2Die durchgreifende Ănderung der HOAI in 2009 ist auch in der Novelle 2013 beibehalten worden. Sie findet sich in der Bestimmung ihres Anwendungsbereichs. Als sogenannte âInlĂ€nder-HOAIâ soll die HOAI nur noch fĂŒr Architekten und Ingenieure mit Sitz im Inland, nicht jedoch fĂŒr alle anderen auf dem deutschen Markt tĂ€tigen Planer gelten. Ferner muss die von der HOAI beschriebene TĂ€tigkeit vom Inland aus erbracht werden, um den Anwendungsbereich der Verordnung zu eröffnen.
Mit der Neuregelung des rĂ€umlichen Anwendungsbereichs hat der Verordnungsgeber vor dem Hintergrund der europarechtlich zu garantierenden Dienstleistungsfreiheit auf die Rechtsprechung reagiert, die das Preisrecht der HOAI auch bei grenzĂŒberschreitenden RechtsgeschĂ€ften als zwingend anzuwendendes Recht verstanden hat. Die HOAI galt danach auch fĂŒr alle auslĂ€ndischen Architekten, die im Geltungsbereich der HOAI ihre TĂ€tigkeit verrichteten. Der BGH hat dazu entschieden, dass auf einen grenzĂŒberschreitenden Architekten- und Ingenieurvertrag, die Mindest- und HöchstsĂ€tze dann anwendbar sind, wenn die vereinbarte Architekten- oder Ingenieurleistung fĂŒr ein im Inland gelegenes Bauwerk erbracht werden soll.1 BegrĂŒndet wurde dies damit, dass die HOAI als öffentlich-rechtliche Verordnung kein Vertragsrecht regelt und somit nicht dem Vertragsstatut nach Art. 32 EGBGB, sondern dem zwingenden Recht des Art. 34 EGBGB (EGBGB inzwischen fortgefĂŒhrt in Art. 9 ROM â I â VO) unterliegt.2 Damit waren auch alle auslĂ€ndischen Planer an das Preisrecht der HOAI gebunden.3 FĂŒr die Mitbewerber aus dem EU-Ausland gelten jedoch ĂŒber das Gemeinschaftsrecht spezielle EinschrĂ€nkungen des nationalen Gesetzgebers.
3Daher hatte die neue HOAI die Vorgaben der Richtlinie des europĂ€ischen Parlaments und des Rates ĂŒber Dienstleistungen am Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) vom 12.12.20064 zu berĂŒcksichtigen. In ihrem Lichte ist die HOAI zu interpretieren. Die Dienstleistungsrichtlinie war nach deren Art. 44 Abs. 1 bis spĂ€testens zum 28.12.2009 in nationales Recht umzusetzen. Dabei handelt es sich um eine Richtlinie der europĂ€ischen Union, die fĂŒr alle betroffenen Staaten allgemeinverbindlich ist. Das Recht des einzelnen Mitgliedsstaates, welches gegen das Recht der europĂ€ischen Union verstöĂt, kann keine Geltung fĂŒr sich verlangen.
Die Dienstleistungsrichtlinie soll Art. 49 des EG-Vertrags ergĂ€nzen. Zahlreiche GrĂŒnde sprachen dafĂŒr, dass die Bindung von Architekten und Ingenieuren aus dem EU-Ausland an MindestsĂ€tze und HöchstsĂ€tze gegen die Dienstleistungsfreiheit und somit gegen Art. 49 EG-Vertrag verstöĂt. In ihrer BegrĂŒndung heiĂt es: âDiese BeschrĂ€nkungen der Dienstleistungsfreiheit können nicht allein durch die direkte Anwendung der Art. 43 und 49 des Vertrags beseitigt werden, weil â insbesondere nach der Erweiterung â die Handhabung von Fall zu Fall im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren sowohl fĂŒr die nationalen als auch fĂŒr die gemeinschaftlichen Organe Ă€uĂerst kompliziert wĂ€re; auĂerdem können zahlreiche BeschrĂ€nkungen nur im Wege der vorherigen Koordinierung der nationalen Regelungen beseitigt werden, einschlieĂlich der EinfĂŒhrung einer Verwaltungszusammenarbeit. Wie vom europĂ€ischen Parlament und vom Rat anerkannt wurde, ermöglicht ein gemeinschaftliches Rechtsinstrument die Schaffung eines wirklichen Binnenmarktes fĂŒr Dienstleistungen.â
4Mit der Verordnung zwingenden Preisrechts in Form von Höchst- und MindestsĂ€tzen liegt unbestritten eine BeschrĂ€nkung der Dienstleistungsfreiheit vor. Eine BeschrĂ€nkung besteht in jeder MaĂnahme, die geeignet ist, die völlige Entfaltung der Grundfreiheit zu behindern oder diesbezĂŒgliche Sachverhalte weniger attraktiv zu machen.5 Vor diesem Hintergrund wird nicht in Abrede zu stellen sein, dass die HOAI mit ihren Mindest- und HöchstsĂ€tzen gerade die Möglichkeit verhindert, Honorare frei zu kalkulieren und auch unterhalb bzw. oberhalb der HOAI-SĂ€tze anzubieten. Damit nimmt die HOAI einen Eingriff in die von Art. 16 Dl-Rl geschĂŒtzte Dienstleistungsfreiheit vor.6 Ohne die EinschrĂ€nkung des Geltungsbereiches der HOAI beschrĂ€nken die MindestsĂ€tze die Dienstleistungsfreiheit insofern, als sie es Dienstleistungserbringern aus dem EU-Ausland untersagen, zu den in Deutschland niedergelassenen Architekten und Ingenieuren mit einem unter den HOAI-MindestsĂ€tzen liegenden Preis in Wettbewerb zu treten. Im Cipolla-Urteil hat der EuGH zur ZulĂ€ssigkeit vorgegebener Anwaltshonorare wie folgt ausgefĂŒhrt: âDas Verbot, durch Vereinbarung von den durch die GebĂŒhrenordnung festgesetzten Mindesthonoraren abzuweichen, wie es die italienischen Rechtsvorschriften vorsehen, kann den Zugang von in einem anderen Mitgliedsstaat als der italienischen Republik niedergelassenen RechtsanwĂ€lten zum italienischen Markt fĂŒr juristische Dienstleistungen erschweren und ist somit geeignet, die AusĂŒbung ihrer DienstleistungstĂ€tigkeiten in diesem Mitgliedsstaat zu beschrĂ€nken. Folglich stellt sich dieses Verbot als eine BeschrĂ€nkung im Sinne von Art. 49 EG dar.â Nicht anders verhĂ€lt es sich bei Architekten und Ingenieuren. Daher ging auch der Verordnungsgeber von einer BeschrĂ€nkung der Dienstleistungsfreiheit durch das Preisrecht der HOAI aus.
5In der Vergangenheit wurde immer wieder behauptet, BeschrĂ€nkungen der Dienstleistungsfreiheit durch die HOAI seien jedenfalls gerechtfertigt. Als RechtfertigungsgrĂŒnde fĂŒr Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit sieht Art. 16 Abs. 3 der Dl-Rl lediglich GrĂŒnde der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt vor. Zu bemerken ist an dieser Stelle, dass die Dienstleistungsrichtlinie den Verbraucherschutz als Rechtfertigungsgrund nicht mehr auffĂŒhrt. Dieser Rechtsfertigungsgrund ist fĂŒr die Zukunft gezielt ausgeschlossen worden. Als vom EG-Vertrag abgeleitetes Recht stellt die Dienstleistungsrichtlinie das Spezialgesetz dar, welches vorrangig ist. Die dann noch von der Dienstleistungsrichtlinie zugelassenen RechtfertigungsgrĂŒnde sind nicht einschlĂ€gig und können den grundsĂ€tzlich anzunehmenden Eingriff in die Grundfreiheit nicht rechtfertigen.
Mit der EuroparechtskonformitĂ€t der HOAI 1996 hat sich auch die deutsche Rechtsprechung befasst. Nach den Entscheidungen des OLG Stuttgart7 sowie des OLG Hamm8 verstoĂe eine nicht nur auf InlandsbĂŒros anwendbare HOAI nicht gegen den EG-Vertrag, da etwaige Eingriffe gerechtfertigt seien. Die dafĂŒr gegebenen BegrĂŒndungen sind jedoch bei nĂ€herer Betrachtung nicht tragfĂ€hig. Das OLG Hamm hĂ€lt etwaige BeschrĂ€nkungen des freien Dienstleistungsverkehrs fĂŒr gerechtfertigt, weil im Allgemeininteresse ein ruinöser Wettbewerb zur QualitĂ€tssicherung zu verhindern sei. Zu bemerken ist hierzu, dass der Fall nicht einmal einen Sachverhalt betraf, der Bezug zu einem anderen EU-Mitgliedsstaat aufwies. Auch das OLG Stuttgart sieht ein schĂŒtzenswertes Allgemeininteresse im Sinne des EG-Rechts in dem von der HOAI verfolgten ordnungspolitischen Ziel, einen ruinösen Preiswettbewerb zwischen den Architekten und Ingenieuren auszuschalten und den Leistungswettbewerb zu fördern.9 Diese Auffassung hat derselbe Senat noch einmal in einer Entscheidung vom 19.4.200710 bestĂ€tigt, ohne jedoch eine weitergehende BegrĂŒndung anzugeben. Bei nĂ€herer Betrachtung halten diese BegrĂŒndungen einer juristischen ĂberprĂŒfung nich...