Soziale Arbeit im Sozialraum
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Soziale Arbeit im Sozialraum

Stadtsoziologische ZugÀnge

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Soziale Arbeit im Sozialraum

Stadtsoziologische ZugÀnge

About this book

Vom Fall zum Feld - mit dieser Devise wurde in den letzten zwei Jahrzehnten zusÀtzlich zur Einzelfallhilfe (spezialisiert auf bestimmte Problemlagen) eine Neuorientierung in der Sozialen Arbeit eingeleitet. Das Ergebnis ist eine vielfÀltige Soziale Arbeit im Sozialraum. Das methodische Handeln der Sozialen Arbeit muss erweitert und die Strukturen der Sozialen Organisationen wie auch der öffentlichen Hand verÀndert werden. Das Lehrbuch trÀgt dieser Entwicklung Rechnung, indem es den Blick auf den Sozialraum schÀrft, einen Eindruck von den sehr unterschiedlichen Herangehensweisen in den Kommunen vermittelt und die Entwicklung einer professionellen Haltung anregt, die reflektiert mit der Vielfalt an Vorgehensweisen und nebeneinanderstehenden AnsÀtzen umgeht.

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Information

1          Einleitung

 
 
 
Die Generalversammlung des International Federation of Social Workers (IFSW) und der International Association of Schools of Social Work (IASSW) verabschiedete im Juli 2014 in Melbourne, Australien, eine Zieldefinition der Sozialen Arbeit:
»Soziale Arbeit fördert als Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche VerĂ€nderungen und Entwicklungen, den sozialen Zusammenhalt und die ErmĂ€chtigung (
) und Befreiung von Menschen. Dabei sind die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenrechte, der gemeinschaftlichen Verantwortung und der Anerkennung der Verschiedenheit richtungweisend. Soziale Arbeit wirkt auf Sozialstrukturen und befĂ€higt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens angehen und Wohlbefinden erreichen können. Dabei stĂŒtzt sie sich auf Theorien der eigenen Disziplin, der Human- und Sozialwissenschaften sowie auf das Erfahrungs-Wissen des beruflichen Kontextes. Diese Definition kann auf nationaler und/oder regionaler Ebene weiter ausgefĂŒhrt werden.« (IFSW, 2016, o. S.)
Damit sind die Ziele der Sozialen Arbeit auf einer ĂŒbergeordneten Ebene klar umrissen: Förderung des sozialen Zusammenhalts, die ErmĂ€chtigung und Befreiung von Menschen. Dieses ĂŒbergeordnete Ziel wurde ĂŒber viele Jahre verfolgt, indem die Soziale Arbeit das Individuum oder den Klient*innen in den Fokus setzte und die unmittelbaren Beziehungspartner wie die Familie mit einbezog. Die letzten Jahrzehnte sind darĂŒber hinaus dadurch gekennzeichnet, dass vermehrt die sozialen Netzwerke und die sozioökonomische und sozialrĂ€umlich geprĂ€gte Lebenslage in die Ausrichtung der Arbeit integriert wurden (vgl. Bestmann, 2013, S. 13). Wolfgang Hintes Devise »vom Fall zum Feld« und damit der Aufruf, die Soziale Arbeit insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe weniger einzelfallbezogen und spezialisiert auf bestimmte Problemlagen auszurichten, sondern sie stattdessen mehr auf das sozialrĂ€umliche Umfeld zu beziehen, markierte in den 1990er Jahren den Beginn einer Entwicklung der zunehmenden Sozialraumorientierung in der Sozialen Arbeit. Bei gleichzeitiger RĂŒckbesinnung auf Traditionen der Gemeinwesenarbeit (kurz: GWA) musste das methodische Handeln der Sozialen Arbeit den heutigen gesellschaftlichen VerhĂ€ltnissen angepasst werden. Unter verschiedenen Bezeichnungen wurden AnsĂ€tze entwickelt, die die Aktivierung und Beteiligung von Betroffenen, die Entwicklung von Ressourcen des sozialrĂ€umlichen Lebensumfelds und des Individuums sowie neue Wege der institutionellen Vernetzung propagierten. Das VerhĂ€ltnis von Individuum und sozialrĂ€umlichem Umfeld erhielt eine zentrale Bedeutung. Christian Schrapper beschrieb dies Mitte der 1990er Jahre auf folgende Weise:
»Die Bezirke und Quartiere, in denen die Menschen leben, die Wohnumgebung, die Einkaufsmöglichkeiten, der öffentliche Personennahverkehr, Schulen, Jugendheime, Kneipen, Kirchen und SportplĂ€tze, alle diese Orte und Institutionen, aber auch das Leben in Vereinen und Klubs, die informellen KanĂ€le der Nachbarschaften, Wohnblocks und Straßen, Kultur und Klima eines Viertels mĂŒssen zu Bezugspunkten werden fĂŒr das Verstehen der Belastungen, Krisen und Notlagen der Menschen, die hier leben. Die traditionell beziehungsgeschichtlich-biographisch orientierte Dimension des Verstehens muss durch eine sozialrĂ€umliche gleichberechtigt ergĂ€nzt, nicht ersetzt werden. Erst wenn wir auch lernen, die Menschen in ihren VerhĂ€ltnissen zu sehen und zu verstehen, können wir auch den Einfluss der VerhĂ€ltnisse auf das Verhalten begreifen und mit ihnen ausloten, wie VerhĂ€ltnisse und Verhalten ausgehalten oder verĂ€ndert werden können.« (Schrapper, 1995, S. 109)
Das vorliegende Lehrbuch trĂ€gt dieser Entwicklung Rechnung, indem es zunĂ€chst den Blick auf den Sozialraum schĂ€rft. Es zeigt sich, dass es den Sozialraum nicht gibt, aus verschiedenen GrĂŒnden auch nicht geben kann. Der Einstieg in die Thematik erscheint dabei ungewöhnlich, geht es doch zunĂ€chst um die Geschichte und Struktur der europĂ€ischen StĂ€dte. Der Grund hierfĂŒr ist bei nĂ€herem Hinsehen jedoch naheliegend: Wollen wir verstehen, in welchen VerhĂ€ltnissen die Menschen an einem Ort leben und welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dazu gefĂŒhrt haben, dass die Strukturen der SozialrĂ€ume so sind wie sie heute sind, dann mĂŒssen wir den Blick in einem ersten Schritt in die Vergangenheit und auf das Ganze – und d. h. in diesem Fall mindestens auf die Stadt oder die Gemeinde – richten.
Mit diesem Blick zurĂŒck wird deutlich, dass die soziale und die rĂ€umliche Organisation einer Gesellschaft zusammenhĂ€ngen oder – einfacher ausgedrĂŒckt – sich die soziale Position in einem gewissen Maß am Wohnort der Menschen ablesen lĂ€sst. Die oben genannten Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, die gemeinschaftliche Verantwortung oder auch die Anerkennung der Verschiedenheit werden in den SozialrĂ€umen umgesetzt oder gelebt. Das Einbeziehen des Wissens und der Grundlagen anderer Disziplinen, in diesem Fall des stadtsoziologischen Wissens um die Entwicklung und Struktur der StĂ€dte und einzelner Gebiete, kann dabei den professionellen Bezug der Sozialen Arbeit auf den Sozialraum unterstĂŒtzen. Viele der im Zuge des Zusammenkommens unterschiedlicher Disziplinen (wie der Stadtsoziologie und -planung und der Sozialen Arbeit) verwendeten Begriffe wirken fremd (»Segregation« 
) und werden zudem in unterschiedlichen ZusammenhĂ€ngen unterschiedlich verwendet. Ein Ziel dieses Buchs ist es, eine professionelle und reflektierte Verwendung der Begriffe zu ermöglichen. Die seit den 1990er Jahren im Austausch mit der Praxis entwickelten und fortgeschriebenen Konzepte wie das Fachkonzept Sozialraumorientierung von Hinte u. a. oder das SONI-Schema von FrĂŒchtel u. a. oder auch die zum Ende dieses Buchs vorgestellte Modelle der Zusammenarbeit zwischen Quartiersmanagement und GWA können darĂŒber hinaus als Orientierung fĂŒr das professionelle Handeln dienen.
Die Auseinandersetzung mit diesen ersten Modellen der Strukturierung einer Sozialen Arbeit im Sozialraum ist um so dringender, da das gesamte Arbeitsfeld von einer hohen Dynamik der Entwicklung gekennzeichnet ist und noch dazu sehr verschiedene kommunale AusprĂ€gungen hat. So sind die genannten Beispiele in diesem Lehrbuch auf bestimmte StĂ€dte oder RĂ€ume bezogen, folgen dabei jedoch (im Einzelnen mehr oder weniger) bestimmten Handlungsprinzipien, an denen sich wiederum orientiert werden kann. Wenn wir uns die Entwicklung der sozialrĂ€umlich ausgerichteten Kinder- und Jugendhilfe in der Stadt X anschauen, dann können wir einiges fĂŒr unsere Arbeit in der Stadt oder der Region Y ĂŒbernehmen, anderes mĂŒssen wir aufgrund anderer Strukturen und Menschen, die hier leben und arbeiten, anders angehen.
Die sozialraumorientierte Soziale Arbeit seit den 2000er Jahren oder: die Soziale Arbeit im Sozialraum – beide Formulierungen werden im Folgenden synonym gebraucht – kann dabei an Traditionen und Entwicklungen der GWA des letzten Jahrhunderts anknĂŒpfen. Sie werden in Kapitel 3 des Buchs dargestellt. Die ebenfalls in diesem Kapitel beschriebene politisch motivierte Neustrukturierung der öffentlichen Verwaltungen seit den 1990er Jahren und der hiermit verbundene Anfang insbesondere der Neu-Konzeptionierung der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe machen klar, dass sich die Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit in den letzten Jahren stark verĂ€ndert haben. Von den Umstrukturierungen sind verschiedene Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit betroffen. Die Beispiele in diesem Buch konzentrieren sich auf den Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe – auch wenn der sozialrĂ€umliche Bezug grundsĂ€tzlich weitere Handlungsfelder mit einbezieht. In vielen Arbeitsfeldern wurden jeweils in unterschiedlicher Gewichtung und AusprĂ€gung GrundsĂ€tze des sozialraumorientierten Arbeitens etabliert. Hinte nennt als Beispiele mit jeweils hierzu gehörigen Publikationen die Fallarbeit in der Jugendhilfe (Hinte, Litges & Springer, 1999), die offene Jugendarbeit (Krisch, 2009; zu ergĂ€nzen wĂ€ren zahlreiche Publikationen von Deinet), das Quartiersmanagement (Grimm u. a., 2004), die interkulturelle Arbeit (Straßburger & Bestmann, 2008), die Arbeit mit Menschen mit EinschrĂ€nkungen (Stein u. a., 2010; Theunissen, 2012) und die Altenarbeit (Dörner, 2007; Noak & Veil, 2013). Die gemeindenahe Psychiatrie setzt auf die Potentiale von Angehörigen und des sozialrĂ€umlichen Umfeldes. Nicht alle diese Arbeitsfelder können in diesem Buch mit ihren jeweiligen Schwerpunkten und AusprĂ€gungen behandelt werden. Es geht vielmehr um die GrundsĂ€tze und das methodische, ĂŒber die Fallarbeit hinaus gehende Handwerkszeug fĂŒr eine sozialraumorientierte Soziale Arbeit.
DarĂŒber hinaus unternimmt dieses Buch den Versuch, eine professionelle Haltung zu vermitteln, die sich von der paternalistischen Einstellung insbesondere der frĂŒhen Sozialen Arbeit verabschiedet. DafĂŒr braucht es Methoden, die es ermöglichen, die Gegebenheiten vor Ort zu erkunden, die Interessen und den â€șWillenâ€č von verschiedenen im Raum aktiven (und nicht aktiven) Menschen aufzunehmen. Die Akteur*innen der Soziale Arbeit sind nach einigen Jahren im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in einem gewissen Maß Expert*innen der Lebenswelten und der SozialrĂ€ume, in denen sie arbeiten, da sie ĂŒber viele GesprĂ€che und das eigene Erleben ĂŒber ein hohes Maß an Wissen verfĂŒgen und gleichzeitig das Vertrauen vieler Gruppen genießen. Dieses Wissen und Vertrauen muss jedoch ĂŒber eine professionelle Arbeit erst gewonnen werden.
Vor dem inhaltlichen Einstieg in die Themen möchte an dieser Stelle den vielen UnterstĂŒtzer*innen dieses Buchs danken, ohne die es in der Form nicht hĂ€tte entstehen können. Den Menschen aus meinem privaten Umfeld, die auf viel Zeit verzichten mussten. Vor allem aber auch meinen Mitarbeiter*innen und Studierenden, von denen viele Anregungen stammen, die jedoch auch ganz praktische UnterstĂŒtzung geleistet haben, indem sie beispielsweise Texte vorab gelesen haben. Nicht zuletzt geht mein Dank an die vielen bereits angesprochenen Expert*innen und Praktiker*innen aus der Sozialen Arbeit im Sozialraum, die in der Vergangenheit und Gegenwart in zahlreichen GesprĂ€chen und Interviews die Praxisrelevanz der dargestellten Themen hergestellt haben.

2 Was ist ein Sozialraum? Perspektiven auf den â€șRaumâ€č

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Das erwartet Sie 


Bevor Sie sich mit den konkreten Handlungskonzepten der sozialraumorientierten Sozialen Arbeit befassen, ist es wichtig, die Entstehungsgeschichte der heutigen sozialrĂ€umlichen Strukturen ansatzweise zu verstehen. In diesem Kapitel richtet sich der Blick entsprechend zunĂ€chst auf die Geschichte der europĂ€ischen Stadt. Es wird deutlich, dass das Soziale und das RĂ€umliche eng miteinander verwoben sind, dass es kein Zufall ist, wer heute wo wohnt und damit auch lebt. Ein beeinflussender Faktor ist dabei die staatliche bzw. kommunale Steuerung, die immer wieder steuernd in die Wohnungs- und EigentĂŒmermĂ€rkte eingreift – oder dies unterlĂ€sst. Sozialer Wohnungsbau, so werden Sie sehen, ist auf diesem Wege zu einer Ursache der Konzentration von Armut geworden. Nach dem Blick auf die Struktur der StĂ€dte wenden wir uns der kleineren Einheit, dem Sozialraum zu. SozialrĂ€ume existieren in der Stadt und auf dem Land, sind mal klein und mal groß. Sie lernen in diesem Kapitel Definitionen und Eingrenzungen des Sozialraumbegriffs kennen, die in der Soziale Arbeit im Sozialraum aus unterschiedlichen Perspektiven (Verwaltung, Bewohner*innen, FachkrĂ€fte) wichtig sind.

2.1 Die Stadt und der Raum

Die Stadt oder die Gemeinde ist nicht nur ein wirtschaftliches Zentrum, eine Verwaltungseinheit oder ein Ort zum Wohnen. Als Ganze ist sie auch durch die Vielfalt oder HomogenitĂ€t, durch unterschiedliche soziale Milieus, durch Kulturen u. v. m. geprĂ€gt. Eine Forscher*innengruppe an der TU Darmstadt hat um die Jahrtausendwende sogar die Idee einer »Eigenlogik« der Stadt verfolgt (Berking & Löw, 2008) und andere haben von einem »Habitus«, also so etwas wie einem Wesen und Ausdruck der Stadt, geschrieben (vgl. Lindner, 2003). Uns allen ist im AlltĂ€glichen klar, dass es einen Unterschied macht, ob wir in Gießen, Leipzig, Berlin oder Braunschweig oder auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen leben oder arbeiten. Alle Unterschiede oder Ähnlichkeiten lassen sich gar nicht aufzĂ€hlen. Trotz dieser hier zunĂ€chst betonten Unterschiede und ganz â€șeigenenâ€č Dingen in einer Stadt lohnt es sich, sich zunĂ€chst ganz allgemein mit der Struktur von StĂ€dten beschĂ€ftigen. D. h., die Entstehungsgeschichte heutiger Strukturen der Stadt ansatzweise nachzuvollziehen, bevor wir uns der kleineren Einheit, dem Sozialraum, zuwenden. Denn: Die StĂ€dte oder Gemeinden bilden in ihrer jeweiligen Gesamtstruktur (ebenso wie die SozialrĂ€ume) einen Teil der Rahmenbedingungen der Sozialen Arbeit im Sozialraum.
Wir konzentrieren uns im Verlauf des Blicks auf die Gesamtstadt besonders auf den Bereich des Wohnens. Dieses deshalb, weil der Wohnort der jeweiligen Menschen in gewisser Weise einen Anker im Hinblick auf die Strukturen und Aufgaben der Sozialen Arbeit im Sozialraum darstellt. Viele Leistungen der Sozialen Arbeit orientieren sich am Wohnort bzw. an den Gebieten, in denen Betroffene leben und arbeiten. Mit dem Blick auf die Gesamtstadt fragen wir im Folgenden danach, wie es kommt, dass Gebiete sozial Benachteiligter entstehen, es Segregation, d. h. die Konzentration von Bewohner*innen mit z. B. wenig Einkommen, in bestimmten Gebieten der Stadt gibt. An dieser Stelle befassen wir uns mit den wesentlichen strukturellen Ursachen der Konzentration von Armut. Aus der Konzentration von Armut folgt eine Konzentration der Sozialen Arbeit auf eben diese Gebiete. ZusĂ€tzlich wird am Ende dieses Kapitels klar, warum der sozialrĂ€umliche Kontext oder die Umwelt und schließlich auch der Sozialraum Einfluss auf unser Handeln nimmt und was diese Begriffe im Zusammenhang mit der Sozialen Arbeit bedeuten können.

2.1.1 Zur Geschichte und Struktur der europÀischen Stadt

Dirk Schubert hat sehr ĂŒbersichtlich einen kurzen Überblick ĂŒber die Entwicklung der frĂŒhindustriellen Stadt und ihren grundsĂ€tzlichen Aufbau bis zur heutigen Stadtstruktur geliefert (vgl. Schubert, 2012). Er beginnt mit der Stadt der BĂŒrger und Handwerksbetriebe, der FußgĂ€nger und Pferdekutschen des PrĂ€fordismus des 19. Jahrhunderts und damit auch mit den ersten AnsĂ€tzen der Sozialen Arbeit (vgl. Schubert, 2012, S. 18). Schon damals war der gesellschaftliche Stand der Bewohner*innen an den HĂ€userfassaden und Grundrissen sowie an der Lage der HĂ€user bzw. Wohnungen in der Stadt abzulesen. Die engen und dicht bewohnten Arbeiterwohnungen lagen in der NĂ€he der lauten und oft von unangenehmen GerĂŒchen begleiteten frĂŒhen Industrien oder Handwerksbetrieben. In Hamburg oder Frankfurt/M. sind auch heute noch die Bauten ehemaliger Hafenindustrien zu sehen, in deren unmittelbarer Umgebung typische Arbeiterwohnungen liegen.
In der Hafenstadt Chicago, einer von starken Zuwanderungen aus verschiedenen LĂ€ndern und Kontinenten geprĂ€gten Stadt der USA, fragten Forscher*innen des soziologischen Instituts der UniversitĂ€t Chicago zu Beginn des 20. Jahrhunderts danach, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Wohnort der in einem bestimmten Teil der Stadt lebenden Menschen und ihrer rĂ€umlichen Umgebung gibt. Wie könnte dieser Zusammenhang aussehen? Sie beschrieben die Verteilung der Bewohner*innen ĂŒber die Stadt und entwickelten Modelle, die – so wie es im Rahmen von Sozialraumanalysen noch heute getan wird – die Verteilung sozialstruktureller Merkmale (Einkommen, ethnische Zugehörigkeit, Bildung usw.) abbilden. Auf diesem Weg entstand im Jahr 1925 das Modell der konzentrischen Ringe von Burgess, etwas spĂ€ter das Sektorenmodell von Hoyt (1936) und das Mehrkernmodell von Harris und Ullman (1945) (zum Folgenden vgl. Friedrichs, 1983, S. 104f). Beispielhaft soll an dieser Stelle auf das in folgender Abbildung dargestellte Modell von Burgess eingegangen werden (
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Abb. 1).
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Abb. 1: Modell der konzentrischen Zonen, selbst erstellt nach Burgess (1925)
Burgess entwickelte sein Modell in Anlehnung an die damalige Struktur der Hafenstadt Chicago – wobei diese Stadt am Michigansee liegt und tatsĂ€chlich nur die HĂ€lfte der abgebildeten konzentrisc...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort zur Reihe
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Was ist ein Sozialraum? Perspektiven auf den â€șRaumâ€č
  8. 3 Von den AnfÀngen bis ins neue Jahrtausend
  9. 4 Erhebungs-, Analyse- und Aktivierungsmethoden der Sozialen Arbeit im Sozialraum
  10. 5 Gemeinwesenarbeit und/oder Quartiersmanagement
  11. 6 Handlungsprinzipien der Sozialen Arbeit im Sozialraum
  12. 7 Beispiele fĂŒr Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit im Sozialraum
  13. Literaturverzeichnis
  14. Abbildungsverzeichnis
  15. Tabellenverzeichnis
  16. Stichwortverzeichnis