Zweiter Teil: Die Führungsfäden festhalten
Wie können Leitungskräfte ihrer Verantwortung im Arbeitsalltag gerecht werden?
Einführung
Wichtige Grundlagen von Führung werden in dem folgenden zweiten Teil beschrieben und anhand von Beispielen verdeutlicht. Führung macht sich an zentralen Zielen, Werten und Regeln fest, die die Leitungskraft vorgibt. Das sind die Fäden, die den Mitarbeitern Orientierung geben und die die Voraussetzung bilden für die Mitgestaltung in einem gemeinsamen Prozess.
Die Leitungskraft entwickelt und vertritt die Werte und die Ziele der gemeinsamen Arbeit und trägt die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Organisation. Dabei eröffnet sie für die Mitarbeiter den Prozess ihrer individuellen Weiterentwicklung und Potentialentfaltung. Die Leitungskraft sorgt für das gute Klima, in dem die Weiterentwicklung der Mitarbeiter gefördert wird. Dazu gehören gute Arbeitsbedingungen, ein ständiger Informationsfluss und die Weiterbildung aller Mitarbeiter.
Systemisch Leiten bedeutet nicht, sich auf der Nase herumtanzen zu lassen. Es bedeutet nicht laissez faire und sich nicht einmischen, weil man ein Menschenfreund ist und am liebsten immer nett sein will. Man kann nicht immer allen Menschen alles recht machen. Wer leitet, muss konfliktfähig sein.
Leiten bedeutet Verantwortung übernehmen für die vorgegebenen Aufgaben der Einrichtung, und die Erfüllung dieser Aufgaben auf die eigene Art zu bewerkstelligen mit eigenen Ideen, mit Inspiration und dafür die Mitarbeiter zu begeistern. Das bedeutet, den Mitarbeitern Ziele zu setzen, die Aufgaben und die Richtung vorgeben, in der sie denken und wirken sollen. Die Leitung muss Mitarbeitern den Raum geben, dies zu realisieren. Leiten heißt Störungen in der Zusammenarbeit beseitigen, heißt die Mitarbeiter befähigen, ihre Arbeit gut zu machen. Dazu gehört, die Mitarbeiter aufzuklären und ihr Wissen zu vermehren. Auch die Kontrolle und die Einhaltung von Regeln gehören dazu.
Leiten kann auch bedeuten, Sanktionen gegen diejenigen Mitarbeiter auszuüben, die eine gemeinsame Zielsetzung nicht unterstützen, sich nicht an die Regeln halten und die Atmosphäre vergiften.
Eine gute Leitung zeigt sich an der Haltung des Respekts und der Wertschätzung, die jedem der Beteiligten im System des Unternehmens entgegengebracht wird. Im Unternehmen können das die Kunden, die Lieferanten und die Besucher sein.
Die Leitungskraft geht von der Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter aus. Treten Probleme auf, muss die Leitungskraft nicht die Lösungen vorgeben, sondern den Weg zu einer Lösung öffnen und sich dabei auf die Kompetenzen der Mitarbeiter stützen. Wichtig ist, dass dabei die Leitungskraft die übergeordnete Zielsetzung und die eigene Vision für das Unternehmen im Auge behält und die Mitarbeiter dafür begeistert.
Aus systemischer Sicht ist Führung immer ein Prozess in einer Organisation. Die Beteiligten an diesem Prozess bilden miteinander ein System, welches dem Ziel der Organisation dient. Dazu braucht Führung gemeinsame Werte und Regeln für eine Organisation und eine klare Zielsetzung, die dem Zusammenwirken aller Beteiligter einen Sinn gibt.
Alle Beteiligten, Führungskraft und Mitarbeiter, stehen miteinander in Wechselwirkung. Ihre Interaktionen basieren auf expliziten oder impliziten Regeln nach bestimmten Mustern, die von Verhalten, Denkprozessen und emotionalen Reaktionen bestimmt sind.
Erfolgreiche Interaktionen mit den Mitarbeitern, die von der Führungsperson ausgehen, sind zugleich eine Bewegung der wechselseitigen Verbesserung und Entwicklung der Kompetenzen. Beide Seiten wirken wechselseitig ständig aufeinander ein und verändern sich. So werden die Führenden durch die Rückmeldungen der Geführten wiederum geführt, und umgekehrt. Denn alle Beteiligten sind in ihren Beziehungen voneinander abhängig.
Wenn geführt wird, muss es eine Richtung geben und ein Ziel existieren, zu dem geführt und mitgegangen wird. Führung ist aber kein linearer Prozess. Denn durch die wechselseitige Abhängigkeit von Führendem und Geführten und die notwendigen Feedbacks kann Führung eher als eine Bewegungsart angesehen werden. Die gemeinsame Bewegung findet auf dem bestimmten Weg, zu einem bestimmten Ziel und in einer bestimmten Umgebung statt.
Man kann die Führungsinteraktionen auch als Bewegungsform eines Tanzes betrachten: Es gibt verschiedene Schritte, die gemeinsam erlernt werden müssen. Das ist harte Arbeit, wie beim Training für eine Sportart. Aber wenn man die Grundschritte gemeinsam erarbeitet hat, kann man den sportlichen Tanz mit der Leichtigkeit einer Kunstform ausführen.
Eine weitere Metapher für systemisches Leiten ist die des Reiters auf einem Pferd.
1 Führen kann nur, wer ein Ziel hat
Die Leitungskraft als Vermittler von Werten.
Führen kann nur, wer ein Ziel hat oder wer das Ziel kennt. Oder ist der Weg schon das Ziel?
Ein Weg ohne Ziel bedeutet für die Mitarbeiter, ihre Arbeit nach Vorgabe und Vorschrift zu erledigen. Den Weg gehen, ohne nach rechts oder links, nach vorne oder hinten zu schauen. Es geht immer um die täglichen Herausforderungen im täglichen Trott. Eigenständige Gedanken und neue Ideen würden auf dem Weg nur zum Stolpern führen und sind nicht erwünscht. Ein Weg ohne Ziel führt in einem Unternehmen zum Verharren auf dem gegebenen Stand der Aktivität und wird bei den Änderungen der äußeren und inneren Gegebenheiten zu Aktionismus und Durchwursteln.
Die Führungskraft als Werte-Gestalter muss mit ihren Visionen und Zielvorstellungen die Menschen beflügeln und begeistern können. Die Führungskraft hat die Aufgabe, dafür neue Wege zu erkunden. Vermitteln lässt sich die Begeisterung jedoch nur durch eine Vielzahl tagtäglicher Ereignisse, bei denen der wertegestaltende Manager zum Vorbild und Beispiel für die Mitarbeiter wird. In dieser Rolle ist die Führungskraft sehr wichtig: Sie vermittelt Werte durch Handlungen statt durch Worte. Keine Gelegenheit ist ihr zu gering. Sinn für Ideen und Sinn für Details sind beide untrennbare Fähigkeiten, die eine Führungskraft beherrschen muss (vgl. Watermann 1986, S. 330). Entscheidend für die erfolgreiche Vermittlung von Werten ist ein aufrichtiges und nachhaltiges persönliches Engagement für die Werte, die eine Führungskraft vermittelt. Dies wird verbunden mit Beharrlichkeit bei der Verbreitung und Festigung dieser Wertvorstellungen bei den Mitarbeitenden.
Der Erfolg und Misserfolg von Unternehmen lässt sich häufig darauf zurückführen, wie gut die Führungskraft es versteht, die besonderen Talente und die Ressourcen seiner Mitarbeiter zu nutzen. Was tut das Unternehmen, damit diese Menschen zu einer gemeinsamen Sache finden? Und wie kann es diese gemeinsame Sache und den einheitlichen Kurs bewahren, trotz der vielen Veränderungen, die in der sich wandelnden Welt immer wieder erforderlich sind?
Unternehmensberater von McKinsey haben festgestellt, dass in allen erfolgreichen amerikanischen Wirtschaftsunternehmen Grundüberzeugungen, Werte und Ziele herrschen, von denen sich die Führungskraft und die Mitarbeiter bei ...