Risiko- und Krisenmanagement im Krankenhaus
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Risiko- und Krisenmanagement im Krankenhaus

Alarm- und Einsatzplanung

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Risiko- und Krisenmanagement im Krankenhaus

Alarm- und Einsatzplanung

About this book

Eine umfassende Alarm- und Einsatzplanung ist fĂŒr KrankenhĂ€user essenziell, damit sie von Großschadensereignissen oder Katastrophen nicht unvorbereitet getroffen werden. Die KomplexitĂ€t der Thematik fordert von denjenigen, die fĂŒr das Krisenmanagement zustĂ€ndig sind, breites Wissen und vielfĂ€ltige Fachkompetenz.Der Leser findet in diesem Werk nicht nur wichtige Grundlagen der Krankenhausalarm- und Einsatzplanung, sondern darĂŒber hinaus auch wertvolle Hintergrundinformationen, die eine profunde Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. ZusĂ€tzlich werden Hilfestellungen fĂŒr die praktische Umsetzung und Implementierung einer umfassenden Krankenhausalarm- und Einsatzplanung gegeben. Die Darstellung besonderer Fallstricke und Problemkonstellationen rundet die Thematik ab. Das Buch ist kein Musterplan. Es richtet sich an alle, die sich eingehend und nachhaltig mit dem Thema Krankenhausalarm- und Einsatzplanung beschĂ€ftigen.

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Information

1 Basiswissen

1.1 Die Kritische Infrastruktur Krankenhaus

Peer Rechenbach

Seit einigen Jahren ist der Begriff »Kritische Infrastrukturen« in der öffentlichen und politischen Diskussion. Doch was ist damit gemeint und inwieweit betrifft es die KrankenhÀuser?
Im Kontext mit den nationalen und europÀischen Regelungen sind die Kritischen Infrastrukturen wie folgt definiert:
‱ Kritische Infrastrukturen sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung fĂŒr das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder BeeintrĂ€chtigung nachhaltig wirkende VersorgungsengpĂ€sse, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen, insbesondere fĂŒr Leib und Leben der Menschen eintreten wĂŒrden.
Die Kritischen Infrastrukturen sind in folgende Gruppen gegliedert:
‱ Energie;
‱ Transport und Verkehr;
‱ Gefahrenstoffe;
‱ Information und Kommunikation;
‱ Finanz-, Geld- und Versicherungswesen;
‱ Versorgung;
‱ Behörden, Verwaltung, Justiz, staatliche Einrichtungen und
‱ sonstige.
In der Gruppe der »Versorgung« ist die »Gesundheit« als Untergruppe aufgefĂŒhrt.
Gruppe 6: Versorgung
‱ Gesundheit,
‱ Katastrophenschutz,
‱ Not- und Rettungsfall,
‱ Lebensmittel
‱ Abfallentsorgung,
‱ MĂŒlldeponien und MĂŒllverbrennung sowie
‱ Abwasserentsorgung
Weiterhin ist das »öffentliche Gesundheitswesen« in der Gruppe »Behörden, Verwaltung, Justiz sowie staatliche Einrichtungen« gleichermaßen genannt.
Gruppe 7: Behörden, Verwaltung, Justiz sowie staatliche Einrichtungen
‱ Öffentliches Gesundheitswesen
‱ Personenstandswesen
‱ Gerichte
‱ Polizei
‱ Feuerwehr
‱ Rettungsdienst
Dies bedeutet, dass alle Organisationen oder Einrichtungen zur Kritischen Infrastruktur gehören, wenn durch eine EinschrĂ€nkung der KapazitĂ€t oder der FunktionalitĂ€t ein Versorgungsengpass zu erwarten ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn dies Folgen fĂŒr Leib und Leben der Menschen hat. Daraus folgt, dass die KrankenhĂ€user grundsĂ€tzlich zu den Kritischen Infrastrukturen gehören.
Auf der Basis der Krankenhausgesetze der LĂ€nder mit den entsprechenden KrankenhausbedarfsplĂ€nen gehören sowohl die staatlichen KrankenhĂ€user als auch gewerbliche oder gemeinnĂŒtzige KrankenhĂ€user zu den Kritischen Infrastrukturen, da sie im Rahmen der Daseinsvorsorge einen Versorgungsauftrag in einer Region erfĂŒllen. Dies gilt insbesondere in den Regionen, wo nur ein einziges Krankenhaus zur medizinischen Grundversorgung der Menschen in kurzer Entfernung zu erreichen ist (bspw. strebt Nordrhein-Westfalen als flĂ€chendeckende Zielvorgabe an, dass innerhalb von 20 km ein Krankenhaus zur Grundversorgung verfĂŒgbar ist). Sofern in einem Gebiet mit einem maximalen Radius von ca. 20 km mehrere KrankenhĂ€user fĂŒr die medizinische Grundversorgung zur VerfĂŒgung stehen und die verschiedenen KrankenhĂ€user bei einem Totalausfall des grĂ¶ĂŸten Hauses dies mit einer KapazitĂ€tserweiterung von 10% kompensieren können, dann wĂ€re in der Region eine ausreichende Redundanz gegeben. Dies ist jedoch nur in einigen wenigen BallungsrĂ€umen Deutschlands gegeben.
Die Menschen in einer Region kennen die verschiedenen KrankenhÀuser und wissen in der Regel, wie diese schnellstmöglich zu erreichen sind. Insbesondere bei der Not- und Unfallversorgung oder Geburten haben die Menschen die Erwartungshaltung, dass ihnen in jedem Krankenhaus soweit geholfen wird, dass die Vitalfunktionen so stabilisiert bzw. erhalten werden, dass eine Weiterbeförderung in ein besser geeignetes Krankenhaus gewÀhrleistet ist. Aus dieser Erwartungshaltung folgt, dass sich jedes Krankenhaus darauf vorbereiten muss, die VersorgungskapazitÀt kurzfristig zu steigern (z. B. infolge eines Massenanfalls von Patienten) und die FunktionalitÀt auch unter schwierigen oder extremen Rahmenbedingungen zu sichern.
Daraus folgt, dass in jedem Krankenhaus Vorbereitungen zu treffen sind. Dabei ist insbesondere zu gewÀhrleisten, dass bei einer Störung anderer Kritischer Infrastrukturen keine EinschrÀnkung der KapazitÀt oder FunktionalitÀt eintritt. Beispielhafte EngpÀsse, wie
‱ der Ausfall der elektrischen Energieversorgung ĂŒber mehrere Tage,
‱ eine fehlende Abfallbeseitigung bei ArbeitskĂ€mpfen oder
‱ die Unpassierbarkeit der Verkehrswege infolge extremer SchneefĂ€lle,
dĂŒrfen die VersorgungskapazitĂ€t und FunktionalitĂ€t des Krankenhauses nicht nachhaltig beeintrĂ€chtigen. Dies kann nur gelingen, wenn entsprechende geeignete Vorbereitungen geplant, fortgeschrieben und regelmĂ€ĂŸig trainiert werden.
Mit einer detaillierten Risikobewertung kann abgeschĂ€tzt werden, welche Effekte die FunktionalitĂ€t eines Krankenhauses beeintrĂ€chtigen, wenn es zu Störungen bei Kritischen Infrastrukturen kommt. Weiterhin ist bei einer Reihe von Störungen zu erwarten, dass die VersorgungskapazitĂ€t gesteigert werden muss (z. B. bei einem Ausfall der elektrischen Energieversorgung ĂŒber mehrere Tage werden Patienten aus Pflegeeinrichtungen ohne Ersatzstromanlage in die KrankenhĂ€user verlegt werden mĂŒssen).
Das Ergebnis der detaillierten Risikobewertung zeigt auf, welche Handlungsprozesse vorbereitet, geplant, fortgeschrieben und trainiert werden mĂŒssen, um bei unterschiedlichen Störungen der Kritischen Infrastrukturen effektiv handeln zu können. So fĂŒhrten die extremen SchneefĂ€lle in Norddeutschland im Winter 1978/79 (Die Schneekatastrophe von Norddeutschland startete am 30. Dez. 1978 und endete am 13. Feb. 1979.) zur Unpassierbarkeit der Straßen und Autobahnen mit erheblichen EinschrĂ€nkungen des Warenverkehrs und gleichzeitig zu einem großflĂ€chigen Ausfall der elektrischen Energieversorgung, der partiell mehrere Tage andauerte.
Mit der Krankenhauskrisenplanung muss geklĂ€rt werden, welche Verbrauchsmittel in welchen Mengen fĂŒr die Grundversorgung zwingend erforderlich sind und wie schnell diese von wo geliefert werden können. Dabei muss berĂŒcksichtigt werden, ob und inwieweit bei Störungen der Verkehrsinfrastruktur eine zeitgerechte Lieferung garantiert ist. Vergleichbare Überlegungen sind bezĂŒglich der Instandhaltung, Wartung und PrĂŒfung der MedizingerĂ€te oder anderer technischer Einrichtungen anzustellen. So ist zu klĂ€ren, wie schnell der Kraftstoffversorgung fĂŒr die Ersatzstromanlage aufgefĂŒllt werden muss, damit ein Betrieb ĂŒber mehrere Tage uneingeschrĂ€nkt garantiert werden kann und wie diese auch bei extremen Rahmenbedingungen vom Prozess her gestaltet werden muss.
Bei Störungen der Kritischen Infrastrukturen ist zu erwarten, dass zusĂ€tzliche personelle Ressourcen benötigt werden mĂŒssen. Bei einem flĂ€chendeckenden Ausfall der Stromversorgung ist zeitgleich der Ausfall der Kommunikationsmittel (Telefon, Mobilfunknetz und dgl.) zu erwarten. Dies bedeutet, dass die ĂŒblichen Alarmierungswege zur Aktivierung des Personals nicht funktionieren. Es muss in der Krankenhauskrisenplanung herausgearbeitet und ins Bewusstsein aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter transportiert sein, dass alle ohne weitergehende Aufforderung schnellstmöglich ihren Arbeitsplatz aufsuchen. Dort wird dann entschieden, ob ihr Einsatz sofort oder zu vorgegebenen Zeiten erfolgen soll.
KrankenhĂ€user als Kritische Infrastruktur können auch Opfer von Cyberangriffen oder technischen Störungen sein. Deshalb muss im Rahmen der Krankenhauskrisenplanung ein Handlungskonzept entwickelt werden, das die sach- und fachgerechte Versorgung der Patienten auch dann gewĂ€hrleistet, wenn die UnterstĂŒtzung der Kommunikations- und Informationstechnik nicht gegeben ist. Die laufende politische Diskussion, welche KrankenhĂ€user im Rahmen der Rechtsverordnungen zu den Kritischen Infrastrukturen gehören und welche erweiterten Sicherheitsmaßnahmen geplant, vorbereitet, trainiert und kontinuierlich fortgeschrieben werden mĂŒssen, darf nicht zu einem abwartenden Verhalten bezĂŒglich der Vorbereitungen fĂŒhren. UnabhĂ€ngig der Tatsache, ob Schwellenwerte (z. B. mehr als 500 Versorgungsbetten, 30 000 Patienten pro Jahr oder Versorgungsgebiet mit mehr als 500 000 Einwohnern) fĂŒr die Verpflichtung weitergehende Sicherheitsmaßnahmen vorzubereiten sind, muss sich jedes Krankenhaus oder Pflegeeinrichtung darĂŒber im Klaren sein, welcher Imageschaden bei einem Engpass in der KapazitĂ€t oder in der FunktionalitĂ€t, die aufgrund fehlender oder unzureichender Planungen bzw. Vorbereitungen eintritt, folgt. Die lapidare Aussage: » [
] dazu waren wir nicht verpflichtet [
]«, wird den wirtschaftlichen Schaden nicht aufwiegen. Es ist in der heutigen Kommunikationsgesellschaft mit allen sozialen Medien nicht davon auszugehen, dass eine BeeintrĂ€chtigung der VersorgungskapazitĂ€t oder FunktionalitĂ€t eines Krankenhauses nicht kommuniziert wird.

1.2 Notwendigkeit einer Planung aus juristischen Aspekten

Thorsten Helm und Hartfrid Wolff

1.2.1 Einleitung

KrankenhĂ€user mĂŒssen hohe medizinische Anforderungen bei der Diagnose und Therapie erfĂŒllen und zugleich den regulatorischen Anforderungen in einem relativ stark kontrollierten Bereich genĂŒgen, um ihren Versorgungsauftrag zugunsten der Bevölkerung zu erfĂŒllen (Schmola, 2014). Unter zunehmendem Kostendruck im Gesundheitswesen gestaltet sich dies nicht immer leicht (Schmola/Rapp, V.). Verstoßen Kliniken gegen normierte Anforderungen, drohen ReputationsschĂ€den, Forderungen auf HonorarrĂŒckzahlungen und Schadensersatz bis hin zu drohenden Strafzahlungen und dem drohenden Entzug der Zulassung (Schmola/Rapp, 2016). Zudem kann es auch in Deutschland zu Situationen kommen, in denen die Funktion von KrankenhĂ€usern durch externe Faktoren, z. B. durch Terrorakte, Umweltkatastrophen und Pandemien, nachhaltig beeintrĂ€chtigt wird, sodass die medizinische Versorgung und somit die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Patienten gefĂ€hrdet und das öffentliche Gesundheitswesen in seinem Beitrag zur Daseinsvorsorge negativ tangiert wird (Unger, 2008). Großschadensereignisse weiten sich im internationalen Kontext oftmals dann zu einer humanitĂ€ren Katastrophe aus, wenn das Gesundheitssystem zusammenbricht (Unger, 2008). KrankenhĂ€user und Einrichtungen des Gesundheitssektors zĂ€hlen laut dem Bundesamt fĂŒr Bevölkerungsschutz- und Katastrophenhilfe zu den sogenannten Kritischen Infrastrukturen und hĂ€ngen wiederum von anderen Kritischen Infrastrukturen ab, z. B. der öffentlichen Wasserversorgung, Telefon- und Internetverbindung, Lebensmittel- und Energieversorgung sowie von Finanzinstituten (BBK, S. 6). Deshalb bedarf es zum einen einer Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems, das Risiken prĂ€ventiv erkennt und minimiert, sowie einer umfassenden Vorsorge- und Abwehrplanung im Rahmen eines Krankenhausalarm- und Einsatzplans, der sich an diversen Szenarien orientiert. Des Weiteren ist eine sensibilisierte und transparente GeschĂ€ftsfĂŒhrung von Nöten, die dafĂŒr Sorge trĂ€gt, dass die Prozesse ineinander verzahnt, organisiert, dokumentiert, regelmĂ€ĂŸig ĂŒberprĂŒft und eintrainiert sowie im akuten Katastrophenfall auf allen Ebenen umgesetzt werden.
Ziel des Risiko-und Krisenmanagements im Krankenhaus ist die Sicherstellung eines fortwĂ€hrenden Betriebs auch mit geringen Mitteln, bei dem so wenige Personen wie möglich Schaden an Leib und Leben nehmen (Vgl. Kern). Hierbei befindet sich die GeschĂ€ftsleitung stets im Spannungsfeld zur umfassenden Risikobeurteilung und der Notwendigkeit, entsprechende Reaktionsstrategien zu entwickeln. Diese Verantwortung kann neben der GeschĂ€ftsfĂŒhrung auch andere Gesellschaftsorgane, wie z. B. den Aufsichtsrat berĂŒhren, zu dem auch ehrenamtliche Mitglieder zĂ€hlen (Helm/Haaf, 2015). Vorliegend soll der Fokus auf einer juristischen und wirtschaftlichen Betrachtungsweise liegen und auf potenzielle strafrechtliche Sanktionen wird bis auf Einzelheiten, die einen wirtschaftlichen Bezug aufweisen, nicht nĂ€her eingegangen.

1.2.2 Die GeschÀftsleitung in der Verantwortung

Im Rahmen der Daseinsvorsorge ist der Staat gemĂ€ĂŸ Art. 25, 28 GG verpflichtet, eine hinreichende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Aufgrund des Umstandes, dass die Krankenhausplanung LĂ€ndersache ist, haben die BundeslĂ€nder rechtliche Regelungen in den Krankenhausgesetzen oder in den Katastrophenschutzgesetzen erlassen.1 Diesen Regelungen ist zu entnehmen, dass die TrĂ€ger der Gesundheitseinrichtungen verpflichtet sind, Alarm- und EinsatzplĂ€ne zu erstellen...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Geleitwort
  6. Die Autorinnen und Autoren
  7. AbkĂŒrzungsverzeichnis
  8. In diesem Buch genannte Gesetze und Verordnungen
  9. Vorwort der Herausgeber
  10. 1 Basiswissen
  11. 2 Projektplan
  12. 3 GrundsÀtze bei der Erstellung eines Krankenhausalarm- und Einsatzplans
  13. 4 Problemfelder im Krankenhaus
  14. 5 Kommunikation und Öffentlichkeit
  15. 6 Kooperationspartner
  16. 7 Spezielle Planungssituationen
  17. 8 Aspekte ausgewÀhlter Einsatzsituationen
  18. Stichwortverzeichnis