Schwerin
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Schwerin

Geschichte einer Stadt

Bernd Kasten

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  1. 104 pages
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Schwerin

Geschichte einer Stadt

Bernd Kasten

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Bereits 1018 wird Schwerin das erste Mal erwähnt, und schon bald nach 1160 erhält die älteste und zweitgrößte Stadt des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns die Stadtrechte. Es folgen Jahrhunderte bewegter Zeiten voller Hochs und Tiefs, welche die alte Residenz der Herzöge und Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin erstaunlich unbeschadet übersteht. Das Schloss Schwerin, umgeben von einer Seen- und Parklandschaft, ist bis heute Dreh- und Angelpunkt der Stadt und gilt als einer der bedeutendsten Bauten des romantischen Historismus in Europa. Aber auch darüber hinaus lässt sich in der Stadt und ihrer Geschichts-, Kultur- und Naturlandschaft so manches Außergewöhnliche entdecken.

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Information

Publisher
Wachholtz
Year
2016
ISBN
9783529092299

1 Mittelalter (9001500)

Bevor der Mensch die Landschaft nachhaltig veränderte, bot der Ort, der einmal zur Stadt Schwerin werden sollte, ein idyllisches Bild: Gegenüber einer Insel im Süden des Schweriner Sees erhob sich ein sandiger Höhenzug, der durch eine sumpfige Niederung zwischen Ziegel- und Burg see vom eigentlichen Festland getrennt war. Die Slawen, die nach der Völkerwanderung das Land besiedelten, erkannten den militärstrategischen Wert dieser Lage und errichteten hier im 10. Jahrhundert eine Siedlung auf dem Hügel und eine Burg auf der Insel, die durch eine Brücke miteinander verbunden waren. Sie nannten den Ort »Zverini« – »Wildtierort« –, was auf eine wildreiche Naturlandschaft verweist. Neuere Ausgrabungen im Schlossinnenhof ergaben, dass auf der Insel bereits im Jahr 942 ein Burgwall errichtet wurde, der dann 965 noch einmal bedeutend verstärkt wurde. 1018 berichtet Bischof Thietmar von Merseburg, dass sich der von seinen Feinden bedrängte Obotritenfürst Mistizlaw mit seinen Männern in die Burg geflüchtet hatte.
Mitte des 12. Jahrhunderts verschärften sich die Konflikte zwischen Heinrich dem Löwen, dem mächtigen Herzog von Sachsen, und dem Obotritenfürsten Niklot. 1160 besetzte Heinrich der Löwe Schwerin, das Niklots Männer auf ihrem Rückzug beinahe vollständig niedergebrannt hatten, und machte den Ort zum Sitz des Grafen Gunzelin, seines Statthalters in den eroberten Gebieten. Heinrich ließ die Burg neu errichten und die vorgelagerte Siedlung zur Stadt ausbauen. Seine Wahl fiel auf diesen Ort, weil er sich besonders gut verteidigen ließ. Das Gebiet war schließlich noch keineswegs befriedet und Niklots Söhne nicht besiegt. Daher verlegte Heinrich der Löwe auch den Sitz des Bistums Mecklenburg, dem die Aufgabe der Christianisierung des bisher noch heidnischen Landes zufallen sollte, nach Schwerin. Wie gefährlich die damalige militärische Situation war, machte vier Jahre später die Eroberung der Burg Mecklenburg bei Wismar durch Niklots Sohn Pribislaw nur allzu deutlich. Unter diesen Umständen musste für den Herzog Heinrich und seinen Statthalter der Ausbau ihres wichtigsten Stützpunktes in dem neu eroberten Gebiet oberste Priorität haben. Der Spieltordamm zwischen Pfaffenteich und Ziegelinnensee wurde angelegt, der Pfaffenteich angestaut, eine Mühle errichtet. Der genaue Zeitpunkt der Stadtrechtsverleihung durch Heinrich den Löwen ist nicht bekannt. Der Herzog war freilich schon aus militärischen Gründen an einer möglichst zahlreichen Einwohnerschaft interessiert. Die frühzeitige Gewährung städtischer Rechte und Privilegien erleichterte die Werbung neuer Siedler für den umkämpften Grenzposten dabei gewiss sehr. So versprach das Schweriner Stadtrecht jedem Leibeigenen, der in die Stadt zog, die persönliche Freiheit gemäß der anerkannten mittelalterlichen Regel »Stadtluft macht frei«. 1167 schloss Heinrich der Löwe Frieden mit Pribislaw und übertrug ihm die Herrschaft über den größten Teil des Landes. Hiervon ausgenommen war die Grafschaft Schwerin, die von Gunzelins Nachfahren regiert werden sollte.
Die Geschicke der Stadt Schwerin wurden im Mittelalter stets von ihren beiden mächtigen Stadtherren bestimmt: Der Graf mit seinen Rittern und der Bischof mit seinen Domherren herrschten über die Stadt, Bürgermeister und Rat hingegen hatten nur wenig zu sagen. Am Dom selbst wurde jahrhundertelang gebaut. Das erste im romanischen Stil errichtete Gebäude wurde bald wieder abgerissen, und im 14. Jahrhundert entstand hier die heute noch bestehende mächtige gotische Kathedrale. Sie bildete den Mittelpunkt des geistlichen Lebens der Stadt und des Bistums. Fünfmal am Tag hallte das weite Kirchenschiff von den liturgischen Gesängen des Chores wider. Außer an den Hauptaltären wurden auch an den vielen Nebenaltären, die sich an den Pfeilern und an den Seitenwänden befanden, Messen gelesen. Zuständig für den Gottesdienst im Dom war das Domkapitel. Für die Stadt war es bald viel wichtiger als der Bischof, der meist im über 50 Kilometer entfernten Bützow residierte. Anfangs waren es zehn Domherren, denen Heinrich der Löwe zahlreiche Dörfer zur Versorgung überwiesen hatte. Sie lebten in großen Häusern in der Nähe des Doms oder auf der sogenannten Schelfe – und sie lebten nicht schlecht. Um ihr Seelenheil besorgte und in Angst vor dem Höllenfeuer lebende reiche Kaufleute und Adlige vermachten der Kirche immer wieder große Summen. Um 1400 gab es daher bereits 34 Pfründen, also mit Einkünften verbundene Kirchenämter, am Dom. In Schwerin selbst lebten selten mehr als sechs Domherren. Viele Pfründeninhaber wohnten woanders und ließen sich die Einkünfte ihrer Schweriner Stelle nach Hamburg oder Lübeck überweisen. Das war zwar eigentlich verboten, aber trotzdem weit verbreitet. Die Kirchenleitung fühlte sich nur bei ganz extremen Fällen zum Eingreifen genötigt. Die Position eines Domherrn war ebenso begehrt wie lukrativ: Der Probst als Vorsitzender des Domkapitels verfügte über jährliche Einkünfte von 80 Goldgulden, die stimmberechtigten Kanoniker erhielten immerhin noch 40 Mark im Jahr. So überrascht es nicht, dass unter den Mitgliedern des Kapitels die Vertreter des mecklenburgischen Adels und der mächtigen hansischen Bürgerfamilien dominierten.
Das Domkapitel war eine elitäre Versammlung, die nicht nur über erhebliche Finanzmittel, sondern auch über große politische Macht verfügte. Bis Mitte des 14. Jahrhunderts wählten die Domherren den Bischof. Darüber hinaus leiteten sie Verwaltung und Gerichte des Bistums. Ihr Bildungsstand war meist recht hoch, nicht wenige von ihnen waren studierte Juristen. Bei ihren gottesdienstlichen Pflichten ließen sie sich größtenteils durch eigens hierfür angestellte Vikare vertreten. Diese waren es auch, die in erster Linie die liturgisch vorgeschriebenen Gebetsübungen ebenso wie die Messen an den über 40 Nebenaltären im Schweriner Dom zelebrierten. Die nicht immer ganz gerechte Verteilung der Einnahmen sorgte häufiger für Zwietracht innerhalb der Geistlichkeit. Die Domherren behielten den Löwenanteil für sich und ließen den circa 30 Vikaren, die die ganze Arbeit machten, nur ein Trinkgeld. 1379 beschwerten sich die Herzöge über die »mynschliche giricheyt« der Domherren, die die zu Ehren der Verstorbenen gestifteten ewigen Lichter nicht mehr unterhielten. Interessant ist auch das Testament des Dompropstes Heinrich Banzkow aus dem Jahr 1538. Der aus einer Wismarer Kaufmannsfamilie stammende Geistliche hatte ein immenses Vermögen angehäuft: Banzkow verfügte allein in Schwerin über drei Pfründen, besaß eine Domherrenstelle in Hamburg und Vikariate in Bremen, Hamburg, Dithmarschen, Parchim und anderswo. Seine Haupterben waren seine Köchin Wobbeke, die ihm »24 Jahre treu gedient« hatte, und ihre vier Kinder. Wer deren Vater war, daran konnte kein Zweifel sein. Die Kinder trugen selbstverständlich den Nachnamen »Banzkow«, und der Dompropst nannte den Ältesten, der schon studierte, ganz offen »minen Jungen Henricus Banzkow«. Das war kein Einzelfall: Beinahe alle Domherren hatten Konkubinen und scherten sich nicht sonderlich um das Zölibat.
Fast zwei Jahrhunderte lang bildete die Stadt den Mittelpunkt der Grafschaft Schwerin. Den das restliche Land beherrschenden Nachfahren Niklots, die 1348 vom Kaiser die Herzogswürde erhielten, hatten die Grafen aber nur wenig entgegenzusetzen. 1358 verkauften sie Stadt und Grafschaft Schwerin an die Herzöge von Mecklenburg, die nun für die nächsten 500 Jahre die Herren der Stadt sein sollten. Die Herzöge herrschten wie alle mittelalterlichen Fürsten »vom Sattel« aus: Sie reisten durch ihr Land und verweilten selten längere Zeit an einem Platz. 1478 jedoch reformierte Herzog Magnus II. die desolate Finanzverwaltung des Landes und errichtete eine zentrale Staatskasse, die dauerhaft in Schwerin bleiben sollte. Seine Wahl fiel aus guten Gründen auf diesen Ort: Stadt und Burg waren gut zu verteidigen, und hier waren – anders als in den Hansestädten – keine Konflikte mit selbstbewussten Ratsherren zu befürchten. Die Fürsten selbst zogen zwar weiterhin mit ihrem Gefolge durch das Land, aber Kassenverwaltung und Kanzlei nebst Rechnungsbüchern, Schreibern, Urkunden und Akten wurden mit wachsender Komplexität der Verwaltung immer immobiler. Die Herrschaftsausübung des Landes konzentrierte sich zunehmend auf einige wenige zentrale Orte, zu denen auch Schwerin gehörte. Magnus II. errichtete hier ein neues großes Gebäude in der alten Burg, wodurch die traditionsreiche Wehranlage zunehmend auch repräsentative Funktionen wahrnahm.
Im Schatten von Dom und Burg konnte man das kleine Rathaus leicht übersehen. So ist denn auch die Existenz eines Bürgermeisters, dessen Wahl das alte Stadtrecht noch vorgesehen hatte, bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts nirgends nachweisbar. Statt seiner stand der gräfliche Vogt an der Spitze der Stadt, der auch den Vorsitz im Stadtgericht führte. Ihm zur Seite standen die im Jahr 1255 zuerst erwähnten Ratmannen (»consules«). Im 13. Jahrhundert zählte der Rat zwölf Mitglieder, die sich aus der städtischen Oberschicht und dem Gefolge des Grafen rekrutierten. Im 15. Jahrhundert finden wir zumeist zwei Bürgermeister und sechs bis acht Ratsherren. Die Stadtregierung lag im Mittelalter stets in der Hand weniger, vielfach miteinander verwandter Familien, die als Kaufleute, landesherrliche Bedienstete oder Grundbesitzer zu Reichtum und Einfluss gekommen waren. Eine echte Kaufmannsstadt ist Schwerin freilich nie geworden. Abseits der Handelswege gelegen, blickten die Bürger Schwerins mit Neid auf die reichen Hansestädte Wismar und Rostock. Der ursprünglich 75 mal 75 Meter große quadratische Marktplatz wurde nach und nach bis auf einen kleinen Rest bebaut. Die meisten Bewohner waren Handwerker. Weber, Schmiede, Schlachter, Bäcker, Tuchmacher, Kürschner, Schuster, Schneider und Gerber waren mit eigenen Zünften vertreten. Aber auf der Schelfe und am Großen Moor gab es noch zahlreiche Bauernhöfe mit Stallungen und Scheunen. Die Zeiten waren unruhig, vor der Stadt wollte niemand wohnen, hier gab es nur Gärten. 1340 erhielt Schwerin eine neue Stadtmauer, die die alte hölzerne Palisade ersetzte. Um 1500 zählte die Stadt kaum mehr als 2000 Einwohner, während es in Rostock fast fünfmal so viele waren.

2 Frühe Neuzeit (15001806)

Seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts nahm Schwerin, wo sich der Herzog mit seinem Gefolge nun stets im Winter, zu Ostern und Weihnachten aufhielt, unter den herzoglichen Schlössern eine immer wichtigere Stellung ein. Mit der Beisetzung Helenas von der Pfalz, der zweiten Frau Heinrichs V., im Jahr 1524 wurde auch die Grablege der Fürsten von Doberan nach Schwerin verlegt. 1534 entschieden sich die Nachfahren Niklots, die beiden gemeinsam regierenden Brüder Heinrich V. und Albrecht VII., in Güstrow und Schwerin jeweils eigenständige Höfe zu errichten. Durch die folgende Teilung des Landes wurde Schwerin zur Residenz des westlichen mecklenburgischen Herzogtums. Der Stadt bescherte dies einen bedeutenden Aufschwung: Nach seiner Regierungsübernahme 1552 baute Herzog Johann Albrecht I. die Burg zu einem repräsentativen Schloss aus. Große Säle dienten der Geselligkeit und der Zurschaustellung fürstlicher Macht. Vom Hofmarschall bis zum Küchenjungen umfasste der Hofstaat schließlich über 300 Personen. Daran, dass Schwerin damals zusammen mit der Schelfe kaum mehr als 3000 Einwohner zählte, wird die überragende Bedeutung des Hofes für die kleine Stadt deutlich. Aber nicht nur durch ihre Anzahl, sondern mehr noch durch Art und Herkunft bedeuteten die neuen Einwohner einen radikalen Einschnitt in der städtischen Entwicklung. Italienische Baumeister, französische Köche und weit gereiste Gelehrte bevölkerten nun die Straßen der beschaulichen norddeutschen Provinzstadt. Immer wieder war Schwerin jetzt auch Schauplatz glänzender höfischer Feste. Zur Taufe des Thronerben im Januar 1557 beispielsweise kamen sechs Reichsfürsten und zahlreiche Gesandte mit einem Gefolge von insgesamt über 500 Personen.
Herzog Johann Albrecht verhalf auch der Reformation in der Stadt zum Durchbruch, beauftragte zwei lutherische Domprediger damit, künftig den Gottesdienst im Dom abzuhalten, und ließ die dort befindliche Heilig-Blut-Reliquie zerstören. Wallfahrten, Ablasshandel und Reliquienkult gehörten nun der Vergangenheit an, und Einrichtungen der alten Kirche wie das Domkapitel oder das in der Schloßstraße befindliche Franziskanerkloster fanden in der neuen Zeit keinen Platz mehr. Dafür wurde aber auch Neues geschaffen: Eine der wichtigsten Folgen der Reformation war die Revolution des Bildungswesens. Der Herzog selbst war ein gebildeter Mann, der seine Bücher mehr liebte als die Jagd. 1553 gründete er die Fürstenschule, aus der sich später das Schweriner Gymnasium entwickeln sollte. Die Schule wurde von Herzog Johann Albrecht intensiv gefördert, die Lehrer hervorragend bezahlt, die Schüler nach ihrer Begabung ausgesucht und mit Stipendien gefördert und Schulgeld nicht erhoben. Das Niveau war entsprechend hoch, der Ruf der Schule derartig, dass selbst aus Antwerpen, Polen und dem Baltikum Schüler nach Schwerin geschickt wurden.
Langsam, aber stetig wuchs im 16. Jahrhundert die Bevölkerung. Um 1570 gab es circa 300 Häuser in der Stadt und 130 auf der Schelfe. Die im Mittelalter noch recht lockere Bebauung verdichtete sich immer mehr. Auf dem Moor, dem Tappenhagen und dem Glaisin entstand ein Wohnviertel für die ärmere Bevölkerung. Scheunen, Speicher und Gehöfte wichen hier eng aneinandergebauten kleinen Häu sern, die trotz ihrer geringen Größe häufig mehrere Familien mit zahlreichen Kindern beherbergten. In der Königstraße, am Markt und in der Burgstraße errichteten die wohlhabenden Bürger und die herzoglichen Bediensteten repräsentative steinerne Häuser. Die Stadt selbst war eine Festung: Tore, Wälle und Geschütze boten den Bewohnern Schutz. Außerhalb der Mauern war jedes Haus eine leichte Beute für Räuber, Vagabunden und plündernde Soldaten. Nur Scheunen und einige Gasthäuser standen bis Ende des 17. Jahrhunderts in dieser gefährlichen Vorstadt.
Die dichte Bebauung mit Fachwerk und Strohdächern in der Stadt barg allerdings eine ganz andere Gefahr: Ein trockener, heißer Sommer und ein starker Wind konnten ein kleines Feuer in Minutenschnelle in eine rasende Feuersbrunst verwandeln. Zum ersten Mal geschah dies im Jahr 1531. Der Brand brach in der Burgstraße aus und vernichtete den Großteil der Stadt östlich der Schusterstraße – einschließlich des Rathauses und der dort verwahrten Dokumente. Das Domkapitel verzeichnete allein 70 abgebrannte Häuser, deren Besitzer nun ihre Grundschulden nicht mehr zahlen konnten. Die schwer heimgesuchten Menschen empfanden solche Katastrophen als Strafe Gottes. Besonders deutlich wurde dies bei dem zweiten großen Stadtbrand im Jahr 1558: Ein Domprediger namens Kükenbieter hatte seine Tochter, die des Ehebruchs beschuldigt worden war, von der Kanzel herab verteidigt und ausgerufen: »Wo seine Tochter in der That schuldig, daß Donner und Blitz ihr ins Haus schlagen möchte.« Am selben Abend schlug der Blitz tatsächlich in ihr Haus am Markt ein. Das daraufhin ausbrechende Feue...

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