Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe
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Soziale Arbeit in der Straffälligenhilfe

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About this book

Der Band beschreibt ausführlich die Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen. Nach der Beschreibung der Zielgruppe folgt die Darstellung der Arbeitsfelder in der Straffälligenhilfe sowie eine kritische Auseinandersetzung mit dem Strafvollzug. Im Fokus steht hier die Frage nach dem Doppelmandat in der Sozialen Arbeit, das gerade im Strafvollzug besonders brisant erscheint: Soziale Arbeit muss sich am individuellen Wohl ihrer Klienten orientieren, sie muss aber auch für das Gemeinwohl arbeiten. Außerdem werden die wichtigsten Kriminalitätstheorien diskutiert. Bevor der Band mit einer Fallarbeit schließt, setzen sich die Autoren mit dem Thema "Muss Strafe sein" auseinander.

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Information

 

1          Einleitung

 
 
 
Der vorliegende Band beschäftigt sich mit der Straffälligenhilfe als einem Handlungsfeld Sozialer Arbeit.
An unserer Hochschule, der KH Freiburg, haben die Studierenden des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit die Gelegenheit, sich exemplarisch mit einzelnen Handlungsfeldern auseinanderzusetzen. Dies geschieht über Handlungsfeldseminare. Eine dieser Lehrveranstaltungen trägt den Titel »Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen«. Dem Modul zugeordnet ist auch das Seminar »Kriminalitätstheorien«, das als Wahlpflichtangebot unter »Theorien und Konzepte Sozialer Arbeit« aufgeführt wird.
 
Im Modulhandbuch werden für dieses Seminar unter anderem folgende Ziele formuliert:
•  Studierende sind in der Lage, ihre Berufsrolle(n) zu reflektieren und sich kritisch mit beruflichen Dienstleistungen auseinander zu setzen;
•  die Studierenden sind in der Lage, bezugswissenschaftliche Grundlagen in die Ziele und Aufgaben der Sozialen Arbeit zu integrieren;
•  die Studierenden kennen unterschiedliche Theorien und Handlungsansätze und können diese auf aktuelle Fragestellungen anwenden;
•  sie analysieren theoriegeleitete Fälle, Problemkonstellationen und Handlungsanforderungen aus der Fachpraxis;
•  sie entwickeln durch die exemplarische Bearbeitung von Fällen, Problemkonstellationen und aktuell erkennbaren Handlungsanforderungen ihr professionelles Handeln;
•  sie können berufliches Handeln theoretisch begründen, planen, reflektieren und evaluieren.
An Inhalten, die hier vermittelt werden sollen, werden genannt:
•  Berufsrolle(n)
•  Strukturprinzipien (Partizipation, Subsidiarität, Mandatierung Sozialer Arbeit)
•  Sozialpolitische Strukturen
•  Hilfesysteme und Hilfestrukturen
•  Rechtliche Rahmenbedingungen
•  Konzepte der Lebenswelt, der Lebenslage, des Sozialraums
•  Rekonstruktive Fallbetrachtung und Handlungsanalyse
•  Interventions- und Hilfeplanung in interdisziplinären Settings.
Die im Handlungsfeldseminar und im Seminar Kriminalitätstheorien angebotenen Lehrinhalten werden in einem »interdisziplinären Seminar«, das von beiden Autoren verantwortet wird, angewendet. Dies geschieht im Rahmen der Bearbeitung von authentischen Fällen aus der Jugendgerichtshilfe/Jugendhilfe im Strafverfahren. Dabei haben die Studierenden die Aufgabe, den vorgegebenen Fall aus der Perspektive der Jugendgerichtshilfe/Jugendhilfe im Strafverfahren zu bearbeiten.
Die Straffälligenhilfe verdankt ihren Namen dem Konzept der »Straffälligkeit«. Dabei ist »straffällig« kein ganz einfacher Begriff. Im Duden findet sich die Definition »einer Straftat schuldig« (Bibliographisches Institut 2017). Zur Klientel der Straffälligenhilfe gehören aber nicht nur Menschen, die formal »schuldig« gesprochen und verurteilt wurden. Auch die Assoziation, dass es um Menschen geht, bei denen Strafe fällig ist, ist nicht unproblematisch (Cornel 2014). Es ist nicht entscheidend, dass eine formelle Sanktion erfolgen wird, denn Verfahren können auch ohne Verurteilung oder mit der Verhängung einer Maßregel der Besserung und Sicherung enden, die juristisch keine Strafe darstellt. Noch weniger ist mit fälliger Strafe gemeint, dass Strafe berechtigt, angemessen oder moralisch erforderlich wäre. Was Straffälligkeit ausmacht, ist der Bezug zu Straftaten. Dabei wird angenommen, dass Straffällige in der »Täterrolle« mit »Kriminalität« zu tun haben (Cornel 2014, Höynck 2014).
Als »Kriminalität« wird, rein juristisch betrachtet, die Gesamtheit aller Straftaten definiert. »Kriminell« ist Verhalten, dann, wenn es in Strafgesetzen mit Sanktionen bedroht wird. »Kriminalität« ist letztendlich »das Ergebnis dessen, was eine Gesellschaft als kriminell definiert« (BMI/BMJ 2001b: 5). Und das unterliegt Veränderungen und ist kulturell variabel (vgl. z. B. Höynck 2014). Mit »Kriminalität« wird oft Verhalten assoziiert, das besonders sozialschädlich oder antisozial ist (vgl. Schneider 1977a). Diese Annahme lässt sich aber weder für alle aktuellen Straftatbestände aufrechterhalten noch für frühere, die inzwischen revidiert wurden. »Nicht alles, was gesellschaftlich als nicht akzeptabel gilt, ist strafbar und nicht alles, was strafbar (»kriminell«) ist, wird von allen oder auch nur vielen Menschen für besonders verwerflich gehalten« (Höynck 2014: 49). Entscheidend ist also der Verstoß gegen Regelungen des jeweils lokal gültigen Strafrechts, ganz unabhängig von einer moralischen Bewertung.
Nicht alle, die Verhalten zeigen, das in unserer Gesellschaft unter der aktuellen Gesetzeslage bestraft werden kann, zählen faktisch zur Klientel der Straffälligenhilfe (Höynck 2014). Entscheidend ist, dass ein strafbares Handeln auch registriert und den strafverfolgenden Behörden bekannt geworden ist. Die Straffälligenhilfe hat in der Regel nur mit den Beteiligten eines Teilbereichs von »Kriminalität« zu tun. Es geht um Delikte, die ins Hellfeld der »Kriminalität« geraten sind. Es ist davon auszugehen, dass das die große Ausnahme ist und ein Großteil der strafbaren Handlungen im Dunkelfeld bleibt (BMI/BMJ 2001a). Bei der Klientel der Straffälligenhilfe wurden Straftaten jedoch offiziell registriert, in der Regel wurde auch bereits die Strafverfolgung eingeleitet. Kawamura-Reindl schlägt daher vor, nicht von Straffälligkeit, sondern von »Strafauffälligkeit« zu sprechen (Kawamura-Reindl 2014: 144).
Im weiteren Verlauf werden wir zunächst die Zielgruppe, mit der wir es in der Straffälligenhilfe zu tun haben, umreißen. Hierbei wird der Schwerpunkt auf den »straffällig gewordenen Menschen« liegen. Nur am Rande gehen wir auf die Angehörigen der straffällig gewordenen Menschen ein. Unser besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem Referenten für Straffälligenhilfe beim Deutschen Caritasverband, Cornelius Wichmann, ohne dessen Unterstützung dieser Beitrag nicht möglich gewesen wäre.
Es folgt die Darstellung der Arbeitsfelder der Straffälligenhilfe. Der Begriff Straffälligenhilfe steht für alle öffentlichen und privaten Hilfs- und Unterstützungsangebote Sozialer Arbeit, die auf die Resozialisierung von Straftätern abzielen. Soziale Arbeit als Straffälligenhilfe zielt darauf ab, die Lebenssituation und die gesellschaftliche Lages straffällig gewordener Menschen, aber auch deren Angehöriger dauerhaft zu verbessern (Maelicke/Simmedinger 1987).
 
Die klassischen Arbeitsfelder, in denen Straffälligenhilfe geleistet wird, sind:
•  die freie Straffälligenhilfe, die meist von Wohlfahrtsverbänden geleistet wird und überwiegend (erwachsene) Männer und Frauen anspricht;
•  die Jugendgerichtshilfe, oder auch Jugendhilfe im Strafverfahren genannt, die eine Aufgabe des Jugendamtes darstellt;
•  die Gerichtshilfe (nur für Erwachsene);
•  die Bewährungshilfe;
•  die Führungsaufsicht und
•  die sozialen Hilfen in der Untersuchungshaft, im Strafvollzug wie auch in der Jugendarrestanstalt.
Die Arbeitsfelder ließen sich auch nach der freien und kommunalen Hilfe für Straffällige (freie Träger und Kommunen) und der justiziellen Straffälligenhilfe (Gerichtshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Soziale Arbeit in der Untersuchungshaft, im Strafvollzug und in der Jugendarrestanstalt als Aufgabe der Justiz) gliedern. Hier sei nur am Rande vermerkt, dass sich die Trägerlandschaft gerade in dem etablierten justiziellen Bereich immer wieder verändert. Dies kann etwa in Baden-Württemberg beobachtet werden, wo die Bewährungshilfe wie auch die Justizvollzugsanstalt in Offenburg (teil)privatisiert war und sich jetzt wieder in staatlicher Obhut befindet. Die Trägerlandschaft kann sich auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich darstellen.
Sehr ausführlich werden wir auf den Strafvollzug als »Totale Institution« (Goffman 1972) eingehen. Wir danken Frau Evelin Ziegler (2015), die zu diesem Thema eine herausragende Diplomarbeit vorgelegt hat, auf die wir uns beziehen.
Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Jugendstrafvollzug. Wir übernehmen mit Zustimmung des Belz Verlags einen Beitrag von Werner Nickolai (2015), der unter dem Titel »Plädoyer zur Abschaffung des Jugendstrafvollzugs« im Handbuch Jugendstrafvollzug, herausgegeben von Marcel Schweder, erschienen ist.
In einem Exkurs gehen Werner Nickolai und Jürgen E. Schwab auf das Doppelmandat in der Sozialen Arbeit, das gerade im Strafvollzug besonders brisant erscheint, ein. Ihre Ausführungen erschienen unter der Überschrift »Vom Doppel- zum Triple-Mandat Sozialer Arbeit und dem professionellen Selbstverständnis von Sozialarbeit im Strafvollzug« in der Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe Heft 3/2016.
Wie oben schon erwähnt gehört zum Modul »Soziale Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen« auch die Lehrveranstaltung »Kriminalitätstheorien«. Die aus dem Verständnis der Sozialen Arbeit wichtigsten Theorien werden hier wiedergegeben.
Einen breiten Raum nimmt in der Lehre die Auseinandersetzung mit dem Thema »Muss Strafe sein« ein. Neben den klassischen Straftheorien wird auch das Strafrecht im Kontext des gesellschaftlichen Strafbedürfnisses thematisiert.
Der Band schließt mit einer methodischen Fallbearbeitung. Nach der Darstellung eines konkreten Falls der Jugendgerichtshilfe werden wir den methodischen Ablauf der Fallarbeit vorstellen. Mit der (exemplarischen und damit auch nicht vollständigen) Falllösung enden unsere Ausführungen.

2 Zielgruppen der Sozialen Arbeit in der Straffälligenhilfe

Der Begriff der Zielgruppe kommt ursprünglich aus der Marktforschung (vgl. z. B. Gabler Wirtschaftslexikon online). Dort ist es wichtig, Personengruppen identifizieren zu können, deren (Konsum-)Verhalten möglichst homogen und vorhersagbar ist. Unternehmen können so ihre Waren und Dienstleistungen den Wünschen und Bedarfen der Kundinnen und Kunden anpassen. Die Chancen auf wirtschaftlichen Erfolg steigen. Auch in der Sozialen Arbeit dient die Definition von Zielgruppen vor allem der Planung. Angebote und Maßnahmen können auf die Bedarfe von identifizierten Zielgruppen besser abgestimmt und in einer zu der Zielgruppengröße quantitativ passenden Menge vorgehalten werden.
Straffällige stellen jedoch keine homogene Zielgruppe dar. Die Hilfeangebote im Arbeitsfeld Straffälligenhilfe sprechen nicht nur eine, sondern mehrere unterschiedliche Zielgruppen an. Diese unterscheiden sich zudem hinsichtlich ihrer Lebenslagen, Lebensbedingungen und auch hinsichtlich ihrer sozialen Situation.
Hauptgrund dafür ist, dass die Straffälligenhilfe ein historisch gewachsenes Arbeitsfeld ist. Im Ursprung geht sie auf die von Ehrenamtlichen geleistete Betreuung von Strafgefangenen zurück. Vor allem christlich motivierte Initiativen besuchten und betreuten Gefangene. Mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft vor etwa zweihundert Jahren begannen sich diese Ehrenamtlichen zunehmend in Vereinen zu organisieren. Damit verstetigten sich die Angebote und parallel begannen die Vereine, sich neue Tätigkeitsfelder zu erschließen. Reformen der Justiz und des Gefängniswesens, politische Veränderungen und nicht zuletzt die Professionalisierung der Sozialen Arbeit und eine geänderte Sichtweise auf Kriminalität und Resozialisierungsbedarfe waren und sind bis heute dafür verantwortlich, dass sich das Tätigkeitsspektrum der Straffälligenhilfe seit den Anfängen immer weiter verändert und insgesamt ausgeweitet hat.
Zu den tradierten Angeboten Sozialarbeit im Strafvollzug, zu der Beratung und Betreuung von (ehemaligen) Straftätern sind daher heute eine Reihe weiterer Angebote getreten. Ein Teil dieser Angebote hat dabei die Vermeidung von Inhaftierungen zum Ziel, etwa die Vermittlung Gemeinnütziger Arbeit, um Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden. Andere neuere Tätigkeitsbereiche sind der Täter-Opfer-Ausgleich, die Begleitung minderjähriger Kinder Inhaftierter beim Besuch ihrer Eltern im Strafvollzug, Väter-Kind-Gruppen und Familienseminare, Konfliktschlichtung an Schulen, Therapieangebote für (entlassene) Sexualstraftäter, oder aktuell die psychosoziale Prozessbegleitung, um einige zu nennen. Schon aus dieser exemplarischen und unvollständigen Aufstellung wird deutlich, wie stark sich das Tätigkeitsspektrum der Straffälligenhilfe seit den Anfängen erweitert hat.
Aus der Unterschiedlichkeit dieser Angebote folgt aber auch, dass sich die Personen, die diese Angebote in Anspruch nehmen, hinsichtlich ihres Alters, G...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Handlungsfelder Sozialer Arbeit
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Zielgruppen der Sozialen Arbeit in der Straffälligenhilfe
  8. 3 Arbeitsfelder der Straffälligenhilfe
  9. 4 Kriminalitätstheorien
  10. 5 Muss Strafe sein?
  11. 6 Exemplarische Fallarbeit
  12. 7 Methodische Fallbearbeitung
  13. Literaturverzeichnis