Wein und Blut
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Wein und Blut

Das Ende der Eucharistie im Johannesevangelium und dessen Konsequenzen

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Wein und Blut

Das Ende der Eucharistie im Johannesevangelium und dessen Konsequenzen

About this book

Die Studie untersucht die Bedeutung von Wein und Blut im Johannesevangelium und deren relationales VerhĂ€ltnis. Sie hinterfragt dabei die bisherigen Forschungspositionen. Neuere Ergebnisse der ritual- und sozialgeschichtlichen Forschung zur frĂŒhchristlichen Mahlpraxis verĂ€ndern die Perspektive auf traditionell als "Abendmahlstexte" wahrgenommene Perikopen. Zugleich sind damit aber auch zentrale Fragen der Theologie des Johannesevangeliums mit im Blick. Auch hier bietet die Studie neue Impulse. Der Text des Johannesevangeliums war in seiner Rezeption ritualprĂ€gend und eben nicht umgekehrt durch ein angenommenes Eucharistieritual vorgeprĂ€gt. Die Metaphorik des Essens und Trinkens fĂŒr die Annahme von Lehre, die bisher von der "eucharistischen" Diskussion verdeckt war, erlaubt einen neuen Blick auf die ritualgeschichtliche Entwicklung und Theologie des Abendmahls.Die Arbeit wurde mit dem Philipp-MatthĂ€us-Hahn-Preis sowie dem Preis der Armin Schmitt Stiftung fĂŒr biblische Textforschung fĂŒr das Jahr 2015 ausgezeichnet.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2014
eBook ISBN
9783170251830
Edition
1
Subtopic
Theology

1 HinfĂŒhrung1

Das relationale VerhĂ€ltnis von Wein und Blut ist v. a. im Hinblick auf das Abendmahlsritual ein zentraler Kristallisationspunkt theologischer Debatten seit der frĂŒhen Neuzeit. In der Exegese ist die Erforschung der Motivik von Wein und Blut untrennbar verknĂŒpft mit der Frage nach dem Abendmahl bzw. der Eucharistie im frĂŒhen Christentum und in den neutestamentlichen Texten. Dabei ist zu erkennen, dass die meisten ForschungsbeitrĂ€ge mit einer modellhaften Vorstellung der außersprachlichen Referenz der Begriffe ‚Abendmahl‘/‚Eucharistie‘ operieren, die m. E. problematisch ist. Die zahlreichen Fragekomplexe, die in der Johannesexegese mit der Frage nach dem ‚Abendmahl‘/der ‚Eucharistie‘ bzw. den ‚Sakramenten‘ im JohEv verbunden sind, haben im vergangenen Jh. zu zahlreichen Kontroversen und zu einer nicht mehr ĂŒberschaubaren Menge an Forschungsliteratur gefĂŒhrt. Die KomplexitĂ€t wird dadurch erhöht, dass im Rahmen der Problemstellung auch die Forschung zu den frĂŒhchristlichen MĂ€hlern, deren Form, Deutung und Theologie sowie die Forschung zur antiken Mahlkultur zu berĂŒcksichtigen sind. Daneben erschweren unterschiedliche methodische, hermeneutische und theoretische ZugĂ€nge zu den neutestamentlichen Texten die Darstellung eines möglichst einfach strukturierten ForschungsĂŒberblicks.
Das Ziel dieser Studie liegt in der Neubestimmung des relationalen VerhĂ€ltnisses von Wein und Blut im JohEv, die v. a. durch neuere Erkenntnisse in der ritual-und sozialgeschichtlichen Forschung zu den frĂŒhchristlichen MĂ€hlern notwendig geworden ist. D. h., dass die Bedeutung von Wein und Blut innerhalb ausgewĂ€hlter Perikopen zu untersuchen ist und auf der Grundlage dieser Ergebnisse zu fragen sein wird, welche Topoi der Theologie des JohEv mit Wein und Blut verbunden sind. Im Folgenden sind zunĂ€chst Linien und Argumentationsmuster, aber auch blinde Flecken im Forschungsdiskurs aufzuzeigen, um die exegetische Fragestellung prĂ€zise formulieren zu können und in den Diskurs einzuordnen. Dabei ist die KomplexitĂ€t der bisherigen Forschung notwendigerweise zu reduzieren. Der Dialog mit der Forschung zu den im Einzelnen zu behandelnden Bibelstellen bzw. zu weiteren Einzelfragen wird in den jeweils relevanten Kapiteln und Abschnitten gefĂŒhrt. Aber auch hier wĂ€re angesichts der FĂŒlle an Forschungsliteratur und Forschungsdiskursen ein Anspruch auf VollstĂ€ndigkeit nicht einlösbar.

1.1 Die Frage nach der ‚Eucharistie‘ im JohEv vor dem Hintergrund der Forschungsgeschichte zu den frĂŒhchristlichen MĂ€hlern

1.1.1 Die Frage nach der ‚Eucharistie‘im JohEv

Die johanneische Motivik von Wein und Blut wird ĂŒblicherweise mit Bezug auf das ‚Abendmahl‘ bzw. die ‚Eucharistie‘ im JohEv bzw. in der sog. johanneischen Gemeinde untersucht. Ausgangspunkt ist dabei zumeist die Beobachtung, dass im JohEv der sog. ‚Einsetzungs- oder Stiftungsbericht‘ Jesu fehle – bzw. dass der Evangelist diesen verschweige – und dass an dieser Stelle die FußwaschungserzĂ€hlung stehe. Viele Exegeten sehen in diesen Unterschieden zu den Synoptikern einen wichtigen SchlĂŒssel fĂŒr die Beantwortung der Frage nach der ‚Eucharistie‘/dem ‚Abendmahl‘ im JohEv. Die verschiedenen ErklĂ€rungsmodelle fĂŒr diese Besonderheit, die in der Forschung gegeben werden,2 beeinflussen wiederum die Interpretation der Motivik von Wein und Blut.
Die Forschungsgeschichte, die von D. C. Bienert in seiner Dissertation sehr detailliert und ausfĂŒhrlich dargestellt wird,3 weist insgesamt das Spektrum von einer ‚antisakramentalen‘ und ‚asakramentalen‘ bis hin zu einer ‚betont sakramentalen‘ Auslegung des JohEv auf.4 In dieses Spektrum kann man bis heute die verschiedenen Forschungspositionen einordnen, wenn auch die Tendenz zu einer ‚betont sakramentalen‘ Auslegung im Sinne der 1950er Jahre, wie sie etwa bei O. Cullmann5, B. Vawter6 und W. Wilkens7 zu finden ist, nicht mehr vertreten wird.
Besonders einflussreich in der Forschungsgeschichte ist die Position R. Bultmanns, die er in seinem Johanneskommentar von 1941 dargelegt hat und die der ‚antisakramentalen‘ und ‚asakramentalen‘ Deutung des Evangeliums zuzuordnen ist. Nach R. Bultmann sei die Stellung des Johannes zu den ‚Sakramenten‘ problematisch, wobei das „Herrenmahl [
] von ihm ĂŒberhaupt nicht genannt“8 werde. In der Darstellung Jesu spiele das Herrenmahl keine Rolle, was R. Bultmann damit erklĂ€rt, „daß sich der Evglist [sic!] mit dem kirchlichen Brauch von Taufe und Herrenmahl zwar abfindet, daß dieser ihm aber infolge des Mißbrauchs verdĂ€chtig bleibt, und daß er deshalb davon schweigt. In Wahrheit sind fĂŒr ihn die Sakramente ĂŒberflĂŒssig.“9 R. Bultmanns VerstĂ€ndnis erwĂ€chst aus seiner Auffassung ĂŒber die Theologie des JohEv: „Der Tatsache, daß bei Johannes die ‚Heilstatsachen‘ im traditionellen Sinn keine Rolle spielen, und daß das ganze Heilsgeschehen: Menschwerdung, Tod und Auferstehung Jesu, Pfingsten und die Parusie, in das Geschehen verlegt ist: die Offenbarung der ÎŹÎ»áœ”ÎžÎ”Îčα Gottes im irdischen Wirken des Menschen Jesus und die Überwindung des Anstoßes im Glauben – dieser Tatsache entspricht es, daß auch die Sakramente keine Rolle spielen.“10 Insgesamt stehe der Evangelist den ‚Sakramenten‘ aber nicht feindlich gegenĂŒber, wie es auch in der Forschung als Extremposition immer wieder zu finden ist, sondern eher in kritischer oder zurĂŒckhaltender Distanz.11 R. Bultmann sieht aber einige Stellen im JohEv, die auf die ‚Sakramente‘ hin gedeutet werden könnten (Joh 3,5; 6,51b–58; 19,34b–35). Innerhalb seines literarkritischen Drei-Schichten-Modells werde diese als kirchliche Interpolation allerdings dem Redaktor zugeschrieben.12
Eine Extremposition im Anschluss an R. Bultmann vertritt A. Stimpfle. Seines Erachtens stellt der Evangelist nicht nur „EucharistieverstĂ€ndnis und -praxis der Urkirche radikal in Frage“13, sondern bekĂ€mpfe beides darĂŒber hinaus: „Wie die christliche Taufe scheint auch das Eucharistiesakrament fĂŒr die Gemeinde der ErwĂ€hlten nicht nur belanglos, sondern Ausdruck von Unglauben zu sein.“14 Ebenfalls auf dieser Linie liegt, wenn auch etwas gemĂ€ĂŸigter, J. Becker. Dieser geht davon aus, dass sich der Evangelist kritisch gegenĂŒber dem ‚Sakramentalismus‘ der johanneischen Gemeinde Ă€ußert, der s. E. u. a. aus Joh 6,51–58 sowie 3,3.5 abgeleitet werden könne.15
C. Dietzfelbinger hat die These eines absichtsvollen Schweigens des JohEv von den ‚Sakramenten‘ aufgenommen. Er wiederholt die Hypothese, dass Joh 3,5 und 6,51c–58 sowie 19,34 durch einen Redaktor hinzugefĂŒgt worden seien und dass das ‚Abendmahl‘ in Joh 13 bewusst durch die Fußwaschung ersetzt worden sei.16 Im Anschluss an R. Bultmann formuliert er, der Evangelist entspreche mit der Ersetzung seinem „Nein zu dem vermuteten Sakramentalismus“17 der johanneische Gemeinde und begrĂŒndet dies folgendermaßen: „Die Leidenschaft und Tiefe, mit der Johannes alles auf das Wort konzentriert, dĂŒrfte also sein VerstĂ€ndnis des Sakraments bestimmt haben, und offenbar hatte er den Grund, seine den Sakramentsempfang praktizierende Gemeinde so entschieden auf den hörenden Glauben zu verpflichten.“18
Nicht nur ist „[d]er mutmaßliche ‚Sakramentalismus‘ der johanneischen Gemeinden [
] eine forschungsgeschichtliche Legende.“19 Es ist m. E. auch problematisch, aus dem Text die Auffassung, Theologie oder Praxis der johanneischen Gemeinde zu (re)konstruieren und dann wiederum als Interpretationskategorie auf den Text anzuwenden.20 DarĂŒber hinaus ist man mittlerweile auch skeptischer, aus Joh 3 eine kritische Position gegenĂŒber den ‚Sakramenten‘ nachzuweisen.21
In der Forschungsgeschichte kann man seit R. Bultmanns kommentar a) eine interessante Dynamik zwischen der Auffassung ĂŒber die ‚Sakramente‘ im JohEv und derjenigen ĂŒber literakritische Entscheidungen bezĂŒglich der relevanten Stellen beobachten. Diese Dynamik zeigt sich auch in der eben skizzierten Linie in der Forschung einer ‚antisakramentalen‘ bzw. ‚asakramentalen‘ Auslegung des JohEv. Stellt man BezĂŒge zu den ‚Sakramenten‘ fest, werden diese entweder literarkritisch im Anschluss an Bultmann einem ‚kirchlichen Redaktor‘ zugewiesen oder ‚dem Evangelisten‘ selbst zugesprochen. Diese Zuordnung bedingt dann die Auffassung ĂŒber die Stellung des JohEv zu den ‚Sakramenten‘ des jeweiligen Exegeten. Dies wird konkret im Verlaufe der Studien insbesondere am Beispiel zu Joh 6 zu vertiefen sein.
Außerdem korrespondiert b) die Auffassung ĂŒber das VerhĂ€ltnis des JohEv (bzw. ‚des Evangelisten‘) zu den ‚Sakramenten‘ in den meisten FĂ€llen mit der EinschĂ€tzung der Frage, wie der Tod Jesu im JohEv gedeutet wird. Nach Nielsen kann man idealtypisch unterscheiden zwischen einer offenbarungstheologischen Interpretation, nach der Jesu Tod keine Heilsbedeutung bzw. keine eigenstĂ€ndige theologische Bedeutung habe (R. Bultmann22, E. KĂ€semann23) bzw. als Kulmination der Offenbarung eine eigenstĂ€ndige, aber keine opfertheologische Bedeutung habe (J. T. Forestell24, U. B. MĂŒller25), und einer kreuzestheologische Interpretation, nach der Jesu Tod ein s...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Hingabe
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Vorwort
  7. 1 HinfĂŒhrung
  8. 2 Die Semantische fĂŒlle Der Weinmotivik in Der Antiken Kultur
  9. 3 Exegetische Untersuchung Der Motivik von Wein und Blut
  10. 4 Ergebnis und WeiterfĂŒhrende Schlussfolgerungen
  11. 5 AbkĂŒrzungsverzeichnis
  12. 6 Quellen und Hilfsmittel
  13. 7 Verzeichnis der Zitierten Forschungsliteratur
  14. 8 Register