
This book is available to read until 5th December, 2025
- 263 pages
- English
- ePUB (mobile friendly)
- Available on iOS & Android
eBook - ePub
Available until 5 Dec |Learn more
About this book
Jan Hus (around 1370-1415) was a heretic for the Catholic Church. In many ways he symbolises the epoch of the late Middle Ages: in an attempt to bring back the church, which had been rocked by the Great Occidental Schism, he develops a reform programme, which goes way beyond the limits of the Middle Ages.His death by burning on the Constance Council 1415 turned him into a martyr. The illustration shows Jan Hus in his time: he is researched as a scholar and preacher of the late Middle Ages, as well as a publicly involved intellectual. The book draws a picture of Jan Hus, which is underpinned by historic arguments, and which places the events in Bohemia in a European context.
Frequently asked questions
Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
No, books cannot be downloaded as external files, such as PDFs, for use outside of Perlego. However, you can download books within the Perlego app for offline reading on mobile or tablet. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
- Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
- Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, weâve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere â even offline. Perfect for commutes or when youâre on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Jan Hus by Pavel Soukup in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in History & Modern History. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.
Information
1Â Â Â Â Â Â Â Â Â Vorbemerkung
Â
Â
Â
Ein auf Deutsch verfasstes Buch, dessen Geschichte sich meistens in Böhmen abspielt, stellt gewisse Herausforderungen technischer Art. Die Schreibweise von Eigennamen richtet sich nach folgenden Prinzipien: Mittelalterliche Personennamen werden in deutscher Form wiedergegeben. Eine Ausnahme bildet Jan Hus, dessen tschechischer Name mittlerweile auch im Deutschen gelĂ€ufig ist. Wenn kein deutsches Ăquivalent vorhanden ist, wird die tschechische Form vor der lateinischen bevorzugt, z. B. Jakoubek statt Jacobellus. Bei Namen böhmischer StĂ€dte wird ebenfalls die deutsche Form benutzt; zwecks Identifizierung wird bei erster Nennung in der Regel der tschechische Name in Klammern beigefĂŒgt. Bei Dörfern und Marktflecken wird die tschechische Form benutzt (Husinec, Jesenice statt Hussinetz, Jessenitz).
Dieses Buch ist ein Ergebnis des Projektes P405/12/G148 Kulturelle Codes und ihr Wandel im hussitischen Zeitalter, das von der Tschechischen Forschungsgemeinschaft (GA ÄR) gefördert wird.
Mein herzlicher Dank fĂŒr die Durchsicht des Manuskripts und hilfreiche Hinweise gilt Thomas PrĂŒgl (Wien). Dank gebĂŒhrt auch Karel Hruza (Wien), von dem die erste Anregung zu dieser Arbeit ausging.
Prag â Berlin â London, August 2013
Pavel Soukup
2Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Zur EinfĂŒhrung: Der Angeklagte in Konstanz
Â
Â
Â
Am 28. November 1415 erhielt Magister Jan Hus, der sich seit mehr als drei Wochen in der Konzilsstadt Konstanz befand, in seinem Quartier Besuch. Es kamen die Bischöfe von Trient und Augsburg als Gesandte des Kardinalkollegs, begleitet vom Konstanzer BĂŒrgermeister und anderen Personen. Ritter Johann von Chlum, der treue Begleiter und BeschĂŒtzer des Magisters, empfang sie argwöhnisch. Er erinnerte die Besucher daran, dass Hus unter dem Schutz König Sigismunds nach Konstanz gekommen sei, und warnte sie, nichts gegen den Willen des Königs zu unternehmen. Nachdem die PrĂ€laten ihre Absicht kundgetan hatten, stand Jan Hus vom Tisch auf und enthĂŒllte den Bischöfen, die ihn zuvor noch nicht gekannt hatten, seine IdentitĂ€t. »Ich bin nicht hierher nur zu den KardinĂ€len gekommen«, sprach er,
»und es war niemals mein Wunsch, mit ihnen getrennt zu sprechen, sondern ich bin zum ganzen Konzil gekommen und möchte dort sagen, was Gott mir eingegeben und wonach man mich fragen wird. Trotzdem bin ich auf Verlangen der Herren KardinÀle hin bereit, sofort zu ihnen zu kommen, und wenn man mich etwas fragen wird, hoffe ich lieber den Tod zu wÀhlen, ehe ich eine aus der Schrift oder sonst mir bekannte Wahrheit ableugne.«
Dieses Bekenntnis sollte Hus in Konstanz noch öfters ablegen und es schlieĂlich auch in die Tat umzusetzen.
Hus folgte also den beiden Bischöfen in den Palast des Papstes. Dort wurde er von den KardinÀlen zur Rede gestellt:
»Magister Johannes, man redet Vieles und MerkwĂŒrdiges von euch, dass ihr zahlreiche IrrtĂŒmer festgehalten und im Königreich Böhmen ausgesĂ€t habt.«
Hus antwortete in demselben Sinn wie seinen frĂŒheren Besuchern:
»Eure Vaterliebe wisse, dass ich, bevor ich einen Irrtum festhalten wollte, lieber sterben möchte. Und seht, ich bin freiwillig hierher gekommen zu diesem heiligen Konzil.«
Nach dem GesprĂ€ch bewachte man Hus bis zum spĂ€ten Abend. In der Nacht wurde er ins Haus des Kantors des Konstanzer MĂŒnsters gebracht, wo er eine Woche lang gefangen gehalten wurde. Danach wurde er im Dominikanerkloster am Ufer des Bodensees eingekerkert. Nach der Flucht von Papst Johannes XXIII. vom Konzil lieferte man Hus am 24. MĂ€rz 1415 dem Konstanzer Bischof aus, der ihn dann in der Burg Gottlieben am Seerhein in Haft hielt. Von dort wurde er Anfang Juni wieder in die Stadt zum Verhör gebracht und bis zu seiner Verurteilung und Hinrichtung im GefĂ€ngnis des Minoritenkonventes festgehalten.
Ritter Johann von Chlum beschwerte sich noch am Tag von Husâ Verhaftung bei Papst Johannes XXIII. SpĂ€ter legte er wiederholt bei dem da noch anwesenden Papst sowie bei den KardinĂ€len Protest ein, jedoch vergeblich. Auch seine öffentliche ErklĂ€rung, die er an den Toren des MĂŒnsters und anderer Konstanzer Kirchen bekannt machte, half nichts. Der Ritter gab darin allen bekannt,
»dass Magister Johannes Hus, Bakkalar der heiligen Theologie, unter dem Geleitbrief und dem Schutz des durchlauchtigsten FĂŒrsten und Herrn, des Herrn Sigismund [âŠ] nach Konstanz kam, um jedem, der es verlangt, in einer öffentlichen Audienz ĂŒber seinen Glauben vollgĂŒltige Rechenschaft abzulegen. Dieser oben genannte Magister Johannes wurde in dieser Reichsstadt unter dem Geleitbrief meines genannten Herrn, des römischen und ungarischen Königs, in Gewahrsam genommen und wird noch festgehalten.«1
Johann von Chlum bezeichnete hier Hus mit dem formal höchsten Titel, den er besaĂ, nĂ€mlich den eines Bakkalaureus der Theologie. Was er nicht sagte, war, dass Hus immer noch Rektor der Bethlehemskapelle in Prag war und sich als solcher ein auĂerordentliches Ansehen als Prediger erworben hatte. Husâ Inhaftierung in Konstanz markierte eindeutig seinen Sturz und besiegelte den Weg zum tragischen Ende. Noch sieben Jahre zuvor hatte er sich der UnterstĂŒtzung des königlichen Hofes und der Freundschaft des Prager Erzbischofs erfreut. Er hatte sich damals schon Gedanken gemacht, wie man das durch das pĂ€pstliche Schisma und den unwĂŒrdigen Lebenswandel der Kleriker angeschlagenes Ansehen der Kirche wiederherstellen könne â genau wie die meisten KonzilsvĂ€ter in Konstanz ĂŒbrigens auch. Wie sie kritisierte er die MissstĂ€nde des kirchlichen Lebens und verlangte nach Besserung. Warum also resultierten seine Vorstellungen von notwendigen Reformen in einen so heftigen Gegensatz zum Reformismus der Mehrheit der katholischen Theologen, so dass diese ihn sogar in den Feuertod schickten?
Diese zentrale Frage ist nicht einfach zu beantworten. Hus war in Konstanz mit einer Reihe von Anschuldigungen konfrontiert. Die Anklagen gegen ihn sammelte man bereits seit 1408. Geben aber diese Anklagen allein eine Antwort darauf, wie es dazu kam, dass Hus auf dem Scheiterhaufen endete? GenĂŒgt es, die Antwort nur in dem Wortlaut des Urteils zu suchen? Die folgenden Kapitel werden sich mit der Entstehungsgeschichte dieses Urteils beschĂ€ftigen. Aus der Sicht eines Historikers sind die Prozessakten nicht der einzige SchlĂŒssel zu dieser Frage. Es gilt weitere Quellen heranzuziehen, die Zeugnis ĂŒber Ursachen und GrĂŒnde der Verurteilung ablegen können, welche uns die Richter nicht verraten haben, welche ihnen zum Teil vielleicht auch gar nicht bekannt waren. Was irritierte die kirchlichen Behörden und weltlichen Machthaber so heftig, was fanden die KonzilsvĂ€ter an Jan Hus so gefĂ€hrlich, dass sie ihn liquidierten? Dem Sturz eines angesehenen Predigers und UniversitĂ€tsgelehrten des spĂ€ten Mittelalters gerecht zu werden heiĂt zugleich, etwas ĂŒber die damalige Gesellschaft, ihr Weltbild, ihre inneren Spannungen und Vorurteile zu erfahren.
Dieses Buch befasst sich mit Jan Hus als einem aussagekrĂ€ftigen Beispiel einer spĂ€tmittelalterlichen Karriere im Schnittpunkt von zeitgenössischen Konflikten. Es erscheint angebracht, bereits an dieser Stelle klar zu machen, was dieses Buch beabsichtigt und was es nicht leisten kann. Erstens bietet das Buch keine Abhandlung ĂŒber das reichhaltige Nachleben von Jan Hus. Er war eine zentrale Bezugsfigur des utraquistischen Sonderweges im 15. Jahrhundert. Er war der negative Held der barocken Legende, der Makel an Böhmens RechtglĂ€ubigkeit. Im 19. Jahrhundert diente er als ein Integrationssymbol der tschechischnationalen Emanzipationsbewegung. Nicht viel spĂ€ter wurde er in den Darstellungen linksorientierter Historiker zum VorkĂ€mpfer der sozialen Gerechtigkeit. SchlieĂlich ist er fĂŒr evangelische Kirchen, nicht nur in Böhmen, ein wichtiger VorlĂ€ufer (oder auch Mitgestalter) der Reformation. Keinem dieser Aspekte wird im Folgenden ausfĂŒhrliche Aufmerksamkeit gewidmet. Nicht, weil es unwichtig oder uninteressant wĂ€re. In einer der letzten Hus-Monographien wird dem Nachleben gut 40 Prozent des Textes gewidmet.2 Schon daraus ist ersichtlich, dass das Andenken an Hus, sein Nachleben, ein eigenstĂ€ndiges Forschungsfeld bildet, das man in diesem Buch nur im entsprechenden Kontext einbeziehen kann.
Wenn im abschlieĂenden Kapitel das VerhĂ€ltnis zwischen Jan Hus und der deutschen Reformation erörtert wird, dann geschieht es nicht darum, den böhmischen Reformer als VorlĂ€ufer Martin Luthers zu stilisieren. Die im letzten Kapitel gestellte These lautet vielmehr, dass mit dem Hussitentum, also bereits im 15. Jahrhundert, die Reformationsgeschichte beginnt. Anhand des Vergleiches mit der »klassischen« Reformation soll die Bedeutung von Hus fĂŒr die Entwicklung der böhmischen Gesellschaft des 15. Jahrhunderts beurteilt werden. Allerdings standen damals mehrere Wege offen. Wenn sich die utraquistische Landeskirche der böhmischen Hussiten zu einer Spielart der Reformationskirchen entwickelte, bedeutet das keineswegs, dass Hus selbst diesen Weg einschlagen wollte. Ich gehe aber davon aus, dass fĂŒr Jan Hus und seine AnhĂ€nger der Bruch mit der römischen Kirche unvermeidbar, ja Teil ihres ReformverstĂ€ndnisses war. Es sind diese AnsĂ€tze, die zu einer Herausbildung der hussitischen Interessengruppe und zu ihrer Abgrenzung von der Mehrheitskirche fĂŒhrte, was im Folgenden eingehend untersucht werden soll.
Die Darstellung konzentriert sich somit auf die Gestalt des Jan Hus in seiner Zeit. Seine Persönlichkeit verdankt sich in gleicher Weise den VerhĂ€ltnissen des luxemburgischen Böhmens wie auch dem weiteren Kontext der abendlĂ€ndischen Kirche der Schismazeit. Der SchlĂŒssel zum VerstĂ€ndnis von Hus wird im synchronen Vergleich mit anderen Persönlichkeiten des kirchlichen und universitĂ€ren Lebens des frĂŒhen 15. Jahrhunderts aufgezeigt. Statt eine separate EinfĂŒhrung in die Geschichte und Kultur des SpĂ€tmittelalters an den Beginn unseres Buches zu stellen, soll der breitere Kontext in jedem einzelnen Kapitel berĂŒcksichtigt werden, wo dies zweckmĂ€Ăig erscheint. Nur aufgrund eines Vergleiches mit seinen europĂ€ischen Zeitgenossen und seinen böhmischen VorgĂ€ngern kann dargelegt werden, was an Hus einzigartig und was aus spĂ€tmittelalterlicher Perspektive gelĂ€ufig war.
Die vorliegende Biographie ist gewissermaĂen retrospektiv, indem sie nach den Wurzeln der Probleme und Kontroversen sucht, die Hus auf den Scheiterhaufen brachten. Sie schildert seinen Erfolg und seinen Sturz: auf welchen Wegen es ihm gelang, Ruhm zu erlangen und eine AnhĂ€ngerschaft aufzubauen, warum dies die kritische Aufmerksamkeit der kirchlichen Behörden auf sich gezogen hat, und warum es die Kirche schlieĂlich fĂŒr unabdingbar hielt, ihn zu beseitigen. Obwohl mir Husâ Tod als Ausgangspunkt der Fragestellung dient, kann ich mich nicht der Ansicht anschlieĂen, dass die historische Bedeutung von Hus lediglich darin liegt, dass er verbrannt und danach in verschiedener Weise instrumentalisiert wurde. Ein eminent öffentlich tĂ€tiger und umtriebiger Gelehrter wie Jan Hus muss fĂŒr Historiker nicht nur wegen seines Todes, sondern vor allem wegen seines Lebens und Wirkens von Interesse sein. Als solche tatkrĂ€ftige Gestalt wĂ€re er historisch attraktiv, auch wenn es keine Reformationen, keine Revolutionen und keine Nationalerweckungen in seinem Namen gegeben hĂ€tte.
Jan Hus wird in diesem Buch vor allem als ein gut dokumentiertes Beispiel eines spĂ€tmittelalterlichen Intellektuellen angesehen, eines in der Ăffentlichkeit stehenden Professors, der wegen seiner Ausstrahlung in schwere Konflikte geriet. Es sind eben diese Konfliktsituationen und Kontroversen, die in der historischen Ăberlieferung die stĂ€rksten Spuren hinterlassen haben. Dank dieser Auseinandersetzungen und dank Husâ posthumem Ruhm haben wir von ihm eine weitaus reichere Kenntnis als von seinen zeitgenössischen Kollegen. Wohl von keinem anderen mittelalterlichen böhmischen Autor ist ein so umfangreiches Werk erhalten; ebenso einzigartig ist seine erhaltene Korrespondenz. Seinen eigenen Schriften schlieĂen sich AktenstĂŒcke und Nachrichten ĂŒber Hus an. All dies ermöglicht einen Einblick in die Welt eines Gelehrten, welcher bei anderen zeitgenössischen Personen kaum denkbar ist.
VerhĂ€ltnismĂ€Ăig breiten Raum wird in diesem Buch der öffentlichen TĂ€tigkeit des Jan Hus gegeben, der Resonanz seiner Predigten und der daraus resultierenden Bildung seiner AnhĂ€ngerschaft. Diese Fragestellung ist zugegebenermaĂen durch die heutige Erfahrungswelt beeinflusst. Das Hus-Bild entsprach immer den Forderungen und Schwerpunkten der jeweiligen Zeit. Es wĂ€re verfehlt, diese Zeitgebundenheit unterdrĂŒcken oder gar leugnen zu wollen. Wenn wir heute miterleben, wie politische, bĂŒrgerliche und gesellschaftliche Bewegungen mithilfe elektronischer Kommunikationsnetzwerke organisiert werden, ist es kein Wunder, dass die soziale Auswirkung von kommunikativen Handlungen fĂŒr kulturgeschichtliche Fragestellungen maĂgebend ist. Das bedeutet natĂŒrlich fĂŒr dieses Buch nicht, anachronistische Parallelen zwischen der Zeit von Hus und der heutigen Welt zu ziehen, sondern es findet SchlĂŒsselaspekte, durch welche Husâ Leben und Wirken dem heutigen Menschen ĂŒberzeugend vor Augen gefĂŒhrt werden kann.
Das Buch ist so aufgebaut, dass jedem Kapitel ein markantes Ereignis vorangestellt wird, das als Ausgangspunkt fĂŒr die nachstehende Darlegung dient. Die Anordnung dieser Ereignisse entspricht dabei der tatsĂ€chlichen Chronologie. Zu besseren Orientierung dient am Anfang des Buches ein kurzer Lebenslauf von Jan Hus. Die problemorientierte Schilderung in den nachfolgenden Kapiteln nimmt jeweils breiteres Material und Quellenbelege aus anderen Phasen seines Lebens mit auf, um das als Ausgangspunkt benutzte Ereignis zu kontextualisieren. Am Ende eines jeden Kapitels wird gefragt, welche Bedeutung das jeweilige PhĂ€nomen oder Ereignis im Leben von Hus besaĂ und ob es zu seiner Verurteilung beigetragen hat. Der Angeklagte und Verurteilte in Konstanz steht somit im Mittelpunkt aller AusfĂŒhrungen.
3 Magister Jan Hus â ein kurzes LebensportrĂ€t
Als im September 1378 die KardinĂ€le in Fondi einen Gegenpapst wĂ€hlten, ahnten sie nicht, dass das daraus resultierende Schisma beinahe 40 Jahre dauern sollte. Clemens VII. begab sich nach Avignon, wo die PĂ€pste bereits in den Jahren 1309â1377 residiert hatten. Die abendlĂ€ndische Christenheit war in zwei HerrschaftssphĂ€ren gespaltet, eine römische und eine avignonesische Obödienz. Die durch die gesteigerten finanziellen AnsprĂŒche des Kirchenapparats und durch die Verweltlichung der klerikalen Lebensweise ohnehin angegriffene moralische AutoritĂ€t des Papsttums und der kirchlichen Hierarchie erlitt durch das Schisma eine weitere EinbuĂe. Eine zweigeteilte Kirche konnte noch schwerer gegen MissstĂ€nde angehen. Die spĂ€tmittelalterliche Gesellschaft, welche durch den Schwarzen Tod, die Pestepidemie der Jahre 1347â1353, starken demographischen und sozialen Verwerfungen ausgesetzt war, wurde durch die kirchliche Krise noch tiefer erschĂŒttert und verunsichert.1
Jan Hus hat die Nachricht von der Kirchenspaltung wohl kaum mitbekommen. Er war damals ein Knabe und besuchte wahrscheinlich die Pfarrschule in der sĂŒdböhmischen Stadt Prachatitz (Prachatice). Möglicherweise wurde das Schisma in seiner Gegenwart, etwa vom Ortspfarrer, einmal erwĂ€hnt. Aber niemand konnte zu dieser Zeit wissen, dass Jan Hus sein Leben dem Kampf gegen die MissstĂ€nde in der Kirche weihen und schlieĂlich auf einem Konzil, das sich zur Beseitigung des Schismas versammelt hatte, hingerichtet werden wĂŒrde.
Hus wurde um 1370 (eine jĂŒngere Tradition nennt das Jahr 1369) im Husinec nahe Prachatitz in bescheidenen VerhĂ€ltnissen geboren. Er entschi...
Table of contents
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Inhalt
- 1 Vorbemerkung
- 2 Zur EinfĂŒhrung: Der Angeklagte in Konstanz
- 3 Magister Jan Hus â ein kurzes LebensportrĂ€t
- 4 Hus als Prediger â Seine Ernennung zum Rektor der Bethlehemskapelle 1402
- 5 Prager Wyclifismus und »gelehrte HĂ€resie« â Die erste Verurteilung von Wyclifs Artikeln 1403
- 6 Jan Hus und die Kirchenreform â Die Synodalpredigten 1405 und 1407
- 7 Die UniversitĂ€tskarriere des Magisters Hus â Die Rektorsrede »Macht eure Herzen stark« 1409
- 8 Die Generation des Kuttenberger Dekrets â Die Prager UniversitĂ€t als mitteleuropĂ€isches Begegnungsort
- 9 Die hussitische Medienkampagne â Die Appellation gegen das pĂ€pstliche Predigtverbot 1410
- 10 Ăffentliches Engagement und politische UnterstĂŒtzung â Königliche Beschlagnahme der KirchengĂŒter 1411
- 11 AnfĂŒhrer einer Protestbewegung â Die Prager Ablassunruhen 1412
- 12 Der Prozess â Die Appellation an Christus 1412
- 13 Unsichtbare Kirche und bedingter Gehorsam â Jan Husâ Buch »Ăber die Kirche« 1413
- 14 Das volkssprachliche Schrifttum und die Mission auf dem Land â Die tschechische Postille 1413
- 15 Das Konzil von Konstanz: Verurteilung und Hinrichtung (1414â1415)
- 16 Ausblick: Hussitismus und Reformation
- 17 Glossar
- 18 Quellen und Literatur
- 19 Anmerkungen
- 20 Register