Selbstmanagement bei chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter
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Selbstmanagement bei chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

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Selbstmanagement bei chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

About this book

In der Behandlung chronisch kranker Kinder und Jugendlicher gewinnt die systematische Förderung des Selbstmanagements zunehmend an Bedeutung. Im Mittelpunkt steht dabei das BemĂŒhen, den jungen Patienten und seine Familie in die Lage zu versetzen, ein hohes Maß an Eigenverantwortung fĂŒr die Therapiemaßnahmen zu ĂŒbernehmen. Dieser Band befasst sich mit dem Begriff des Selbstmanagements, den entwicklungspsychologischen, motivationspsychologischen und gesundheitspsychologischen Grundlagen des Selbstmanagements, den kulturspezifischen Besonderheiten und den Rahmenbedingungen fĂŒr die Implementierung von Selbstmanagement. Zudem wird auf die Anwendung von Selbstmanagementtechniken bei einzelnen Krankheitsbildern sowie auf spezifische Techniken des Selbstmanagements eingegangen.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2010
Print ISBN
9783170208407
eBook ISBN
9783170281424

III Anwendung von Selbstmanagement-Techniken bei chronischen Erkrankungen

10 Selbstmanagement bei Asthma bronchiale

Gerd Schauerte und Franz Petermann

10.1 Einleitung

Asthma bronchiale ist die hĂ€ufigste chronische Erkrankung im Kindesalter und bei mindestens 70 % dieser Kinder liegt das Manifestationsalter vor dem fĂŒnften Lebensjahr. Die Behandlung des Asthmas bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich, im Vergleich zu der bei erwachsenen Asthmatikern, weniger inhaltlich, sondern vielmehr durch die besonderen altersspezifischen Faktoren, die entscheidend die QualitĂ€t des Behandlungsregimes beeinflussen. Sowohl die medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie, das Selbstmonitoring, die Patientenschulung als auch die kurz- und langfristige Ă€rztliche Betreuung der betroffenen Kinder und Jugendlichen trĂ€gt diesen altersspezifischen Faktoren Rechnung.

10.2 Nationale Versorgungsleitlinie

Asthma bronchiale gehört im Kindes- und Erwachsenenalter zu den hĂ€ufigsten chronischen Erkrankungen. Es existieren fĂŒr dieses Krankheitsbild schon seit Jahren Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften. Diese Leitlinien wurden in Anlehnung an internationale Richtlinien in einer Nationalen Versorgungsleitlinie in Deutschland zusammengefasst. Hierbei sind sowohl die Internationalen Leitlinien (GINA, 2008) als auch Ă€ltere Nationale Leitlinien eingeflossen. Eine erste Nationale Versorgungsleitlinie wurde im Jahr 2005, eine ĂŒberarbeitete Fassung im Dezember 2009 veröffentlicht (NVL, 2009).

10.3 Definition und ErlÀuterungen

Asthma bronchiale ist eine chronisch entzĂŒndliche Erkrankung der Atemwege mit Obstruktionen der großen und kleinen Atemwege. Die Obstruktionen sind zumindest zum Teil reversibel. Grundlage der chronischen EntzĂŒndung der Atemwege ist bei Kindern und Jugendlichen zumeist eine allergische Reaktion auf Aeroallergene (NVL, 2009). Die AusprĂ€gung dieser Erkrankung ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich, auch im Verlauf kommt es zu deutlichen Schwankungen der Krankheitsschwere. So können im Verlauf des Kindes- und Jugendalters lĂ€ngere Perioden eines stabilen Zustands mit keiner oder geringer Verengung der Atemwege sowie instabile Episoden mit akuter schwerer lebensbedrohlicher oder zumindest bedrohlich wirkender Atemnot auftreten. In der Regel ist fĂŒr eine Verschlechterung (Exazerbation) des Asthmas bronchiale mit akuter Atemnot ein Auslösefaktor zu finden. Die Atemnotauslöser können in verschiedene Kategorien eingeordnet werden:
  • Aeroallergene (z. B. Pollen von GrĂ€sern, BĂ€umen oder KrĂ€utern, Hausstaubmilben, Tierhaare, Schimmelpilze),
  • allgemeine Reize (wie z. B. Infekte, kalte Luft, Nebel, Zigarettenrauch, Staubbelastung)
  • seelische und
  • körperliche Belastung.
WĂ€hrend etwa die körperliche Belastung im Sinne von Sport oder trockener kalter Luft nur zu einer kurzfristigen Verengung der Atemwege aufgrund einer Verkrampfung der Bronchialmuskulatur fĂŒhrt, mĂŒnden Infekte oder Allergenbelastung meist in einer erhöhten EntzĂŒndungsaktivitĂ€t mit einer lĂ€ngerfristigen Verschlechterung der Atemwegssituation.

10.4 Klassifikation und Verlaufsdiagnostik

In Deutschland erfolgte bis zur EinfĂŒhrung der Nationalen Versorgungsleitlinie 2009 und international bis etwa zum Jahr 2007 die Einteilung des Asthmas bronchiale nach Asthma-Schweregraden. Hierbei wurde die SymptomhĂ€ufigkeit vor Behandlungsbeginn als wichtigstes Kriterium des Asthma-Schweregrades gewertet. Die Schweregradeinteilung war gerade im Kindes- und Jugendalter hĂ€ufig nur schwer korrekt möglich, da die meisten Kinder ĂŒber viele Jahre eine antiasthmatische Dauertherapie erhielten und so der Schweregrad (ohne Therapie) nicht exakt bestimmt werden konnte. In amerikanischen Leitlinien wurde deshalb die SymptomhĂ€ufigkeit mit der aktuellen Therapiestufe kombiniert, um hiermit den Schweregrad festzulegen. Dieses relativ komplexe Vorgehen hat sich jedoch nicht durchsetzen können. Im Jahr 2007 wurde erstmalig von der Global Initiative against Asthma (GINA) eine Klassifikation vorgeschlagen, die sich primĂ€r am Grad der Asthmakontrolle unter der jeweiligen Therapie orientiert. Es wurden drei Stufen vorgeschlagen:
  1. Kontrolliertes,
  2. teilweise kontrolliertes und
  3. nicht kontrolliertes Asthma bronchiale.
Diese Einteilungsklassifikation hat jetzt auch Eingang in die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma bronchiale Deutschland aus dem Jahr 2009 gefunden (NVL, 2009). Dabei wird eine beliebige Woche innerhalb des letzten Monats als Bezugswoche angesehen und bestimmte Kriterien innerhalb dieser Woche beim Patienten erfragt (s. Tab. 10.1).
Tab. 10.1: Grad der Asthmakontrolle Kinder (RĂŒckblick auf eine beliebige Woche innerhalb der letzten 4 Wochen) lt. NVL, 2009
Kriterium
Kontrolliertes Asthma (alle Kriterien erfĂŒllt)
Teilweise kontrolliertes Asthma (ein bis zwei Kriterien innerhalb einer Woche erfĂŒllt)
Unkontrolliertes Asthma
Symptom(e) tagsĂŒber
Keine
Irgendein
Drei oder mehr Kriterien des „teilweise kontrollierten Asthmas“ innerhalb einer Woche erfĂŒllt
EinschrÀnkung von AktivitÀten im Alltag
Keine
Irgendeine
NĂ€chtliche Symptome/Erwachen
Keine
Irgendeine
Einsatz einer Bedarfsmedikation/Notfallbehandlung
Kein
Irgendein
Lungenfunktion (FEV1 oder PEF)
Normal
<80 % des Sollwerts (FEV1) oder des persönlichen Bestwerts (PEF)
Exazerbation1
Keine
Eine oder mehrere pro Jahr
Eine pro Woche
1 Jegliche Exazerbation in einer Woche bedeutet definitionsgemĂ€ĂŸ ein „unkontrolliertes Asthma“.
Definition Exazerbation: Episode mit Zunahme von Atemnot, Husten, pfeifenden AtemgerÀuschen und/oder Brustenge, die mit einem Abfall von PEF oder FEV1 einhergeht.
Bei kontrolliertem Asthma ist ggf. eine Therapiereduktion möglich, bei teilweise kontrolliertem Asthma ist ggf. eine Therapieintensivierung notwendig, bei nicht kontrolliertem Asthma ist eine Therapieintensivierung nahezu regelhaft einzuleiten. Dabei ist die Klassifikation primĂ€r von der Selbstwahrnehmung des Patienten abhĂ€ngig. Es handelt sich bis auf das Peak-Flow-Protokoll bzw. die Lungenfunktionsuntersuchung um anamnestische Angaben. Sind die subjektiven Angaben nicht korrekt, kann es zu einer fehlerhaften Therapiesteuerung kommen (Feldmann et al., 2007; Koinis-Mitchell et al., 2009). Werden also z. B. vom Patienten Symptome ĂŒberbewertet, das heißt z. B. banale Infektsymptome mit Asthma-Symptomen verwechselt, kann es zu einer Übertherapie eines Asthma bronchiale kommen. Dies ist gerade bei Kindern mit negativer affektiver Stimmungslage oft der Fall (Bender & Zhang, 2008). Andererseits werden Patienten mit fehlender Wahrnehmung einer Atemwegsobstruktion eher untertherapiert werden. Die in der Klassifikation verwandten Patientenangaben sind in Studien allerdings evaluiert worden und stimmen recht gut mit der EinschĂ€tzung von erfahrenen Pneumologen (Nathan et al., 2004) bzw. validen Messparametern ĂŒberein. In einer Studie bei Kindern (Liu et al., 2007) wird die SpezifitĂ€t mit 74 %, die SensitivitĂ€t mit 68 % angegeben; diese Angaben beziehen sich auf die Erkennung eines instabilen Asthmas mittels der subjektiven Parameter der Einteilung der Asthmakontrolle. Aufgrund dieser Klassifikation ist die Schulung einer korrekten Selbstwahrnehmung umso wichtiger.
Neben den anamnestischen Angaben kommt einer regelmĂ€ĂŸigen Peak-Flow-Messung zur Verlaufsdiagnostik ein wichtiger Stellenwert zu. Bei der Peak-Flow-Messung wird der maximale Fluss bei angestrengter Ausatmung gemessen. Dieser ist bei einer Verengung der Atemwege reduziert. Bei einem Peak-Flow-Abfall von 20 %, ausgehend vom Peak-Flow-Bestwert, ist mit einer signifikanten Obstruktion der Atemwege zu rechnen. Dabei ist ein verwertbarer Peak-Flow-Messwert von der korrekten DurchfĂŒhrung der Messung durch den Patienten abhĂ€ngig. Dementsprechend ist die EinĂŒbung dieser korrekten DurchfĂŒhrung dringend notwendig. Dabei können sowohl falsch hohe als auch falsch niedrige Werte erzeugt werden. Falsch niedrige Werte ergeben sich bei unzureichender Motivation auf Seiten des Patienten, falsch hohe Werte können sich durch eine falsche Messtechnik ergeben, z. B. Glottisverschluss vor dem Ausatmen (hustenartige Manöver) bzw. willentliche Falschmessung durch den Patienten. In der Arztpraxis kommen neben der Peak-Flow-Messung in der Regel weitere Lungenfunktionsmesswerte zum Einsatz, wie die sog. Fluss-Volumen-Kurve. Auch hier ist die Mitarbeit des Patienten zur korrekten Beurteilung entscheidend, allerdings können so geringergradige obstruktive Ventilationsstörungen festgestellt werden. Die Messungen vor und nach Einsatz von kurzwirksamen Beta-2-Mimetika erlauben den Nachweis einer Obstruktion mit anschließender Verbesserung bzw. Normalisierung der Atemwege und somit die Diagnosestellung eines Asthma bronchiale. In spezialisierten Arztpraxen kommen neben der Fluss-Volumen-Messung auch sog. Bodyplethysmographen zum Einsatz. Die Messung des Atemwegswiderstands im sog. Ganzkörper-Bodyplethysmographen ist deutlich weniger von der Mitarbeit des Patienten abhĂ€ngig. Eine verlĂ€ssliche Lungenfunktionsdiagnostik ist meist erst ab dem sechsten Lebensjahr, bei einigen Kindern jedoch auch schon ab dem vierten Lebensjahr, möglich. Besondere Schwierigkeiten bereitet die sichere Diagnosestellung eines Asthma bronchiale im Alter unterhalb des fĂŒnften Lebensjahres, da die Diagnosesicherung durch Lungenfunktionsuntersuchungen meist nicht möglich ist. Hier ergibt sich die Diagnose meist durch den Nachweis rezidivierender obstruktiver Erkrankungen (meist eindeutig durch die Auskultation nachweisbar) sowie den Nachweis einer Atopiebelastung in der Familie bzw. beim Patienten selbst. Entsprechende Scores zur Diagnose eines Asthma bronchiale (Castro-Rodriguez et al., 2000) haben sich hier...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Geleitwort
  6. Vorwort der Herausgeber
  7. I Grundlagen des Selbstmanagements
  8. II Rahmenbedingungen fĂŒr die Implementierung von Selbstmanagement
  9. III Anwendung von Selbstmanagement-Techniken bei chronischen Erkrankungen
  10. Stichwortverzeichnis
  11. Autorinnen und Autoren