Leben mit Tourette-Syndrom

Ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige, Therapeuten und Lehrer

Mal Leicester, Wolfram Kawohl

• Publisher: Kohlhammer
• Year: 2015
• eBook ISBN: 9783170297210
• Edition: 1
• Topic: Medicine
• Subtopic: Psychiatry & Mental Health

Immer wieder wird von Eltern, Betroffenen und Lehrern sowie in der klinischen und schulpsychologischen Praxis nach Ratgebern zum Umgang mit dem Gilles-de-la-Tourette-Syndrom gefragt. Mit dem Büchlein "Leben mit Tourette-Syndrom" liegt nun auch in deutscher Übersetzung ein gut verständliches und anschauliches Werk vor.Max, ein neunjähriger Junge mit Tourette-Syndrom, erzählt darin über seinen Alltag in Familie, Schule und Freizeit. Darüber hinaus sind gut umsetzbare Tipps für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie fachliche Informationen zum Krankheitsbild aufgeführt.

 

 

 

 

 

Leben mit Tourette-Syndrom: Was man tun und nicht tun sollte

 

»Dies ist meine Liste, was du tun und nicht tun solltest, wenn du ein Tourette-Syndrom hast.

Unbedingt machen

•  Probiere verschiedene Hobbys aus und finde heraus, was dir wirklich hilft, ein Weilchen ohne Tics zu sein.

•  Versuche so offen wie möglich zu den Leuten in der Schule zu sein, selbst wenn du eigentlich scheu bist, und verbringe Zeit mit Freunden, die dich so nehmen, wie du bist.

•  Mache Sport.

•  Lerne, dich zu entspannen, zum Beispiel durch tiefes Atmen oder Musik oder was auch immer bei dir funktioniert.⁶

•  Gib nicht auf. Manche Kinder verlieren ihr TS, wenn sie älter werden, und hoffentlich finden die Forscher eines Tages heraus, wie man TS heilen kann.

Auf keinen Fall machen

•  Mach dir keine Vorwürfe, du kannst nichts dafür.

•  Mach deinen Eltern keine Vorwürfe, die können auch nichts dafür, niemand kann etwas dafür. Falls deine Mutter oder dein Vater auch TS hat, was durchaus vorkommt, kann sie oder er trotzdem nichts dafür.

•  Lass dir nichts gefallen. Wenn andere dich ärgern oder mobben, sage es deinen Eltern oder einer Lehrerin oder einem Lehrer, dem du vertraust.

•  Glaube bloß nicht, dass du der Einzige bist, der TS hat. Es gibt viele andere interessante Leute mit einem Tourette-Syndrom, darunter sogar einige richtige Stars.«

»Dies ist meine Liste, was du tun und lassen solltest, wenn du nicht Tourette hast, aber anderen Leuten helfen möchtest, die es haben.

Unbedingt machen

•  Versuche zu verstehen, dass wir unsere Tics nicht extra machen, selbst wenn du dir das kaum vorstellen kannst.

•  Mach dir klar, dass wir die gleichen Gefühle haben wie du auch.

•  Sei offen und freundlich zu uns.

•  Du kannst uns gerne auf unsere Tics ansprechen, wenn du wirklich etwas darüber wissen möchtest, aber mach das bitte vorsichtig und freundlich.

•  Versuche dir vorzustellen, wie es ist, Tics zu haben.

Auf keinen Fall machen

•  Äffe uns nicht nach.

•  Halte dich nicht zu viel mit unseren Tics auf.

•  Ärgere uns nicht und gib uns keine Spitznamen wegen unseres TS.«

 

6     Anmerkung des Übersetzers: Es gibt Betroffene, die sich nicht gerne entspannen, weil dann ihre Tics noch schlimmer werden. Dies sollte in jedem Fall berücksichtigt werden.

Fakten zum Tourette-Syndrom

• Das Tourette-Syndrom ist nach Georges Gilles de la Tourette benannt, einem französischen Arzt, der im Jahre 1885 eine Fallbeschreibung über neun Betroffene veröffentlicht hat.

• Die genaue Ursache der TS-Erkrankung ist unbekannt, man weiß jedoch, dass verschiedene Gene beteiligt sind.

• Ursache der Tics ist eine Störung in den Hirnregionen, in denen die Planung, Ausführung und auch Verhinderung von Bewegungen stattfindet. Dies gilt in ähnlicher Art und Weise auch für die Zwangserkrankung.

• In der Schweiz und in Österreich dürften jeweils über 80.000 Leute leben, die ein TS haben oder hatten, in Deutschland gilt dies für ca. 800.000.

• Die Worte, die bei vokalen Tics verwendet werden, entsprechen nicht den Gedanken des Betroffenen.

• TS kann zu Ärger mit Leuten führen, die nichts darüber wissen, z. B. mit Lehrern, Polizisten, Busfahrern etc.

• Damit ein Arzt ein TS diagnostizieren kann, müssen sowohl mehrere motorische Tics als auch mindestens ein vokaler Tic über mindestens ein Jahr vorhanden sein.

• Die Erkrankung tritt erstmals in Kindheit und Jugend auf.

• Die Behandlung umfasst Medikation, ein psychotherapeutisches Verfahren, das sogenannte Habit-Reversal-Training, in einzelnen Fällen auch Entspannungsverfahren sowie Meditation und zum Beispiel Yoga. Auch Sport tut vielen Betroffenen sehr gut. Bezüglich Homöopathie, Akupunktur oder spezieller Ernährung gibt es keine Hinweise auf deren Wirksamkeit.

• TS tritt bei ungefähr einem Prozent aller Schulkinder auf. Die Intelligenz ist nicht vom TS betroffen, obwohl TS-Patienten Lernschwierigkeiten haben können.

• TS kommt bei Jungen drei- bis viermal häufiger vor als bei Mädchen. (Wenn in diesem Buch von »er« oder »ihm« die Rede ist, liegt das daran. Auf Mädchen trifft das alles jedoch genauso zu.)

• Nur ein kleiner Prozentsatz der Betroffenen leidet unter Koprolalie, also dem Ausstoßen von Schimpfwörtern. Wenn solche Beschimpfungen vorkommen, entspricht das nicht den Gedanken der Betroffenen. Es ist nicht böse gemeint.

• Ärger und Wut können im Zusammenhang mit der Unterdrückung von Tics auftreten. Falls es in der Schule zu einem Wutausbruch kommt, sollte der Lehrer dies mit dem betroffenen Kind nachbesprechen. Könnte es gegebenenfalls versuchen, seine Gefühle auch anders auszudrücken?

• Das Berühren der eigenen Genitalien oder der Genitalien anderer in zwanghafter Art und Weise kann beschämend sein und großen Ärger auslösen. Auch dies kommt eher selten vor, kann aber zum TS dazugehören. Es sollte versucht werden, dies therapeu...

Table of contents

• Deckblatt
• Titelseite
• Impressum
• Inhalt
• Einführung zur deutschen Ausgabe
• Vorwort
• Danksagung
• Einleitung
• Vorstellung von Max, der Tourette-Syndrom hat
• Tics und Tourette-Syndrom
• Mit anderen Kindern
• Zu Hause
• In der Schule
• Mein Fingerspielzeug
• Wie alles herauskam
• Die Selbsthilfegruppe: Tourette-Syndrom und anderes
• Was lässt mich ticken? Auslöser und Behandlung
• Leben mit Tourette-Syndrom: Hunde und anderes Hilfreiches
• Leben mit Tourette-Syndrom: Was man tun und nicht tun sollte
• Fakten zum Tourette-Syndrom
• Wie Lehrer helfen können
• Wie die Schule helfen kann
• Informationen für Eltern und Profis
• Bücher, Fachgesellschaften und andere Hilfen