Psycho-soziale Beratung von Migranten
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Psycho-soziale Beratung von Migranten

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Psycho-soziale Beratung von Migranten

About this book

Migranten/innen und ihre Familien bilden heute in allen Bereichen der Beratung eine wichtige Adressatengruppe. Insbesondere die psycho-soziale Beratung vulnerabler Zielgruppen bildet dabei ein Praxisfeld von wachsender Bedeutung. Sie hat zunehmend damit zu tun, ein Gegengewicht zur ethnischen Segregation von Zuwanderern zu bilden sowie soziale und gesundheitliche Belastungen abzufedern. Der erste Teil des Buches beantwortet Fragen nach den sozialen, kulturellen, aber auch psychischen Besonderheiten der Zielgruppe der Migranten/innen. Die folgenden beiden Teile behandeln zum einen für Kinder und Jugendliche, zum anderen für Erwachsene bewährte Methoden in der Beratung auf der Basis interkultureller Kompetenzen und eines kultursensiblen Vorgehens.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2013
eBook ISBN
9783170275560

Beratung für Kinder und Jugendliche

Grundorientierungen in der Erziehungsberatung

Jürgen Kriz

1 Pluralität der Weltzugänge

Unsere modernen pluralistischen Gesellschaften zeichnen sich durch eine Vielfalt an Lebensgeschichten, Gewohnheiten, Vorlieben, Werten und Lebenszielen aus. Diese Vielfalt der Perspektiven wird üblicherweise nicht als ein Nachteil gesehen, den man auf einem noch mangelhaften Stand wissenschaftlicher Forschung in Kauf nehmen müsse, der aber möglichst bald in Richtung auf eine »wissenschaftlich begründete« Grundorientierung zu überwinden sei. Vielmehr besteht weitgehend Konsens darin, dass eine Gesellschaftsform, in der die eben skizzierte Vielfalt der Lebensweisen und »Weltzugänge« ideologisch gleichgeschaltet wäre, keineswegs anzustreben sei, sondern dahingehende Tendenzen eher zu bekämpfen wären. Die beträchtlichen Unterschiede in den impliziten und expliziten Antworten auf die Frage: »Wie wollen wir leben?« werden daher in demokratischen Gesellschaften nicht als Bedrohung oder unerwünschte Abweichungen vom Durchschnitt begriffen (sofern sie mit den Grundkonsensen der Gesellschaft nicht in Widerspruch stehen), sondern als positive Leistung einer Kultur und damit als etwas Erhaltenswertes oder gar Förderungswürdiges.
Diese große Bedeutung der Perspektivenvielfalt in Erinnerung zu rufen und zu Beginn dieses Beitrags herauszustellen, scheint deshalb notwendig, weil es auch in der Erziehungsberatung – herüberschwappend von starken Strömungen in der Klinischen Psychologie und Psychotherapie – gegenwärtig Kräfte gibt, vor dem Hintergrund eines fragwürdigen Wissenschaftsverständnis diese Pluralität einzuschränken. Dies geschieht dadurch, dass die Vielfalt hoch komplexer Ansätze, die es in der Erziehungsberatung (noch) gibt, einem Bewertungsverfahren unterzogen wird, das nur solche operational reduzierten Vorgehensweisen zulässt, die einer rein positivistisch verstandenen und vermessenen »Effektivität« genügen, wobei für letztere wiederum eher formale als inhaltliche Parameter ausschlaggebend sind. Dass dabei manch Sinnvolles und auch – komplexer wirkendes – Effizientes »auf der (Mess-)Strecke« bleibt, sollte nicht wundern. So wie auch Pferde kaum überleben dürften, wenn man die Forderung stellt, dass diese aus Sicherheitsgründen nach Kriterien des Auto-TÜV überprüft werden müssten und daher z. B. die Erfüllung der Parameter-Vorgaben für Benzineinfüllstutzen und Fußbremsen unabdingbar seien. Dass im Bereich der Psychotherapie hierzulande eine ehemals blühende Landschaft auf diese Weise innerhalb weniger Jahre auf zwei gut abgegrenzte Monokulturen reduziert wurde (die psychodynamische und die verhaltenstherapeutische Orientierung), sollte jedenfalls der Erziehungsberatung als warnendes Beispiel dienen. Zumal der psychodynamische Zugang in diesem Kräftespiel nur aufgrund seiner Verankerung in der Ärzteschaft eine Überlebenschance hatte – was aber für die Erziehungsberatung nicht gilt, so dass hier eine reine Monokultur zu befürchten wäre.
Es handelt sich bei solchen Bestrebungen aber nicht nur um eine, wissenschaftstheoretisch gesehen, Missdeutung von »Wissenschaftlichkeit« – denn Wissenschaft soll primär der Aufgabe dienen, scheinbare »Selbstverständlichkeiten« kritisch zu hinterfragen und damit (trotz Aufzeigen auch von Irrtümern und Sackgassen) Denk- und Möglichkeitsräume immer wieder zu erweitern und nicht vor dem Hintergrund unhinterfragbarer »Wahrheiten« als Wächter Denk-, Handlungs-(und sogar: Forschungs-)Räume zu beschneiden. Vielmehr wird auch verkannt, dass sowohl die Tätigkeit von Erziehungsberatung selbst als auch die systematische Reflexion über die Grundstrukturen und Wirkungsweisen dieser Tätigkeit – also die wissenschaftliche (Er-)Forschung der Erziehungsberatung – in besonderem Maße die Pluralität der »Weltzugänge« widerspiegelt. Denn selbst unter wünschenswerter maximaler Einbeziehung der Erkenntnisse aus »wertfreien« Wissenschaften bezieht sich die Erziehungsberatung im Kern immer auf sinnhafte und interventionistische Beziehungen zwischen Beratern und ihrem Klientel im Rahmen einer Gesellschaft.
Mehr als andere interventionistische Tätigkeiten (z. B. technische Veränderungen, biologische Eingriffe, ja selbst Vorgehensweisen im Bereich der somatischen Medizin) wirken Erziehungsberatung und Psychotherapie in die Struktur von Sinndeutungen hinein. Es geht darum, wie Menschen sich relativ zu einer Sozialgemeinschaft (und ihren Untergruppierungen) biografisch und narrativ in »Vergangenheit« einordnen und auf »Zukunft« hin entwerfen. Selbst die Entscheidung, eine als isoliert verstandene »Lernstörung wegkonditionieren« zu lassen, kommt nicht ohne zumindest implizite Stellungnahme zu Lerngeschichten und zu Bedeutungskontexten aus. Auf der anderen Seite ist Erziehungsberatung – mehr als viele andere Bereiche, die ebenfalls in besonderem Maße Sinn- und narrative Strukturen zum Gegenstand haben, wie z. B. Soziologie, Theologie oder Literaturwissenschaft – auf interventionistische Veränderung dieser Lebenswelt ausgerichtet.
Die Fragen danach, wie wir leben wollen, was wir für wesentlich erachten, aus welchem Bild vom Menschen wir die Maximen unseres Handelns ableiten etc., betreffen daher nicht nur das konkrete Handeln selbst, sondern auch dessen Erforschung im Bereich von Erziehungsberatung. Zu einem bedeutsamen Teil hat Erziehungsberatung nämlich direkt oder indirekt mit Vorstellungen der Menschen über Entwicklung, Erziehung, Verhaltensursachen, Veränderung etc. zu tun – also mit Alltagstheorien über denselben Gegenstandsbereich, über den auch Erziehungsberatung aus wissenschaftlicher Perspektive ihre Aussagen trifft. Diese Alltagstheorien sind wiederum durchsetzt von einem Spektrum aus hinreichend korrekten bis absurden Teilen und Abbildern der wissenschaftlichen Literatur über Erziehungsberatung und ihrer zugrunde liegenden Theorien und Grundorientierungen. Dies führt zu erheblichen Interferenzen, die wiederum theoretisch wie praktisch mit berücksichtigt werden müssen.

2 Grundlegende Standpunkte und Perspektiven

Bevor wir die Grundorientierungen in der Erziehungsberatung so darstellen, wie sie in einem großen Bereich der Diskurse unterschieden werden – nämlich die psychodynamische, die behaviorale, die humanistische und die systemische Grundorientierung – sollen noch grundsätzlichere Standpunkte und Perspektiven in der Pluralität der Weltzugänge angesprochen werden. Diese beruhen auf grundlegenden Fragen und Problemen, die in den Diskursen über die Grundorientierungen eine Rolle spielen und der (meist impliziten) Entscheidung für eine bestimmte Position zugrunde liegen, ohne dass sie jeweils eindeutig diesen Grundorientierungen zugeordnet werden könnten oder gar darin aufgingen.

2.1 Innenwelt versus Außensicht

Ähnlich wie in der Psychotherapie treffen auch in der Erziehungsberatung zwei grundsätzlich unterschiedliche Perspektiven zusammen:
Außensicht: Man kann einerseits den Menschen hinsichtlich seiner biochemischen, neuronalen, verhaltensmäßigen Aspekte und deren Korrelate zu Reizkonfigurationen, seine Antworten auf Fragebögen und seine verbalen Aussagen, seine Berichte über Ängste, Ziele, Wertvorstellungen, vermutete logische Zusammenhänge etc. untersuchen. Obwohl hier bereits unterschiedliche Teilperspektiven aufgezählt wurden – ein streng behavioraler Ansatz würde zumindest die letzten beiden nicht berücksichtigen – bleibt es doch die Sicht von außen.
Innenwelt: Im Unterschied dazu weiß jeder Mensch, dass sein gesehenes »Rot«, seine »Angst«, seine »Werte« für ihn etwas grundsätzlich anderes sind als das, was sich in physiologischen Messungen, Antworten in Fragebögen oder auch in verbalen Berichten widerspiegelt. Seine erlebte Innenwelt bleibt letztlich privat, auch wenn er den (vermutlich überwiegenden) Teil jener Strukturen, mit denen er auf sich selbst und »die Welt« Bezug nimmt, in bedeutsamen sozialen Beziehungen erworben und entfaltet hat. Auf der Basis eigener erlebter Innenwelten, ererbter und gelernter Kommunikationsmittel (Affekte und Sprache) sowie gemeinsamer Kultur gelingt es, empathisch (einfühlend) und hermeneutisch (verstehend) etwas über die Innenwelt des Gegenüber zu erschließen. Aber es kann – bestenfalls – sinnvolle, bedeutsame, erlebensintensive und handlungsrelevante Interaktionen über gegenseitig letztlich individuell-persönliche Innenwelten geben.
Uns interessieren hier weniger die erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundsatzdebatten zu dieser Problematik – diese füllen bereits viele Regale in Bibliotheken und liefern immer noch weiteres Material. Es geht vielmehr darum, dass nicht nur Begriffe wie »Selbst«, »Hermeneutik«, »Biografie« diese Innenaußen-Differenz reflektieren, sondern auch mit Konzepten wie »Coping« oder »Stress« zunehmend deutlich wird, dass beispielsweise außenweltliche, beschriebene Belastungsfaktoren empirisch und theoretisch nicht hinreichend sind, sondern notwendig die innenweltliche, subjekt-bedeutsame Perspektive mit einbezogen werden muss. Konzepte in der Erziehungsberatung müssten daher beide – sehr voneinander zu unterscheidende – Perspektiven berücksichtigen. Es sei betont, dass diese Differenz keineswegs in der im nächsten Abschnitt diskutierten Unterscheidung »Natur versus Kultur« voll abgebildet werden kann.

2.2 Natur versus Kultur

»Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir.« Dieser 1894 formulierte und oft zitierte Satz von Wilhelm Dilthey weist auf einen bedeutsamen Perspektiven-Unterschied im alltäglichen wie wissenschaftlichen Umgang mit Phänomenen hin. Dies lässt sich anhand eines Beispiels weiter erhellen (Slunecko & Mayer, 1999):
Ein Forscher erblickt in einem ihm unbekannten Tal eine Ansammlung von verwitterten, eingekerbten Steinen und untersucht diese zunächst mit geologischen und anderen naturwissenschaftlichen Fragestellungen und Methoden, bis er plötzlich entdeckt, dass es sich um eine Formation aus Grabsteinen handelt und die Kerbungen offenbar Zeichen darstellen.
Damit geraten nun die Intentionen der menschlichen Handlungen in den Fokus: Nicht die Ursachen, sondern die Gründe für die Kerbungen und die Steinformation sind nun wichtig. Was sollen diese bedeuten und für wen soll(t)en sie etwas bedeuten? Um dies zu erforschen, muss versucht werden, Wissen über die Lebensumstände, die Geschichte, die Glaubenssysteme – kurz: die Kultur – dieser zu gewinnen (bzw. vorhandenes Wissen unter dieser Perspektive zusammenzustellen).
Es dürfte kaum zu bestreiten sein, dass diese Kultur-Perspektive für die Psychotherapie sehr bedeutsam ist. Die Aussage eines Patienten ist selten als Naturvorgang zu fassen, den es objektiv nomothetisch (gesetzmäßig) zu erklären gilt, sondern als Kulturvorgang, der subjektiv und kommunikativ idiographisch (Eigentümliches, Einmaliges beschreibend) verstanden werden muss. Zusätzlich treffen auch hier die o. a. Innen- und Außenperspektive aufeinander, da sich der Mensch wesentlich selbst verstehen muss als jemand, dessen persönliche (Auto-)Biografie hinreichend konsistent einer Vergangenheit bedarf und sich auf eine Zukunft hin entwerfen kann.
Welche Eigenschaften, Defizite und Symptome hat jemand (und »ich selbst«), welche Leistungen und Verhaltensweisen werden (wie stark, wie oft, wann etc.) gezeigt? – Diese Perspektive unterscheidet sich von Fragen wie: »Als wen sehe ich mich, wer bin ich geworden, was will ich im Leben erreichen?« und dem Erleben, verstanden zu werden, oder von dem, was wir mit Geborgenheit oder mit Sinnlosigkeit meinen.
Bekanntlich ist der Mensch sowohl in der frühen Entwicklung der Persönlichkeit und des Selbstbewusstseins als auch später zumindest in hinreichendem Maße auf das empathische Verstehen signifikanter Anderer angewiesen und die Realität baut sich bedeutsam aus den kulturellen Strukturen auf, wie schon die Sprache zeigt. Gleichzeitig aber sind Verstehens-, Bewusstseins-, Handlungs- und Sprachprozesse nicht nur allgemein in Naturvorgänge eingebettet, sondern auch spezifisch von diesen abhängig: Wird das Gehirn funktionsunfähig, so hört jedes psychische Geschehen auf; dies gilt in spezifischer Weise auch für ganz bestimmte, oft hoch spezialisierte neuronale und psychische Zusammenhänge bei Ausfällen und Leistungen (auch wenn die interindividuelle Plastizität und die interindividuelle Varianz der Befunde und Befindlichkeiten im Laufe der Forschung zunehmend höher eingeschätzt wird).
Ferner verändern Entwicklungsvorgänge oder die Zufuhr bestimmter Substanzen das subjektive Erleben und beobachtbares Handeln; das Gefühlsleben ist an die Funktion bestimmter Drüsen gebunden etc. Alle diese somatischen Vorgänge lassen sich im Rahmen der Naturwissenschaft untersuchen und deren Perspektive lässt sich auf die Zusammenhänge zwischen somatischen und psychischen Vorgängen (durch Introspektion oder deren Äußerungen bei anderen) ausdehnen. Ferner lassen sich bestimmte Aspe...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Grundlagen – Migration und Beratung
  7. Beratung für Kinder und Jugendliche
  8. Beratung für Erwachsene
  9. Die Herausgeber
  10. Autorinnen und Autoren