1 Zur Bedeutung von Beratung und Supervision für pädagogische Berufe
Zusammenhänge verdeutlichen
In diesem Einleitungskapitel möchte ich Ihnen Bezugspunkte, Hintergründe und Zusammenhänge der Kollegialen Beratung und Supervision verdeutlichen. Die Besonderheiten und das Anliegen des Selbsthilfeverfahrens KoBeSu sollen verständlich werden. Hierzu gehört es auch, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen Supervisionsverfahren darzustellen.
»Kollegiale Beratung und Supervision« versteht sich nämlich als Bezeichnung für ein Supervisionsverfahren, das durch seine theoretische Fundierung und seine äußere Form charakterisiert wird. Es handelt sich um ein spezielles Verfahren, das von anderen mit ähnlichen Bezeichnungen abgegrenzt werden muss. Im folgenden Text werde ich nicht nur diese ausführliche Bezeichnung, sondern ab und zu auch die Abkürzung »KoBeSu« verwenden.
1.1 Zur Ausgangslage: Belastungen im beruflichen Alltag
Angesprochen sind Pädagoginnen und Pädagogen aller Berufsbereiche.
Mit diesem Lern- und Arbeitsbuch wende ich mich an Menschen, die in Schulen, Heimen, Förderzentren, Kindergärten, Werkstätten, Pflegestationen und weiteren pädagogischen Einrichtungen zusammen mit anderen Menschen für ihnen anvertraute Personen arbeiten, indem sie diese unterrichten, anleiten, pflegen, beschützen, herausfordern, ermutigen, befragen, begleiten und indem sie ihnen zuhören und antworten. All diese Handlungen können jedoch nie wirksamer werden als es die Kräfte, die Einstellung und das Engagement der Pädagoginnen und Pädagogen einerseits und deren kollegiale Zusammenarbeit andererseits zulassen. Obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – dies eine Binsenweisheit ist, wird über diese Beschränkung selten nachgedacht.
Ich möchte mit diesem Arbeitsbuch alle Personen ansprechen, die mit und für Menschen arbeiten. Dazu zählen sehr viele Berufsgruppen. Um sie nicht immer alle aufzählen zu müssen, spreche ich zusammenfassend von Pädagoginnen und Pädagogen. Hin und wieder werde ich auch von Lehrerinnen und Lehrern bzw. von Schülerinnen und Schülern sprechen. Doch sind dann alle anderen Berufe immer mitgemeint.
Entscheidend sind Handlungsfähigkeit und Ethos.
Es reicht also nicht aus, dass pädagogische Einrichtungen an Mobiliar, Geräten und didaktischen Materialien gut ausgestattet sind. Auch die besten Lehrpläne und Förderkonzepte oder fortschrittliche Erziehungsprogramme garantieren keinen pädagogischen Erfolg. Denn weder diese noch jene agieren unmittelbar im pädagogischen Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen. Entscheidend für die Qualität und für die Wirksamkeit der pädagogischen Arbeit sind vielmehr die Handlungsfähigkeit, der Elan und das Ethos der Pädagoginnen und Pädagogen. Ohne die Bedeutung von guten Ausstattungen und Konzeptionen schmälern zu wollen, was letztlich zählt, ist die konkrete Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen.
Pädagogische Arbeit ist oft mühselig und kräftezehrend.
Doch diejenigen, die tagtäglich diese (Beziehungs-)Arbeit leisten sollen und wollen, wissen, dass dieses leichter gesagt als getan ist. Allzu oft müssen sie nämlich erfahren, dass sie im Umgang mit ihren ›Klienten‹ die selbstgesteckten Ansprüche nicht oder nur unzulänglich erreichen können. Hierfür gibt es vielfältige Gründe. Zum einen wirken sich die meist knappen Zeitressourcen ungünstig auf die pädagogische Arbeit aus. Zum anderen erfolgen Lern- und Entwicklungsprozesse nicht immer gradlinig und im Sieben-Meilen-Stiefel-Tempo. Vielmehr sind sie oft mit Verunsicherungen, Schwierigkeiten, Fragen, plötzlichen Einsichten und Sprüngen verbunden, die jeweils ganz individuell erfolgen. So kann es in den pädagogischen Anforderungen leicht zu Unverträglichkeiten kommen. Während die eine Schülerin gerade dieses (Anstoß, Aufmunterung, Frage, Zurechtweisung, Feedback usw.) benötigt, würde eine andere in derselben Situation für ihren Lernprozess vielleicht gerade jenes brauchen. Allen Schülerinnen und Schülern zur gleichen Zeit gerecht zu werden, ist daher ein schwieriges Unterfangen. Wenn sich deshalb Unlustgefühle oder Vermeidenshaltungen bei den Betroffenen entwickeln, fällt es nicht immer leicht, diese nicht persönlich zu nehmen, sondern freundlich und verständnisvoll als pädagogische Aufgabe aufzugreifen.
Kein freiwilliger Besuch der pädagogischen Einrichtungen
Zu bedenken ist ferner, dass in den allermeisten Fällen Kinder und Jugendliche bzw. die betreuungs- und unterstützungsbedürftigen Erwachsenen die jeweiligen pädagogischen Einrichtungen nicht freiwillig aufsuchen. Vielmehr erfolgt die Sicherstellung des pädagogischen Arrangements in aller Regel unter der Androhung von Sanktionen. Wie sollen aber unter Zwang Lernen und persönliche Entwicklung als eigenständige und konstruktive Prozesse gelingen?
So gibt es im pädagogischen Alltag immer wieder genügend Anlässe für Irritationen, Missstimmungen, Missverständnisse und Kränkungen. Obwohl es niemand möchte, können pädagogische Situationen auf diese Weise zur »organisierten Lernstörung« (Schlee 1977) geraten, unter der dann alle Beteiligten leiden.
Die kollegiale Zusammenarbeit könnte in vielen Fällen besser sein.
Ebenso ist für Pädagoginnen und Pädagogen der Umgang mit Kolleginnen und Kollegen nicht immer einfach. In der Zusammenarbeit mit ihnen gibt es ebenfalls ausreichend Anlässe für Enttäuschungen und (meist ungewollte) Verletzungen. Diese beeinträchtigen in der Regel das Wohlbefinden viel stärker als die Schwierigkeiten mit Schülerinnen und Schülern bzw. mit den Kindern und Jugendlichen. Die Qualität der kollegialen Beziehungen am Arbeitsplatz ist ausschlaggebend, ob Pädagoginnen ihren Beruf mit Lust und Freude oder mit Missmut und Verdruss ausüben. Jedoch werden Pädagoginnen in ihrer Berufsausbildung kaum auf die kollegiale Zusammenarbeit vorbereitet und in der Bearbeitung von Konflikten geschult. So haben sie diesbezüglich zwar viele gute Absichten, verfügen aber über wenig Know-how. Zur Kollegialen Zusammenarbeit empfangen sie re...