Fromme Lektüre und kritische Exegese im langen 19. Jahrhundert
eBook - ePub
Available until 5 Dec |Learn more

Fromme Lektüre und kritische Exegese im langen 19. Jahrhundert

  1. 400 pages
  2. English
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub
Available until 5 Dec |Learn more

About this book

Das lange 19. Jahrhundert, von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg, zeichnet sich durch das Nebeneinander konträrer Entwicklungen aus. Dies wirkt sich auch auf die Bibelrezeption und -auslegung aus. Während sich Frauen z. B. in England und Amerika als Wissenschaftlerinnen an der Entwicklung und Verbreitung der historisch-kritischen Exegese beteiligten, hatten Frauen in Spanien, Italien oder Russland oft nur unter großen Schwierigkeiten Zugang zur Bibel. Die Beiträge dieses Bandes beleuchten eine Vielzahl von Regionen und konfessionellen Orientierungen, wie italienische Waldenserinnen, russische orthodoxe Nonnen und Einsiedlerinnen, katholische Ordensfrauen, Jüdinnen und methodistische Predigerinnen aus Amerika, Evangelistinnen, Politikerinnen, Schriftstellerinnen und Künstlerinnen.

Frequently asked questions

Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
No, books cannot be downloaded as external files, such as PDFs, for use outside of Perlego. However, you can download books within the Perlego app for offline reading on mobile or tablet. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
  • Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
  • Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
Both plans are available with monthly, semester, or annual billing cycles.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere — even offline. Perfect for commutes or when you’re on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Fromme Lektüre und kritische Exegese im langen 19. Jahrhundert by Michaela Sohn-Kronthaler, Ruth Albrecht, Irmtraud Fischer, Christiana de Groot, Mercedes Navarro Puerto, Adriana Valerio in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Theology & Religion & Christian Theology. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.

Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2014
Print ISBN
9783170225473
eBook ISBN
9783170285545

4. Grace Aguilar (1816–1847)

Die Schriften von Grace Aguilar, unserer nächsten Exegetin, sind als Reaktion auf diese Charakterisierung des Judentums entstanden. Sie wollte die Juden dazu ermutigen, sich nicht von der dominanten christlichen Kultur ins Abseits drängen zu lassen, sondern stolz auf ihr Erbe zu sein.
Das Kapitel von Grace Aguilar über Debora findet sich in ihrem dreibändigen Werk The Women of Israel. Diese frauenzentrierte Geschichte Israels beginnt mit Eva und setzt sich über die hebräische Bibel, die Zeit der Diaspora und die talmudische Epoche fort. Diese Bände sind Teil eines bemerkenswerten Werkes, das Aguilar im Laufe ihres kurzen Lebens hervorbrachte. Von einer explizit jüdischen Warte aus verfasste sie fiktive Texte, Gedichte, apologetische und theologische Schriften. Sie schrieb als Jüdin, die sich zu einer Zeit, als die Rechte der Juden und Jüdinnen begrenzt waren, für die Judenemanzipation in England einsetzte: So durften die Juden beispielsweise nicht wählen, keinen Sitz im Parlament haben und keine Geschäfte in der Londoner City betreiben. Aguilar war auch innerhalb der jüdischen Gemeinde als Reformerin tätig: Sie förderte die religiöse Erziehung der Mädchen, setzte sich dafür ein, dass Frauen sich als Vorbeterinnen und Predigerinnen aktiv am Gottesdienst beteiligten, und protestierte dagegen, dass Frauen und Männer in der Synagoge in getrennten Bereichen saßen.
Aguilar wollte, dass jüdische Frauen stolz auf ihre Identität waren, und ihre Essays in The Women of Israel sollten dazu beitragen.149 Insbesondere wandte sie sich in ihren Schriften gegen die Thesen christlicher Autorinnen wie Sarah Stickney Ellis, der Verfasserin von The Women of England, Their Social Duties, and Domestic Habits (1839).150 Abgesehen davon, dass sie das Zuhause als typisch weiblichen Tätigkeitsbereich und die selbstlose Arbeit im Dienst an Familie und Freunden als die wahre Berufung der Frau beschreibt, vertrat Stickney die Auffassung, dass das Christentum die Ursache für das hohe Ansehen der Frauen in der englischen Gesellschaft sei – eine Auffassung, die bei den christlichen Versuchen der Judenbekehrung zentrale Bedeutung erhielt. Die evangelikale christliche Subkultur wandte sich vor allem an die Zielgruppe der jüdischen Frauen, weil man das Christentum in seiner Emotionalität und Anbetung eines liebenden Gottes eher als weiblich präsentierte, während das Judentum als legalistische Religion dargestellt wurde, deren Gesetzgebung frauenverachtend und deren Gott weit von den Menschen entfernt sei.151
Aguilars Auslegung der Debora-Erzählung und des Debora-Lieds spiegelt viele ihrer Überzeugungen wider. So deutet sie Deboras Berufung beispielsweise als einen Hinweis auf das hohe Ansehen der Frauen in der alten israelitischen Gesellschaft:
Had there been the very least foundation for the supposition of the degrading and heathenizing the Hebrew female, we should not find the offices of prophet, judge, military instructor, poet and sacred singer, all combined and all perfected in the person of a woman; a fact clearly and almost startlingly illustrative of what must have been their high and intellectual training, as well as natural aptitude for guiding and enforcing the statutes of their God, to which at that time woman could attain.152
Aguilar hebt vor allem den hohen Bildungsgrad der Frauen hervor. Debora wird zu einem Vorbild für diejenigen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft, die sich für die religiöse Unterweisung der Mädchen aussprechen, und zu einem Argument gegen die angeblich bessere Behandlung von Frauen in der christlichen Religion.
Sodann denkt Aguilar über Deboras Berufung nach und stellt die These auf, dass Gottes Wahl nicht außergewöhnlich sei, sondern vielmehr zeige, dass Gott die Frauen ebenso hoch schätze wie die Männer. Sie schreibt:
The Eternal had inspired her, a Woman and a Wife, in Israel, with His spirit expressly to do His will, and make manifest to her countrymen how little is He the respecter of persons; judging only by hearts perfect in His service, and spirits willing for the work: heeding neither the weakness nor apparent inability of one sex, compared with the greater natural powers of the other.153
Diese Aussage macht deutlich, wie komplex Aguilars Ansichten über Rolle und Status der Frau waren. Frauen und Männer sind ihrer Meinung nach zwar verschieden, doch wenn die Israeliten einen Anführer brauchen, sind diese Unterschiede in Gottes Augen belanglos. Das, was wirklich zähle – das Herz –, sei bei Frauen und Männern gleich, ihr Wesen dasselbe.
Aguilar setzt ihre Ausführungen über den Status der Frauen fort, der sich in der Berufung Deboras widerspiegelt. Sie plädiert dafür, Frauen nicht mit Sklaven, Aussätzigen oder Heiden auf eine Stufe zu stellen. Gott hätte solche Menschen niemals mit einem prophetischen Geist ausgestattet, denn
[…] the social conditions of such persons would and must prevent their obtaining the respect, obedience or even attention of the people. For the same reason, had woman really been on a par with these, as she is by some declared to be, she never would have been entrusted with gifts spiritual and mental.154
Hier betont Aguilar ausdrücklich, dass sie gegen die Gleichsetzung von Frauen mit Sklaven, Kranken und Heiden anschreibe, eine Gleichsetzung, die nach ihrer Auffassung im 19. Jahrhundert vorherrschend war und der Stellung, die Debora inne hatte, widerspricht.
Im weiteren Verlauf ihrer Auseinandersetzung mit der Debora-Erzählung hebt Aguilar hervor, dass Debora ihren häuslichen Pflichten treu gewesen sei. Ähnlich wie Baxter ist Aguilar der Auffassung, dass Frauen sich typischerweise am besten dazu eignen, für Haushalt und Familie zu sorgen – auch sie übernimmt die Trennung zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre und verortet die typisch weiblichen Pflichten im privaten Bereich. Doch anders als Baxter nimmt Aguilar an Deboras Aktivität im politischen und öffentlichen Bereich keinerlei Anstoß. So weist sie z. B., als sie auf das Debora-Lied zu sprechen kommt, zuallererst auf die Schönheit der Komposition hin, die sich mit den Psalmen Davids messen könne. Dann hebt sie die offensichtliche Bescheidenheit Deboras hervor:
We find her taking no glory whatever to herself, but calling upon the princes, and governors, and people of Israel, to join her in blessing the Lord for the avenging of Israel […]. The simplicity and lowliness of the prophetess’s natural position is beautifully illustrated by the term she applies to herself – neither princess, nor governor, nor judge, nor prophetess, though both the last offices she fulfilled – „until that I, Deborah, arose, until I arose a Mother in Israel.“155
Während Baxter auf den Gebrauch der ersten Person hinweist, lenkt Aguilar den Blick auf die Demut, die sich in dem von Debora selbst gewählten Titel der Mutter ausdrückt. Als Beleg für Deboras Bescheidenheit führt Aguilar außerdem den Textvermerk an, dass das Land nach diesem militärischen Sieg vierzig Jahre lang Ruhe hatte. Die Tatsache, dass der Text nichts über die Rolle berichtet, die Debora in dieser Friedenszeit gespielt hat,
[…] is a simple confirmation of the meekness and humility with which we found her judging Israel under her own palm-tree. Deborah resumes her personally humble station, evidently without an ambitious wish, or attempt to elevate her rank or prospects.156
In Aguilars Deutung bleiben Charakterzüge, wie etwa die Bescheidenheit, die man im privaten Bereich an den Frauen zu schätzen pflegte, auch dann erhalten, wenn sie an die Öffentlichkeit treten. Debora entwickelt auf dieser Bühne keine männlichen Eigenschaften, wie etwa den Drang zur Selbstdarstellung. Aguilars Beschreibung lässt erkennen, dass sie die unterwürfigen Züge der Frauen für genuin weiblich und nicht für das Produkt der sie umgebenden patriarchalischen Gesellschaft hält.
Aguilars These, dass Debora keine Ausnahme gewesen und sowohl ihrer öffentlichen als auch ihrer privaten Verantwortung gerecht geworden sei, macht sie zu einem Rollenmodel...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. Methodistische Frauen und die Bibel: Die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift im 19. Jahrhundert
  7. „Gott, der Herr, gab mir die Zunge eines Jüngers“: Catherine McAuleys Schriftdeutung
  8. Die Bibel in den Dienstberichten der waldensischen Biblewomen
  9. Konservativer Feminismus im katholischen Spanien des 19. Jahrhunderts: Gimeno de Flaquers „Evangelios de la Mujer“
  10. Die Bibel in Liturgie und Frömmigkeit am Beispiel des Kreuzeskränzchens in Bonn
  11. In der Nachfolge Jesu: Diakonissen und Bibelauslegung am Beispiel Eva von Tiele-Wincklers
  12. Lesende Katholikinnen im deutschen Sprachraum und die Bedeutung der Bibel zwischen 1850 und 1914
  13. Exemplarische Marienbilder und Bibelszenen im Werk Marie Ellenrieders (1791–1863): Konstruktion weiblicher Kommunikationsräume des Religiösen
  14. Abkürzungsverzeichnis
  15. Bibelstellenregister
  16. Personenregister
  17. AutorInnen