Kompendium der akademischen Sprachtherapie und Logopädie
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Kompendium der akademischen Sprachtherapie und Logopädie

Band 3: Sprachentwicklungsstörungen, Redeflussstörungen, Rhinophonien

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Kompendium der akademischen Sprachtherapie und Logopädie

Band 3: Sprachentwicklungsstörungen, Redeflussstörungen, Rhinophonien

About this book

Das vierbändige "Kompendium der akademischen Sprachtherapie und Logopädie" vermittelt die Grundlagen der in den Prüfungs- und Studienordnungen dargelegten Inhalte. Gleichzeitig berücksichtigt es sämtliche Aufgabenbereiche der Praxis.Der dritte Band geht ausführlich auf die unterschiedlichen Formen von Sprachentwicklungsstörungen ein. Darüber hinaus werden Redestörungen wie das Stottern im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, Poltern sowie Mutismus thematisiert. Die einheitliche Struktur der Beiträge von Begriffsbestimmung und Symptomatik über Ursachen und Bedingungshintergründe bis hin zu den jeweiligen diagnostischen Verfahren und Therapieformen erlaubt eine gezielte Nutzung des Buches im Studien- und Therapiealltag.

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Information

Year
2017
Print ISBN
9783170296220
eBook ISBN
9783170296244
Edition
1

II Störungen der Sprachentwicklung

Aussprachestörungen

Katharina M. Albrecht

Studien aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum zeigen, dass Aussprachestörungen eine der am häufigsten gestellten logopädischen/sprachtherapeutischen Diagnosen bei Kindern sind und ein sehr heterogenes Störungsbild darstellen (Law et al. 2000). Sie unterscheiden sich hinsichtlich des zugrundeliegenden Defizits, der Symptomatik, des Schweregrades der Störung sowie bezüglich des Therapieerfolgs (Dodd 2011). Dieses Kapitel liefert sowohl einen theoretischen Überblick über die Prävalenz, Ätiologie, Symptomatik und Klassifikation von kindlichen Aussprachestörungen als auch über therapeutische Aspekte. Abschließend wird auf online verfügbare Materialien verwiesen.

1 Begriffsbestimmung

Die Definition von Aussprachestörungen befindet sich seit den 1930er Jahren im Wandel. Immer neuere Erkenntnisse aus den Bereichen Medizin, Linguistik, Pädagogik und Psycholinguistik haben dazu angeregt, die Sichtweise auf das Störungsbild und seine möglichen Ursachen zu überdenken (Fox 2003). Heute wird der Begriff Aussprachestörung als ein Oberbegriff für verschiedene Subtypen mit unterschiedlichen Symptomen verwendet (Bowen 2014). Insgesamt besteht Konsens darüber, dass er, unabhängig von der Klassifikation, folgende Störungen des Sprechens umfasst:
• die Schwierigkeit, Laute phonetisch korrekt zu bilden (van Riper 1963);
• die Unfähigkeit, spezifische Laute oder Lautklassen eindeutig zu identifizieren und voneinander zu unterscheiden sowie als System korrekt und bedeutungsunterscheidend zu verwenden (Stoel-Gammon & Dunn 1985);
• die fehlerhafte Realisation von Wortakzent, Intonation und/oder Rhythmus einer Sprache (Stackhouse & Wells 1997).
Die Ausspracheleistungen eines betroffenen Kindes können verzögert im Vergleich zu Gleichaltrigen sein und/oder qualitativ und quantitativ von der physiologischen Entwicklung abweichen. Oftmals treten Aussprachestörungen in Kombination mit anderen Sprachschwierigkeiten (z. B. Sprachentwicklungsstörung) auf.
Studien zur Prävalenz von Aussprachestörungen wurden überwiegend im englischsprachigen Raum durchgeführt. Campbell et al. (2003) untersuchten 639 dreijährige US-amerikanische Kinder auf ihre Aussprachefähigkeiten und konnten bei 15,6% dieser Probandengruppe einen verzögerten Erwerb nachweisen. In einem systematischen Review berichten Law et al. (2000) für Kinder im Alter von 5;0 bis 7;0 Jahren Prävalenzraten für isolierte Aussprachestörungen von 2,3 bis 24,6%. Ältere Kinder und junge Erwachsene sind laut einem kürzlich erschienen Übersichtsreport (Flipsen 2015) zu 1 bis 2% betroffen. Die verschiedenen Ergebnisse in den einzelnen Studien lassen sich auf Unterschiede im methodischen Vorgehen (z. B. Probandenrekrutierung, gewählte Altersgruppe) sowie auf uneinheitliche Definitionen von Aussprachestörungen zurückführen (McKinnon, McLeod & Reilly 2007). Studien, in denen die Prävalenzrate von kindlichen Aussprachestörungen in Deutschland untersucht wurde, existieren bislang nicht. Fox-Boyer (2013) weist allerdings auf Erhebungen mit dem Idsteiner Sprachscreening (Fox & Vogt 2002/2003) hin, die 2009/2010 von Studierenden der Hochschule Fresenius an Kindern im Alter von 3;6 Jahren bis zur Einschulung durchgeführt wurden. Diese Daten zeigten eine Prävalenzrate von 16,3% für Aussprachestörungen (exklusive isolierter Sigmatismus) auf.

2 Ätiologische Aspekte und Risikofaktoren

Aussprachestörungen können sich sowohl als eine Begleiterscheinung von bestimmten Grunderkrankungen bzw. im Rahmen von Syndromen zeigen, als auch ohne jegliche medizinische oder genetische Gegebenheit auftreten. Im Hinblick auf Syndrome werden in der Literatur häufig das Down-Syndrom, Fragiles-X Syndrom und das 22q11-Deletionssyndrom mit Aussprachestörungen assoziiert (Roberts et al. 2005; Solot et al. 2000). Kinder mit diesen Symptomenkomplexen sind zum einen durch die syndrombedingten kognitiven Einschränkungen, aber auch durch besondere orofaziale Gegebenheiten in ihrer Ausspracheentwicklung verzögert bzw. eingeschränkt. So liegt z. B. beim Down-Syndrom eine relative Makroglossie vor, welche feinmotorische Bewegungen der Zunge erschwert (Kumin 1994). Kinder mit 22q11-Deletionssyndrom weisen in der Regel eine velo-pharyngeale Dysfunktion auf, welche die Gaumensegelhebefunktion einschränken kann (z. B. Persson et al. 2003). Neben diesen genetisch-bedingten Ursachen, können auch strukturelle Veränderungen der Artikulationswerkzeuge, wie sie z. B. bei einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Spalte (LKGS-Spalte,
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Beitrag »Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Fehlbildungen«) auftreten, sowieHörschädigungen die Ausspracheentwicklung beeinträchtigen (Gold 1980;
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Beitrag »Sprachstörungen bei Hörschädigungen und auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen«). Zu weiteren medizinischen Faktoren zählen neurologische Erkrankungen wie z. B. Schädel-Hirn-Traumata, Zerebralparesen und Schlaganfälle. Betroffene Kinder zeigen oftmals Schwierigkeiten in der Sprechmotorik und/oder Sprechplanung (Birner-Janusch & Lauer 2010; Duffy 2013). Der Großteil an Kindern mit einer Aussprachestörung weist allerdings keine organischen oder genetischen Ursachen auf (Broomfield & Dodd 2004).
Trotz der meist unklaren Genese konnten verschiedene Risikofaktoren für die Ausbildung einer Aussprachestörung identifiziert werden. Zu den biologischen Risikofaktoren zählt das männliche Geschlecht. So wurde in groß angelegten Studien nachgewiesen, dass Jungen etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Mädchen (Campbell et al. 2003; Eadie et al. 2014; Harrison & McLeod 2010) und Aussprachestörungen bzw. Sprachschwierigkeiten familiär gehäuft auftreten, so dass eine genetische Disposition vermutet wird (Fox, Dodd & Howard 2002; Lewis et al. 2006). Als ein weiterer Risikofaktor wird das häufige Erkranken an einer Mittelohrentzündung (MOE) während des Spracherwerbs diskutiert (Harrison & McLeod 2010). Es wird angenommen, dass wiederkehrende MOE (vorrübergehende) Hörbeeinträchtigungen hervorrufen, die es betroffenen Kindern erschweren, feine phonetische Unterschiede zwischen einzelnen Sprachlauten wahrzunehmen (Petinou et al. 2009) und Phoneme kontrastiv im Sprechen zu verwenden (Miccio et al. 2001). Aufgrund verschiedener Definitionen für wiederkehrende MOE konnte jedoch bislang kein eindeutiger Zusammenhang zwischen häufigen MOE und Aussprachestörungen nachgewiesen werden (Campbell et al. 2003; Harrison & McLeod 2010). Des Weiteren bedingen orale myofunktionelle Dysfunktionen Veränderungen im Lippen- und Zungentonus, die das präzise Ausführen feinmotorischer Bewegungen erschweren und insbesondere eine interdentale Bildung der alveolaren Sibilanten begünstigen können (Van Lierde et al. 2015).
Neben diesen medizinischen Faktoren wurden auch soziodemographische Aspekte wie z. B. der sozioökonomische Status (SoS) der Kinder als Risikofaktor untersucht. Allerdings lieferten Studien auch hier kontrastierende Ergebnisse, da einerseits unterschiedliche Messvariablen für die Bestimmung des SoS verwendet wurden und andererseits eine hohe Kollinearität des SoS mit anderen Variablen, z. B. dem mütterlichen Bildungsstatus, besteht. Für Letzteren konnte ein signifikanter Einfluss auf die Aussprachefähigkeiten nachgewiesen werden (Campbell et al. 2003). Zusätzlich wurden kognitive Einschränkungen als Risikofaktoren untersucht. Obwohl die Ergebnisse von Intelligenztests nicht oder nur marginal mit den Ausspracheleistungen von Kindern korrelierten, zeigte ein großer Prozentsatz an Kindern mit kognitiven Defiziten auch eine Aussprachestörung (Wilson 1966).

3 Symptomatik von Aussprachestörungen

Wie die vielfältige Ätiologie vermuten lässt, zeigt sich die Heterogenität der Kinder auch in der Qualität und Quantität ihrer Symptome. Die vordergründige Symptomatik von Aussprachestörungen ist eine eingeschränkte Verständlichkeit des Sprechens, welche besonders durch Ersetzungen, Auslassungen oder Hinzufügungen von einzelnen Sprachlauten oder Silben hervorgerufen wird. Die Art der Symptome unterscheidet sich je nach Art der Aussprachestörung. Bei einer phonetischen Störung werden einzelne Sprachlaute akustisch so abgewandelt, dass sie nicht mehr der Standardform der Umgebungssprache entsprechen. Hierzu zählen u. a. der Sigmatismus interdentalis und der Schetismus lateralis (
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Tab. 1). Diese Fehlrealisationen betreffen nur einzelne Laute und führen nicht zu einer Bedeutungsänderung des Zielworts. Ebenso zählen Veränderungen in der Nasalität (z. B. Hyper- und Hyponasalität) zu phonetischen Störungen. Anders verhält es sich bei phonologischen Störungen; diese betreffen das phonologische Regelsystem. Zu ihren Symptomen zählen das Auslassen, Ersetzen oder Hinzufügen von Lauten, Lautklassen oder Silben in einzelnen Wörtern oder an Wortgrenzen (Stackhouse & Wells 1997; Stemberger 1988). Sofern diese Abweichungen von der Zielsprachform regelmäßig auftreten, werden sie in der Literatur als phonologische Prozesse bezeichnet (Dodd 1995; Fox & Dodd 2001). Grunwell (1985) unterscheidet hierbei zwischen strukturellen und systemischen Prozessen. Strukturelle Prozesse umfassen Veränderungen der Wort- oder Silbenstruktur, wohingegen systemische Prozesse Substitutionen von einzelnen Lauten oder Lautklassen bezeichnen.
Tab. 1: Beispiele für phonetische und phonologische Prozesse
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Phonetische und phonologische Prozesse treten sowohl im ungestörten als auch im gestörten Ausspracheerwerb auf, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Häufigkeit und Qualität. Kinder mit einer Aussprachestörung zeigen typischerweise sowohl altersgemäße phonologische Prozesse als auch Prozesse, die typisch für Kinder eines jüngeren Alters sind, und solche, die nicht im unauffälligen Ausspracheerwerb auftreten (Dodd 1995). Phonologische Abweichungen, die nur selten in einer Sprachprobe vorkommen (in der Regel vier bis fünf Mal auf ca. 100 Wörter) werden als phonologische Einzelabweichungen zusammengefasst (Fox 2016; Salgert et al. 2014). Detaillierte Informationen über die phonologischen Prozesse und Einzelabweichungen im unauffälligen Erwerb sowie im Rahmen von Aussprachestörungen deutschsprachiger Kinder finden sich in Fox-Boyer (2014a, 2014b) und Fox (2016). Zusätzlich existieren erste Daten zum regelrechten und gestörten Ausspracheerwerb türkisch-deutsch und russisch-deutsch bilingualer Kinder (Albrecht et al., in Vorb.; Casper, Önal & Fox-Boyer 2012; Salgert, Fricke & Wells 2012; Ünsal & Fox 2002).
Einige Kinder weisen auch sprechplanerische Schwierigkeiten auf, die im Rahmen dieses Kapitels nicht näher thematisiert werden sollen (
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Beitrag »Sprechapraxie bei Kindern«).

4 Klassifikationsmodelle

In der internationalen Literatur finden sich neben der groben Klassifikation nach medizinischen Ursachen bzw. Grunderkrankungen eines Kindes hauptsächlich drei spezifische Klassifikationsansätze für Aussprachestörungen unklarer Genese: der ätiologische, deskriptiv-linguistische (symptomorientierte) und der psycholinguistische Ansatz. Als Vertreter des ätiologischen Ansatzes nehmen Shriberg et al. (2010) für Aussprachestörungen unklarer Genese an, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Ausspracheverhalten des Kindes und einer genetischen Variation gibt, welche sich je nach Subgruppe unterscheidet. Auf Basis dieser Hypothese entwickelten sie das Speech Disorders Classification System, welches acht Untergruppen umfasst. Neben kausalen ...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. I Einführung
  7. II Störungen der Sprachentwicklung
  8. III Sprachstörungen im Zusammenhang mit besonderen Entwicklungsbedingungen
  9. IV Störungen der Redefähigkeit
  10. V Rhinophonien