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Psychoandrologie
Psychische Störungen des Mannes und ihre Behandlung
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Psychoandrologie
Psychische Störungen des Mannes und ihre Behandlung
About this book
Seit einigen Jahren ist in Medizin, Soziologie und Psychologie eine Problematisierung und Pathologisierung des Mannes und der MĂ€nnlichkeit zu beobachten. IdentitĂ€t, Rolle und Gesundheitsverhalten stehen auf dem PrĂŒfstand. In diesem Werk wird die psychische und psychosoziale Befindlichkeit von MĂ€nnern in der Gegenwart untersucht. Dabei werden soziologische, entwicklungspsychologische, medizinische, psychiatrische und psychotherapeutische Perspektiven miteinander verbunden. Unter welchen psychischen Erkrankungen MĂ€nner besonders leiden und wie sich diese psychotherapeutisch behandeln lassen, stellen renommierte Autorinnen und Autoren vor.
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Information
1 Zwischen Erwerbsarbeit und Familie â Zum Wandel mĂ€nnlicher Lebenslagen
Michael Meuser
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist die gesellschaftliche Situation von MĂ€nnern, sind mĂ€nnliche Lebenslagen vermehrt in den Blick der medialen Ăffentlichkeit geraten. Der Grundtenor der Berichterstattung ist von einem Krisennarrativ bestimmt. Wenn vom »Ende der MĂ€nner« â und dem »Aufstieg der Frauen« (Rosin 2013) â oder von der »Not am Mann« (Die Zeit, Nr.2/2014) die Rede ist, scheint der Niedergang des mĂ€nnlichen Geschlechts nicht mehr fern zu sein. Die MĂ€nner scheinen sich auf der Seite der Verlierer gegenwĂ€rtiger gesellschaftlicher Entwicklungen zu befinden âVerlierer im Geschlechterkonflikt, wenn nicht Modernisierungsverlierer schlechthin. Solche Dramatisierungen mögen einer medialen Aufmerksamkeitsökonomie geschuldet sein. UnabhĂ€ngig von den Aufgeregtheiten, die mit dem Krisendiskurs erzeugt werden, ist allerdings festzuhalten, dass tradierte mĂ€nnliche Lebenslagen im Zuge des Wandels von Geschlechter-, Familien- und ErwerbsverhĂ€ltnissen in vielfacher Weise herausgefordert sind. MĂ€nner sind gefordert, sich neu zu positionieren.
Lothar Böhnisch (2003, S. 25) identifiziert mit Blick auf die gesellschaftliche Position des Mannes »zwei Argumentationsfiguren zur Krise des Mannseins«; die eine bezieht sich auf den »gesellschaftlichen Aufstieg der Frau«, die andere auf die Verstrickung des Mannseins »in die Logik der Ăkonomie«. Angesichts der »Berufsbezogenheit des Mannes« sei dessen Krise »auch immer mit der Krise der Berufs- und Arbeitsgesellschaft verbunden« (ebd., S. 198). Die mit den beiden Argumentationsfiguren angesprochenen VerhĂ€ltnisse sind eng aufeinander bezogen und schlieĂen ein drittes ein: das der Familie. VerĂ€nderungen in einem Bereich tangieren die anderen. Der seit den 1960er Jahren sich vollziehende Bildungsaufstieg der Frauen verĂ€ndert deren Position auf dem Arbeitsmarkt, sie werden zu potenziellen Konkurrentinnen der MĂ€nner. Die gestiegene und weiterhin steigende Erwerbsquote der Frauen macht das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie der Tendenz nach zu einer beide, Mann und Frau, betreffenden Frage, lĂ€sst mithin die Position des Mannes in der Familie nicht unberĂŒhrt. Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft geht mit einem Abbau von ArbeitsplĂ€tzen in der Industrieproduktion, in der mĂ€nnliche ArbeitskrĂ€fte in der Ăberzahl sind, und einem Zuwachs von ArbeitsplĂ€tzen im Dienstleistungsbereich einher, in dem weibliche ArbeitskrĂ€fte ĂŒberwiegen.
Diese Entwicklungen implizieren nicht zwangslĂ€ufig, dass tradierte Hierarchien im GeschlechterverhĂ€ltnis in ihr Gegenteil verkehrt werden, wie es von Teilen des Krisendiskurses vermittelt wird. Sie haben aber zur Folge, »dass sich die mĂ€nnliche Herrschaft nicht mehr mit der Evidenz des SelbstverstĂ€ndlichen durchsetzt« (Bourdieu 1997, S. 226). Sie muss in wachsendem MaĂe begrĂŒndet und legitimiert werden. Hohe FĂŒhrungspositionen in der Wirtschaft z. B. sind nach wie vor nahezu ausschlieĂlich mit MĂ€nnern besetzt. Wie die andauernde Debatte ĂŒber Quotenregelungen zeigt, wird dies aber nicht mehr als eine SelbstverstĂ€ndlichkeit wahrgenommen. Die Quotendiskussion ist ein typisches Beispiel fĂŒr die Herausforderung einer tradierten MĂ€nnlichkeitsposition.
1.1 Industriegesellschaftliche MĂ€nnlichkeitskonstruktion
Die Tragweite der Herausforderungen ergibt sich vor dem Hintergrund einer fortbestehenden WirkmĂ€chtigkeit der industriegesellschaftlichen MĂ€nnlichkeitskonstruktion. Auch wenn das Zeitalter der Industriegesellschaft an sein Ende gekommen sein mag, weisen in diesem Zeitalter entstandene symbolische Ordnungen und kulturelle Deutungsmuster eine beachtliche Persistenz auf. Das kulturelle VerstĂ€ndnis von MĂ€nnlichkeit und Weiblichkeit ist weiterhin in erheblichem MaĂe von den Deutungsmustern bestimmt, die den Geschlechterdiskurs der bĂŒrgerlichen Gesellschaft prĂ€gen, die in einem engen zeitlichen und ideellen Bezug zur Industriegesellschaft steht. Dieser Diskurs ist bekanntlich von einem Denken in GeschlechterpolaritĂ€ten und einer geschlechtsexklusiv konzipierten Trennung der SphĂ€ren von Produktion und Reproduktion bestimmt, die den Mann der öffentlichen SphĂ€re von Beruf und Politik zuordnet, die Frau der privaten der Familie. Vor diesem Hintergrund hat sich eine MĂ€nnlichkeitskonstruktion entwickelt, die um den Beruf und â im Falle des bĂŒrgerlichen mĂ€nnlichen Individuums â die berufliche Karriere zentriert ist.
Wie die historische Geschlechterforschung zeigt, hat sich diese MĂ€nnlichkeitskonstruktion ab Mitte des 19. Jahrhunderts durchgesetzt. In der frĂŒhbĂŒrgerlichen Epoche war der Mann durchaus noch in das Geschehen in der Familie involviert. Er, und nicht die Frau, war der primĂ€re Adressat der Erziehungsempfehlungen der AufklĂ€rung. Der Mann war als fĂŒrsorglicher Vater in der Familie prĂ€sent (Francis 2002; Martschukat und Stieglitz 2005; Trepp 1996). Im Zuge einer wachsenden Geschlechterpolarisierung entwickelte sich die mit der Figur des abwesenden Vaters bezeichnete Konstellation, in welcher der Mann zunehmend eine randstĂ€ndige Position in der Familie einnimmt und seine familienbezogene Position durch das definiert ist, was er im Beruf fĂŒr die Familie leistet: als ErnĂ€hrer der Familie. In der Familiensoziologie haben Parsons und Bales diese Positionszuweisung Mitte des 20. Jahrhunderts als das Bestimmungsmerkmal der erwachsenen mĂ€nnlichen Geschlechtsrolle definiert. Diese sei fundiert »in his job and through it by his status-giving and income-earning functions for the family« (Parsons und Bales 1955, S. 14 f.).
Die hier zum Ausdruck kommende Berufszentriertheit bestimmt bis in die Gegenwart Erwartungen an MĂ€nner wie auch deren SelbstverstĂ€ndnis. Dies zeigt sich in unterschiedlicher Weise. Aus der Biografieforschung ist bekannt, dass MĂ€nner ihre Biografie typischerweise entlang ihres Berufslebens erzĂ€hlen und dies auch dann noch tun, wenn dieses diskontinuierlich verlaufen ist (Scholz 2004, 2005; Gildemeister und Robert 2008, S. 268 ff.). Im Rahmen der industriegesellschaftlichen MĂ€nnlichkeitskonstruktion kann MĂ€nnlichkeit nicht anders als vom Beruf her konzipiert werden. Ein anderes legitimes Vokabular ist gleichsam nicht zuhanden (Meuser 2005). Ein weiterer Indikator ist, dass MĂ€nner den Entschluss zu einer FamiliengrĂŒndung hĂ€ufiger als Frauen an eine gesicherte berufliche Perspektive knĂŒpfen (Schmitt 2005).
»FĂŒr einen GroĂteil der MĂ€nner wird die FamiliengrĂŒndung antizipatorisch mit der Ăbernahme der ErnĂ€hrerposition verknĂŒpft. Dementsprechend ist eine biografische Familienplanung und der Ăbergang in die Elternschaft in der Regel erst möglich, wenn die berufliche Entwicklung so weit fortgeschritten ist, dass vergleichsweise sichere Perspektiven bestehen« (KĂŒhn 2005, S. 137).
Mit welcher Fraglosigkeit die Berufszentriertheit mĂ€nnliche SelbstentwĂŒrfe bestimmt, zeigt sich nicht zuletzt bei jungen MĂ€nnern in prekĂ€ren sozialen Lagen, die ĂŒber nur geringe Bildungsqualifikationen bzw. keinen Schulabschluss verfĂŒgen. Auch unter diesen jungen MĂ€nnern, denen der Zugang zu einem NormalarbeitsverhĂ€ltnis hochgradig erschwert, wenn nicht völlig verbaut ist, sind »eine arbeitsgesellschaftliche Normalorientierung« (Kreher 2007, S. 161) und eine »starke Fixierung [âŠ] auf die ErwerbsarbeitssphĂ€re« (ebd., S. 94) zu beobachten. Dies impliziert eine Orientierung an der Figur des Mannes als ErnĂ€hrer der Familie. Klaus Dörre zeigt, dass »die ungebrochene Ausstrahlungskraft des NormalarbeitsverhĂ€ltnisses [âŠ] bis in die âșZone der Entkopplungâč hineinreicht« (2007, S. 293). Zu den »Entkoppelten« zĂ€hlt Dörre »Gruppen â Langzeitarbeitslose, Sozialhilfebezieher oder (illegale) Migranten â ohne realistische Chance auf eine Integration in regulĂ€re Erwerbsarbeit« (2007, S. 292).
1.2 Transformationen I: Erwerbsarbeit
Die zentrale StĂŒtze des tradierten industriegesellschaftlichen MĂ€nnlichkeitskonstrukts ist das sog. NormalarbeitsverhĂ€ltnis. Als normal gilt dasjenige ArbeitsverhĂ€ltnis, das die Mehrzahl der BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnisse in Zeiten wirtschaftlicher ProsperitĂ€t kennzeichnet(e), wie sie insbesondere in der zweiten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts vorherrschte. Die zentralen Merkmale sind eine geregelte, abhĂ€ngige VollzeitbeschĂ€ftigung, ArbeitsplatzkontinuitĂ€t und sozialstaatliche Absicherung. Zwar sind in der EU die meisten MĂ€nner weiterhin in einem NormalarbeitsverhĂ€ltnis beschĂ€ftigt, gleichwohl sind Tendenzen zu dessen Erosion deutlich sichtbar (Lengersdorf und Meuser 2010, S. 92 ff.).
»Insgesamt wird die traditionelle Form der Arbeit auf der Grundlage von VollzeitbeschĂ€ftigung, klaren beruflichen Aufgabenstellungen und eines fĂŒr den gesamten Lebenszyklus gĂŒltigen Karrieremusters langsam aber sicher untergraben und aufgelöst« (Castells 2001, S. 307).
Entwicklungen, die einer Auflösung des NormalarbeitsverhĂ€ltnisses Vorschub leisten, sind die Zunahme atypischer, prekĂ€rer und diskontinuierlicher BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnisse, neue Formen projektförmiger Arbeitsorganisation, Prozesse unternehmensinterner Kommodifizierung und der RĂŒckbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme. In Deutschland ist nahezu die HĂ€lfte der neu abgeschlossenen ArbeitsvertrĂ€ge befristet. Eine wachsende Zahl mĂ€nnlicher Erwerbsbiografien weist DiskontinuitĂ€ten auf. Angesichts der fortbestehenden Berufszentriertheit mĂ€nnlicher LebensentwĂŒrfe beinhalten diese Entwicklungen das Potenzial der Verunsicherung. Dass die Berufszentriertheit bruchlos zu realisieren ist, erweist sich fĂŒr eine wachsende Zahl von MĂ€nnern als Illusion.
Auf der anderen Seite spielt BerufstĂ€tigkeit eine immer gröĂere Rolle in weiblichen Biografien. Die Erwerbsquoten von MĂ€nnern und Frauen haben sich in den letzten 50 Jahren kontinuierlich einander angenĂ€hert. Lag die Differenz der Erwerbsquoten vor 50 Jahren noch bei ĂŒber 40%, so liegt sie heute nur noch bei 10% (Jurczyk und Lange 2014, S. 41). Frauen sind zu Konkurrentinnen der MĂ€nner auf dem Arbeitsmarkt geworden. Birger Priddat zufolge gibt es eine Leitbildverschiebung »von einem hierarchisch-komplementĂ€ren, Frauen subordinierenden Leitbild zu einem, in dem Frauen und MĂ€nner sowohl um gleichrangige Positionen konkurrieren als auch in gleichrangigen Teams kooperieren mĂŒssen« (2004, S. 165). Dies dĂŒrfte in besonderem MaĂe fĂŒr den tertiĂ€ren Sektor der Dienstleistungs- und Wissensberufe gelten, in denen die Mehrzahl der Frauen beschĂ€ftigt ist. Allerdings ist die Teilzeitquote der Frauen erheblich höher als die der MĂ€nner; in Deutschland betrĂ€gt die Relation bei den abhĂ€ngig BeschĂ€ftigten im Jahr 2013 47,9 zu 10,3% (WSI GenderDatenPortal: http://www.boeckler.de/51985.htm, Zugriff am 18.08. 2015). Diese Differenz verweist auf die fortbestehende (Haupt-)ZustĂ€ndigkeit der Frauen fĂŒr die Familienarbeit (Hausarbeit und Kinderbetreuung), sodass sich das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ihnen ungleich stĂ€rker als den MĂ€nnern stellt. Es ist aber auch festzustellen, dass eine wachsende Zahl von (oft kinderlosen) hoch qualifizierten Frauen »sich in Abgrenzung zu traditionellen Zuschreibungen zunehmend ĂŒber das Muster der zunĂ€chst MĂ€nnern vorbehaltenen âșArbeitsmarktindividualisierungâč, das heiĂt primĂ€r ĂŒber Erwerbsarbeit« definiert (Nickel 2009, S. 217).
Vor dem Hintergrund beider Entwicklungen ist zu konstatieren, dass der Erwerbsarbeit ihre Bedeutung als Differenzierungskriterium zwischen mĂ€nnlichen und weiblichen LebensentwĂŒrfen zumindest ein StĂŒck weit abhandenkommt. DiskontinuitĂ€t und PrekaritĂ€t, Merkmale, die fĂŒr viele typische FrauenarbeitsplĂ€tze charakteristisch sind, kennzeichnen mehr und mehr auch BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnisse von MĂ€nnern. Der Beruf wird zumindest fĂŒr hochqualifizierte Frauen, deren Zahl im Zuge der Bildungsexpansion der vergangenen 50 Jahre stark angestiegen ist, in einem MaĂe zum Strukturgeber des Lebenslaufs, wie dies traditionell bei MĂ€nnern der Fall ist.
Ingrid Kurz-Scherf zufolge ist die Krise der Arbeit »nicht zuletzt auch eine Krise der androzentrischen Strukturen moderner Arbeitsgesellschaften« (2005, S. 18). »Generell folgen die mit dem Wandel der Arbeit verbundenen Risiken und Chancen zumindest nicht per se und durchgÀngig dem tradierten Geschlechter-Code der Privilegierung von MÀnnern und der Diskriminierung von Frauen« (ebd.). In diesem Sinne enthalten die skizzierten Entwicklungen das Potenzial, die tradierte, die gesellschaftliche Dominanz des mÀnnlichen Geschlechts garantierende Geschlechterordnung wenn nicht aufzulösen, so doch zu gefÀhrden. Dies stellt MÀnner vermehrt vor die Herausforderung, sich neu zu positionieren.
1.3 Transformationen II: Familie
Im Rahmen der tradierten Geschlechterordnung sind die SphĂ€ren von Beruf und Familie fĂŒr den Mann durch die Rolle des ErnĂ€hrers der Familie verknĂŒpft. Diese VerknĂŒpfung wird zum einen durch die bezeichneten Transformationen im Feld der Erwerbsarbeit gelockert. Die ErnĂ€hrerrolle ist an die Berufsrolle gebunden. Wenn diese gefĂ€hrdet ist, wird jene schnell zur Fiktion. Zum anderen hat die mĂ€nnliche ErnĂ€hrerposition infolge des Strukturwandels der Familie sowohl ihre Fraglosigkeit verloren â das Modell des mĂ€nnlichen FamilienernĂ€hrers hat einen deutlichen Legitimationsverlust erfahren â als auch ist der Anteil der Haushalte mit einem mĂ€nnlichen AlleinernĂ€hrer zurĂŒckgegangen. Bereits Ende der 1990er Jahre hielten in einer Befragung »etwa 71 Prozent der MĂ€nner und 75 Prozent der Frauen die Erzieherfunktion des Vaters fĂŒr wichtiger als seine ErnĂ€hrerfunktion« (Fthenakis und Minsel 2002, S. 66). Diese Daten verweisen darauf, dass zumindest eine alleinige oder prioritĂ€re Definition von Vaterschaft ĂŒber die ErnĂ€hrerfunktion nur noch bei einem Viertel der deutschen Bevölkerung anschlussfĂ€hig ist. VĂ€ter, die sich der Erzieherfunktion verweigern, laufen einer Untersuchung des Allensbach-Instituts zufolge Gefahr, als »RabenvĂ€ter« stigmatisiert zu werden. 33% der im Rahmen der »Vorwerk Familienstudie 2007« befragten MĂ€nner und Frauen hielten den Begriff »Rabenvater« fĂŒr passend, um solche MĂ€nner zu bezeichnen, die die Erziehung der Kinder der Mutter ĂŒberlassen (Institut fĂŒr Demoskopie 2007, S. 29). Die geschlechtliche Umschrift eines Begriffs, der â als âșRabenmutterâč â zunĂ€chst fĂŒr Erziehungspersonen weiblichen Geschlechts reserviert war, verweist darauf, dass die Kinderbetreuung Teil des Anforderungsprofils eines âșmodernenâč Vaters geworden ist. Vaterschaft unterliegt einer neuen, das Engagement in der Familie einbeziehenden Normierung. Sowohl in der EU als auch in Deutschland findet dies seinen Niederschlag in der Familienpolitik, die seit ca. einem Jahrzehnt begonnen hat, mit ihren Programmen nicht mehr nur MĂŒtter, sondern auch VĂ€ter zu adressieren (Ehnis und Beckmannn 2010; HofĂ€cker 2007). In der deutschen Familienpolitik geschieht dies in sichtbarster Weise in Gestalt der 2007 erfolgten Novellierung des Bundeselternzeitgesetzes, das die Zahlung von Elterngeld fĂŒr 14 statt nur fĂŒr 12 Monate vorsieht, wenn beide Partner in Elternzeit gehen, mit einer Mindestdauer pro Person von zwei Monaten. Die zusĂ€tzlichen zwei Monate werden mit Blick darauf, dass die groĂe Mehrheit der VĂ€ter (ca. 78%), die in Elternzeit gehen, dies fĂŒr zwei Monate tut, in der medialen Berichterstattung hĂ€ufig als »VĂ€termonate« bezeichnet.
Im Jahr 2011 gab es in Deutschland in knapp einem Viertel (24%) der Paargemeinschaften mit minderjĂ€hrigen Kindern einen mĂ€nnlichen AlleinernĂ€hrer. Elf Jahre zuvor war dies noch bei knapp einem Drittel (31%) der Fall. Die mit 45% am stĂ€rksten verbreitete und in diesem Zeitraum am stĂ€rksten angestiegene Konstellation (von 33 auf 45%) ist der Vollzeit arbeitende Mann und die Teilzeit arbeitende Frau. Die Konstellation, in der beide Partner Vollzeit erwerbstĂ€tig sind, ist mit 18% vertreten (gegenĂŒber 24% im Jahr 2000) (BMAS 2013, S. 127). Diese Daten zeigen zum einen, dass das traditionelle bĂŒrgerliche Familienmodell in seiner Reinform einer strikten geschlechtlichen SphĂ€rentrennung an Verbreitung verloren hat, mit 24% allerdings noch nicht zu einer Randerscheinung geworden ist. Sie zeigen zum anderen, dass die SphĂ€rentrennung nicht aufgelöst ist, s...
Table of contents
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Die Reihe »Psychotherapie in Psychiatrie und Psychosomatik«
- Vorwort
- Inhalt
- 1 Zwischen Erwerbsarbeit und Familie â Zum Wandel maĂnnlicher Lebenslagen
- 2 Betrachtungen zur MĂ€nnergesundheit
- 3 MĂ€nnliche Jugendliche â Körper, IdentitĂ€t und Beziehungen
- 4 Ăltere MĂ€nner und Psychotherapie â Von der Geschichte eines Ressentiments
- 5 Macht und Ohnmacht â Migranten mit somatoformen Schmerzstörungen
- 6 ImpulsivitÀt bei Jugendlichen
- 7 Fluchtdrang â Externalisierung, Internet und MĂ€nnlichkeit
- 8 MĂ€nnliche Perversionen
- 9 Der Mann in der psychodynamischen Psychotherapie â Geschlechtsspezifische Ăbertragungs- und GegenĂŒbertragungsprozesse
- 10 Funktionen des Vaters und mögliche Folgen ihrer Zerstörung
- 11 »Typisch Mann!« â Nur ein Klischee oder steckt mehr dahinter?
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
- Stichwortverzeichnis