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Kinder stärken in Sprache(n) und Kommunikation
This book is available to read until 5th December, 2025
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Kinder stärken in Sprache(n) und Kommunikation
About this book
Das Buch wendet sich in seiner interdisziplinären Ausrichtung an alle Berufsgruppen, die im früh- und grundschulpädagogischen Bereich mit Kindern interagieren und kommunizieren, sie begleiten und fördern, sowie an Eltern und weitere Interessenten. Dem Charakter eines kompakten Lehrbuchs entsprechend werden folgende Schwerpunktthemen erörtert: Sprachliche Diversität im Einwanderungskontext, Aufwachsen in mehreren Sprachen mit Fallbeispielen, bilingualer und biliteraler Spracherwerb, Meilensteine und Störungen der Sprachentwicklung, Sprachdiagnostik, Modelle mehrsprachiger Erziehung und Schulentwicklung, Sprachbildung und alltagsintegrierte Förderung in der Tagespflege, Krippe, Kindertagesstätte und Grundschule.
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Information
1
Einleitung: Sprachliche Diversität im Einwanderungskontext und Sprache(n)lernen
Spracherwerb und die Förderung der Sprachkompetenz von Kindern und Jugendlichen stellen zentrale Bildungsaufgaben dar, die auf allen Ebenen des Bildungssystems von übergeordneter Bedeutung für die kulturell-soziale Integration und den Schul- und Bildungserfolg der Heranwachsenden sind. Die Sprachkompetenz in der Verkehrs- und Unterrichtssprache ist Voraussetzung und Bedingung, um erfolgreich an Bildungs- und Lernprozessen teilhaben zu können, da sich Lernen immer auch im Medium der Sprache vollzieht und in allen Bildungsinstitutionen vom Elementar- bis in den Sekundarbereich der Schule an Sprache gebunden ist.
Der Diskurs um die Entwicklung und Förderung der Sprachkompetenz ist in der didaktischen Theoriebildung und Forschung durch bildungspolitische Maßnahmen unterstützt und in vielfältigen Forschungsinitiativen vorangetrieben worden, sodass sprachliche Bildung als umfassende Lern- und Entwicklungsaufgabe vom Elementar- bis in den Sekundarbereich verstanden und beforscht wird (vgl. die Forderung einer Durchgängigen Sprachbildung nach Gogolin & Lange, 2010).
Die sprachliche Ausgangssituation in Kindertagesstätten und Grundschulen ist durch eine Sprachenvielfalt geprägt, die sich in Folge kriegs- und armutsbedingter globaler Migrationsbewegungen weiter ausdifferenziert und einen nicht mehr hintergehbaren Bedingungsfaktor in den Bildungseinrichtungen darstellt. Die sprachwissenschaftliche Forschung spricht von einer sprachlichen Super-Diversität, die als Folge neuer Muster der Migration in westlichen Einwanderungsgesellschaften zu beobachten ist (Vertovec, 2007) und die zu einer ›Vervielfältigung von Vielfalt‹ auch in der Bundesrepublik Deutschland führt (Gogolin, 2015, S. 292). Die neue kulturelle und sprachliche Diversität zeigt sich vor allem in urbanen Zentren, die von den neu Zugewanderten bevorzugt werden und die in diesen zu jener Super-Diversität führen, die im internationalen Kontext beobachtet werden kann (Gamlen, 2010). Zur Anzahl von Sprachen, die in europäischen Zuwanderungsregionen gesprochen werden, liegen jedoch nur vereinzelte Studien vor. So zählt eine Erhebung, die in London durchgeführt wurde, ca. 230 Sprachen, die von den Schulkindern gesprochen werden (Eversly, Mehmedbegovic, Sanderson, Tinsley, Von Aln & Wiggings, 2010). Im deutschsprachigen Raum wurden sprachstatistische Erhebungen in Hamburg (Fürstenau et al., 2003), Essen (Chlosta & Ostermann, 2010), Freiburg (Decker & Schnitzer, 2012), Wien (Brizić, & Lo Hufnagl, 2011) und Erfurt (Ahrenholz, Hövelbrinks, Maak & Zippel, 2013) durchgeführt, die je nach der Häufigkeit von Migrationsfamilien in der Untersuchungsregion eine unterschiedliche hohe Anzahl zwischen 36 und 122 Familiensprachen aufweisen. Diese Anzahl von Sprachen dürfte sich in Folge der neuen Zuwanderungsbewegungen in Folge von Flucht, Krieg und Vertreibung wie Rahmen der innereuropäischen Binnenwanderung insbesondere in den Ballungszentren noch einmal deutlich erhöht haben. Eine von Römhild und Vertovec (2009) in Frankfurt am Main durchgeführte Erhebung kann das Phänomen der sprachlichen Super-Diversität, das in Folge der neuen transnationalen Migrationsbewegungen entsteht, beispielhaft illustrieren.
Der Blick auf die sprachliche Ausgangssituation von mehrsprachigen Kindern in Kindertagesstätte und Grundschule wurde bisher in der bundesrepublikanischen Diskussion um den mangelnden Kompetenzerwerb in der Zweitsprache Deutsch überlagert, der in der Post-PISA-Debatte eine hohe Aufmerksamkeit erfuhr und zu einer einseitigen Priorisierung des Deutschen in der sprachlichen Förderung von Kindern nicht-deutscher Herkunftssprache führte. In den Bildungsinstitutionen wird die Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit nicht favorisiert. Stattdessen wird die natürliche Mehrsprachigkeit, die multilinguale Kinder mitbringen, als Bildungshindernis angesehen und eine einseitige sprachliche und kulturell soziale Integration und Anpassung erwartet, statt die mitgebrachte Mehrsprachigkeit der zugewanderten Bevölkerungsgruppen anzuerkennen und als spezifische sprachliche Ressource zu fördern. Dieser monolinguale Habitus der Schule, den Gogolin bereits in den 1990er Jahren kritisierte, ist angesichts einer sich weiter ausdifferenzierenden sprachlichen Heterogenität in den Bildungseinrichtungen nicht mehr tragfähig. Das verbreitete professionelle Nicht-Wissen pädagogischer Fachkräfte im Umgang mit sprachlicher Diversität muss in ein pädagogisches Handlungswissen überführt werden, das dem fachlichen Wissen um Sprachenlernen und Mehrsprachigkeit entspricht und in pädagogisch-didaktisch angemessene Formate des Lehrens und Lernens in mehrsprachigen Gruppen übersetzt.
Wie die sprachlichen Ressourcen der mehrsprachigen Kinder gestärkt und ihre sprachliche Kompetenzentwicklung in der Kommunikation mit einsprachigen Kindern in den Bildungseinrichtungen von Kindergarten und Grundschule unterstützt werden können, ist Gegenstand unseres Bandes »Kinder stärken in Sprache(n) und Kommunikation«, das den Sprache(n)erwerb in der Einwanderungsgesellschaft diskutiert und die neue sprachliche Diversität zum Ausgangspunkt sprachlichen Lernens mit und unter Kindern macht, die sehr unterschiedliche sprachliche Biographien mitbringen. Auf der Grundlage des linguistischen Wissens zu Spracherwerb und Mehrsprachigkeit werden Erwerbsbedingungen der Sprache, ihre Diagnostik sowie Vorteile und Schwierigkeiten bi- und multilingualer Erwerbsprozesse dargestellt und erörtert, welche Schlussfolgerungen sich daraus für das Sprache(n)lernen, die sprachliche Bildung und die Förderung der sprachlichen Stärken und Kompetenzen von Kindern ziehen lassen. Dazu werden sowohl der Forschungsstand zu Spracherwerb und Mehrsprachigkeit als auch praktikable Arbeits- und Handlungsmodelle mehrsprachiger Erziehung und Bildung in informellen und fachlichen Kontexten vorgestellt, wie sie in der sprachwissenschaftlichen wie sprachpädagogisch-didaktischen Forschung entwickelt und in der Diskussion sind. Die Entwicklung und Förderung der Bildungssprache werden ebenso einbezogen wie Modelle einer mehrsprachig-interkulturellen Sprachbildung, die »ihren Ausgangspunkt bei der Beobachtung innergesellschaftlicher Kommunikationsprobleme und deren Konsequenzen für sprachliche Bildung« nehmen und »durch Unterricht zum besseren Verständnis mit sprachlicher Heterogenität und Pluralität befähigen, die zu den alltäglichen Spracherfahrungen der Menschen in der mehrsprachigen, multikulturellen Gesellschaft gehören« (Gogolin, 1995, S. 107 f.). Einem solchen Verständnis interkulturell-sprachlicher Bildung wird in diesem Band gefolgt und es werden praktikable Ansätze und Konzepte mehrsprachigen Lernens erörtert, die im Kindertagesstättenbereich wie in der Grundschule darauf zielen, die sprachlichen Ressourcen der ein- und mehrsprachigen Kinder zu stärken und im sprachlichen Lernen wechselseitig zur Geltung zu bringen. Auch werden schulorganisatorische Modelle der zweitsprachlichen Förderung, wie sie in der aktuellen Debatte um die Beschulung neu zugewanderter Kinder in den einzelnen Bundesländern etabliert sind, kritisch miteinbezogen.
2
Aufwachsen in mehreren Sprachen: Fallbeispiele sprachlicher Heterogenität
Kinder mit mehr als einer Sprache sind in vielen Kindertagesstätten und Grundschulen die Regel. Die folgenden Sprachbiographien von Ebru, Alessia und Vladimir, die bei Küpelikilinc und Özbölük (2016, S. 12 ff.) zu finden sind und die wir in gekürzter Fassung wiedergeben, vermitteln einen anschaulichen Einblick in die sprachliche Welt und die individuelle Vielfalt mehrsprachiger Kinder:
Ebru (9 Jahre)
• Eine Schwester im Alter von fünf Jahren
• Vater in Deutschland aufgewachsener Türke, Fabrikarbeiter
• Mutter: Aufgrund der Eheschließung nach Deutschland eingewanderte Türkin mit türkischem Realschulabschluss, aktuell in Weiterbildung
Die sprachliche Welt von Ebru
Die ersten Jahre haben beide Eltern mit Ebru ausschließlich Türkisch gesprochen. Die Mutter besuchte einen Deutschkurs, und Ebru war vom ersten bis zum dritten Lebensjahr dreimal pro Woche in der Kinderbetreuung und begann dort bereits die ersten deutschen Wörter zu sprechen. Nach ca. einem Jahr im Kindergarten merkten die Eltern, dass sie zunehmend unbeabsichtigt Deutsch mit Ebru sprachen und beschlossen, zu Hause konsequent auf das Türkischsprechen zu achten; der Vater aber spricht seitdem außer Haus fast immer Deutsch mit Ebru. Weiter gibt es zu Hause die Vereinbarung, dass bei den Hausaufgaben nur Deutsch gesprochen wird. Seit einem Jahr besucht die Mutter eine berufliche Weiterbildung; um ihr mit der deutschen Sprache zu helfen, hat sie die Familie gebeten, beim Abendessen deutsch zu sprechen.
Ebrus Mutter hat ihr auf Türkisch oft vorgelesen. Durch den Kindergarten entstand der Kontakt zur Stadtbücherei und seitdem liest der Vater den beiden Schwestern auf Deutsch vor, was allerdings aufgrund seiner Schichtarbeit nicht immer möglich ist.
Seit einigen Jahren merken die Eltern, dass die beiden Schwestern immer Deutsch miteinander sprechen, egal wie oft die Eltern sie anregen, zu Hause Türkisch zu sprechen.
In der Schule gibt es keinen Türkisch-Unterricht, was die Eltern sehr bedauern.
Türkisch sehr gut, Deutsch sehr gut, neuen Sprachen gegenüber ist Ebru sehr neugierig und aufgeschlossen. Sie merkt sich gerne Aussagen ihrer Freundinnen in deren Erstsprache und ›Vokabeln‹, die sie hier und dort aufschnappt, wie z. B. die Farben auf Englisch. Sie spielt zudem gerne mit ihren Sprachen, so erfindet sie sprachübergreifende Reime wie beispielsweise Viereck-Kelebek (Schmetterling). Sie liest gerne in beiden Sprachen, schreibt aber lieber in Deutsch.
Das Fallbeispiel Ebrus repräsentiert Reich (2008) folgend den Normalfall einer sukzessiv bilingualen Erziehung von Kindern aus Migrationsfamilien, bei der die Erstsprache zunächst dominant ist und die später innerfamilial zunehmend auf den Erwerb der Zweitsprache ausgerichtet wird. In Ebrus Familie ist in den Sprachpraxen auch jene Sprachbewusstheit zu beobachten, die zu einer balancierten Zweisprachigkeit auf hohem Niveau führt, wie sie bei Ebru zu finden ist. Ebru zeigt die von Reich analysierte extrovertierte sprachlich-produktive Grundhaltung, die den Erwerb einer ausgewogenen Zweisprachigkeit auf hohem Niveau begünstigt (ebd., S. 256). Sie gehört auch zu den Einzelfällen von Kindern, die in der Entwicklung der Erstsprache nicht stagnieren oder retardieren. Gleichwohl ist zu vermuten, dass die türkische Schrift- und Hochsprache nicht erworben wird und das sprachliche Kompetenzniveau im Türkischen alltagssprachlich ausgerichtet ist. Im Türkischen wird kein hoch- und bildungssprachliches Niveau erreicht werden können, da kein Unterricht in der Herkunftssprache erteilt wird.
Im folgenden Fallbeispiel Alessias wird ein Kind vorgestellt, das in einer bildungsnahen, mehrsprachigen Familie mit gehobenem Sozialstatus aufwächst (Küpelikilinc & Özbölük, 2016, S. 13):
Alessia (9 Jahre)
• Einzelkind
• Vater: In Deutschland aufgewachsener Italiener, Ingenieur
• Mutter: In Deutschland aufgewachsene Türkin, Juristin
Die sprachliche Welt von Alessia
Als Alessia selbst zu sprechen begann, hat ihre Mutter mit ihr hauptsächlich Türkisch gesprochen. Nur in Anwesenheit des Vaters, der das Türkische nicht versteht, sprach die Mutter Deutsch mit ihr. Ihr Vater seinerseits hat mit ihr hauptsächlich Deutsch, aber auch hin und wieder Italienisch gesprochen. Als Alessia selbst anfing zu sprechen, waren viele der Wörter, die sie sprach, türkisch, so dass der Vater, der nun nicht verstand, was sein Kind sprach, sehr verunsichert war. Er beriet sich mit dem Kinderarzt, der ihm irrtümlicherweise sagte, drei Sprachen seien zu viel für ein Kind. Auch wenn die Mutter weiterhin den Wunsch hegte, ihr Kind mehrsprachig zu erziehen, hatte sie Verständnis für die Position ihres Mannes und sprach von nun an nur Deutsch mit Alessia. Die Vermittlung der türkischen Sprache schob sie vorerst auf. Als Alessia ca. drei Jahre alt und im Spracherwerb weit vorangeschritten war, begann die Mutter wieder vermehrt in Abwesenheit des Vaters Türkisch zu sprechen.
Sprachliche Kenntnisse von Alessia
Deutsch sehr gut, Italienisch und Türkisch versteht sie, formuliert selbst aber keine Sätze in den jeweiligen Sprachen. Formelhafte Äußerungen wie z. B. Danke, Bitte, Guten Tag kann sie in Türkisch zwar besser, aber auch in Italienisch äußern. Mit ihren Großeltern, die zwar auch in Deutschland wohnen, kann sie sich nur auf Deutsch unterhalten. Im Deutschen ist sie sehr sprachgewandt und verfügt über einen großen Wortschatz.
In Alessia wird ein mehrsprachiges Kind portraitiert, das potentiell dreisprachig aufwächst und im Ergebnis den Fall einer unbalancierten Mehrsprachigkeit mit Dominanz des Deutschen repräsentiert (Müller et al., 2013), das der ambivalenten bis widersprüchlichen Haltung der Eltern gegenüber einer mehrsprachigen Erziehung geschuldet ist. Eine balancierte Zweisprachigkeit, die Alessia vermutlich in zwei der drei Sprachen ihrer Familie hätte erreichen können, wurde nicht erzielt; insofern wurde das sprachliche Potential der mehrsprachigen Familie, die auch aufgrund ihres Bildungsstatus eine explizites sprachförderliches Milieu bietet, nicht ausgeschöpft und die sprachlichen Ressourcen nicht genutzt. Inwieweit eine dreisprachige Entwicklung möglich gewesen wäre, muss offen bleiben. Obwohl man aufgrund der allgemeinen wie der linguistischen Vorteile früher Mehrsprachigkeit davon ausgehen kann, dass dies erfolgreich und möglich ist, muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass eine linguistische Grundlagenforschung zu trilingualen Erwerbsprozessen noch in den Anfängen steht und insofern nur hypothetische Annahmen zu solchen mehrsprachigen Entwicklungsverläufen möglich sind.
In der Sprachbiografie Vladimirs wird ein Kind portraitiert, das in einer Aussiedlerfamilie aufwächst, die bei ihrer Immigration nach Deutschland selbst nicht über die deutsche Sprache verfügte und in der Person des Vaters bis heute noch nicht ausreichend verfügt. Zu welchen sprachlichen Dilemmata und Problemen dies in den Sprachpraxen und in der sprachlichen Erziehung der Familie führte, ist in der Falldarstellung eindrücklich dokumentiert (Küpelikilinc & Özbölük, 2016, S. 16):
Vladimir (9 Jahre)
• Ein vier Jahre älterer Bruder
• Mutter: Spätaussiedlerin, in Kasachstan geboren, Muttersprache Russisch, Kassiererin in einem Supermarkt
• Vater: Kasache, seine Familie lebt noch in Kasachstan, Muttersprache Russisch, zur Zeit arbeitslos
• Eltern der Mutter sprechen muttersprachlich Deutsch mit Dialektfärbung und leben in Deutschland
Die sprachliche Welt von Vlamimir
Vladimirs Eltern sind ohne Deutschkenntnisse vor 13 Jahren auf Wunsch der Mutter nach Deutschland gekommen. Vladimirs Mutter hat einen leichteren Zugang zur deutschen Sprache. In ihrer Heimat waren beide Eltern berufstätig. Seit dem Umzug nach Deutschland is...
Table of contents
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Vorwort der Herausgeberin
- Inhalt
- 1 Einleitung: Sprachliche Diversität im Einwanderungskontext und Sprache(n)lernen
- 2 Aufwachsen in mehreren Sprachen: Fallbeispiele sprachlicher Heterogenität
- 3 Theoretische Grundlagen des Spracherwerbs und Meilensteine der Sprachentwicklung
- 4 Forschungsstand zum mehrsprachigen Spracherwerb
- 5 Sprachdiagnostik und Sprachbeobachtung bei ein- und mehrsprachigen Kindern
- 6 Mehrsprachige Erziehung in Kindertagesstätte und Grundschule
- 7 Sprachbildung und sprachliche Förderung in Krippe, Tagespflege und Kindertagesstätte
- 8 Bildungssprachlicher Kompetenzerwerb und fachbezogene Sprachförderung in der Grundschule
- 9 Neu zugewanderter Kinder stärken – kulturell- sprachlich und psychosozial integrieren
- 10 Fazit
- Literaturverzeichnis
- Quellen