Teil II: Aufbau transformationaler Führungskompetenz
4 Training transformationaler Führungskompetenz für potenzielle Nachwuchsführungskräfte
4.1 Trainingskonzept
Das hier vorgestellte Trainingskonzept, welches erfahrungsbasiertes Lernen ermöglicht und hierüber transformationale Führungskompetenz entwickelt, eignet sich für Nachwuchsführungskräfte, die noch keine bzw. geringe Führungserfahrung besitzen, kann mit seinen Elementen jedoch auch bei Führungskräften eingesetzt werden, die schon länger mit Führungsaufgaben betraut sind. Es gliedert sich in eine vorbereitende und eine begleitende Phase, die unterschiedliche Trainingselemente beinhalten.
Vorbereitende Phase
Ziel der vorbereitenden Phase ist es, die Teilnehmer mit den Prinzipien transformationaler Führung vertraut zu machen und sie für die Haltung als Coach und Mentor zu sensibilisieren und die erforderlichen Kompetenzen (weiter) zu entwickeln. In der Vorbereitungsphase haben wir dazu
Selbstlerneinheiten eingeführt, in denen sich die Teilnehmer theoretisch mit Konzepten und Methoden auseinandersetzen, die sie bei der Tätigkeit als transformationale Führungskraft umsetzen und nutzen werden. Hier geht es darum, die Teilnehmer eine Situation erleben zu lassen, in die sie als transformational agierende Führungskräfte auch ihre Mitarbeiter versetzen werden. Mit der geforderten eigenständigen Erarbeitung von Inhalten wird eine Selbstführung erwartet wie sie in ähnlicher Art auch von den Mitarbeitern in der Ausübung ihrer Tätigkeit verlangt wird (
Kap. 3.1). Wir haben sechs Theoriethemen identifiziert, die wir als sinnvolle, mit der transformationalen Führung eng verbundene Themen betrachten (
Tab. 2). Zu Trainingsbeginn erhalten die Teilnehmer eine Auswahl an Literatur, anhand derer sie sich auf die Themen vorbereiten können (
Anhang). In Workshops werden die erarbeiteten Inhalte besprochen,
Übungen und Rollenspiele dienen sowohl der Erprobung von Methoden, die in der transformationalen Führung zum Tragen kommen als auch der Reflexion der eigenen Haltung in typischen Führungssituationen. Förderlich für die Reflexion eigenen Verhaltens und eigener Haltungen sind hier zum einen
Videoanalysen, zum anderen
Peer-Feedback (
Kap. 3.1). Zentrales Element des gesamten Trainings ist die Leitung von
Projekten oder Teilprojekten, da diese zu den typischen Aufgaben von Nachwuchsführungskräften gehört. Insbesondere die »Leadership«-Aufgabe, bei der die Projektmitarbeiter im Mittelpunkt stehen, birgt aufgrund fehlender disziplinarischer Befugnisse einer Nachwuchsführungskraft große Herausforderungen, die sich aus unserer Erfahrung mit Hilfe des hier
vorgestellten Programms meistern lassen, indem die Teilnehmer am Programm nicht nur produktive Verhaltensweisen erproben, sondern auch psychologische Haltungen so entwickeln, dass erfolgreiche Führung möglich ist. In der vorbereitenden Phase werden daher reale Projekte aufgegriffen, welche die Nachwuchsführungskräfte leiten oder es werden in Abstimmung mit den disziplinarisch Vorgesetzten Projekte entwickelt, in denen die Teilnehmer Führungstätigkeit erproben können. Diese Vorgehensweise ist dann notwendig, wenn potenzielle Nachwuchsführungskräfte ausgebildet werden. Bereits tätige Führungskräfte werden nicht zwangsläufig im Rahmen von Projektleitungen begleitet, sondern dies kann auch auf Basis des Führungsalltags erfolgen.
Begleitende Phase
Die Auswahl der Trainingselemente erfolgte unter Berücksichtigung der Vorbereitung realer Projekte. So ermöglicht das von uns vorgestellte Programm einen erfahrungsbasierten Lernprozess, der in klassischen Trainingsprogrammen, in denen lediglich Fallbeispiele und Simulationen genutzt werden, in dieser Form nicht erzielt werden kann. Sowohl die Auseinandersetzung mit den realen Konsequenzen des eigenen Handelns, die ein Selbstwirksamkeitserleben ermöglicht, als auch die Wahrnehmung der eigenen Verantwortung im Führungsprozess bedürfen einer situativen Lernmöglichkeit, die wir durch die Anbindung an reale Projekte erreichen.
Eine wichtige Prämisse ist, dass die Projekte Führungstätigkeit im Sinne von
Leadership erfordern, also mit Mitarbeiterführung verbunden sind. Darüber hinaus sehen wir es als hilfreich an, wenn mit der Projektleitung noch keine disziplinarische Befugnis verbunden ist, da das Selbstwirksamkeitserleben insbesondere dann ausgeprägt ist, wenn keine belohnenden oder bestrafenden Instrumente eingesetzt werden können (
Kap. 3.1). Ist diese Bedingung erfüllt, ist der Charakter des Projektes eher als zweitrangig zu betrachten. Der Projektumfang sollte angemessen sein und eine Herausforderung bieten, die Nachwuchsführungskraft jedoch nicht dauerhaft überfordern. Es können sowohl klassische Projekte oder Teilprojekte genutzt werden, die bis zu einem definierten Zeitpunkt abgeschlossen sein müssen und Ressourcen zeitlicher, personeller und finanzieller Form benötigen, aber auch kleinere Projekte, die in der Linie verortet sein können und beispielsweise die Verbesserung von Arbeitsabläufen zum Ziel haben. So kann die Optimierung der wöchentlichen Teambesprechung in der Abteilung durchaus auch ein Projekt im Sinne des hier vorgestellten Trainings sein, da hierbei Kommunikation mit den Teammitgliedern vonnöten ist und die vier Kernkomponenten der transformationalen Führung zum Tragen kommen können. Fehlen aufgrund der jeweiligen Rahmenbedingungen konkrete reale Vorhaben, sollten Projekte entwickelt werden, in denen die Teilnehmer mit Mitarbeiterführung verbundene Führungstätigkeit, ggf. auch im Führungsteam, übernehmen können.
Innerhalb der Projekte werden die Trainingsteilnehmer in vorzubereitenden Situationen Führungstätigkeiten ausüben (u. a. Meetings, Fortbildungseinheiten für Mitarbeiter, schriftliche Informationen, die an die Mitarbeiter weitergegeben werden). Sie werden aber vor allem auch Führungskompetenz in spontan auftretenden Situationen zeigen müssen. Damit die Teilnehmer sich effektiv auf die Planung beispielsweise einer
Teambesprechung vorbereiten können, erhalten sie Unterstützung durch ein in festen Intervallen stattfindendes Coaching, das als professionell geleitetes Gruppencoaching ausgestaltet ist und damit auch Peer-Austausch ermöglicht (
Infokasten 5). In diesen Besprechungen werden zum einen konkrete Vorhaben und planbare Situationen erörtert, indem die Teilnehmer dort individuelle Konzepte dazu vorstellen, wie die in der vorbereitenden Phase und in den Selbstlerneinheiten erarbeiteten Inhalte in ihrem Projekt umgesetzt werden können. Zum anderen reflektieren die Teilnehmer im Gruppencoaching Situationen, die sie im Projekt erlebt haben. Die Besprechungen besitzen daher immer einen Konzeptions- und einen Reflexionsteil.
Die Theoriethemen, die in den Workshops der vorbereitenden Phase erarbeitet und diskutiert wurden, tauchen – wie oben erwähnt – in den Besprechungen der begleitenden Phase situationsbedingt wieder auf und werden anhand konkreter Fragestellungen und Probleme im Projekt in den Blick genommen. So kann an einem Besprechungstermin das Thema Kreativitätstechniken in den Fokus geraten, weil das Projektteam eines Trainingsteilnehmers eine Problemlösung für ein Produkt oder einen Prozess finden muss, am nächsten Besprechungstermin kommt...