Transfer des Lernens
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Transfer des Lernens

Warum wir oft mehr lernen als gelehrt wird

Karl Josef Klauer

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  1. 238 pages
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Transfer des Lernens

Warum wir oft mehr lernen als gelehrt wird

Karl Josef Klauer

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Central aspect of learning is the transfer of the learnt to new challenges. Thus transfer of learning is not only relevant to learning research but particularly in the area of thinking and problem solving. Recently the transfer of cognitive structures, strategies and metacognitive competences are researched intensively especially self-regulated learning. This issue is theoretically important and practically helpful for academic and personal education, for training with simulators and even and for coaching.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2010
ISBN
9783170281806

1 EinfĂŒhrung

In diesem Kapitel geht es hauptsÀchlich um methodische und technische Probleme, z. B. um die Definition des Lerntransfers, um Versuchsanordnungen und Fragen der Erfassung und Messung des Transfers. Die Definition ist zwar nicht schwierig, aber da es unterschiedliche EinschÀtzungen der Bedeutung des Transfers gibt, begegnet man ab und zu auch Definitionsvarianten, denen man nicht auf den ersten Blick ansieht, dass und warum sie abwegig sind.

1.1 Ein altes, aber noch immer aktuelles und kontrovers diskutiertes Thema

Inwieweit Transfer des Gelernten möglich ist, wird schon seit ĂŒber hundert Jahren erforscht. Gleichwohl ist das Thema auch heute noch Ă€ußerst aktuell: Eine kurze Recherche mit dem Stichwort „Transfer of learning“ nur in der Datenbank PsycINFO bringt schon ĂŒber 4 500 Publikationen; beschrĂ€nkt man sich auf die letzten zehn Jahre, so finden sich immer noch ĂŒber 1 400 einschlĂ€gige Veröffentlichungen, also im Durchschnitt 140 pro Jahr, jeden zweiten oder dritten Tag eine. In Google Scholar bekommt man zu dem Stichwort sogar 1,5 Millionen Angebote, die zu sichten praktisch unmöglich ist. Allein daraus wird ersichtlich, wie stark der Lerntransfer die Forschung nach wie vor beschĂ€ftigt. Das hat mehrere GrĂŒnde:
  1. Das Thema gilt als pĂ€dagogisch außerordentlich wichtig.
  2. Bis heute ist die Möglichkeit und Reichweite des Lerntransfers umstritten.
  3. Viele Forscher versuchen herauszufinden, unter welchen Bedingungen und bei welchen Lernprozessen beachtlicher Transfer doch stattfinden kann.
Viele haben den Leitspruch der Lateiner „Non scholae sed vitae discimus“ bis zum Überdruss gehört. Er bedeutet letztlich nichts anderes, als dass in der Schule Gelerntes wirksam auf die Anforderungen ĂŒbertragen werden soll, die den Lernenden spĂ€ter „im Leben“ begegnen werden (als ob die Schulzeit nicht auch zum Leben gehörte). Eine solche Übertragung ist schließlich der eigentliche Sinn des Schulunterrichts. In der Gegenwart hat sich die Problematik erheblich verschĂ€rft. Angesichts der sich rasch wandelnden Anforderungen, die den modernen Menschen vor immer neue Situationen stellen, bleibt gar nichts anderes ĂŒbrig, als Wege zu finden, die jungen Menschen heute fĂŒr die AnsprĂŒche zu qualifizieren, denen sie morgen begegnen und die noch weitgehend unbekannt sind. So wurde der Lerntransfer als der heilige Gral der PĂ€dagogik bezeichnet (Resnick, 1989; Haskell, 2001). Lohman (1993, S. 48) erklĂ€rte entsprechend, Lerntransfer sei ein wichtiges, wenn nicht gar das wichtigste Thema der Erziehung. TatsĂ€chlich wurde die Bedeutung des Lerntransfers schon frĂŒh erkannt. Die Ă€ltesten Untersuchungen reichen bis in das 19. Jahrhundert zurĂŒck, wie bei Ernst Meumann (1907) in seinen „Vorlesungen zur EinfĂŒhrung in die experimentelle PĂ€dagogik und ihre psychologischen Grundlagen“ nachzulesen ist.
Einen ersten und folgenreichen RĂŒckschlag verursachten allerdings die Untersuchungen von Thorndike (Thorndike & Woodworth, 1901; Thorndike, 1922), welche die bis dahin herrschende Zuversicht erschĂŒtterten und bis heute nachwirken. Thorndike gilt als der Autor, der die Doktrin der formalen Bildung zu Fall brachte. Mit formaler Bildung war die Schulung des Geistes gemeint, die insbesondere durch die alten Sprachen Griechisch und Latein vermittelt werden soll und die den Verstand in einer Weise schulen soll, dass die so Gebildeten in der Lage sind, spĂ€ter beliebige andere Aufgaben zu bewĂ€ltigen – jedenfalls besser als diejenigen, die diese Bildung nicht genossen haben. Thorndike kam aufgrund seiner experimentellen Studien zu einer sehr skeptischen EinschĂ€tzung der Möglichkeiten des Transfers, und bis heute gibt es bedeutende Wissenschaftler, die seine transferkritische Position aufgreifen und weiterfĂŒhren. Auf Thorndike und die Folgen wird im nĂ€chsten Kapitel eingegangen.
Was ĂŒbrigens die alten Sprachen betrifft, so waren Thorndikes Schlussfolgerungen zweifellos berechtigt. Neuere Untersuchungen auch im deutschsprachigen Raum zeigen beispielsweise, dass mit dem Lateinunterricht keine besonderen intellektuellen Kompetenzen vermittelt werden (Gutacker, 1979). Latein- oder Englischunterricht bringt in der intellektuellen Entwicklung keinen Unterschied, allenfalls gibt es kleine Auswirkungen auf den Sprachgebrauch des Deutschen. Jedoch erleben die „Lateiner“ eher Lernstress (Haag & Stern, 2000; Haag, 2001).
Seit ĂŒber hundert Jahren wird also die Möglichkeit des Lerntransfers von manchen Autoren skeptisch beurteilt. Jedoch könnte auch eine FĂŒlle von Äußerungen zitiert werden, die genau das Gegenteil behaupten. Um nur ein Beispiel zu bringen: Halpern (1998) betonte im „American Psychologist“ mit Nachdruck und belegte vielfĂ€ltig, dass der Lerntransfer von großer und weitreichender Bedeutung sei. Und nicht wenige Autoren halten Transfer fĂŒr ein allgegenwĂ€rtiges PhĂ€nomen, mit dem man nahezu immer rechne mĂŒsse, wie dies schon Hebb (1949) oder Ferguson (1956) taten. Von Detterman (1993) wurde dagegen der Gebrauch des Begriffs problematisiert. Die schlichte Anwendung des Gelernten in neuen Situationen verdiene keinesfalls die Bezeichnung Transfer, sondern sei eigentlich Sinn und Zweck des Lernens ĂŒberhaupt. Dazu ein Beispiel: Saks und Belcourt (2006) gingen der Frage nach, welchen Sinn die vielen Trainingskurse eigentlich haben, die Firmen ihren Angestellten bieten. Sie stellten fest, dass unmittelbar nach dem Trainingskurs 62 % der Teilnehmer das Gelernte einsetzen, nach sechs Monaten noch 44 % und nach einem Jahr nur noch 34 %. LĂ€ngerfristig sind solche Kurse offenbar nicht sehr effektiv. FĂŒr Saks und Belcourt handelt es sich dabei eindeutig um Transfer, was Detterman nur als Anwendung des Gelernten akzeptieren wĂŒrde.
Wie man sich denken kann, sind sich nicht alle Forscher darĂŒber einig, was genau unter Transfer zu verstehen ist. Einige Beispiele mögen das illustrieren. Der in der Mitte des 20. Jahrhunderts sehr einflussreiche Experimentalpsychologe Osgood (1962, S. 520) sprach von Transfer, wenn eine vorangehende AktivitĂ€t einen Effekt auf nachfolgendes Lernen ausĂŒbt. Danach gibt es nur Transfer auf Lernen, der aber von irgendwelchen AktivitĂ€ten ausgehen kann, jedoch nicht notwendig vom Lernen. Dagegen beschrieb Ferguson Transfer als Einfluss frĂŒheren Lernens auf spĂ€teres Lernen (Ferguson, 1954, S. 100), was Mayer aufgriff und auf Problemlösen erweiterte („Transfer is the effect of previous learning on new learning or problem solving.“, vgl. Mayer, 2003, S. 19). Nach Haskell (2001, S. 24) ist Transfer ein Prozess, der die Übertragung frĂŒheren Lernens auf neue Situationen ĂŒberhaupt betrifft. In der Gegenwart definieren MĂ€hler und Stern (2006) Transfer im gleichen Sinne als die Anwendung gelernten Wissens oder gelernter Fertigkeiten in neuen Situationen, also in Situationen, die beim Erlernen nicht vorgekommen sind (Ă€hnlich auch Hasselhorn & Gold 2006). Die Transferdefinition von Steiner (2006, S. 193) schließt erstaunlicherweise sogar die Möglichkeit negativen Transfers aus, denn Transfer bedeutet ihm zufolge die Nutzung frĂŒher erworbenen Wissens in neuen Situationen, wobei eine Verbesserung des Lernens dank des Transfers erwartet wird (vgl. auch Hasselhorn & Hager, 2008).
Angesichts solch höchst divergierender EinschÀtzungen wird es notwendig, den Transfer des Lernens genau zu definieren. Dabei geht es insbesondere darum zu klÀren,
  • ob Lerntransfer nur bezĂŒglich des Lernens stattfinden kann, wie manche Autoren annehmen, oder auch in Bezug auf andere Variablen,
  • ob nur LernaktivitĂ€ten zu Lerntransfer fĂŒhren können,
  • ob – wie bei Osgood – gewisse andere AktivitĂ€ten Lerntransfer bewirken können,
  • ob es neben LernaktivitĂ€ten noch weitere Bedingungen gibt, die das Transfergeschehen beeinflussen können und
  • ob es sich bei der Anwendung des Gelernten in neuen Situationen um Lerntransfer handelt oder nicht.
Es gilt also festzulegen, welche unabhÀngigen Variablen Lerntransfer bewirken können, in welchen abhÀngigen Variablen sich ein Lerntransfer darstellen kann und welche anderen Bedingungen das Transfergeschehen beeinflussen oder modifizieren mögen.

1.2 Definition des Le...

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