1 Die Betreuung Sterbender verschiedener Religionen und Kulturen
1.1 BahĂĄâĂ
Grundwissen
Die BahĂĄâĂ-Religion ist eine nach-islamische Offenbarungsreligion. Sie entstand Mitte des 19. Jahrhunderts und ist damit die jĂŒngste aller Weltreligionen. Derzeit zĂ€hlt sie weltweit etwa 6 Millionen AnhĂ€nger, vor allem in Indien, im Iran, Afrika, SĂŒd- und Nordamerika (Nationaler Geistiger Rat der BahĂĄâĂ 2019). Das Ursprungsland der BahĂĄâĂ ist der Iran, wo sie heute die gröĂte religiöse Minderheit bilden. Die mit etwa 2 Millionen Mitgliedern weltweit gröĂte BahĂĄâĂ-Gemeinde befindet sich in Indien (Nationaler Geistiger Rat der BahĂĄâĂ 2019). In Deutschland leben derzeit etwa 6.000, in Ăsterreich etwa 1.250 und in der Schweiz um die 1.000 BahĂĄâĂ (Nationaler Geistiger Rat der BahĂĄâĂ 2019). Viele der in Deutschland lebenden BahĂĄâĂ stammen aus dem Iran, die meisten sind jedoch Deutsche. In Langenhain (Hofheim am Taunus) steht seit 1964 das erste und bisher einzige Haus der Andacht der BahĂĄâĂ in Europa.
Die BahĂĄâĂ-Religion nahm ihren Anfang im Jahr 1844, als der junge persische Kaufmann Siyyid Ali Muhammad (1819â1850) in ShĂrĂĄz erklĂ€rte, er sei dazu berufen, der Menschheit eine Botschaft Gottes zu ĂŒberbringen, die deren SpiritualitĂ€t verĂ€ndern wĂŒrde. Er erhielt den Titel »BĂĄb« (»das Tor«) und hielt seine Offenbarungen in mehreren Schriften, unter anderem dem BayĂĄn, fest. Darin kĂŒndigte er das Erscheinen eines zweiten Botschafters Gottes sowie ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit an. Zudem erklĂ€rte er das islamische Gesetz, die Scharia, fĂŒr ungĂŒltig und rĂ€umte Frauen und einfachen Menschen mehr Rechte und religiösen FĂŒhrern weniger Macht ein. Sein Ziel war die Erneuerung der Religion und der Gesellschaft. Die Menschheit sollte die politischen, rassischen und religiösen Grenzen ĂŒberwinden und einem gemeinsamen Glauben angehören. All dies machte ihn in den Augen der islamischen FĂŒhrer zu einem gefĂ€hrlichen Rebellen. Nach mehreren Jahren unter strengen Haftbedingungen wurde der BĂĄb am 9. Juli 1850 wegen Hochverrats in Persien hingerichtet. Sein Grab befindet sich heute an den HĂ€ngen des Berges Karmel in Haifa (Israel). Innerhalb weniger Jahre hatte der BĂĄb zuvor viele AnhĂ€nger gewonnen. Einer davon war MĂrzĂĄ Husayn-âAli (1817â1892), der ursprĂŒnglich ein schiitischer Moslem war und zum persischen Adel gehörte. Nach der Hinrichtung des BĂĄb wurde er in Teheran inhaftiert. In der Haftzeit hatte er 1852 die Vision, der vom BĂĄb angekĂŒndigte nĂ€chste Bote Gottes zu sein und nahm den Namen BahĂĄâuâllĂĄh (»Herrlichkeit Gottes«) an. Unter der Auflage, Persien innerhalb eines Monats zu verlassen, kam er im Jahr 1853 frei und ging zusammen mit anderen GlaubensanhĂ€ngern ins Exil nach Bagdad.
Im Jahr 1863 offenbarte er seine Vision den AnhĂ€ngern des Babaismus. Dies war der Beginn der BahĂĄâĂ-Religion. BahĂĄâuâllĂĄh wurde spĂ€ter nach Edirne (TĂŒrkei) verbannt, von wo aus er den damaligen Königen und Herrschern seine Offenbarungen mitteilte und sie zu friedlicher Koexistenz und gerechtem Umgang mit ihren Untertanen aufforderte. Zu den von ihm angeschriebenen wichtigen Persönlichkeiten gehörten unter anderem Kaiser Franz-Josef, Napoleon III., Kaiser Wilhelm I. und Papst Pius IX. 1868 wurde BahĂĄâuâllĂĄh nach Akka (Israel) verbannt. Dort verfasste er die wichtigsten Schriften der BahĂĄâĂ-Religion, zu denen das Heiligste Buch (KitĂĄb-i-Aqdas) gehört. GlĂ€ubige aus Persien, dem Irak und der TĂŒrkei pilgerten in dieser Zeit zu ihm. BahĂĄâuâllĂĄh starb 1892 und wurde nahe BahjĂ, am Rande von Akka, beigesetzt. Seine Nachfolge trat sein Sohn âAbduÂŽl-BahĂĄ an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die BahĂĄâĂ-Religion AnhĂ€nger in zwölf LĂ€ndern. Durch das Erscheinen BahĂĄâuâllĂĄhs erfĂŒllten sich nach dem Glauben der BahĂĄâĂ die VerheiĂungen der hebrĂ€ischen Bibel, des Evangeliums und des Korans. Im Laufe ihrer ĂŒber 170-jĂ€hrigen Geschichte entwickelte sich die BahĂĄâĂ-Religion zu einer weltweiten religiösen Gemeinschaft. In ihrem Ursprungsland, dem Iran, werden die BahĂĄâĂ-AnhĂ€nger auch heute noch verfolgt. Die GrabmĂ€ler des BĂĄb und BahĂĄâuâllĂĄhs in Haifa und âAkka sind Wallfahrtsorte glĂ€ubiger BahĂĄâĂ.
Heilige Schriften der BahĂĄâĂ
Der vom BĂĄb geschriebene Bayan beschreibt die spirituelle Einheit aller Menschen, unabhĂ€ngig von deren Religion. Er enthĂ€lt ein fĂŒr alle Religionen gĂŒltiges Gesetz, das an die Stelle der religiösen Regeln aller Weltreligionen treten sollte. Die Heiligen Schriften der BahĂĄâĂ wurden von BahĂĄÂŽuÂŽllĂĄh verfasst und enthalten unter anderem die Glaubensgrundlagen und ethischen Regeln fĂŒr das Leben der GlĂ€ubigen. Zu den heiligen Schriften gehören: das Heiligste Buch (KitĂĄb-i-Aqdas), das Buch der Gewissheit, Die Verborgenen Worte und Die Sieben TĂ€ler.
Neben den Schriften BahĂĄâuâllĂĄhs und des BĂĄb erkennen BahĂĄâĂ auch die heiligen Schriften anderer Religionen, wie die Bibel, den Koran und die Bhagavad Gita, als Gottes Wort an. Der BahĂĄâĂ-Glaube hat islamische Wurzeln, Ă€hnlich wie das Christentum und das Judentum den gleichen Ursprung haben. So hat der Koran einen Ă€hnlichen Stellenwert wie das Alte Testament in der christlichen Bibel. Er ist fĂŒr das tĂ€gliche Leben der BahĂĄâĂ nicht bindend, weil das neuere Gottesgesetz BahĂĄâuâllĂĄhs sehr von den Regeln des Islams abweicht.
Nach den GlaubensgrundsĂ€tzen der BahĂĄâĂ-Religion beruhen alle groĂen Weltreligionen auf einem einzigen Gott. Moses, Jesus, BahĂĄâuâllĂĄh, Buddha, Krishna und Mohammed waren die Propheten dieses einen Gottes. Die Aufgabe des Propheten BahĂĄâuâllĂĄh war es, die religiösen Unterschiede durch einen allen gemeinsamen Glauben zu ĂŒberwinden. Die wichtigsten Werte der BahĂĄâĂ-Religion sind die Einheit der Menschheit, universeller Friede, NĂ€chstenliebe, Dankbarkeit, Geduld, Demut und VertrauenswĂŒrdigkeit, Toleranz, die Gleichheit von Mann und Frau und die BekĂ€mpfung von Vorurteilen jeglicher Art. Gott hat alle Menschen, unabhĂ€ngig von deren Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und Religion, gleich geschaffen. Die Umsetzung dieser religiösen Ethik in das Alltagsleben ist fĂŒr BahĂĄâĂ ein sehr wichtiger Bestandteil ihrer Religionslehre. Das Leben ist nach dem Glauben der BahĂĄâĂ sowohl im Diesseits wie auch im Jenseits ein stĂ€ndiger, spiritueller Weg zu Gott, auf dem Krankheit und Tod unvermeidliche Begleiter sind. Die menschliche Seele ist unsterblich.
Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft
Die Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft der BahĂĄâĂ ist ab Vollendung des 15. Lebensjahres möglich. Sowohl der Eintritt als auch der Austritt aus der Glaubensgemeinschaft erfolgen durch eine schriftliche ErklĂ€rung und ohne besondere Zeremonien. In der BahĂĄâĂ-Religion existieren keine geistigen FĂŒhrer wie z. B. Priester. Die Glaubensgemeinschaft wird von Geistigen RĂ€ten geleitet, die von den GlĂ€ubigen der Gemeinden als Körperschaften gewĂ€hlt werden. In Deutschland gibt es derzeit etwa 100 dieser Geistigen RĂ€te. BahĂĄâĂ dĂŒrfen in Behörden und Verwaltungen arbeiten, jedoch keiner politischen Partei angehören. Sie unterliegen der Verpflichtung, die Gesetze des Staates, in dem sie leben, zu befolgen und sich gewaltlos fĂŒr dessen Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen. GlĂ€ubigen BahĂĄâĂ ist es nicht erlaubt, BahĂĄâuâllĂĄh bildlich darzustellen. Seine persischen bzw. arabischen Schriften dĂŒrfen sie jedoch in die jeweilige Landessprache ĂŒbersetzt lesen.
âą 26. Februarâ1. MĂ€rz: AyyĂĄm-i-HĂĄ (Tage des Miteinanders, Vorbereitung der Fastenzeit)
âą 2.â20. MĂ€rz: Fastenmonat âAlĂĄ (ab dem Alter von 15 Jahren)
âą 21.MĂ€rz: Neujahrsfest (Naw-RĂșz) und das Ende der Fastenzeit. Falls die Tag- und Nachtgleiche erst nach Sonnenuntergang eintritt, findet das Neujahrsfest einen Tag spĂ€ter stat...