Geschlechterrollen und ihre Folgen
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Geschlechterrollen und ihre Folgen

Eine sozialpsychologische Betrachtung

  1. 240 pages
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Geschlechterrollen und ihre Folgen

Eine sozialpsychologische Betrachtung

About this book

Gender roles still have a large impact on development of and success in life for men and women. This book describes and explains the similarities and differences from a social psychological perspective. Up to date research is looked at and the often unconscious influence of gender stereotypes is described. To this end findings on the self-concept, on attitudes of gender roles and areas of social behaviour, as health, choice of career, social relationships and leadership behaviour, are documented.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2011
Print ISBN
9783170206823
eBook ISBN
9783170281288

1 Gender: Geschlechterrollen und Geschlechterstereotype

1.1 Gender

Gender ist ein inzwischen auch im Deutschen gebrĂ€uchliches Wort. Es wurde aus dem Englischen ĂŒbernommen, da dort zwischen „sex“ und „gender“ differenziert wird. „Sex“ bezieht sich auf das biologische Geschlecht, „gender“ auf das sozial konstruierte Geschlecht. Bei einer Google-Suche im April 2010 zum Begriff „gender“ eingeschrĂ€nkt auf deutsche Seiten, finden sich mehr als drei Millionen EintrĂ€ge. Wikipedia widmet dem Thema einen eigenen Beitrag und verweist dort unter anderen auf eine entsprechende Seite des Goethe-Instituts in Deutschland. „Gender Mainstreaming“ ist in der gesamten EuropĂ€ischen Union ein politisches Konzept, dem viel Geld und Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das deutsche Bundesministerium fĂŒr Familie, Senioren, Frauen und Jugend schreibt dazu auf der eigenen Homepage: „Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und MĂ€nnern von vornherein und regelmĂ€ĂŸig zu berĂŒcksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.“
Psychologie und Soziologie haben sich schon seit Mitte des letzten Jahrhunderts intensiv mit dieser Thematik beschĂ€ftigt. Die Soziologen Parsons und Bales (1955) unterschieden etwa familiale Rollen, in denen der Mann den ErnĂ€hrer der Familie darstellt und fĂŒr die Außenbeziehungen und die berufliche Rolle vorgesehen ist und die Frau fĂŒr die familialen Angelegenheiten und die Innenbeziehungen. Diese strikte Rollentrennung gilt in unserer heutigen Industriegesellschaft nicht mehr, sie trifft aber in einem erweiterten Sinne dennoch den Kern. Es zeigt sich nĂ€mlich, dass zum einen MĂ€nner nach wie vor ĂŒberwiegend in der beruflichen SphĂ€re tĂ€tig sind und hierdurch auch relativ klare Rollenerwartungen existieren, die auf eine Funktion als FamilienernĂ€hrer und auf die ErfĂŒllung beruflicher Anforderungen und Aufgaben hinauslaufen. Zum anderen ist zu konstatieren, dass Frauen zwar inzwischen in großer Zahl einer außerhĂ€uslichen ErwerbstĂ€tigkeit nachgehen, aber dennoch ihre primĂ€re Funktion auf die der (Ehe-)Frau und Mutter konzentriert bleibt. Die Rollenerwartungen an Frauen betreffen sowohl die AusfĂŒllung beruflicher Anforderungen wie auch familialer Aufgaben. Im Konfliktfalle – z. B. wenn die Kinder klein sind und keine VollzeitberufstĂ€tigkeit möglich erscheint, oder wenn die Eltern sich trennen – wird die Hauptverantwortung fĂŒr die Kinder ganz ĂŒberwiegend von der Frau getragen. Die ĂŒberwiegende Zahl der Teilzeitstellen wird von Frauen eingenommen. Das Sorgerecht nach Trennung und Scheidung nehmen in der Regel Frauen wahr. So gesehen finden sich trotz aller Liberalisierungstendenzen nach wie vor im Kern die Geschlechterrollen, wie sie von Parsons und Bales formuliert wurden.
Der auffallendste Wandel der Positionen von Frauen und MĂ€nnern wurde zweifellos durch die verfassungsrechtlich garantierte formale Gleichheit der Geschlechter eingeleitet. Diese Gleichheit ist im Bildungswesen erreicht, aber sie trifft nicht auf den beruflichen Erfolg zu. Tatsache ist zwar, dass die politische Entwicklung der europĂ€ischen LĂ€nder eine Gleichberechtigung der Geschlechter insbesondere durch gleiche Bildungschancen und die (gleichberechtigte) Teilhabe am Berufsleben propagiert und gefördert hat. Um dies zu erreichen, wurden staatliche Maßnahmen der „Frauenförderung“ bereitgestellt, damit Frauen in verstĂ€rktem Maße Berufspositionen ergreifen konnten. Die öffentlichen Maßnahmen und das gesellschaftliche Bewusstsein haben dazu beigetragen, dass eine VerĂ€nderung der Geschlechterrollen in den letzten Jahrzehnten möglich geworden ist, die aber eher einseitig die weibliche Rolle betrifft. Etwas ĂŒberspitzt ausgedrĂŒckt, stellt sich der Wandel der Geschlechterrollen vor allem als ein Wandel der weiblichen Rolle dar. Die weibliche Geschlechterrolle hat – verglichen etwa mit der Nachkriegszeit – einen deutlichen und statistisch nachweisbaren Wandel mitgemacht. Betrachtet man die Entwicklung in Deutschland, Österreich und anderen Industrienationen, so lĂ€sst sich insbesondere an der Bildungsbeteiligung, der Berufsausbildung, der Erwerbsquote und den Berufswahlen dieser Rollenwandel aufzeigen (Kap. 5.3). Die Erwartungen an Frauen richten sich aber nach wie vor auf die ErfĂŒllung familiĂ€rer Anforderungen, wie es in traditionell patriarchalischen Gesellschaften stets der Fall war. Sie richten sich nun zusĂ€tzlich auch an die ErfĂŒllung beruflicher Anforderungen. Die Hausfrau, die ausschließlich fĂŒr Familie und Kinder sorgt, ist ein Modell, das meist nur fĂŒr eine kurze Übergangszeit oder gar nicht in Anspruch genommen wird. Dementsprechend gilt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fĂŒr heranwachsende und erwachsene Frauen als ein vorrangiges Lebensziel. Dabei spielt bei der Berufs- wie bei der Familienarbeit eine wichtige Rolle, dass fĂŒr Frauen der Umgang mit Menschen und die humanistische Zielsetzung, die der Hilfe und Betreuung von Menschen zugrunde liegt, eine hohe Bedeutung hat, die ihre Berufswahlen beeinflusst und ihre Entscheidungen fĂŒr Familienarbeit, insbesondere Kinderbetreuung. Nach Eccles (2007) sind es diese „weiblichen“ Werte, die vorrangig die Berufswahlen und Karrierewege von Frauen steuern und nicht etwa fehlende FĂ€higkeiten oder fehlendes Selbstvertrauen. Das Streben nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat seinen Preis. Es fĂŒhrt offenbar hĂ€ufig dazu, dass Frauen dadurch den Aufstieg in der Hierarchie der Berufsfelder verpassen: „
 even very educated women are more likely than men to favor home-centered lifestyles and adaptive lifestyles, wherein family and home are paramount and work is adapted to fit around this choice” (Ceci, Williams & Barnett, 2009, S. 247). Wenn es um die familiale Arbeitsteilung geht, sind insbesondere die Frauen fĂŒr Haushalt, die Kinder und die Kinderbetreuung zustĂ€ndig. DafĂŒr reduzieren sie ihr berufliches Engagement, was sich leicht an den europĂ€ischen Statistiken zur Arbeitszeit von MĂ€nnern und Frauen ablesen lĂ€sst (EuropĂ€ische Kommission, 2008). Das Modell der partnerschaftlichen Arbeitsteilung in der Familie wird zwar mehrheitlich befĂŒrwortet, es lĂ€uft aber immer noch darauf hinaus, dass der Mann der Hauptverdiener bleibt und im Zweifelsfall die erfolgreichere berufliche Karriere macht.
In der Öffentlichkeit und in politischen Verlautbarungen wird viel diskutiert ĂŒber ein gewandeltes VerstĂ€ndnis von der Rolle des Mannes. Mehr MĂ€nner als frĂŒher kĂŒmmern sich um die Kinder und teilen sich die Familienarbeit mit ihrer Frau. Das ist richtig. Wir sind aber weit davon entfernt, hier von einem Mainstream sprechen zu können. Nach wie vor sind es vorwiegend Frauen, die nach Scheidung oder Trennung ihre Kinder allein großziehen oder ihre BerufstĂ€tigkeit wegen der Kinder unterbrechen oder reduzieren. DafĂŒr bedauern mehr MĂ€nner als Frauen, zu wenig Zeit fĂŒr die Familie zu haben (Statistisches Bundesamt, 2008).
Geschlechterrollen in der heutigen Gesellschaft bedeutet fĂŒr beide Geschlechter mehr Freiraum in der Ausgestaltung ihrer Rollen als noch im letzten Jahrhundert. Nach den vorliegenden Daten haben diesen Freiraum vor allem Frauen genutzt. Sie können Familien- und Berufsrollen ausĂŒben. MĂ€nner hingegen sehen nach wie vor die vorrangige Aufgabe in ihrer Berufsrolle, ggf. verknĂŒpft mit möglichen zusĂ€tzlichen EhrenĂ€mtern oder FreizeitaktivitĂ€ten. Aber die Doppelrolle des Mannes in Beruf und Familie ist nur einer verschwindenden Minderheit vorbehalten. Im Gegensatz zu frĂŒheren Zeiten aber ist es MĂ€nnern inzwischen prinzipiell möglich und gestattet, eine solche Doppelrolle auszuĂŒben. Und dieser Trend wird sich in den nĂ€chsten Jahrzehnten aufgrund der VerĂ€nderungen in den BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnissen und des Arbeitsmarkts vermutlich weiter verstĂ€rken.
Diese kurze AusfĂŒhrung zeigt, dass unsere Gesellschaft nach wie vor fĂŒr MĂ€nner und Frauen unterschiedliche Lebenswelten gestaltet. Sozialpsychologie und Soziologie beschĂ€ftigen sich mit dem sozialen Geschlecht und zeigen Folgen von Geschlechterrollen auf. Neuere kognitionswissenschaftliche Theorien und Studien konnten die Bedeutung von Gender auch fĂŒr soziale Informationsverarbeitung und Verhalten aufzeigen. Die berichteten Befunde erscheinen uns wesentlich fĂŒr ein VerstĂ€ndnis der psychologischen HintergrĂŒnde, die im Zusammenhang mit der oben aufgezeigten gesellschaftlichen Problematik stehen. Es soll aufgezeigt werden, dass Gender nicht nur ein politisch besetzter Begriff ist, sondern eine sehr umfassende Bedeutung fĂŒr unser Erleben und Verhalten hat.

1.2 Geschlecht als soziale Kategorie und soziale Rolle

Wenn wir ein Baby sehen, fragen wir zunĂ€chst, was es denn sei: „Ein MĂ€dchen oder ein Bub?“ Bei der Namensgebung eines Kindes muss laut Gesetz eindeutig das Geschlecht erkennbar sein. Wenn wir eine fremde Person ansehen, erkennen wir im Allgemeinen sofort, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt. In den seltenen FĂ€llen, bei denen das nicht so leicht möglich ist (z. B. weil wir die Person nur von hinten sehen), kann uns das unsicher machen und wir werden eventuell noch einmal genauer hinsehen. Diese Beispiele zeigen die zentrale Bedeutung von Geschlechtszugehörigkeit.
Die Zuordnung von Personen in die Kategorie „Frau“ oder „Mann“ nennt man soziale Kategorisierung. Gemeint ist der „kognitive Prozess der Gruppierung von Personen oder Gruppen, die ein oder mehrere Merkmale gemeinsam haben“ (Petersen & Six-Materna, 2006, S. 431). Wobei der Prozess der Kategorisierung nicht mit der Zuordnung zu Gruppen endet, sondern auch einhergeht mit der Zuschreibung der fĂŒr diese Gruppe als typisch erachteten Charakteristika (s. Kap. 1.3). Kategorisierung vereinfacht in diesem Sinn unsere soziale Informationsverarbeitung, bedingt aber auch einen Informationsverlust, da Individuen auf Basis der Gruppenzugehörigkeit beurteilt werden und ihre „IndividualitĂ€t“ vernachlĂ€ssigt wird (Mackie, Hamilton, Susskind & Rosselli, 1996). Geschlecht ist neben Alter und ethnischer Zugehörigkeit eine der zentralen sozialen Kategorien, die Individuen zur sozialen Kategorisierung verwenden (Fiske, 1998). Ein Grund fĂŒr diese ZentralitĂ€t ist, dass die drei Kategorien leicht visuell erkennbar und somit schnell verifizierbar sind. Andere Gruppenzugehörigkeiten, wie z. B. NationalitĂ€t, sind schwieriger erkennbar.
Verschiedene Untersuchungen, die das klassische sog. „Who said what?“-Paradigma zur Erhebung spontaner sozialer Kategorisierung von Taylor, Fiske, Etcoff und Ruderman (1978) anwendeten, konnten zeigen, dass das Geschlecht spontan bei der sozialen Wahrnehmung beachtet wird (vgl. Klauer & Wegener, 1998). In diesem Paradigma wurde den Untersuchungsteilnehmenden per Video eine Diskussion von Frauen und MĂ€nnern bzw. von Schwarzen und Weißen vorgespielt. Jede/r der Diskutierenden gab ein Statement ab und die Teilnehmenden hatten die Aufgabe im Anschluss die Statements, den richtigen Diskutierenden wieder zuzuordnen. Es zeigte sich, dass sie bevorzugt innerhalb der sozialen Kategorie Fehler machten. Es wurde also in einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe die Aussage z. B. einer Frau eher irrtĂŒmlich einer anderen Frau in der Gruppe und nicht irrtĂŒmlich einem der MĂ€nner zugeordnet. Sprachen schwarze und weiße Personen miteinander, wurden Aussagen z. B. einer weißen Person eher irrtĂŒmlich einer anderen weißen Person in der Gruppe, aber eher nicht irrtĂŒmlich einer schwarzen Person zugeordnet. Fehler zwischen Diskutierenden unterschiedlicher Kategorie kamen seltener vor. Aus diesem Ergebnis kann man schließen, dass die Beurteiler/innen die Diskutierenden spontan anhand ihres Geschlechts bzw. Hautfarbe kategorisiert hatten und diese Information dann bei den Zuordnungen verwendeten. Die Untersuchung zeigte auch eine Folge von sozialen Kategorisierungsprozessen nĂ€mlich, dass Personen innerhalb einer Kategorie in ĂŒberschĂ€tzender Weise als Ă€hnlich, Personen verschiedener Kategorien als unĂ€hnlich angesehen werden.
Stangor, Lynch, Duan und Glass (1992) erweiterten das Paradigma und prĂ€sentierten Personen, die mehreren sozialen Kategorien gleichzeitig angehörten. Dabei fanden sie, dass Untersuchungsteilnehmende Geschlecht eher zur spontanen Kategorisierung heranzogen als EthnizitĂ€t. Allerdings zeigten auch etliche Personen eine spontane Bildung von Unterkategorien, bei denen die beiden Kategorien zusammengefasst wurden (weiße MĂ€nner, weiße Frauen, schwarze MĂ€n...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. 1 Gender: Geschlechterrollen und Geschlechterstereotype
  6. 2 Geschlechterrollen im Selbst
  7. 3 Geschlechtsrolleneinstellungen
  8. 4 Theoretische AnsÀtze zur ErklÀrung von Geschlechterunterschieden im Verhalten
  9. 5 Unterschiede und Ähnlichkeiten der Geschlechter
  10. 6 Geschlechterrollen und ihre Folgen: Abschließende Bemerkungen
  11. Literatur
  12. Stichwortverzeichnis
  13. Personenverzeichnis