The concept of archetypes and the collective unconscious represents the core of the analytical psychology of C. G. Jung. The book summarises an overview of the classical theory of archetypes and the archetypal stations of individuation process with Jung and his students as well as the theoretical development on the basis of research and findings from anthropology, human genetics and the neurosciences for the first time. This shows clearly that Jung's views must be comprehensively revised. The applications of the concept are illustrated by detailed case studies and dream series.
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Als Hinführung zum Thema Archetyp möchte ich das folgende Fallbeispiel vorstellen, das sich vor einigen Jahren in meiner psychotherapeutischen Praxis zugetragen hat. Ich hatte damals einen jungen Mann Anfang 20 in Psychotherapie, der sich bei mir angemeldet hatte vor allem wegen einer wiederkehrenden Depression. Hinzu kam, was sich allerdings erst nach einiger Zeit und einer von seiner Seite zögerlichen Offenlegung herausstellte, ein Missbrauch von Cannabis, der solche Ausmaße angenommen hatte, dass mein Klient über längere Zeiten des Tages im Dösen verbrachte. Er wies schon kognitive Störungen wie z. B. Konzentrations-und Merkfähigkeitsschwächen auf, was im Zusammenspiel mit seiner Depression zur Folge hatte, dass er in seiner beruflichen Situation und Ausbildungsperspektive stagnierte.
In der Vorgeschichte hatte mein Klient im Alter von sieben Jahren den Tod seiner Mutter erlebt, die an einer Blutvergiftung im Zusammenhang mit einer Krankenhausbehandlung starb. Er lebte dann weiter mit seinem Vater und seiner viele Jahre älteren Schwester zusammen, wobei die Schwester in der Zeit, in der sie zuhause lebte, quasi Mutterfunktion für ihn übernahm. Als mein Klient 14 Jahre alt war, erkrankte auch der Vater an Krebs und es war bald abzusehen, dass auch er an der Erkrankung sterben würde. Zu diesem Zeitpunkt war die ältere Schwester schon ausgezogen und lebte selbst in Ehe mit eigener Familie in größerer Entfernung vom Wohnort meines Klienten. Mein Klient musste nun als Jugendlicher den langsamen Verfall und das Sterben seines Vaters mitverfolgen und blieb schließlich völlig allein im Hause seiner Eltern zurück. Das zuständige Jugendamt entschied dann, dass er in der Lage sei, seinen Lebensalltag alleine zu bewältigen. So lebte mein Klient seit dem Tode seines Vaters allein im elterlichen Haus, schloss seine Schulausbildung und eine Berufsausbildung ab und arbeitete zu dem Zeitpunkt, an dem er zu mir kam, schon einige Jahre in einem Lehrberuf. In seinem Elternhaus, in dem er nach wie vor lebte, hatte er praktisch alles so belassen, wie die Eltern es eingerichtet hatten – mir drängte sich manchmal der Gedanke auf, das Ganze wirkte wie ein Mausoleum, in dem der verlorenen Eltern gedacht wird, und das weniger ein Ort zum wirklichen Leben ist.
Die Depression meines Klienten kehrte in Schüben immer wieder, insbesondere verstärkte sie sich in der Zeit kurz vor dem Todestag seiner Mutter. Es war offensichtlich, dass der Klient viel zu früh in seinem Leben von diesen Verlusten betroffen worden war und diese auch angesichts der kargen Lebenssituation in keiner Weise psychisch verarbeitet hatte. Die Erfahrung des Verlustes seiner emotionalen Basis, des Alleingelassenseins und der Überforderung wurde dann sicherlich durch den ebenfalls vorzeitigen Tod seines Vaters noch einmal verstärkt. Psychodynamisch ist in diesen frühen Verlusten sicherlich der genetische Hintergrund für seine Depressionen zu sehen. Der exzessive Missbrauch von Cannabis, mit dem er sich über weite Strecken des Tages in eine Art Trancezustand versetzte, stand für mich offensichtlich in dem Zusammenhang, sozusagen eine gewisse Nähe im Jenseits mit den verlorenen Eltern wiederherzustellen. Auf der bewussten Ebene rationalisierte mein Klient den Cannabismissbrauch mit einer libertinären Lebenseinstellung, und betonte, dass er es sehr schätze, dass er schon als Jugendlicher habe machen können, was er wolle. Insofern war der Klient in einer Überhöhung eines Zustandes von jugendlicher Freiheit und Verantwortungslosigkeit stehen geblieben. Gleichzeitig litt mein Klient deutlich an den ihn verfolgenden Zuständen von depressiver Gefühllosigkeit, Verlassenheit und Antriebslosigkeit und haderte mit seiner beruflichen Stagnation. Eigentlich wollte er seine Ausbildung fortführen und auf ein höheres Niveau heben, wozu er aber die Energie nicht aufbrachte.
Wir hatten nun schon über ein Jahr miteinander gearbeitet, was sich als relativ zäh erwies, da der Klient zum einen sich vehement gegen eine kritische Betrachtung seines Cannabismissbrauchs wehrte, und zum anderen die wiederkehrenden depressiven Zustände kaum beeinflussbar erschienen. Es hatte sich allerdings eine gute therapeutische Arbeitsbeziehung zwischen uns entwickelt, der Klient kam gern zu den Sitzungen und brachte auch zunehmend Themen, die ihn aktuell emotional beschäftigten (wie z. B. aktuelle Paarbeziehungen) in die Psychotherapie ein. Auf diesem Hintergrund hatte mein Klient nun folgenden Traum, den er sichtlich erregt in der nächsten Therapiesitzung erzählte:
Ich bin in einem fremden Land und werde von Leuten eines mir fremden Volkes sehr brutal behandelt. Sie ziehen mir die Kleider aus und malen mich mit einer Art heller Farbe oder auch Ton bzw. Schlamm an. Dann schlagen und pieken sie mich mit kleinen Stöcken, was sehr schmerzhaft ist. Sie packen mich an den Armen und Beinen und schleifen mich durch den Staub und schließlich zu einer Art Altar. Auf diesem Altar ist ein großer Stein mit einem runden Loch darin. Ich werde von den Männern mit meinem ganzen Körper durch dieses Loch hindurch gezogen, was ebenfalls sehr schmerzhaft ist. Danach aber werden die Leute sehr freundlich zu mir, sie tanzen einen Freudentanz um mich herum, tragen mich auf den Armen und wir gehen zu einer Art Fest, an dem ich gefeiert werde. Ich fühle mich jetzt sehr angenommen und euphorisch.
Der Traum, der für einen unbefangenen Betrachter zunächst einmal etwas fremdartig wirkt, hatte auf mich eine ungeheuer wuchtige Wirkung: Ich war so betroffen, dass ich kaum etwas sagen konnte. Ich beschäftigte mich zu dieser Zeit für eine Prüfung in Ethnologie mit Initiationsriten verschiedener Völker. Es sprang mir sofort ins Auge, dass der Traum meines Klienten bis ins Detail Elemente von Initiationsriten beschreibt, wie man sie bei verschiedenen Völkern, z. B. in Ostafrika, findet. Hätte ich mich zu dieser Zeit nicht mit entsprechender ethnologische Literatur beschäftigt, wäre mir der Zusammenhang vielleicht nicht so deutlich aufgefallen. Interessant ist nun, dass der Traum meines Klienten derartige Initiationsriten dermaßen detailgetreu beschreibt, obwohl ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehme, dass mein Klient kein diesbezügliches Wissen besaß und auch mit entsprechender Fachliteratur nicht in Kontakt gekommen war. Darüber hinaus war überaus interessant, dass der im Traum beschriebene Vorgang der Initiation im Grunde genau das war, was mein Klient in seiner damaligen Lebenssituation brauchte. Initiationsriten bei den Völkern dienen immer dazu, Heranwachsenden den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter zu ermöglichen. Die teilweise schmerzhaften und auch ängstigenden Prozeduren, denen sich die Initianten unterziehen müssen, dienen nach dem Verständnis traditioneller Völker, so weit die Ethnologie dies rekonstruieren kann, dazu, »das Kind in der Person zu töten«, also den Abschied und das Loslassen von kindlichen Bindungen insbesondere an die Mutter, aber auch an die Ursprungsfamilie im allgemeinen, zu erleichtern. Erst wenn das Kind in der Person auf diese Weise, so das Verständnis der Ethnologie, beseitigt ist, kann der Heranwachsende in sich Platz schaffen für eine Orientierung an der Welt und den Werten der Erwachsenen und in dieser Erwachsenenwelt Verantwortung übernehmen. Viele Initiationsriten beinhalten dementsprechend auch den Vorgang einer symbolischen Wiedergeburt oder Neugeburt, z. B. durch Taufe, also durch Eintauchen, Untertauchen in einem Wasser, in dem die alte Person stirbt, und Wiederauftauchen als eine neue Person, ein neugeborener Mensch, hier ein Erwachsener. Im Traum meines Klienten war dies das Hindurchgezogen-Werden durch den »Geburtskanal« des Steins auf dem Altar. Der Altar im Traum markiert dabei, dass es sich hier um einen quasi sakralen Kontext handelt. Typisch für Initiationsriten ist auch die Feier der Initianden, nachdem sie die schwierigen Prozeduren der Initiation überstanden haben und sich als mutig erwiesen haben, Schmerz und Angst auszuhalten, sowie ihre Aufnahme in die Gemeinschaft der Erwachsenen, der dann in der Regel eine Zeit der Unterweisung in die Regeln und das Wissen der Älteren folgt.
Dieser Traum an genau diesem Punkt der Behandlung war für mich deshalb auch so verblüffend, weil eine Initiation im Grunde genau das war, was mein Klient brauchte. Aufgrund seiner frühen Verlusterfahrungen war es ihm nicht möglich, sich beizeiten von den Bindungspersonen seiner Kindheit zu lösen und diese zu verabschieden, sondern er konservierte im Grunde die Bindung an die Eltern durch das Leben in deren »Mausoleum« und stellte mit seinem Cannabiskonsum immer wieder quasi eine trancehafte Verbindung zu seinen Eltern im Jenseits her. Das Ganze war rational überhöht durch Werte von jugendlicher Freiheit und Verantwortungslosigkeit. Auch aus meiner Sicht als Psychotherapeut bedurfte es hier einer Verabschiedung der Kindheit, was natürlich hier abweichend von einem üblichen Initiationsritus auch ein Betrauern der frühen Verluste bedeutet hätte, sowie den bewussten Schritt in eine erwachsene Verantwortung für sein Leben.
Als ich mir diese Zusammenhänge bewusst gemacht hatte, erzählte ich meinem Klienten längere Zeit von Initiationsriten und deren Funktion bei verschiedenen Völkern. Auch wenn ihm dies einleuchtete, so bewirkte dies natürlich nicht sofort eine umfassende Veränderung bei ihm. Für mich aber gab der Traum deutliche Hinweise auf die weitere Entwicklung und Zielrichtung der therapeutischen Arbeit und es war auch zu bemerken, dass in der Folge des Traumes es deutlich leichter fiel, mit dem Klienten schwierige Themen wie z. B. die Konservierung des Andenkens seiner Eltern oder seinen exzessiven Cannabiskonsum zu thematisieren. Die Therapie setzte sich dann noch für etwa zwei Jahre fort, wobei es schließlich gelang, dass der Klient die Verluste seine Eltern betrauerte, seine depressiven Schübe überwand, eine neue Ausbildung begann und schließlich auch aus dem Haus seiner Eltern in eine für ihn angemessenere, kleine Wohnung zog. Insgesamt war das Ergebnis der Therapie insofern sehr erfolgreich.
Die Initiation, die im Traum meines Klienten auftaucht und die er hier durchlaufen muss, kann zurecht als ein Archetyp bezeichnet werden. Dieses Beispiel enthält die wesentlichen Elemente, die das Konzept des Archetypus ausmacht: es ist ein universelles Muster, das sich zu allen Zeiten bei allen Völkern in strukturell ähnlicher Weise findet; es taucht spontan aus dem Unbewussten der Person, wie hier z. B. in einem Traum, auf; in der Regel kann davon ausgegangen werden, dass die Person kein Wissen um das Muster aus der Erfahrung erhalten hat, es scheint sozusagen in der Person angelegt zu sein; das Auftauchen des Archetypus ist mit einer psychischen Energie verbunden, die eine Transformation bewirkt – bei der Initiation geht es darum, den Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter zu bewirken; insofern zeigen sich Archetypen insbesondere in Transformationsprozessen, wie z. B. in der Psychotherapie, als spontaner seelischer Ausdruck, der festgefahrene seelische Prozesse wieder in Bewegung bringt und insofern heilsame Wirkung entfaltet; oft macht einen das Auftauchen von Archetypen ehrfürchtig, was Carl Gustav Jung als Numinosum bezeichnet hat. Jung hat das Konzept des Archetypus für die Psychologie ausformuliert. Diese Konzeption und seine Weiterentwicklung sowie seine Anwendungsbereiche sind Gegenstand dieses Buches.
2 Die klassische Definition und Theorie des Archetypenkonzepts bei Jung
Der Begriff Archetyp, in Kombination mit dem Begriff des Kollektiven Unbewussten sowie dem des Individuationsprozesses, ist sicherlich das zentrale Konzept der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs. Die Archetypen bilden das theoretische Fundament der Jung’schen Psychologie, sie machen ihre Besonderheit gegenüber allen anderen psychotherapeutischen Schulen aus, und bedingen im Grunde die spezifische Vorgehensweise in der Psychotherapie mit ihren verschiedenen Methoden der Traumdeutung, Arbeit mit Bildern und anderem symbolischem Material, der aktiven Imagination usw. Das Konzept der Archetypen war – neben persönlichen Konflikten – ein hauptsächlicher Grund für die theoretischen Differenzen und den nachfolgenden Bruch zwischen Freud und Jung und markieren den Beginn der Ausformulierung von Jungs eigenem psychologischen Theoriegebäude.
2.1 Definition
Der Begriff Archetyp lässt sich am besten mit dem Wort Urbild übersetzen. Diese Urbilder, so nimmt Jung an, gehören quasi zur Ausstattung der menschlichen Psyche (Jungs eigene Publikationen zum Konzept des Archetypus finden sich hauptsächlich im Band 9/1 der gesammelten Werke). Archetypen sind Strukturelemente der kollektiven Psyche und geben psychischer Energie eine bestimmte Form, wobei sie selbst unanschaulich und gestaltlos sind. Als selbst inhaltsleere Gestaltungsfaktoren liegen sie vor jeder Erfahrung und präformieren menschliche Vorstellungen, Erleben und Handeln. Archetypen kreisen um die elementaren und allgemeinen Erfahrungen des Lebens wie Geburt, Ehe, Mutterschaft, Tod, Trennung, Krisen usw. Sie haben dabei folgende Merkmale:
1. Nach Jungs Verständnis sind Archetypen angeborene Muster des Erlebens und Verhaltens, die er sich in Analogie zu den Instinkten bei Tieren vorstellt (zur Frage des Angeborenseins der Archetypen siehe ausführlicher
Kap. 4.3.1). Sie sind sozusagen apriorischen Formen der Wahrnehmung und Organisationen von Welterfahrung des Menschen, das heißt sie steuern das Erleben des Menschen in seiner Umwelt. Als Beispiel sei hier genannt: ein Kind kann eine Betreuungsperson als Mutter bzw. mütterlich erfahren, nicht nur weil diese Person sich in einer bestimmten Weise verhält, sondern weil im Kind eine Bereitschaft vorhanden ist, die Erfahrung mit dieser Person in einer bestimmten Weise, eben als Mutter, zu organisieren. Hier wird deutlich, dass Jung explizit die Auffassung der behavioristischen Lerntheorie, die zu seiner Zeit im Aufstreben begriffen war und in den folgenden Jahrzehnten praktisch die Herrschaft über die wissenschaftliche Psychologie erlangte, ablehnte, dass nämlich ein Kind eine »Tabula rasa« sei, also eine leere Tafel. Damit ist gemeint, dass das Kind bei seiner Geburt keine spezifischen Eigenschaften oder Vorstrukturierung mitbringt, sondern alles, was die Psyche später ausmacht, durch Erfahrung und Lernen in sie hinein kommt. Hier war Jung dezidiert anderer Auffassung, seine Psychologie markiert sozusagen den Gegenpol zum Behaviorismus. Sein Archetypenkonzept besagt, dass Menschen schon bei der Geburt mit einem umfassenden Wissen sowie einer Art und Weise, wie sie psychisches Erleben organisieren, ausgestattet sind. Diese Ausstattung der Psyche manifestiert sich im Lebensverlauf in typischen menschlichen Verhaltensweisen, z. B. der Tendenz, sich monogam an einen Partner zu binden, dies mit einem Ritus, genannt Heirat, zu formalisieren und auf dieser Basis eine Familie zu gründen. Diese Grundausstattung der Psyche des Menschen führt dazu, dass es bei allen Menschen in allen Völkern zu allen Zeiten typische menschliche Verhaltensweisen, Entwicklungsverläufe, Riten, Symbole und Überzeugungen gibt.
2. Dies ist gleichbedeutend damit, dass Archetypen universell sind, d. h. sie sind kulturunabhängig und finden sich sowohl in den Verhaltensweisen als auch den Überzeugungen und dem innerpsychischen Erleben aller Menschen an allen Orten der Welt zu allen Zeiten in gleicher Form.
3. Nach Jung sind Archetypen stark affektiv aufgeladen, das heißt, wenn wir sie erleben, sind sie mit spezifischen und deutlich spürbaren Emotionen verbunden. Man könnte sogar sagen, dass sie Emotionen strukturieren und kanalisieren. Wenn wir archetypische Erfahrungen machen, erleben wir dies häufig als, wie Jung es nennt, »numinos«, d. h. irgendwie machtvoll, ehrfurchtgebietend, sogar beängstigend. Wir sind auf eine gewisse Weise überwältigt von der Erfahrung und empfinden eine Art Ehrfurcht wie vor religiösen Dingen. Die Erfahrung erscheint uns beeindruckend und übermächtig, ja geradezu übermenschlich. Ein gutes Beispiel dafür ist die in der Einleitung beschriebene Erfahrung der Initiation im Traum meines Klienten, von der sowohl er selbst als auch ich äußerst beeindruckt waren.
4. Die Archetypen sind uns unbewusst, sie kommen aus dem Unbewussten und wirken auch aus dem Unbewussten auf das bewusste Erleben. Jung geht sogar davon aus, dass der Archetyp an sich als solcher für das menschliche Bewusstsein niemals zugänglich ist, nur seine Manifestationen in Form von Bildern, Symbolen und ähnlichem.
5. Archetypen sind autonom, was sich hauptsächlich auf ihr Verhältnis zum Bewusstsein bezieht. Sie sind für das bewusste Ich weder machbar noch steuerbar, sondern entspringen dem Unbewussten, aus dem sie spontan hervorgehen und aus dem sie steuernd bzw. strukturierend auf das Bewusstsein wirken.
6. Archetypen drücken sich häufig in der Form von Symbolen aus, manifestieren sich aber auch in menschlichen Handlungen und Verhaltensweisen, sozialen Phänomenen und anderem. Für eine ausführliche Darstellung des Symbolbegriffs in der Analytischen Psychologie siehe Dorst (2014).
Ein Beispiel ist das Symbol des Kreuzes: Kreuzesdarstellungen finden sich bereits in der Jungsteinzeit; in vielen Kulturen auf der ganzen Welt und in unterschiedlichen Epochen findet sich das Kreuz als ein religiöses Symbol, z. B. bei den Germanen in Form der Swastika (Hakenkreuz, ein Symbol der Verehrung der Sonne), ebenso aber auch in Indien, natürlich als das zentrale Symbol des christlichen Abendlandes, aber auch auf Felszeichnungen der Ureinwohner Australiens. Das Kreuz konnte aber auch außerhalb von Religionen in der Moderne in Form des Hakenkreuzes der Nationalsozialisten Massen ergreifen und Verehrung auslösen. Offenbar drückt sich im Kreuz ein sehr umfassender, ergreifender Inhalt aus, der sich nur schwer in Worte fassen lässt. Genau dies charakterisiert einen Archetyp.
Für die klassische Definition des Archetypus bei Jung muss an dieser Stelle auch hervorgehoben werden, dass in seiner ausdifferenzierten Konzeption Jung Wert darauf legt, dass der Archetyp als solcher inhaltsleer ist und nur eine allgemeine Struktur darstellt, die Inhalte bzw. Information organisiert, man könnte es auch einen allgemeinen Attraktor nennen. Jung benutzt zur Illustration dieses Aspektes das Bild der Kristallstruktur: wenn in einer Lösung sich ein Festkörper herauskristallisiert, so ist die Form oder Gestalt dieses Festkörpers jeweils individuell und einzigartig, auf der molekularen Ebene ist aber das Kristallgitter immer dasselbe. »Ihre Form ist etwa dem Achsensystem des Kristalls zu vergleichen, welches die Kristallbildung in der Mutterlauge gewissermaßen präformiert (der Archetypus per se), ohne selber eine materielle Existenz zu besitzen. Diese Existenz erscheint erst in der Art und Weise des Anschießens der Ionen und dann der Moleküle. Das Achsensystem bestimmt somit bloß die biometrische Struktur, nicht...
Table of contents
Deckblatt
Titelseite
Impressum
Geleitwort
Inhalt
1 Einführung
2 Die klassische Definition und Theorie des Archetypenkonzepts bei Jung
3 Kritik am klassischen Archetypenkonzept und Erweiterungen
4 Forschung zum Archetypenkonzept und sich daraus ergebende Weiterentwicklungen der Theorie
5 Anwendung der Archetypentheorie
6 Ist die Archetypentheorie noch zeitgemäß? – Ein vorläufiges Fazit