Unwetterlagen effizient bewältigen
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Unwetterlagen effizient bewältigen

Organisatorische und taktische Hinweise für Feuerwehren

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Unwetterlagen effizient bewältigen

Organisatorische und taktische Hinweise für Feuerwehren

About this book

Örtliche Feuerwehren werden zunehmend mit extremen Unwetterlagen konfrontiert. Dabei liegt die große Herausforderung weniger in der handwerklich-technischen Bewältigung der einzelnen Einsatzstellen, sondern vielmehr in der Organisation und Führung der Flächenlage. Daher werden die Weichen für eine erfolgreiche Einsatzbewältigung nicht an der Einsatzstelle vor Ort, sondern im "Führungshaus" der Gemeinde gestellt.In seinem Buch beschreibt der Autor ein ganzheitliches Konzept zur effizienten Bewältigung von flächigen Unwetterlagen auf Gemeindeebene. Neben organisatorischen und taktischen Hinweisen zur Führung und Disposition werden auch (unwetter-)spezifische Führungs- und Einsatzmittel vorgestellt. Ergänzt wird das Buch durch umfangreiche digitale Vorlagen, die als Download bereitgestellt werden. Dem Leser werden beispielsweise mit den Checklisten für die Führungshausfunktionen, dem Formular "Dokumentation von Unwettereinsätzen" sowie der Mustervorlage für eine "Planübung Unwetterlage" praxisbezogene Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt.

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[15]1    Einleitung

Betrachtet man beispielhaft die Unwetterereignisse des Frühjahrs 2018, welche deutschlandweit heftige Gewitter mit Starkniederschlägen, Hagel und Sturmböen mit sich brachten und in vielen Städten ganze Straßenzüge und Stadtteile unter Wasser setzten, so könnte die Relevanz des Themas »Bewältigung von Unwetterlagen« nicht aktueller sein.
Konnte man beim »Jahrhundertsommer« 2003 noch von einem sehr seltenen Ereignis sprechen, so lässt ein Blick auf die zurückliegenden Jahre schnell erkennen, dass Unwetterereignisse keine Ausnahme darstellen, sondern eher zur Regel werden: Die Frühjahres- und Sommermonate sind geprägt von Unwetterwarnungen, denen oft punktuell und örtlich begrenzt schwere oder extreme Unwetterereignisse folgen. Doch auch jährlich auftretende Sturmtiefs im Herbst oder Winter bringen regelmäßig hohe Sachschäden mit sich und sorgen immer wieder in Teilen von Deutschland für ein Erliegen vieler Bereiche des öffentlichen Lebens. Immer häufiger ist dabei auch der Verlust von Menschenleben zu beklagen, wie die jüngsten Beispiele der Herbsttürme »Xavier« und »Herward« im Oktober 2017 oder der Sturmtiefs »Burglind« und »Friederike« im Januar 2018 verdeutlichen.
Gerade in der Erstphase nach einem Unwetterereignis sind die örtlichen Feuerwehren als kommunale Gefahrenabwehreinrichtungen unmittelbar betroffen, wenn potenziell in Not geratene Personen oder Tiere gerettet sowie Gefahrenlagen gesichert oder beseitigt werden müssen. Dabei liegt die Herausforderung weniger in der handwerklich-technischen Bewältigung der einzelnen Einsatzstellen – überwiegend handelt es sich nämlich um nicht zeitkritische Bagatelleinsätze, wie überflutete Straßen, vollgelaufene Kellerräume oder umgestürzte Bäume. Die eigentliche Herausforderung liegt vielmehr in der Organisation und der Führung der Flächenlage, da häufig viele Paralleleinsätze unterschiedlicher Priorität und zahlreiche Einheiten innerhalb des Gemeindegebietes koordiniert werden müssen – mit dem Ziel, den Einsatzerfolg bei kritischen Einsätzen und an Einsatzschwerpunkten sicherzustellen. Zusätzlich zu dieser Herausforderung müssen auf Gemeindeebene typische Leitstellenaufgaben – wie z. B. die telefonische Entgegennahme von Hilfeersuchen oder die Disposition von Einheiten – wahrgenommen werden. Begleitend kommt hinzu, dass oft nicht auf die Unterstützung benachbarter Feuerwehren zurückgegriffen werden kann, da diese mit einem ähnlichen Einsatzaufkommen konfrontiert sind.
Die Koordination einer solchen Flächenlage stellt insbesondere in der anfänglichen »Chaosphase« keine leichte Aufgabe dar, wenn Feuerwehren bei eintreten[16]den Unwetterereignissen von einer hohen Anzahl an Meldungen mit teils zeitkritischem Hintergrund geradezu »überrollt« werden. Die Erfahrung zeigt dabei immer öfter, dass extreme Unwetterlagen und das damit verbundene Einsatzaufkommen nicht beherrscht, sondern höchstens strukturiert bewältigt werden können. Dies setzt jedoch Strukturen voraus, die im Vorfeld geschaffen und im Ereignisfall konsequent umgesetzt werden müssen. Daher sollte jede Feuerwehr auf Gemeindeebene ein umfassendes Konzept mit vordefinierten Strukturen erstellen, um für Unwetterlagen gerüstet zu sein.
Obgleich Flächenlagen durch Naturereignisse wie Sturmtiefs, Starkniederschläge, Hochwasserlagen oder Waldbrände sowie durch vorsätzlich verursachte Handlungen wie terroristische Akte entstehen können, richtet sich der Fokus der nachfolgenden Betrachtungen auf flächige Unwetterlagen, die im Wesentlichen durch Starkniederschläge mit Hagel und Sturmböen oder orkanartige Sturmtiefs gekennzeichnet sind. Solche Ereignisse können unabhängig von der regionalen Lage jede Gemeinde betreffen und es können nahezu keine stationären Schutzmaßnahmen im Vorfeld ergriffen werden, wie dies beispielsweise bei Hochwasserschutzmaßnahmen in überflutungsgefährdeten Gebieten möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass insbesondere bei Sommergewittern die Vorwarnzeit häufig kurz ist und der Eintritt sowie das Ausmaß eines Unwetters lokal sehr unterschiedlich ausfallen können.
Mit diesem Fachbuch wird ein Konzept zur effizienten Bewältigung von flächigen Unwetterlagen beschrieben. Basis hierfür bildet ein vierstufiges Unwetterkonzept, in dessen Mittelpunkt die Organisation des sogenannten »Führungshauses« als Befehlsstelle mit Sitz der Einsatzleitung auf Gemeindeebene steht. Neben organisatorischen und einsatztaktischen Aspekten zur Führung und Disposition werden gleichermaßen auch (unwetter-)spezifische Führungs- und Einsatzmittel vorgestellt, die zu einer effizienten Einsatzbewältigung beitragen. Da Unwetterlagen schnell Größenordnungen erreichen können, die neben Maßnahmen der operativen Gefahrenabwehr auch verwaltungstypische Entscheidungen erfordern, wird im Rahmen der Ausführungen auch der Bedarf einer »Verwaltungsgruppe« auf Gemeindeebene verdeutlicht und praktische Hinweise zur Arbeit und Aufstellung einer solchen Gruppe gegeben. Damit einhergehend soll zum einen bei Verantwortungsträgern von Feuerwehr und Gemeindeverwaltung das Bewusstsein geschaffen werden, dass der erste Schritt einer effizienten Einsatzbewältigung in einer systematischen Vorbereitung begründet liegt und die Vorbereitung nicht erst bei Ereigniseintritt beginnen darf! Zum anderen soll das Verständnis gefördert werden, dass die Weichen für eine erfolgreiche Bewältigung der Flächenlage im Führungshaus der Gemeinde gestellt werden und nicht an der einzelnen Einsatzstelle vor Ort!
[17]Obwohl viele Feuerwehren bereits über individuelle Systeme zur Bewältigung von Unwetterlagen verfügen, zeigen Erfahrungswerte, dass es oftmals noch einer ganzheitlichen Betrachtung von organisatorischen, taktischen, technischen und administrativen Gesichtspunkten bei solchen Lagen bedarf. Häufig sind dort nur einzelne Bausteine oder Teilprozesse organisiert bzw. systematisiert. Die vielmals auf Kreisebene existierenden Flächenlagenkonzepte helfen örtlichen Feuerwehren in diesem Zusammenhang nur bedingt weiter, da diese überwiegend allgemeine Abläufe auf Kreisebene regeln, wie beispielsweise die Alarmierung oder die Kommunikation, nicht hingegen konkrete Abläufe auf Gemeindeebene.
Vor diesem Hintergrund soll das vorliegende Fachbuch denjenigen Feuerwehren, die bisher noch kein Konzept zur Bewältigung von Unwetterlagen besitzen, als Grundlage dienen, um ein eigenes Unwetterkonzept entsprechend den örtlichen Verhältnissen zu erarbeiten und umzusetzen.
Feuerwehren hingegen, die bereits über individuelle Systeme verfügen, können von den dargebotenen Inhalten profitieren, indem sie einzelne Aspekte, die bisher in »ihrem System« unberücksichtigt geblieben sind, individuell und bedarfsgerecht in ihr bestehendes System integrieren. Insofern sollen bestehende Konzepte einzelner Feuerwehren nicht ersetzt, sondern vielmehr ergänzt werden! Dies wird durch die ganzheitlich vorgenommene Betrachtung des Themas ermöglicht.
Auch wenn mit dem vorliegenden Fachbuch das Ziel angestrebt wird, das Thema Unwetterlagenbewältigung in der Gesamtheit zu betrachten, ist es nicht möglich, jeden damit zusammenhängenden Aspekt aufzugreifen und allumfassend zu behandeln. Deshalb wird an einzelnen Stellen bewusst auf bereits bestehende Literatur verwiesen, da vorhandene Themenfelder nicht grundlegend von neuem aufgerollt werden sollen.
Insgesamt ist es dem Autor wichtig, dieses bedeutende Thema in Feuerwehren zu verankern und das vorliegende Fachbuch weiterzuentwickeln. Im Sinne eines fachlichen Austausches dürfen daher Fragen oder Anregungen zu den Inhalten gerne an nachfolgende Kontaktadresse gerichtet werden: [email protected]

[18]2 Grundlagen zur Organisation und Führung von Unwetterlagen

In diesem Kapitel sollen zunächst Grundlagen vorgestellt werden, die im Zusammenhang mit der Organisation und Führung von flächigen Unwetterlagen von Bedeutung sind. Hierzu dient als wesentliche Vorlage das in der Feuerwehrdienstvorschrift (FwDV) 100 beschriebene Führungssystem, aus welchem nützliche Aspekte zur Führung und Leitung von Unwetterlagen abgeleitet werden können. Aber auch der Übergang von Leitstellenaufgaben auf die örtlichen Feuerwehren ist, zusammen mit der Vorhersehbarkeit von Unwetterereignissen, Gegenstand dieses Kapitels. Die resultierenden Erkenntnisse werden in Kapitel 2.6 zusammengefasst.

2.1 Unterscheidungsmerkmale flächendeckender und punktueller Einsatzlagen

Neben der Unterscheidung nach Kategorie (Brand und Technische Hilfeleistung) und Art (Zimmerbrand, Verkehrsunfall etc.) lassen sich Einsätze u. a. auch in alltägliche und nicht alltägliche Schadenslagen einteilen. Beide Schadenslagen weisen unterschiedliche Charakteristiken auf, die für die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Unwetterlagenbewältigung von zentraler Bedeutung sind und daher nachfolgend gegenübergestellt werden sollen.

2.1.1 Alltägliche Schadenslagen

Als alltägliche Schadenslagen können Einsätze bezeichnet werden, die in jeder Gemeinde täglich auftreten und auf örtlicher Ebene mit einer Einheit in der Größenordnung eines (erweiterten) Zuges bewältigt werden können. Als Beispiel kann ein Zimmerbrand in einem Wohngebäude genannt werden, wie in Bild 1 veranschaulicht. Dies entspricht der Führungsstufe B nach FwDV 100, auf die zu späterem Zeitpunkt in Kapitel 2.2 noch näher eingegangen wird. Im Regelfall liegt eine Einsatzstelle vor, für die alle erforderlichen Einsatzmittel eingesetzt werden können. Nur selten kommt es innerhalb einer Gemeinde zu einem parallelen Schadensereignis, sodass mehr als eine Einsatzstelle zeitgleich bedient werden muss.
Bild 1: Ein Zimmerbrand stellt eine alltägliche Schadenslage dar (Quelle: Feuerwehr Stuttgart)
[19]Bild 1: Ein Zimmerbrand stellt eine alltägliche Schadenslage dar (Quelle: Feuerwehr Stuttgart) [zurück]
[20]Die Alarmierung der Feuerwehren erfolgt zentral über die zuständige Leitstelle, ebenso die Disposition von Ersteinsatzmitteln und Einheiten der überörtlichen Hilfe. Grundlage hierfür stellen Alarm- und Ausrückeordnungen (AAO) dar, die primär von den Gemeinden selbst festgelegt werden.
Neben der Leitstelle und ggf. einer vor Ort eingerichteten Führungsunterstützung kann auch die Einsatzzentrale im örtlichen Feuerwehrhaus als Führungsunterstützungskomponente dienen. Häufig werden über solche örtliche Einsatzzentralen organisatorische und logistische Aufgaben auf örtlicher Ebene wahrgenommen. Hierunter fallen beispielsweise telefonische Verständigungen von Personen auf Gemeindeebene und die Protokollierung von Einsatz- bzw. Personaldaten. Die Nachforderung von Einheiten der eigenen Feuerwehr findet ebenfalls über die örtliche Einsatzzentrale statt.
Die Funkkommunikation zwischen Einsatzstelle und Leitstelle sowie zwisc...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titel
  3. Copyright
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Grundlagen zur Organisation und Führung von Unwetterlagen
  8. 3 Konzept zur effizienten Bewältigung von Unwetterlagen auf Gemeindeebene
  9. 4 Ausbildung und Umsetzung des Konzeptes
  10. 5 Fazit
  11. Abkürzungsverzeichnis
  12. Literatur- und Quellenverzeichnis