Achtsamkeitstraining

Ein Trainingsmanual für psychiatrische Patienten

Martina Wolf-Arehult, Cornelia Beckmann, Anil Batra, Gerhard Buchkremer

• Publisher: Kohlhammer Verlag
• Year: 2018
• eBook ISBN: 9783170337138
• Edition: 2
• Topic: Psychology
• Subtopic: Psychotherapy
• Index: Psychology

Das Konzept der Achtsamkeit wird seit langem in der Psychotherapie genutzt, die Wirksamkeit ist wissenschaftlich gut belegt. Dieses Manual gibt in seiner zweiten, aktualisierten Auflage eine Anleitung zur Durchführung von Achtsamkeitstrainings in der Gruppe oder auch im Einzelsetting mit psychiatrischen oder psychosomatischen Patienten. Das beschriebene Achtsamkeitstraining umfasst 13 Sitzungen, die ausführlich erläutert werden. Das Werk richtet sich insbesondere an Fachpersonen, die sich für die Kursleitung in die Praxis von Achtsamkeit einarbeiten. Über ContentPLUS stehen Materialien für die therapeutische Arbeit zur Verfügung.

II Praxis Sitzungen 1–13

Content Plus

Elektronisches Zusatzmaterial können Sie unter folgendem Link und Passwort herunterladen⁵:

Link: http://downloads.kohlhammer.de/?isbn=978-3-17-033711-4

Passwort: YrrayEHX

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Übersicht der Sitzungen

SitzungGeschichteThema der SitzungÜbung der SitzungArbeitsblattHausaufgabe

Sitzung 1 – Eine kleine Geschichte: In Eile durch das Leben

Ich möchte jetzt eine kurze Geschichte vorlesen. Ich bitte euch darum, achtsam zuzuhören. Nehmt bitte eine achtsame Haltung ein und konzentriert euch voll und ganz auf die Geschichte.

Fünfzehn Minuten später als sonst holte Anna das Fahrrad aus dem Keller. In ihrer Tasche lagen ausnahmsweise nur zwei Äpfel. Heute hatte die Zeit einfach nicht dafür gereicht, etwas für die Mittagspause vorzubereiten. Sie war viel zu spät aufgestanden und merkte jetzt, wie Panik in ihr aufstieg – es war ihr sehr wichtig, pünktlich in der Firma anzukommen. Immerhin hatte sie diese Stelle erst vor zwei Monaten angetreten. In ihrer Eile hatte sie auch noch ihren Terminkalender auf der Fensterbank in der Küche vergessen. Als sie auf dem Fahrrad saß, dachte sie: Typisch! Wäre ich gestern Abend bloß früher ins Bett gegangen! Aber den Abend zuvor hatte sie damit verbracht, ihrer Freundin Petra zuzuhören, die zum dritten Mal in dieser Woche über die Streitereien mit ihrem Freund berichtete. So verbrachte Anna also zwei Stunden am Telefon, bis Petra das Gespräch beenden musste, weil ihre kleine Tochter aufgewacht war. Anna hatte es einfach nicht geschafft zu sagen, dass sie eigentlich sehr müde war.

Während der Fahrt konnte sie es nicht lassen, sich mehr und mehr über Petras Verhalten zu ärgern. Petra wusste doch, wie stressig diese Anfangszeit für sie war. Hätte sie nicht etwas früher anrufen können? Anna merkte, wie das Blut in den Schläfen zu pochen begann. Die Gedanken drehten sich immer schneller und schneller. Blöde Kuh! dachte sie. Aber in diesem Moment meinte sie nicht Petra, sondern sich selbst. Warum hatte sie immer solche Schwierigkeiten, sich gegenüber Petra abzugrenzen? Mit 31 Jahren müsste man doch so etwas gelernt haben! Und jetzt – jetzt wartete ein langer Tag in der Firma. Eine wichtige Besprechung war schon seit mehreren Wochen eingeplant, bei der sie zum ersten Mal das Protokoll schreiben sollte. Eigentlich eine interessante Aufgabe, aber gleichzeitig, naja, irgendwie hatte sie sich mehr erhofft.

Plötzlich nahm Anna wahr, dass sie abbiegen musste. Etwas verwundert dachte sie: Huch, ich bin ja schon da.

Was ist eigentlich während der Fahrt passiert?

Sitzung 1 – Kommentare

Thema der Sitzung: Achtsamkeit vs. »Autopiloten-Modus«

Struktur der Sitzung:

• Begrüßung und Gong (ca. 3 Minuten)

• Hausaufgabenbesprechung (ca. 15 Minuten)

• Basisübung (ca. drei Minuten) und Erfahrungsaustausch (ca. 5 Minuten)

• Geschichte und Diskussion (ca. 15 Minuten)

• Übung der Sitzung und Erfahrungsaustausch (ca. 15 Minuten)

• Neue Hausaufgabe verteilen, Beendigung der Sitzung und 3 x Gong (ca. 5 Minuten)

Anregungen für die Diskussion in der Gruppe nach der Geschichte

Besprechen Sie zuerst die Frage, die am Ende der Geschichte kommt.

• GL⁶: Was fällt Ihnen sonst bei Anna auf?

• GL: Kennen Sie solche Situationen auch von sich selbst? Wie würden Sie Ihren eigenen Tagesablauf bis jetzt beschreiben? Waren Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit jeweils bei dem, was Sie gerade getan haben?

• GL: Wann merkt Anna, dass sie nicht achtsam gewesen ist?

Anmerkung:

• In dieser Geschichte ist Anna in einem »Zustand«, den die meisten von uns gut kennen – wir nennen ihn Autopiloten-Modus. Dieser ist das Gegenteil von Achtsamkeit. Wir meinen damit einen Zustand, in dem wir automatisiert handeln, ohne mit unserer Aufmerksamkeit bei dem zu sein, was wir gerade tun.

• Was fällt bei Anna auf?

− Am Abend achtet sie nicht auf ihre Bedürfnisse und auf ihre Grenzen.

− Sie übersieht Dinge (sie lässt z. B. ihren Terminkalender zu Hause liegen, obwohl sie ihn bei der Arbeit braucht) und verliert sich in Gedankenketten (sie denkt z. B. über das Gespräch mit der Freundin nach). Die Gedankenketten lösen unangenehme Gefühle aus und verstärken ihre Unachtsamkeit.

− Sie macht sich selbst »runter« (»Blöde Kuh«) und verschlimmert so die sowieso schon schwer zu bewältigende Situation. Ihr fehlt die Distanz zur Situation und deswegen ist sie auch nicht in der Lage, über alternative Handlungsweisen nachzudenken (Anna hätte z. B. in der Firma anrufen können, um zu sagen, dass sie verspätet ist).

− Die Handlungen werden zum großen Teil automatisch ausgeführt, ohne dass Anna mit ihrer Aufmerksamkeit wirklich bei dem ist, was sie gerade tut. Letztendlich kann sie nicht wissen, ob sie sich selbst oder andere durch ihre Unachtsamkeit im Straßenverkehr gefährdet hat.

− Sorgen, Ängste und andere unangenehme Gefühle entstehen häufig durch Gedanken an Vergangenes oder daran, was noch vermeintlich auf uns zukommt (also Gedanken an die Zukunft). Das ist etwas, das viele Menschen sehr gut kennen. Wenn wir lernen, mit unserer Aufmerksamkeit bei dem zu bleiben, was jetzt gerade ist – mit unserer Aufmerksamkeit also beim »Hier und Jetzt« zu verweilen – stellen wir häufig fest, dass sich Sorgen, Ängste und Ärger vermindern.

− Am Ende der Geschichte stellt Anna plötzlich fest, dass sie kaum wahrgenommen hat, wie sie sich im Straßenverkehr verhalten hat. In diesem Moment merkt sie, dass sie unachtsam gewesen ist – das ist ein Moment der Achtsamkeit.

Führen Sie die Übung der Sitzung in der Gruppe durch

• GL-Einleitung: Da es gut ist, nicht nur über Achtsamkeit zu reden, sondern auch praktische Erfahrung zu sammeln, machen wir jetzt (wie immer) eine Übung. Ich gebe Ihnen während der Übung die nötigen Anweisungen.

• GL-Haltung: Für die Übung möchte ich Sie nun bitten, sich zunächst mit Ihren Stühlen so hinzusetzen, dass Sie mit Ihrer Nachbarin oder Ihrem Nachbarn Rücken an Rücken sitzen. Sie dürfen dabei gerne etwas Abstand voneinander haben. (Warten Sie, bis alle ihren Platz gefunden haben) Während der Übung drehen Sie sich bitte nicht um. Wir beginnen jetzt mit der Übung (Gongschlag).

• GL-Orientierung: entfällt.

• GL-Übung:

− Nun möchte ich Sie bitten, sich vor Ihrem inneren Auge vorzustellen, welche Kleidung Ihre Übungspartnerin oder Ihr Übungspartner heute trägt. Wenn Sie möchten, schließen Sie dabei die Augen. Stellen Sie sich die Person hinter Ihnen vor. Was hat sie oder er an? Was für ein Oberteil trägt sie oder er? …Sind es ein oder mehrere Teile? Versuchen Sie sich so genau wie möglich vorzustellen, was die Person hinter Ihnen oben herum trägt. Welche Farbe hat das Oberteil? Aus welchem Stoff ist es? Wie ist es geschnitten? Gibt es Besonderheiten, an die Sie sich...

Table of contents

• Deckblatt
• Titelseite
• Impressum
• Inhalt
• Vorwort
• Vorwort zur 2. Auflage
• Einleitung
• I Theorie
• II Praxis Sitzungen 1–13
• III Umgang mit Schwierigkeiten
• IV Anhang
• Literatur
• Stichwortverzeichnis