweils nĂ€her auf den Stand der Forschung eingegangen.
Neben dem Eingehen auf die drei bedeutendsten Hitler-Biographien der beiden britischen Historiker Alan Bullock und Ian Kershaw sowie des Publizisten Joachim C. Fest3 ist auch ein kurzes ResĂŒmee dazu erforderlich, wie das Wesen von Hitlers Macht und Herrschaft bisher gedeutet wurde.
Bereits Alan Bullock sah in Hitler einen Politiker mit „ungewöhnlichen Gaben“, darunter die „außergewöhnliche FĂ€higkeit zur Selbstdramatisierung“ und „seine virtuose Auswertung der irrationalen Faktoren in der Politik“. Er hob hervor, „daß Hitler selbst [..] [seinen] Mythos erfunden hat, daß er ihn fortgesetzt kultivierte und ihn seinen eigenen Zwecken dienstbar machte.“4 Leider sind diese Äußerungen Bullocks, die Hitler implizit bereits als Symbolpolitiker charakterisieren, nur summarischer Art. Die kurzen Darstellungen des ‚Tages von Potsdam’ etwa, der BegrĂ€bnisfeier fĂŒr Hindenburg oder der WiedereinfĂŒhrung der Wehrpflicht,5 alles symbolpolitische Ereignisse ersten Ranges, treten hinter der Analyse der ‚harten’ Machtfaktoren um den opportunistischen Machiavellisten Hitler zurĂŒck. Der Untertitel von Bullocks Werk, „Eine Studie ĂŒber Tyrannei“, zeigt diese Gewichtung ebenfalls an. Einen schĂ€rferen Blick fĂŒr die symbolpolitischen Momente in Hitlers Herrschaft hat in vielen FĂ€llen Joachim Fest6, wofĂŒr vielleicht nicht unerheblich sein Kontakt zu einem wichtigen symbolpolitischem Helfer Hitlers, Albert Speer, beigetragen hat. Fest liefert eine Reihe wichtiger Anregungen, ohne jedoch das Thema irgendwo (auch theoretisch) ausfĂŒhrlicher zu erfassen.
Zuletzt hat Ian Kershaw, von der Sozialgeschichte herkommend, eine umfangreiche und bedeutende Biographie verfaßt, die er durch zwei weitere wichtige BĂŒcher zum Hitler-Mythos und zu Hitlers Macht begleitet hat.7 Der Grundtenor dieser BĂŒcher in Bezug auf die Integrations- und Mobilisierungsleistung durch Hitler als aktiver Charismapolitiker ist jedoch im Hinblick auf diese Arbeit zwiespĂ€ltig. Zwar hat Kershaw stark dazu beigetragen, die Herrschaft Hitlers als die eines Charismatikers zu begreifen; freilich wendet Kershaw sein Interesse hierbei vor allem den charismatischen SehnsĂŒchten und Bestrebungen der Gesellschaft zu, die ihrem ‚FĂŒhrer‘ aktiv entgegenarbeitet.8 Daher taucht Hitler hier in der Regel nicht als aktiver Symbol- und Charismapolitiker auf, der bestimmte gesellschaftliche SehnsĂŒchte selbst aufgreift, sie auf sich bezieht und daraus persönliche Macht gewinnt.9 Hitler wird gerade in Kershaws Buch ĂŒber den Hitler-Mythos nur selten als Gestalter und wichtigster Propagandist seines eigenen Mythos analysiert. Hitler bleibt bei Kershaw, abgesehen von der Analyse der Außenpolitik, meist in der Rolle einer „ProjektionsflĂ€che“10, auf welche die Gesellschaft als der wichtigere, kollektive Akteur ihre Hoffnungen setzt.11 Auch die Kommunikation zwischen FĂŒhrer und Gefolgschaft nimmt Kershaw nicht als ein interaktives Geschehen war: die Initiativen hierzu entspringen, wenn nicht der Gesellschaft selbst, dann meist einem nicht namentlich genannten Kreis von NS-Propagandisten bzw. stammen von dem in der Forschung in dieser Hinsicht noch immer ĂŒberschĂ€tzten Propagandaminister Goebbels.12 Nur selten, vor allem im Zusammenhang mit Hitlers Redeauftritten, wird Hitler selbst als Propagandist in eigener Sache nĂ€her betrachtet. Es liegt daher nahe, die gesellschaftsgeschichtlich so starke und treffende Analyse Kershaws in weiteren Studien noch zu ergĂ€nzen, die Hitler und seine AnhĂ€nger in ihrer Interaktion gezielt in den Blick der Analyse charismatischer Herrschaft nehmen.
Diese Analyse charismatischer Herrschaft erfolgt in der Geschichtswissenschaft bis heute allerdings meist aus einer theoriefernen Warte. Nur wenige Historiker gehen in ihrer Analyse ĂŒber die begrifflichen Offerten von Max Weber hinaus. Auch die vielfĂ€ltige Literatur zum Nationalsozialismus als politische (Pseudo-)Religion,13 so sehr einige der Befunde auf die besonders engen AnhĂ€nger des Nationalsozialismus zutreffen mögen, ist letztlich eine unnötige, eigentlich schon bei Max Weber ĂŒberwundene14 analytische EngfĂŒhrung. Das Konzept der ‚politischen Religion’ scheitert bereits an seiner zentralen Begrifflichkeit: diese lenkt ganz unglĂŒcklich das Schwergewicht der Betrachtungen von der Politik fort auf die postulierte religiöse Dimension. Diese lĂ€ĂŸt sich jedoch im Zentrum der nationalsozialistischen Herrschaft nicht wiederfinden, war dieser doch in seinen Zielen und seinem Wesen sehr stark der Immanenz verhaftet. Auch waren gewiß vorhandene Bestrebungen zur Ausbildung eines kultischen Religionsersatzes selbst 1945 bei weitem noch nicht zu einer tatsĂ€chlichen Ersatzreligion ausgeprĂ€gt. Zudem hat dies bis 1945 Hitler auch nie angestrebt, ja sogar in den 1920er Jahren aus strategischen ErwĂ€gungen verworfen.15 Weiterreichende PlĂ€ne zur Beseitigung der christlichen Kirchen nach dem ‚Endsieg‘ blieben aufgrund des Ausbleibens des ‚Endsieges‘ ebenfalls aus. Der Einfluß der Kirchen auf das religiöse Leben einer großen Mehrheit der Deutschen blieb bis 1945 gewahrt.
Hingegen ist bereits 1983 von Hans-Ulrich Wehler und 1994 wiederum von Rudolf Herz hervorgehoben worden, daß „angesichts der PopularitĂ€t Hitlers und der Akzeptanz seiner Herrschaft in weiten Bevölkerungsteilen [..] sich eine Deutung der nationalsozialistischen Herrschaft, die sich allein auf manipulative Propaganda [..] und terroristische GewaltausĂŒbung stĂŒtzt, als unzureichend“ erweist16 und auch Hitler selbst zu untersuchen sei, weil dessen Charisma ihn „nicht frĂŒhzeitig umgab, sondern [..] er [dieses] erst allmĂ€hlich entwickelte und maximal optimierte“.17 Eine Analyse des PhĂ€nomens mĂŒsse deshalb zum einem ausgehen von „dem ĂŒberbordenden Glauben an Hitler als Symbol eines ‚neuen Deutschland’“.18 Zum andern sei auch die außergewöhnliche „Zielstrebigkeit“ zu beachten, mit der Hitler an seinem Mythos gearbeitet habe.19 Zugleich verweist Herz, wie zuvor schon Lepsius20, auf die besondere Eignung des Weberschen Charismakonzepts,21 das in der Geschichtswissenschaft aber meist nur oberflĂ€chlich adaptiert und nur selten weiterentwickelt wird.22 WĂ€hrend Herz in seinem Buch auch die Zusammenarbeit zwischen Hitler und seinem symbolpolitischen Helfer Heinrich Hoffmann durchleuchtet und dabei wichtige Anregungen fĂŒr das hier vorgestellte Projekt gibt, stellt er doch insgesamt fest: „Bis heute fehlt ĂŒberhaupt eine zusammenfassende Untersuchung der Strategien der nationalsozialistischen FĂŒhrerpropaganda“23 und der „entsprechende[n] Charismapflege“24 und „Charismapolitik“25, besonders durch Hitler selbst, mit dem wir „noch lange nicht fertig“ sind.26
Es besteht hierin also nach wie vor eine bedeutende ForschungslĂŒcke, sogar fĂŒr den allgemein als ĂŒberforscht geltenden Beginn der NS-Herrschaft,27 und dies zumal die Bedeutung des Hitler-Mythos als „das zentrale Triebwerk fĂŒr die Integration, Mobilisierung und Legitimierung im NS-Herrschaftssystem“ inzwischen ĂŒberwiegend akzeptiert wird.28 Zur Schließung der aufgezeigten LĂŒcke soll mit dieser vorliegenden Studie ein Beitrag an der Nahtstelle von Politik- und Kulturgeschichte geleistet werden. Allgemein ist es dazu notwendig, einen systematischen und folglich auch theoriegeleiteten Blick auf die Methoden zur Erzeugung von UnterstĂŒtzung im Nationalsozialismus zu werfen.29
Eine gelungene Darstellung hierzu bietet ein 2009 erschienener Aufsatz von Andreas Wirsching, in dem Wirsching fĂŒnf Dimensionen bei der nationalsozialistischen Machteroberung 1933-34 unterscheidet. Wirsching nennt neben der hier betroffenen charismatischen Dimension30 die Dimension der Gewalt31, die funktionale Dimension32 rein zweckrationalen Handelns, die bĂŒrokratische Dimension33 der Eroberung der Institutionen und Machtapparate sowie als fĂŒnfte Dimension die Indifferenz34, also die ebenfalls bei vielen Zeitgenossen des Jahres 1933 vorhandene GleichgĂŒltigkeit gegenĂŒber dem Nationalsozialismus. Andreas Wirsching betont dabei völlig zurecht, daß alle diese Dimensionen von zentraler Bedeutung bei der Analyse der nationalsozialistischen ‚Machtergreifung‘ sind und daß „[e]rst ihr funktionales Zusammenspiel“ dem Jahr 1933 „jene ĂŒberwĂ€ltigende Dynamik [gab], die fĂŒr nicht wenige [der damaligen Zeitgenossen] einer ‚Revolution‘ gleichkam.“35 Da Wirsching zugleich einige Kritikpunkte vorbringt am „Modell der ‚charismatischen‘ Herrschaft“ als dem Modell, das „gegenwĂ€rtig die Interpretationen der nationalsozialistischen Machteroberung zu dominieren scheint“, ist es nun nötig, den hier gewĂ€hlten theoretischen Zugriff nĂ€her darzustellen.

1.3 Der theoretische Zugriff: Charisma und Symbolpolitik

FĂŒr diese Arbeit wurde ein Zugriff gewĂ€hlt, der den Erwerb charismatischer Herrschaftsressourcen als eine Form symbolischer Politik begreift. Es ist daher nötig, zunĂ€chst die Begriffe des Symbols und symbolischer Politik nĂ€her zu beleuchten.

1.3.1 Symbole

Das Wort Symbol stamm aus dem Griechischen und baut sich ursprĂŒnglich aus den Teilen syn und ballein auf, was auf deutsch in etwa „zusammenfĂŒgen“ heißt. Das Symbol fĂŒgt dabei zweierlei zusammen: ein wie auch immer geartetes Zeichen und seine Bedeutung.36 Andreas Dörner spricht in diesem Zusammenhang von den zwei Ebenen der pictura und der subscriptio; gemeint ist damit einerseits die Ebene eines sichtbaren und greifbaren, also manifesten Ausdrucksmittels und andererseits die Ebene der nicht sicht- und greifbaren Bedeutungen.37 Am Beispiel einer Fahne lĂ€ĂŸt sich dies deutlich machen: eine Fahne ist ein Symbol, das sich aus einem farbigen StĂŒck Tuch einerseits und der sinnhaften Bedeutung dieses Tuches andererseits zusammensetzt. Das Tuch ist dabei sichtbar und greifbar, der Sinn dieses Tuches jedoch nicht. Steht die Fahne bspw. fĂŒr die Tradition einer militĂ€rischen Einheit und somit fĂŒr deren Werte und SelbstverstĂ€ndnis, so gibt erst die Fahne als Symbol die Möglichkeit, ...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. 1 EINLEITUNG
  6. 2 DAS JAHR 1933: HITLERS WANDLUNG VOM PARTEIFÜHRER ZUM STAATSMANN
  7. 3 DAS JAHR 1939: DIE WANDLUNG ZUM „ERSTEN SOLDATEN“
  8. 4 DAS JAHR 1940: DIE WANDLUNG ZUM FELDHERRN
  9. 5 DER RUHM DES FELDHERRN
  10. 6 DAS HAUPTQUARTIER, WOLFSCHANZE‘: ‚BOLLWERK‘
  11. 7 ZUSAMMENFASSUNG
  12. 8 ANHANG