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Spannungsfelder der Krisenintervention
Ein Handbuch fĂŒr die psychosoziale Praxis
This book is available to read until 5th December, 2025
- 310 pages
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About this book
Jeder Mensch kann durch Ă€uĂere Belastungen, wie TodesfĂ€lle, Trennungen, UnfĂ€lle, Gewalthandlungen oder verĂ€nderte LebensumstĂ€nde in Krisen geraten. Die Begleitung dieser Menschen stellt aufgrund der hohen Dringlichkeit fĂŒr professionelle Helfer eine groĂe Herausforderung dar. In diesem praxisorientierten Handbuch mit zahlreichen Fallbeispielen werden zunĂ€chst die gĂ€ngigsten Krisentheorien erklĂ€rt. In weiteren Kapiteln wird auf die Gefahrenpotenziale von Krisen eingegangen und eine systematische Darstellung der Methodik und Anwendungsmöglichkeiten von Krisenintervention vorgenommen.
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Information
1 Kurze Geschichte der Krisenintervention
Wenn wir uns die Frage nach den Wurzeln der Kriseninterventionsarbeit stellen, so lassen sich im Wesentlichen fĂŒnf Entwicklungstendenzen finden, auf denen die aktuelle Theorie und Praxis aufbaut. Diese werden in einem kurzen historischen RĂŒckblick dargestellt.
Die ersten beiden Entwicklungslinien finden sich in der theoretischen und praktischen BeschĂ€ftigung mit akuten Traumatisierungen und den Folgen schwerwiegender Verluste (vgl. Kap. 3.1 und 3.4.2). Dementsprechend sind heute die Begriffe Trauer und Traumatisierung eng mit Konzepten zum theoretischen VerstĂ€ndnis von Krisen und Krisenintervention verknĂŒpft. Eric Lindemann, der 1942 nach der Brandkatastrophe von Coconut-Grove, bei der 140 Menschen in einem Tanzlokal umkamen, Hinterbliebene und Ăberlebende betreut und untersucht hat, kann diesbezĂŒglich als einer der Pioniere gelten. Seine dabei gewonnenen Erfahrungen lieĂen ihn zu der Ăberzeugung gelangen, dass Menschen, die von derart schwerwiegenden Belastungen betroffen werden, unbedingt ein gezieltes psychiatrisches, psychologisches oder psychotherapeutisches Hilfsangebot benötigen. Gerald Caplan (1961, 1964) entwickelte diese AnsĂ€tze in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts weiter. Sein sozialpsychiatrisch-prĂ€ventiver Ansatz zielte vor allen Dingen auf die Vermeidung unnötiger psychiatrischer Krankenhausaufenthalte ab. Auf der Basis ihrer Erfahrungen vertraten Lindemann und Caplan die Auffassung, dass im Sinne sekundĂ€rer PrĂ€vention Krisen möglichst frĂŒhzeitig bearbeitet werden sollten, und grĂŒndeten folgerichtig das erste Community Crisis Center.
Erik H. Erikson stellte in seinem 1959 erstmals erschienenen Buch »Identity and the Life Cycle« (deutsch: IdentitÀt und Lebenszyklus) sein Konzept der Entwicklungskrise vor, das sich vorwiegend mit der Persönlichkeits- und IdentitÀtsentwicklung des Individuums beschÀftigt. Erikson stellt fest, dass jeder Mensch wÀhrend seines Lebens bestimmte kritische Phasen durchlebt, in denen er mit existenziellen, neuen Aufgaben konfrontiert wird. Nur eine erfolgreiche BewÀltigung dieser Entwicklungsaufgaben ermöglicht Reifung und Wachstum (siehe Kap. 3.4.1).
Da SuizidalitĂ€t neben Gewalthandlungen die dramatischste Zuspitzung von Krisen darstellt, waren Konzepte zur SuizidprĂ€vention von Beginn an eng mit denen der Krisenintervention verknĂŒpft, wobei Einrichtungen zur Suizidprophylaxe lange vor den ersten Kriseninterventionszentren gegrĂŒndet wurden. Diese wurden zunĂ€chst von nichtĂ€rztlichen, karitativen Einrichtungen betrieben. Die erste Telefonseelsorge entstand 1895 in London. 1906 richtete die Heilsarmee in London eine Stelle zur »SelbstmordbekĂ€mpfung« ein. In den USA gilt der New Yorker Pfarrer Warren als der erste, der zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts einen Notruf fĂŒr SuizidgefĂ€hrdete grĂŒndete. 1927 wurden in Wien vom FĂŒrsorgeamt der Wiener Polizeidirektion MaĂnahmen fĂŒr Menschen nach einem Suizidversuch entwickelt. Der Philanthrop Wilhelm Börner, Leiter der »Ethischen Gemeinde«, grĂŒndete kurz darauf ebenda eine LebensmĂŒdenstelle mit 60 ehrenamtlichen Mitgliedern. Diese war Vorbild fĂŒr Ă€hnliche Einrichtungen in mehreren LĂ€ndern Mitteleuropas (Sonneck el al., 2008). 1948 wurde im Rahmen der Caritas der Erzdiözese Wien die LebensmĂŒdenfĂŒrsorge von Erwin Ringel gegrĂŒndet, die es sich zur Aufgabe machte, Personen nach einem Suizidversuch und Hinterbliebene von Menschen, die sich suizidiert hatten, zu betreuen. Ăhnliche Einrichtungen folgten in ganz Europa. Chad Varah grĂŒndete 1953 in London »The Samaritans«, eine Organisation, die bis heute SuizidgefĂ€hrdete telefonisch und persönlich unterstĂŒtzt. In Deutschland richtete Pater Leppich 1954 eine telefonische Seelsorge in NĂŒrnberg ein, deren Angebot auch fĂŒr selbstmordgefĂ€hrdete Personen gedacht war. 1956 wurde die Ă€rztliche LebensmĂŒdenfĂŒrsorge Berlin (Klaus Thomas) gegrĂŒndet und nach deren Vorbild in weiteren deutschen StĂ€dten telefonische Seelsorgedienste. In den USA entstand 1958 auf Initiative von N. S. Farberow das erste Suicide Prevention Centre in Los Angeles (Sonneck 2008).
AllmĂ€hlich setzte sich die Erkenntnis durch, dass isolierte SuizidprĂ€vention zu kurz greift. Krisen stellen hĂ€ufig Situationen dar, in denen Menschen aufgrund der emotionalen Zuspitzung suizidal werden. Somit war es naheliegend, Konzepte der SuizidprĂ€vention mit denen der Krisenintervention zu verbinden. Aus der LebensmĂŒdenvorsorge Wien ging das Kriseninterventionszentrum Wien (KIZ) hervor, eine der ersten derartigen Institutionen in Europa. Auch dieses verstand sich zunĂ€chst als Einrichtung, die ihre zentrale Aufgabe in der SuizidprĂ€vention bzw. der Nachbetreuung von Menschen nach Suizidversuchen sah. Erst nach und nach entwickelte sich daraus ein umfassenderes VerstĂ€ndnis von Krisenintervention mit einem prĂ€ventiven therapeutischen Ansatz.
SchlieĂlich hat auch die sozialpsychiatrische Reformbewegung der 1970er Jahre wesentlich zur Entstehung der ersten Kriseninterventionszentren im deutschsprachigen Raum beigetragen. Das VerstĂ€ndnis, dass psychische Krisen eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung psychischer Störungen haben, bzw. deren Verlauf beeinflussen, erforderte therapeutische Konzepte abseits der gĂ€ngigen psychiatrischen Versorgungseinrichtungen, um durch rechtzeitige Intervention prĂ€ventiv handeln zu können. Dies fĂŒhrte daher zur GrĂŒndung von Institutionen, die zwar eng mit ambulanten und stationĂ€ren Einrichtungen der Psychiatrie vernetzt sind, aber aufgrund ihrer organisatorischen UnabhĂ€ngigkeit ein niedrigschwelliges Angebot fĂŒr jene Betroffenen darstellen, die nicht primĂ€r psychiatrischer Hilfe bedĂŒrfen. Die Abgrenzung von Krisenintervention und Notfallpsychiatrie bleibt allerdings ein bis heute noch nicht ganz befriedigend gelöstes sowohl theoretisches als auch behandlungsrelevantes Problem. Damit ist auch die Frage verbunden, ob eine Krise in gleicher Weise Folge innerer wie auch Ă€uĂerer Belastungen sein kann. Die klassische Krisendefinition sieht primĂ€r Ă€uĂere Belastungen als krisenauslösend an und schlieĂt somit psychische Krankheit explizit als Krisenanlass aus. Gleichwohl ist die innere Reaktionsbereitschaft des Betroffenen von entscheidender Bedeutung dafĂŒr, ob eine Krise entsteht und welchen Verlauf sie nimmt. Klinische Erfahrungen zeigen, dass es zwar nicht immer einfach, aber dennoch sinnvoll ist, Krisenintervention und Notfallintervention auseinanderzuhalten, da die erforderlichen Interventionsstrategien deutlich voneinander abweichen (siehe Kap. 3.4.5). Klarerweise gibt es viele Ăberschneidungen. Krisen können eskalieren und sich zu NotfĂ€llen entwickeln und umgekehrt können psychiatrische NotfĂ€lle und ihre Folgen psychosoziale Krisen auslösen. Es ist wichtig, dass leidende Menschen im Sinne prĂ€ziser Indikationsstellung die jeweils richtige, fĂŒr sie passende Hilfe erhalten. Gleichzeitig ist aber eine enge Kooperation der mit diesen Aufgaben befassten Institutionen unerlĂ€sslich.
Tab. 1.1: Wurzeln der KriseninterventionÌŁ
| Trauer und Verlust | E. Lindemann G. Caplan | 1942 Brandkatastrophe Coconut Grove 1961, 1964 | Kap. 3.1, 4.5, 5.4.1 |
| Traumatisierung | Kap. 3.4.2,... |
Table of contents
- Deckblatt
- Titelseite
- Impressum
- Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort
- Vorwort
- 1 Kurze Geschichte der Krisenintervention
- 2 Definition psychosozialer Krisen
- 3 Krisenmodelle
- 4 Krisen und GefÀhrdungen
- 5 Methoden der Krisenintervention
- 6 Rahmenbedingungen der Krisenintervention und Ausblick
- Literatur
- Anhang 1 Das Kriseninterventionszentrum Wien
- Anhang 2 Fort- und Weiterbildung in Krisenintervention im Rahmen von ĂAGG und ĂGATAP â ein Modell
- Anhang 3 Wichtige Internetadressen
- Sachwortregister