1Das öffentliche Baurecht umfasst die Gesamtheit der Rechtsvorschriften, die die Zulässigkeit und Grenzen, die Ordnung und die Förderung der Nutzung des Bodens, insbesondere durch Errichtung baulicher Anlagen, deren bestimmungsgemäße Nutzung, wesentliche Veränderung und Beseitigung betreffen.
2Als Raumordnungsrecht werden die Rechtsvorschriften bezeichnet, die besondere staatliche Träger dazu ermächtigen, den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland und seine Teilräume durch zusammenfassende übergeordnete Raumordnungspläne und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen auch zur Förderung des territorialen Zusammenhalts in der EU zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern.
Die Umbenennung des Beirats für Raumordnung im Beirat für Raumentwicklung (§ 23 ROG) verdeutlicht die Entwicklungsfunktion der Raumordnung.
3Innerhalb des öffentlichen Baurechts sind das Städtebaurecht und das Bauordnungsrecht zu unterscheiden. Das Städtebaurecht wird traditionell auch als Bauplanungsrecht bezeichnet. Es legt die Raumnutzung innerhalb einer Gemeinde und zwar regelmäßig durch diese fest. Es ist flächenbezogen und Bundesrecht.
Als Recht der Bauleitplanung (§§ 1–38 BauGB) bestimmt es, welche Grundstücke bebaubar und welche Art, z. B. Wohnen, Gewerbe sowie welches Maß der Nutzung, z. B. Geschosszahl, Geschossfläche (§§ 1–21a BauNVO) zulässig sind.
Als Recht der Bodenordnung dient es der Vorbereitung und Durchführung der durch die Bauleitplanung aufgestellten städtebaulichen Ziele, z. B. durch die Umlegung von Grundstücken (§§ 45–84 BauGB) oder die Erschließung von Grundstücken (§§ 123–135 BauGB).
4Das Bauordnungsrecht (Bauwerksrecht) regelt die ordnungsrechtlichen Anforderungen an ein konkretes Bauwerk (bauliche Anlage). Es ist objektbezogen und Landesrecht. Das Bauordnungsrecht dient materiell
– der Gefahrenabwehr (früheres Baupolizeirecht), z. B. Statik,
– der Verhütung von Verunstaltungen (Baugestaltungsrecht),
– wohlfahrts- und sozialpflegerischen Belangen, z. B. Spielplatz- und Grünanlagenbaupflicht,
– der Sicherung ökologischer Standards
und bestimmt
– als formelles Bauordnungsrecht das bauaufsichtliche Verfahren.
Durch die bauaufsichtsrechtliche Vorschrift über die Baugenehmigung (z. B. § 77 nwBauO) werden Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht miteinander verzahnt.
Es ist zunächst zu prüfen, ob ein Vorhaben den Anforderungen des Bauplanungsrechts entspricht, ob also ein Grundstück überhaupt bebaut werden darf und ob die beabsichtigten Nutzungen nach Art und Maß zulässig sind. Danach ist zu prüfen, ob das Vorhaben allen bauordnungsrechtlichen Anforderungen genügt.
5Raumordnungsrecht und öffentliches Baurecht gestalten die Umwelt und damit die Lebensverhältnisse aller Bürger. Sie haben die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (Art. 20a GG). Sie bestimmen die Wohn-, Arbeits- und Erholungsbedingungen eines jeden Bürgers und setzen wesentliche Daten für die wirtschaftliche Entwicklung. Durch den Erlass bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften verwirklicht der Gesetzgeber zugleich die sozialstaatliche Verpflichtung (Art. 20 I GG), sich um einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen und um die Herstellung menschenwürdiger Lebensverhältnisse für alle zu bemühen. In einer mobilen Gesellschaft, deren Mitglieder überwiegend in Ballungsgebieten wohnen und alle auf eine funktionsfähige Infrastruktur und die Befriedigung ihrer Bedürfnisse durch Land- und Forstwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie angewiesen sind, zählen Raumordnungs- und Baurecht zu den unverzichtbaren Instrumenten ordnender und entwickelnder öffentlicher Verwaltung.
Die Baulandplanung ist eine der wichtigsten Erscheinungsformen der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 II GG). Sie bestimmt Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 I 2 GG) und schafft öffentlichen Raum zur Ausübung grundrechtlicher Freiheitsrechte.1 Insbesondere durch das Städtebaurecht sind ökonomische Entwicklung und ökologische Anforderungen zu steuern. Die Dynamik des gesellschaftlichen Geschehens führt dazu, dass die Bundes- und Landesgesetzgeber das öffentliche Baurecht häufig verändern. In der EU, die auf einen Binnenmarkt und ein hohes Maß an Umweltschutz und territorialem Zusammenhalt ausgerichtet ist (Art. 3 III 1, 3 EUV), wird das öffentliche Baurecht zunehmend verändert, z. B. durch die Pflicht zur Umsetzung umwelt- oder wirtschaftsrechtlicher Richtlinien. Die Bedeutung des öffentlichen Baurechts für die Volkswirtschaft, aber auch seine Abhängigkeit von der politisch-administrativen Verfasstheit des Gemeinwesens ist im Prozess der deutschen Einigung deutlich geworden. Das in den neuen Ländern eingeführte öffentliche Baurecht spielte bei der wirtschaftlichen Rekonstruktion eine Schlüsselrolle.
6Die enge Verknüpfung von öffentlichem Baurecht und Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht zeigt sich augenfällig darin, dass bestimmte immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, z. B. §§ 4, 8, 15 BImSchG, und spezialgesetzliche Planfeststellungsbeschlüsse, z. B. § 9b AtomG, die Baugenehmigung einschließen. Ein Kraftwerk ist zudem wie andere Einrichtungen der Energieversorgung (Hochspannungsleitung, Pipeline) Gegenstand eines vorgeschalteten landesplanerischen Raumordnungsverfahrens, z. B. Art. 23 bayLPlG. Die bauplanungsrechtlichen Vorschriften zum Verfahren der Bauleitplanung werden hinsichtlich der Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinde durch kommunalverfassungsrechtliche Regelungen ergänzt.
7Die umwelt- und gewerberechtlichen Gesetze, z. B. BImSchG, BNatSchG, GastG und die überaus zahlreichen untergesetzlichen Rechtsvorschriften und technischen Normen (DIN, VDI-Richtlinien), die bei der Planung und Ausführung von baulichen Anlagen zu beachten sind, werden als Baunebenrecht2 bezeichnet, was angesichts ihrer Fülle und ihrer Bedeutung durchaus missverständlich ist. Zum Zwecke der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung sind das Baurecht und das Baunebenrecht ebenso Gegenstand von Deregulierungsbemühungen wie das Wohnungsbaurecht, das der Förderung des (sozialen) Wohnungsbaus dient.
8Vom öffentlichen Baurecht ist zu unterscheiden das private Bau- und Bodenrecht3. Es besteht hauptsächlich aus Vorschriften des BGB (insbesondere Sachen- aber auch Schuldrecht, Bauvertragsrecht einschließlich der ab 1.1.2018 geltenden besonderen bauvertraglichen Regelungen) und den Nachbarschutzgesetzen der Länder (Art. 124 EGBGB), die z. B. vom Öffentlichen Recht unabhängige Fenster-, Licht-, Trauf-, Hammerschlag- und Leiterrechte gewähren. Auf der Grundlage der Privatautonomie regelt das private Baurecht allein den Interessenausgleich zwischen Privaten. Hoheitliche Rechte oder Pflichten werden dadurch nicht begründet. So ergeht die Baugenehmigung „unbeschadet der Rechte Dritter“, also Privater. Nach herrschender Meinung sind auch die unionsrechtlich lange umstrittenen und durch die Novelle 2017 neu gefassten Einheimischenverträge (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) privatrechtlicher Natur.4
9Ein weiteres Beispiel für die partielle Austauschbarkeit von öffentlichem und privatem Recht ist das Vergaberecht. Ursprünglich wurden die Vergabe von Bauvorhaben der öffentlichen Hand und die diesbezügliche Haftung für Baumängel in den Verdingungsordnungen für Bauleistungen (VOB) allein in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen privatrechtlich geregelt. Ein Bündel von Richtlinien der EU, die inzwischen überarbeitet und zusammengefasst worden sind,5 hatten das Ziel, die nationalen Vergabemärkte europaweit zu öffnen und den unterlegenen Bietern Rechtschutz zu gewähren. Nach einer umstrittenen haushaltsrechtlichen Lösung (§§ 53a–c HaushaltsgrundsätzeG) sind die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch kartellrechtliche Regelungen in einem eigenen Teil des GWB (§§ 97–129) umgesetzt worden6. Diese Vorschriften sind wiederum an die Vorgaben der zusammengefassten Richtlinien anzupassen. Daneben gelten aber weiterhin die VOB/B als allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen. Sie werden vertraglich vereinbart und unterliegen so der Kontrolle des AGB-Rechts.
Die durch die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf7 ausgelösten Störungen kooperativer Formen des Städtebaurechts hat der EuGH8 beseitigt.9
10Privat- wie öffentlich-rechtlichen Normen ist gemeinsam, dass durch sie der Gesetzgeber gemäß der Regelungsdirektive des Art. 14 I 2 GG „auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze“ schafft, „die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen“10. Während der Gesetzgeber im Privatrecht die für den Rechtsverkehr und die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander maßgeblichen Vorschriften schafft, z. B. für die Übertragung oder Belastung des Eigentums, trägt er nach Ansicht des BVerfG den Belangen der Allgemeinheit meist in öffentlich-rechtlichen Vorschriften Rechnung. Das schließt nicht aus, dass es, wie z. B. beim Nachbarschutz, zu bisher nicht befriedigend gelösten Überschneidungen zwischen privatem und öffentlichem Rechtschutz kommt.