Dissoziative Störungen erkennen und behandeln
eBook - ePub
Available until 5 Dec |Learn more

Dissoziative Störungen erkennen und behandeln

  1. 168 pages
  2. English
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub
Available until 5 Dec |Learn more

Dissoziative Störungen erkennen und behandeln

About this book

Dissoziative Störungen sind mögliche Folgeerkrankungen bei Menschen, die als Kind seelische, körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt haben. Im klinischen Alltag werden sie häufig übersehen. Der Leser erfährt einen praxisnahen Überblick, wie Dissoziative Störungen entstehen, wie sie erkannt und in das Spektrum posttraumatischer Störungen eingeordnet werden können. Anhand klinischer Fallbeispiele wird das therapeutische Vorgehen erläutert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Dissoziativen Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeit).

Frequently asked questions

Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
No, books cannot be downloaded as external files, such as PDFs, for use outside of Perlego. However, you can download books within the Perlego app for offline reading on mobile or tablet. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
  • Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
  • Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
Both plans are available with monthly, semester, or annual billing cycles.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere — even offline. Perfect for commutes or when you’re on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Dissoziative Störungen erkennen und behandeln by Ursula Gast, Pascal Wabnitz, Michael Ermann in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Psychology & Psychotherapy. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.

Information

Year
2017
Print ISBN
9783170302402
eBook ISBN
9783170302426
Edition
2

1 Was ist Dissoziation?

Dissoziation bedeutet im allgemeinen Sinne Trennung, Teilung, Spaltung, Zerfall – im Gegenteil von Assoziation, was Verbindung und Verknüpfung bedeutet. Dissoziative Störungen zeichnen sich dadurch aus, dass mehr oder weniger grundlegende Verbindungen und Verknüpfungen im psychischen Funktionieren unterbrochen und/oder gestört sind. Dies betrifft die »Integration von Bewusstsein, Gedächtnis, Identität, Emotionen, Wahrnehmung, Körperbild, Kontrolle motorischer Funktionen und Verhalten … Symptome können potentiell jeden Bereich psychischen Funktionierens beeinträchtigen«.13 Dissoziative Störungen treten häufig in der Nachwirkung traumatischer Erlebnisse auf. Viele der Symptome, einschließlich Gefühle der Beschämung und Verwirrtheit über das Auftreten der Symptome oder dem Wunsch, sie zu verbergen, werden durch die Nähe zum Trauma beeinflusst.14 Eine traumatische Bedrohung kann eine Dissoziation der Persönlichkeit als Gesamtsystem hervorrufen.15 Die Persönlichkeit eines Menschen setzt sich nämlich aus verschiedenen emotionalen Systemen zusammen, wie dies sehr unterhaltsam und anschaulich in dem Animationsfilm »Alles steht Kopf« beschrieben wird. In der Regel gelingt im Laufe der kindlichen Entwicklung eine ausreichende Integration dieser Systeme, sie kann jedoch – angesichts schwerer Belastungen, insbesondere in Form von Gewalt – auch scheitern oder wieder zerbrechen. Unter Einbeziehung sowohl traditioneller Dissoziationskonzepte als auch moderner Emotions- und Motivationsforschung formulieren van der Hart et al.15,16 und Nijenhuis et al.17 folgende Kurzdefinition (ausführlicher
image
Kap. 1.6.2):
Dissoziation aufgrund von Traumatisierungen beinhaltet eine Teilung der Persönlichkeit des Individuums, d. h. des gesamten dynamischen biopsychosozialen Systems, das die charakteristischen mentalen und verhaltensmäßigen Handlungen des Individuums bestimmt.
Dissoziation im psychischen Bereich bedeutet also eine mehr oder weniger schwerwiegende innere Teilung oder Aufspaltung der Persönlichkeit durch traumatische Lebensereignisse. Die Schwere und Komplexität der Teilung ist dabei von der Art, Schwere und Häufigkeit des Traumas abhängig, und vor allem auch vom Alter und dem damit verbundenen psychischen Entwicklungsstand des betroffenen Menschen.

1.1 Dissoziation der Persönlichkeit bei Trauma

Die Dissoziation der Persönlichkeit erfolgt dabei nicht willkürlich und zufällig, sondern an biologisch vorgegebenen Sollbruchstellen – diese sind im Kindesalter sehr viel sensibler als im Erwachsenenalter.16 Deshalb führen traumatische Erfahrungen in der Kindheit auch zu sehr viel komplexeren und tiefer greifenden Aufspaltungen als im Erwachsenenalter. Die Sollbruchstellen in der Persönlichkeit der Menschen befinden sich als eine Art Spalten zwischen den verschiedenen biologisch verankerten Systemen, die der Bedürfnisbefriedigung oder Überlebenssicherung dienen. Bei günstigen Lebensbedingungen verbinden und vernetzen sich im Laufe der Entwicklung die verschiedenen Systeme und Subsysteme miteinander – eine wichtige Voraussetzung für ein subjektives Gefühl von Einheitlichkeit oder Konsistenz im Identitätserleben. Belastende oder traumatische Lebensereignisse, insbesondere in der Kindheit, können diese Vernetzung behindern oder unmöglich machen. So können sich verschiedene abgespaltene Subsysteme der Persönlichkeit autonom entwickeln und eine Art Eigenleben führen, die dem Alltagsbewusstsein nicht ausreichend zugänglich sind. Zudem können bereits geknüpfte Vernetzungen zwischen den Systemen durch traumatische Ereignisse im Erwachsenenalter wieder zerreißen. Auch hier entstehen dann Aufteilungen der Persönlichkeit, die dann allerdings weniger tiefgreifend voneinander getrennt sind. Charakteristisch ist bei diesen Aufteilungen, dass jeder Anteil der Persönlichkeit eine eigene, vom anderen Anteil unterschiedliche Ich-Perspektive besitzt. Diese kann nur rudimentär, aber auch sehr differenziert ausgestaltet vorliegen. Letzteres ist insbesondere bei den durch frühe Traumatisierungen im Kindesalter erzeugten Aufspaltungen der Fall.
Phänomenologisch zeigt sich die Aufteilung der Persönlichkeit in dissoziativen Symptomen, die als negativ (Funktionsverluste wie Amnesie oder Paralyse) oder positiv (Intrusionen wie Flashbacks oder Stimmenhören), als psychoform (Symptome wie Amnesie oder Stimmenhören) oder somatoform (Symptome wie Anästhesie oder Ticks) kategorisiert werden können.17

1.1.1 Dissoziationskonzept im Wandel: Von den Gründungsvätern bis heute

Die Tatsache, dass Menschen eine gespaltene Persönlichkeit aufweisen können, hat man zunächst an solchen Fällen entdeckt, die sehr spektakuläre Dissoziationen aufwiesen. Die damaligen Fallbeschreibungen von extremer Dissoziation waren Sigmund Freud18, 19 und Piere Janet20 gleichermaßen bekannt.21 Sie flossen in deren Theorien mit ein, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Während Janet mit Dissoziation eine Struktur bzw. Organisationsform der Persönlichkeit beschreibt, interpretiert Freud Dissoziation als Abwehr.22 Durch den Aufschwung der Psychoanalyse sowie des Konzepts der Schizophrenie (Bleuler)23 geriet die Theorie der Dissoziation zunächst in Vergessenheit.24 Erst mit dem Erstarken der Psychotraumatologie in den 70er Jahren kam es in der Psychiatrie zu einer Neubesinnung auf die Dissoziationsforschung von Janet. 1980 wurden die dissoziativen Störungen in das DSM-III25 aufgenommen und entwickelten sich seither zu einem wichtigen Thema in der Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie. Allerdings haben sich die Definitionen in den Manualen von der ursprünglichen Idee Janets, dass mit Dissoziation die Spaltung der Persönlichkeit gemeint ist, entfernt, was zu einer zunehmenden definitorischen Unschärfe führte.26
Die Arbeitsgruppe um Nijenhuis, Van der Hart und Steele27, 28 bringt mit dem Wiederanknüpfen an Janet hierüber neue Orientierung. Unter Einbeziehung aktueller Erkenntnisse zu Persönlichkeit und Bewusstsein entwickeln sie das Modell der Strukturellen Dissoziation, so wie wir es oben bereits sehr vereinfacht skizziert haben. Sie formulieren zudem eine neue, umfassende Definition, wobei die Dissoziation der Persönlichkeit das zentrale Kernmerkmal eines Traumas darstellt. Vor dieser Matrix bieten sie eine Neuordnung traumabezogener Diagnosen an (
image
Kap. 1.5), die sich an der Komplexität der Aufspaltung orientiert. Das Konzept der Strukturellen Dissoziation rundet die Wiederentdeckung des Dissoziationskonzeptes insofern ab, als es den Bogen zu den Gründungsvätern spannt und ihre Theorien mit den neuen Erkenntnissen der Hirnforschung untermauert. Diesen Bogen – von der Entdeckung der Aufspaltung der Persönlichkeit von den Pionieren der Dissoziationsforschung zur Wiederentdeckung ihres Konzeptes, bei der die konzeptionelle Klarheit zunächst verloren ging und sich nun neu herausschält, – wollen wir in diesem und dem folgenden Kapitel nachzeichnen. Wir beginnen mit einem geschichtlichen Rückblick.

1.1.2 Multiple Persönlichkeit – ein traditionelles psychiatrisches Krankheitsbild

Erste Fallbeschreibungen von Dissoziation der Persönlichkeit reichen bis in Zeit der Aufklärung zurück, als sich die Psychiatrie als Wissenschaft etablierte. Dissoziative Phänomene und Veränderung von Persönlichkeit durch Trance und Besessenheit lassen sich allerdings bis in die primitiven Heilkünste der Schamanen zurückverfolgen. Sie wurden mit dem Konzept der dämonischen Besessenheit erklärt, das über viele Jahrhunderte das westliche Denken dominierte. Mit dem Entstehen der Psychiatrie als Wissenschaft wurde »Besessenheit« jedoch nicht mehr als Erklärung für störendes oder auffälliges Verhalten akzepiert – gleichzeitig wurden die ersten Fälle Multipler Persönlichkeit diagnostiziert.29 Eine Falldarstellung über eine »ausgetauschte Persönlichkeit« wurde 1791 von Gmelin in Tübingen publiziert, in der er eine 20-jährige Frau beschrieb, die plötzlich wie ausgewechselt in ihrem Persönlichkeitsverhalten wirkte, perfekt französisch sprach und wie eine Aristokratin auftrat. Als »deutsche Persönlichkeit« war sie amnestisch für das, was sie in ihrem »französischen Zustand« erlebt hatte. Weitere frühe Beispiele sind die Falldarstellungen über Mary Reyn...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Preface
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 1 Was ist Dissoziation?
  8. 2 Wie entstehen Dissoziative Störungen?
  9. 3 Wie kann man dissoziative Störungen erkennen?
  10. 4 Behandlungsansätze
  11. 5 Spezifische Herausforderungen
  12. Literatur
  13. Stichwortverzeichnis
  14. Personenverzeichnis