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1Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â EinfĂŒhrung: Personal als zentrale Erfolgsressource im Krankenhaus
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Die heutige Arbeitswelt im Krankenhaus unterliegt einem starken Wandel. Aus dem medizinisch-technischen Fortschritt resultiert immer mehr Spezialwissen, sodass an einer Behandlung selbst innerhalb von Berufsgruppen oftmals diverse Personen beteiligt sind und die Halbwertszeit des Wissens gering ist. Mitarbeiter sind TrĂ€ger der Kompetenz, des Wissens und der tĂ€tigkeitsspezifischen Erfahrung, ohne die kein Krankenhaus erfolgreich agieren kann. GerĂ€te und sonstige Ausstattung sind nur Mittel zum Zweck, ohne einen BeschĂ€ftigten, der diese wirtschaftlich und zielgerichtet einsetzen kann, sind sie letztendlich wertlos. Der zukĂŒnftige Erfolg einer Klinik hĂ€ngt infolgedessen entscheidend vom Faktor Mensch ab.
Der Anteil der Mitarbeiter von KrankenhĂ€usern, die eine hohe emotionale Bindung an ihre berufliche TĂ€tigkeit und zu ihrem Arbeitgeber haben, ist gering. Ursachen dafĂŒr gibt es viele. Den BeschĂ€ftigten ist oftmals unklar, was von ihnen konkret erwartet wird. Die Vorgesetzten sehen sie nicht als eigene Persönlichkeit, sondern nur als Arbeitsfaktor, der eine Position ausfĂŒllt. Teils werden sie an falschen Stellen eingesetzt, die nicht ihren FĂ€higkeiten oder BedĂŒrfnissen entsprechen. Zuletzt wird oft kritisch gesehen, dass die Meinung der Mitarbeiter nicht interessiert oder dieser kaum Gewicht zugestanden wird. Die Folgen sind vielfĂ€ltig: Wenig engagierte Mitarbeiter sind weniger produktiv, weisen oftmals eine höhere Krankheitsrate auf, zudem steigt die Fluktuation an. Des Weiteren empfehlen diese BeschĂ€ftigten ebenso seltener das Krankenhaus als Leistungserbringer, wie auch als Arbeitgeber an Bekannte. Zuletzt sind sie im Regelfall gestresster, planen ihre Karriere nicht mit ihrem derzeitigen Arbeitgeber und haben weniger Freude an der Arbeit. Ebenso wie GerĂ€te Energie und Wartung benötigen, gilt dies auch fĂŒr die Mitarbeiter. Energie entsteht beispielsweise aus Lob, angemessenen Arbeitszeiten, die Wartung weist einen engen Bezug zur Fort- und Weiterbildung auf.
Durch das zunehmende Durchschnittsalter der Bevölkerung, einerseits resultierend aus dem Anstieg der Lebenserwartung und andererseits durch die Abnahme des Anteils jĂŒngerer Bevölkerungsteile, nimmt die durchschnittliche Schweregrad eines Krankenhauspatienten weiter zu. KĂŒnftig werden vermehrt hochbetagte, multimorbide Patienten im Krankenhaus sein, deren Behandlung komplex und aufwĂ€ndig wird. Um den Anforderungen gerecht werden zu können, gewinnt lebenslanges Lernen an Bedeutung. Eine kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter ist unabdingbar.
Das traditionelle Personalwesen legte den Fokus auf die Verwaltung von Personal. Zu Zeiten, in denen in allen Berufsgruppen genĂŒgend ArbeitskrĂ€fte vorhanden waren, genĂŒgte es auf den ersten Blick, die Mitarbeiter »buchhalterisch« zu erfassen. Ăbersehen wurde jedoch, dass die Einarbeitung eines neuen BeschĂ€ftigten zeitlich und finanziell aufwĂ€ndig ist, sowie die Tatsache, dass durch das Ausscheiden eines Mitarbeiters immer auch Wissen verloren geht. Der zunehmende Wettbewerb um Personal verlangte einen professionelleren Umgang mit Mitarbeitern. Die Personalabteilung wurde zunehmend bedeutender und deren Einsatzgebiet erweitert. Beispiel ist etwa ein eigener Bereich fĂŒr die Personalentwicklung. Den nĂ€chsten Evolutionsschritt stellt das Employee Relationship Management (ERM) dar. Es basiert auf den Grundprinzipien des Costumer Relationship Management (CRM), welches auf den loyalen Kunden als Hauptziel von kundenspezifischen AktivitĂ€ten abzielt. ERM sieht den Mitarbeiter daher als internen Kunden, der zum loyalen BeschĂ€ftigten entwickelt werden soll. Im Fokus stehen dabei der Beziehungsaufbau und die Beziehungspflege zwischen dem Krankenhaus und seinen Mitarbeitenden.
Die folgenden sechs Kapitel geben einen Einblick in die zukĂŒnftige Weiterentwicklung des aktuellen Personalmanagements hin zu einem ERM-Ansatz. In Kapitel 2 werden die Grundlagen eines ERM aufgezeigt, insbesondere wird auf QuerbezĂŒge zum CRM eingegangen. ERM beinhaltet keinen eigenen, komplett neuen Ansatz, sondern versteht sich als systematische Weiterentwicklung bzw. ErgĂ€nzung des aktuellen Personalmanagements in Kliniken.
Analysiert man die Mitarbeiterschaft eines Krankenhauses, so stellt man fest, dass die BeschÀftigten sich anhand vielfÀltiger Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Herkunft unterscheiden. Ein ERM-Ansatz möchte die Chancen einer solchen Vielfalt nutzen und die daraus resultierenden Gefahren vermeiden. Diversity Management ist somit integraler Bestandteil von ERM. Kapitel 3 zeigt die Diversity-Faktoren auf und beschÀftigt sich mit der Frage, wie Vielfalt dem Krankenhaus durch gezielte Steuerung nutzen kann. Ebenso werden Herausforderungen behandelt, die eine »bunte« Mitarbeiterschaft mit sich bringt.
Die VerĂ€nderung der Arbeitsformen selbst, wie die Entstehung der Telearbeit, bei der Mitarbeiter einen Teil der Arbeit ortsunabhĂ€ngig und zeitlich flexibel verrichten können, wird durch die Nutzung moderner Kommunikationsmittel, wie Laptops und Smartphones, mit denen von ĂŒberall aus und jederzeit gearbeitet werden kann, begĂŒnstigt. Dabei verschmelzen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben zunehmend. Einerseits sind diese technologischen Entwicklungen von Vorteil, da die FlexibilitĂ€t der Arbeitnehmer erhöht wird. Es ermöglicht ihnen, private Termine und Aufgaben besser wahrzunehmen. Andererseits besteht die Gefahr, dass sich das Berufs- zunehmend in das Privatleben verlagert. Always on, d. h. permanent erreichbar zu sein, lautet die Devise vieler FĂŒhrungskrĂ€fte, wodurch sie ihre Freizeit nie wirklich zur Erholung nutzen können, sondern stĂ€ndig dem Druck der Arbeit unterliegen. Auch auĂerhalb der FĂŒhrungsbereiche haben BeschĂ€ftigte mit einer Dauerbelastung zu kĂ€mpfen, etwa wenn im Pflegedienst aufgrund von AusfĂ€llen immer wieder eingesprungen und auf Freizeit verzichtet werden muss. Kapitel 4 widmet sich deshalb der Frage der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Es zeigt AnsĂ€tze auf, wie mitarbeiterorientiert eine bessere Synthese der beiden Bereiche gelingen kann, ohne dass die Leistungsbereitschaft und -qualitĂ€t des Krankenhauses darunter leidet.
Der weiterhin hohe ökonomische Druck im Krankenhaussektor hat in den vergangenen Jahren zu einer enormen Arbeitsverdichtung gefĂŒhrt. Weniger Mitarbeiter mĂŒssen immer mehr leisten und dies zunehmend unter Zeitdruck. Um wettbewerbsfĂ€hig zu bleiben, sind Kliniken gezwungen, VerĂ€nderungs- und UmstrukturierungsmaĂnahmen vorzunehmen, um die gesamte Ablauforganisation zu verbessern. Innerhalb dieser VerĂ€nderungsprozesse liegt es in der Verantwortung der FĂŒhrungskrĂ€fte, den Wandel so zu gestalten, dass er von allen Mitarbeitern begleitet und auch getragen werden kann. Unzureichende Kommunikation ĂŒber laufende Prozesse, Vorhaben und Ziele der Umstrukturierung können ansonsten schnell Unsicherheit und Ăngste bei den Mitarbeitern hervorrufen. Kapitel 5 beschĂ€ftigt sich deshalb mit der mitarbeiterorientierten Gestaltung von VerĂ€nderungsprozessen. Es werden die Grundlagen von VerĂ€nderungen dargestellt und auf typische WiderstĂ€nde in Change-Prozessen eingegangen. VielfĂ€ltige Instrumente werden vorgestellt, mit denen es möglich ist, mitarbeiterorientiert VerĂ€nderungen erfolgreich zu gestalten.
Ein weiterer Aspekt, der die KrankenhĂ€user vor enorme Herausforderungen stellt, ist der Mangel an Mitarbeitern, insbesondere im Ă€rztlichen und pflegerischen Dienst. Durch den demografischen Wandel wird sich diese Problematik noch weiter verstĂ€rken. Je mehr sich das Durchschnittsalter der BeschĂ€ftigten erhöht, desto wichtiger ist es, dass Arbeit die Gesundheit nicht negativ beeintrĂ€chtigt, sondern die ErwerbstĂ€tigkeit bis zum Rentenalter gefördert wird. Gefragt sind daher Konzepte einer gesundheitsbewussten KrankenhausfĂŒhrung. Um im Wettbewerb um die ArbeitskrĂ€fte bestehen zu können, bedarf es einer Positionierung als attraktiver Arbeitgeber. Neben einer angemessenen Bezahlung sind insbesondere Konzepte gefragt, die eine Ausgewogenheit zwischen Privat- und Berufsleben ermöglichen. Kapitel 6 zeigt AnsĂ€tze zur gesundheitsorientierten FĂŒhrung auf. Dargestellt werden unter anderem die Bereiche Gesundheitsmanagement, berufliches Wiedereingliederungsmanagement und GesundheitsgesprĂ€che sowie der Zusammenhang zwischen Gesundheit und FĂŒhrung.
Kliniken als personalintensiver Dienstleister sind davon abhĂ€ngig, einerseits gute Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen und andererseits vorhandene Talente zu erkennen und zu fördern. Kliniken mĂŒssen sich als attraktive Arbeitgeber prĂ€sentieren, neue BeschĂ€ftigte strukturiert in das Krankenhaus einbinden sowie vorhandene Potenziale durch EntwicklungsmaĂnahmen fördern. Zudem muss es gelingen, Mitarbeiter an das Krankenhaus zu binden und die BeschĂ€ftigten an den richtigen Stellen einzusetzen. Mit diesen Aufgaben setzt sich Kapitel 7 auseinander, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf zu gewinnende oder bereits vorhandene Talente in der Klinik gelegt wird.
Neben den inhaltlichen Anforderungen an Medizin, Pflege und Therapie sind die BeschĂ€ftigten zudem mit vielfĂ€ltigen rechtlichen Anforderungen konfrontiert, die sie als Einzelner kaum ĂŒberblicken können. Kliniken sind daher aufgefordert, ihren Mitarbeitern Handlungsleitlinien an die Hand zu geben und sie zu schulen, wie sie sich gesetzeskonform verhalten können. Kapitel 8 beinhaltet die Thematik Compliance mit Fokus auf das Ziel, den Mitarbeitern dadurch mehr Sicherheit in ihrem Handeln zu geben.
2 Employee Relationship Management â Personalmanagement plus
Die wirtschaftlichen und wettbewerblichen Rahmenbedingungen von KrankenhĂ€usern haben sich in den letzten Jahren deutlich verĂ€ndert. Um im neuen Marktumfeld erfolgreich bestehen zu können, haben Kliniken sich zunehmend um die Gruppe der Patienten, Zuweiser und KostentrĂ€ger bemĂŒht. Ziel ist es, durch ein gezieltes Management der Beziehungen, neue Kunden zu gewinnen, aktuelle zu binden oder verlorene zurĂŒckzugewinnen. Das sogenannte Customer Relationship Management (CRM) fand Einzug in den Krankenhaussektor. Auch wenn im Vergleich zu anderen Sektoren, die bereits seit vielen Jahren CRM-AnsĂ€tze verwenden, die beziehungsorientierte Denkweise in Kliniken noch nicht in allen möglichen Facetten eingesetzt wird, hat sich die Philosophie des Umgangs mit den Kunden doch deutlich verĂ€ndert.
CRM bezeichnet die konsequente Ausrichtung einer Klinik auf seine Kunden und die systematische Gestaltung der Kundenbeziehungsprozesse. Die wichtigsten Kennzeichen eines solchen Vorgehens sind:
Kundenorientierung
Im Zentrum von CRM steht eine konsequente Ausrichtung sĂ€mtlicher AktivitĂ€ten des Krankenhauses an den BedĂŒrfnissen der Kunden, soweit dies organisatorisch und medizinisch möglich ist.
Langfristigkeit der Kundenbeziehungen
Angestrebt sind andauernde Kundenbeziehungen als Voraussetzung fĂŒr eine langfristige Kundenbindung, welche zur wirtschaftlichen Sicherung des Krankenhauses beitragen sollen.
Wirtschaftlichkeitsorientierung
Der Fokus der Kundenbearbeitung sollte hierbei auf Kunden liegen, die besonders profitabel sind.
Individualisierung durch Differenzierung der Kundenbeziehung
Eine Kundenbearbeitung erfordert eine Differenzierung der Kundenbeziehungen sowohl im Hinblick auf Dienstleistungen als auch auf den Dialog mit dem Kunden. Hierzu sind die WĂŒnsche und BedĂŒrfnisse zu identifizieren und nachhaltig zu bearbeiten.
Die kundenzentrierte Vorgehensweise hat vielfach zu positiven Erfahrungen und erfolgreichen betriebswirtschaftlichen Ergebnissen gefĂŒhrt. Bislang nicht in die neue Denkweise eingebracht wurden dagegen die Mitarbeiter. Es ist daher sinnvoll, dass eine Adaption der Methode auch in das Personalmanagement erfolgen sollte, in dem BeschĂ€ftigte als interne Kunden betrachtet werden, zu denen es eine Beziehung aufzubauen und diese zu pflegen gilt.
Unter ERM ist daher eine Strategie zu verstehen, mit der die fĂŒr ein Krankenhaus geeignetsten Mitarbeiter ausgewĂ€hlt und diese an die Klinik gebunden werden sollen. Endziel ist eine möglichst hohe Anzahl an engagierten und loyalen Mitarbeitern. Um erfolgreich sein zu können, ist eine mitarbeiterzentrierte Krankenhauskultur zur UnterstĂŒtzung eines wirkungsvollen und wirtschaftlichen Personalmanagements nötig.
MitarbeiterloyalitĂ€t entsteht in fĂŒnf Stufen (Stotz 2007, S. 22f.):
1. Stufe: Bezahlung
Hierunter ist die monetĂ€re Kompensation der Arbeitsleistung gemeint. Das Entgelt ist oft leicht zu ĂŒberbieten und kann daher nur die unterste Basis von LoyalitĂ€t sein. Eine aus Sicht des Mitarbeiters als zu gering angesehene Dotierung erschwert jedoch alle weiteren LoyalitĂ€tsbemĂŒhungen deutlich.
2. Stufe: Sicherheit
Die Sicherheit des Arbeitsplatzes sowie der Wunsch nach Arbeit in einer berechenbaren Organisation stellen die zweite Voraussetzung fĂŒr LoyalitĂ€t dar.
3. Stufe: UnterstĂŒtzung
Neben der UnterstĂŒtzung bei auftretenden Problemen fĂ€llt hierunter auch die Möglichkeit zur fachlichen und persönlichen Entwicklung.
4. Stufe: Information und Interaktion
GewĂ€hrleistet sein muss die richtige Dosis von Information und Interaktion. Neben der angemessenen Menge kommt es vor allem auf die QualitĂ€t der Informationen und der Kommunikation zwischen den Kollegen sowie den FĂŒhrungskrĂ€ften und Mitarbeitern an.
5. Stufe: Emotionale Ebene
PrimĂ€r geht es um die Anerkennung fĂŒr Leistung und Verhalten.
Viele Kliniken haben in den letzten Jahren der Fort- und Weiterbildung einen hohen Stellenwert beigemessen. Alle Investitionen in die Personalentwicklung laufen jedoch in die Leere, wenn die Mitarbeiter nicht motiviert sind oder andere GrĂŒnde vorliegen, die sie in ihrer Leistung behindern. Erst die LoyalitĂ€t einer möglichst hohen Anzahl von BeschĂ€ftigten ist letztendlich die Basis fĂŒr eine erfolgreiche Arbeit.
Verkehrt wĂ€re es zudem, Potenzial mit Leistung gleichzusetzen. Potenzial beinhaltet zunĂ€chst nur den Bildungsstand des Mitarbeiters sowie seine FĂ€higkeit, Neues zu erlernen und anzuwenden. Ebenso sind bisherige Erfahrungen diesem Bereich zuzuordnen. Unter Motivation versteht man die grundsĂ€tzliche Leistungsbereitschaft. Trotz guten Potenzials gelingt es BeschĂ€ftigten teilweise nicht, ihr Potenzial abzurufen. ERM will deshalb ermitteln, welche BedĂŒrfnisse des Mitarbeiters erfĂŒllt sein mĂŒssen, damit er seine Potenziale entfalten kann.
RegelmĂ€Ăig hat zudem das Umfeld groĂen Einfluss auf die Leistungen der Mitarbeiter. Hierzu zĂ€hlen beispielsweise die technischen und organisatorischen Voraussetzungen am Arbeitsplatz sowie das Betriebsklima und das VerhĂ€ltnis zum direkten Vorgesetzten.
Leistung ergibt sich letztendlich aus der Schnittmenge zwischen Potenzial, Motivation und Umfeld. Je gröĂer deren Schnittmenge ist, desto höher ist die Leistung.
Um ERM im Krankenhaus etablieren zu können, muss in einem ersten Sch...