Soziale Gerontologie
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Soziale Gerontologie

Grundlagen und Anwendungsfelder

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Soziale Gerontologie

Grundlagen und Anwendungsfelder

About this book

Mit diesem Lehrbuch erhält der Leser einen verständlich aufbereiteten Überblick über zentrale gerontologische Fragestellungen. Neben der Vermittlung gerontologischen Grundlagenwissens werden aktuelle Themen wie Pflegebedürftigkeit, Migration, Wohnen und Techniknutzung im Alter behandelt. Das Buch ist in einen Grundlagen- und einen anwendungsbezogenen Teil untergliedert. Theorien und Forschungsergebnisse werden anhand von Fallbeispielen anschaulich erläutert und Möglichkeiten für einen Theorie-Praxistransfer aufgezeigt. Auf diese Weise bietet das Buch umfassendes Orientierungswissen nicht nur für Studierende der Sozialen Arbeit und verwandter Studiengänge, sondern auch für Fachkräfte in der Praxis.

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Information

Teil III Anwendungsbereiche

Im Grundlagenbereich dieses Buches wurde in Kapitel 9 der Lebenslagenansatz als Strukturierungsdimension für die Soziale Arbeit mit älteren Menschen vorgestellt. Anhand dieses Ansatzes lassen sich Hinweise auf soziale Ungleichheiten ermitteln und Handlungsbedarfe sowohl auf der Mikroebene des einzelnen älteren Menschen als auch auf der Meso- und Makroebene im Hinblick auf die Bereitstellung von Unterstützungsangeboten und die Schaffung erforderlicher gesellschaftlicher bzw. sozialpolitischer Rahmenbedingungen ableiten. Der Lebenslagenansatz kann zudem als Orientierung genutzt werden, um die vielfältigen Einsatzfelder in der Sozialen Altenarbeit zu beschreiben. Die für diesen Teil des Lehrbuchs ausgewählten Themen orientieren sich deshalb an diesem Ansatz. In den nachfolgenden Kapiteln wird ein Überblick über die aktuelle Lebenssituation älterer Menschen bezogen auf einzelne Lebenslagebereiche durch Vorstellung aktueller empirischer Ergebnisse gegeben, anhand derer sich Problemlagen und Handlungserfordernisse für die Soziale Arbeit erkennen lassen. Hier werden
• theoretische Konzepte und Modelle beschrieben, die zur Interpretation der vorliegenden Daten herangezogen und als Begründung für das eigene professionelle Handeln genutzt werden können;
• Anregungen für die zukünftige Arbeit als Sozialarbeiter gegeben, indem einzelne Konzepte und Maßnahmen zur Unterstützung älterer Menschen exemplarisch vorgestellt werden.
Dabei wird auf folgende Lebenslagebereiche Bezug genommen:
• Soziale Beziehungen im Alter (
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Kap. 10)
• Wohnen und Umweltgestaltung (
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Kap. 11)
• Bildung und Berufstätigkeit im Alter (
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Kap. 12)
• Gesundheit, Krankheit und Pflegebedürftigkeit (
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Kap. 13)
• Migration und Alter (
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Kap. 14)
In den einzelnen Kapiteln werden für jeden der nachfolgend dargestellten Lebenslagebereiche folgende Fragen diskutiert:
1. Wie stellt sich die Lebenssituation älterer Menschen in Bezug auf diesen Lebenslagebereich in Deutschland dar und anhand welcher statistischen Daten lässt sich dieser Lebenslagebereich beschreiben?
2. Lassen sich einzelne Gruppen von älteren Menschen identifizieren, die einen besonderen Unterstützungsbedarf aufweisen?
3. Welche theoretischen Ansätze und Modelle zur Beschreibung und Erklärung der Entstehung sozialer Ungleichheiten gibt es?
4. Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den vorgestellten theoretischen Ansätzen und empirischen Ergebnissen für die soziale Arbeit mit älteren Menschen ziehen?
Im abschließenden Kapitel 15 werden dann abschließend Anwendungsbereiche der Gerontologie in der Praxis der Sozialen Arbeit vorgestellt und diskutiert.

10 Soziale Beziehungen im Alter

Menschen sind soziale Wesen. Sie benötigen – wenn auch im unterschiedlichen Ausmaß – soziale Kontakte und dies aus folgenden Gründen:
1. Die primäre Sozialisation eines Menschen findet i. d. R. in der eigenen Familie statt. Hier erwirbt ein Kind eine erste Vorstellung von der Welt, bekommt Werte und Verhaltensweisen vermittelt. Auch zur persönlichen Identitätsentwicklung werden Beziehungen mit signifikant Anderen benötigt. Dass frühkindliche Bindungserfahrungen die Beziehungsfähigkeit im weiteren Lebensverlauf mitbeeinflussen, hat z. B. Bowlby in seinen Untersuchungen gezeigt und in seiner Bindungstheorie beschrieben (vgl. hierzu Tesch-Römer, 2010, S. 74ff.). Diese im Lebensverlauf erworbenen Erfahrungen bestimmen im Alter mit darüber, ob ältere Menschen für sie zufriedenstellende Bindungen eingehen können oder nicht.
2. Soziale Beziehungen dienen als Quelle für Spaß, Freude, Anerkennung, Bestätigung und weitere positiv getönte Emotionen. Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit (
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Kap. 8) werden auch im Alter durch zufriedenstellende soziale Beziehungen maßgeblich mitbestimmt (vgl. Schäfers, 2008, S. 35). Enge und vertrauensvolle soziale Beziehungen ermöglichen nicht zuletzt das Erleben von Halt, Vertrautheit, Intimität, Geborgenheit und Nähe. Der Austausch von Zärtlichkeiten und die Erfüllung sexueller Bedürfnisse sind nur in sozialen Beziehungen möglich.
3. Soziale Beziehungen sind eine wichtige Ressource zur Bewältigung schwieriger Lebensumstände wie dem Eintritt von Pflegebedürftigkeit. Die Unterstützung durch Angehörige und andere informelle Helfer entspricht dabei nicht nur vielfach den Wünschen der Pflegebedürftigen, sondern entlastet auch professionelle Hilfesysteme. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden angesichts des aktuellen Pflegenotstands Beratungs- und Hilfeangebote für pflegende Angehörige im Reformprozess der Pflegeversicherung immer weiter ausgebaut.
Die Beschäftigung mit Art und Ausmaß sozialer Verankerung im Alter und deren Veränderungen im Altersverlauf stellt deshalb ein zentrales Thema gerontologischer Forschung und Theoriebildung mit einer hohen Praxisrelevanz dar. Nicht nur in der Einzelfallberatung z. B. im Zusammenhang mit einer Heimübersiedlung, sondern auch bei der konzeptionellen Entwicklung von Unterstützungsangeboten z. B. für pflegende Angehörige benötigen Sozialarbeiter deshalb differenzierte Kenntnisse über die soziale Einbettung älterer Menschen und die Risikofaktoren für soziale Isolation und Ausgrenzung. Im nachfolgenden Kapitel werden deshalb folgende Fragestellungen bearbeitet:
1. Welche Bedeutung haben soziale Beziehungen für einen älteren Menschen und wie kann man diese erfassen?
2. Wie lassen sich Familienbeziehungen im Alter beschreiben? Gibt es Hinweise darauf, dass angesichts des Anstiegs der Einpersonenhaushalte und sich verändernder Familienstrukturen ältere Menschen von Isolation bedroht sind oder unter Einsamkeit leiden?
3. Inwieweit können fehlende Familienbeziehungen durch außerfamiliäre Kontakte wie Freunde oder Nachbarn ersetzt werden?
4. Was sind die Bedingungen zufriedenstellender Familienbeziehungen im Alter und welche Problemfelder sind mit Blick auf die Zukunft erkennbar?

10.1 Zugangswege und Bereiche zur Beschreibung sozialer Beziehungen im Alter

Bei der Analyse der Sozialbeziehungen älterer Menschen ist es wichtig, zwischen Familienbeziehungen und Generationenbeziehungen zu unterscheiden, da der Generationenbegriff weiter gefasst ist als der Familienbegriff (Bengtson & Schütze, 1994, S. 492). Generationenbeziehungen können sich sowohl auf Generationen innerhalb einer Familie als auch innerhalb einer Gesellschaft beziehen. Letztere beschreibt eine Altersgruppe, die gemeinsame historische Erfahrungen und Werte teilt wie z. B. die ›68er-Generation‹ oder die Generation der ›Kriegskinder‹.

10.1.1 Dimensionen sozialer Beziehungen

Ein entscheidendes Kriterium zur Beschreibung sozialer Beziehungen ist die Differenzierung nach Quantität, d. h. der Anzahl und der Häufigkeit sozialer Kontakte, und der Qualität von Beziehungen, wie nachfolgende Abbildung (
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Abb. 17) verdeutlicht.
Die Quantität von Beziehungen lässt sich vergleichsweise leicht erfassen, z. B. durch eine Netzwerkanalyse (
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Kap. 10.2.2) oder durch Beobachtungen, wie oft ein Heimbewohner von wem besucht wird. Anders ist dies für die Ermittlung der Qualität von Beziehungen. Hier ist es vergleichsweise schwieriger, da sich die Qualität zum einen auf das Erleben sozialer Beziehungen bezieht. Eine verheiratete ältere Frau mit vier Kindern und vielen Bekannten aus dem Sportverein und aus der Nachbarschaft kann über viele, von ihr allerdings als oberflächlich empfundene Sozialbeziehungen verfügen. Sie ist unzufrieden und fühlt sich einsam, da sie nicht das Gefühl hat, einen Gesprächspartner für ihre
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Abb. 17: Dimensionen sozialer Beziehungen, eigene Darstellung
Ängste und Sorgen zu haben. Umgekehrt kann eine ältere kinderlose Frau, die mit zwei ihr sehr vertrauten Schulfreundinnen über alles sprechen kann, trotz der quantitativ geringen Anzahl von Beziehungen mit deren Qualität sehr zufrieden sein.
Als weiteres Merkmal der Beziehungsqualität kann die Art des in dieser Beziehung erfolgten Austauschs angesehen werden. So unterscheidet der Deutsche Alterssurvey (Mahne & Motel-Klingebiel, 2010) folgende vier Arten des Austauschs zwischen den Generationen:
• die Bereitstellung praktischer Hilfen (instrumentell),
• finanzielle Unterstützung,
• Ratschläge (informational) und das
• Spenden von Trost (emotional;
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Kap. 10.3).
Schlussfolgerungen von der Beziehungsquantität auf die Qualität von Beziehungen zu ziehen und umgekehrt ist also nicht möglich. In der Gerontologie werden deshalb die folgenden vier Begriffe (
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Tab. 14) als voneinander unabhängige Dimensionen zur Beschreibung von Art und Ausmaß sozialer Verankerung unterschieden (vgl. Tesch-Römer, 2010, S. 205ff.).
Tab. 14: Dimensionen zur Beschreibung von Art und Ausmaß sozialer Verankerung
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10.1.2 Klassifikationsmöglichkeiten sozialer Beziehungen

Soziale Beziehungen sind also wichtig für ein zufriedenstellendes Leben im Alter. Doch um welche Beziehungen handelt es sich?
Vielfach wird beim Thema Sozialbeziehungen als erstes an Familienbeziehungen gedacht. Seltener werden außerfamiliäre Beziehungen zu Freunden oder Nachbarn betrachtet, die ebenfalls eine wichtige Rolle für das Erleben von Zufriedenheit und Rückhalt spielen, sei es als Familienersatz oder als Ergänzung oder Ausgleich bestehender Familienbeziehungen. Die Klassifikation von sozialen Beziehungen kann sich dabei auf folgende unterschiedliche Aspekte beziehen (vgl. Wagner et al., 2010, S. 328):
• die Interaktionshäufigkeit (Quantität),
• die Art der Rollenbeziehung, die untereinander besteht (
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Abb. 18),
• die Funktion oder Leistung, die die Art des Austauschs zwischen den Interaktionspartnern beschreibt (Qualität),
• die Zeitdimension (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft).
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Abb. 18: Klassifikationen sozialer Beziehungen, eigene Darstellung nach Wagner et al. 2010, S. 328

10.1.3 Einflussfaktoren auf Quantität (Kontakthäufigkeit) und Qualität (das Erleben) von Kontakten

Familienstand

Ein wichtiger Einflussfaktor auf die Anzahl soziale Bezugspersonen und damit die Möglichkeit zu sozialen Kontakten ist der Familienstand. Unverheiratete ältere Menschen ohne Partner und Ältere ohne Kinder verfügen quantitativ über weniger ihnen nahestehende Personen, auch wenn dies nicht zwangsläufig zum Erleben von Einsamkeit führen muss. Allerdings sind ihre sozialen Netzwerke instabiler und weniger belastbar. Die Gefahr möglicher Isolation ist erhöht.

Wohnentfernung

Auch die Wohnsituation kann die Kontakthäufigkeit zwischen Familienmitgliedern begünstigen oder erschweren. Wenn die Barrieren für einen Besuch zu groß werden, weil Angehörige weit entfernt wohnen und schwer erreichbar sind, wird die Kontakthäufigkeit eher gering sein oder sich auf Telefonate oder das Internet beschränken müssen. Instrumentelle Hilfen sind dann ebenfalls schwerer zu leisten. Somit steigt auch hier die Gefahr einer möglichen Isolation, v. a. wenn der ältere Mensch selbst auch nicht in der Lage ist, seine Kontakte aktiv zu pflegen. Die Verfügbarkeit erreichbarer sozialer Bezugsperson ist zwar kein Garant für einen intensiven und befriedigenden Austausch, erleichtert ihn jedoch. Als Ermöglichungsfaktor beeinflusst somit die Quantität von Kontakten auch deren Qualität.

Biografische Prägung

Die erlebte Qualität sozialer Beziehungen wird – wie bereits im Zusammenhang mit der Entstehung von Einsamkeitsgefühlen beschrieben – von mehreren Faktoren mitbeeinflusst. Ob ein Mensch mit seinen sozialen Beziehungen zufrieden ist ...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort zur Reihe
  5. Zu diesem Buch
  6. Inhalt
  7. Teil I Soziale Arbeit in Bezug auf Alter
  8. Teil II Gerontologische Grundlagen
  9. Teil III Anwendungsbereiche
  10. Literaturverzeichnis
  11. Stichwortverzeichnis