Die therapeutische Beziehung
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Die therapeutische Beziehung

Konzept und Praxis in der Analytischen Psychologie C.G. Jungs

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Die therapeutische Beziehung

Konzept und Praxis in der Analytischen Psychologie C.G. Jungs

About this book

In the Analytical Psychotherapy of C. G. Jung, the development and design of the therapeutic relationship is of greatest importance: The resulting connection is as crucial to outcome and success. In addition to the psychoanalytic work with and within the transfer relationship to the patient, the countertransference of the analyst and the inter-subjective real relationship of psychotherapeutic pair are observed in particular. The book concerns the central concepts of Analytical Psychology and especially the Jungian technique of amplification on the conscious and unconscious relationship aspects during the course of treatment and gives a detailed insight into the dynamics of relations of analytical psychotherapy.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2016
Print ISBN
9783170293229
eBook ISBN
9783170293243

1 EinfĂŒhrung

Das Verstehen der therapeutischen Beziehung hat in der psychotherapeutischen Behandlungspraxis der Analytischen Psychologie nach Carl Gustav Jung von Anfang an grĂ¶ĂŸte Bedeutung.
Jung hatte frĂŒh erkannt, dass in der psychotherapeutischen Begegnung nicht nur der Analysand eine Übertragungsbindung an den Psychotherapeuten eingeht, sondern dass auch die unbewusste Psyche des Psychotherapeuten durch die Induktionswirkung der Übertragungsprojektionen angeregt, beeinflusst und soweit verĂ€ndert werden kann, dass er sogar von einer möglichen Â»Ăœbertragung der Krankheit auf den sie Behandelnden« spricht (Jung, 1946, GW 8, § 365). Analysand und Analytiker treten neben der bewussten Beziehung auch in ein VerhĂ€ltnis gegenseitiger Unbewusstheit.
Die Mitteilungen im Behandlungsraum finden deshalb nicht nur auf der Ebene der bewussten Begegnung statt, es kommunizieren auch die unbewussten Seiten der Psyche aktiv, wenn auch subliminal, miteinander. Dies Ă€ußert sich zum Beispiel in Sympathien und Antipathien, in der wechselseitigen Körpersprache, in vegetativen Befindlichkeiten, in VerstĂ€ndnisschwierigkeiten und im Widerstand, in der Aktivierung oder AbschwĂ€chung von Abwehroperationen, in Begegnungsmomenten (Stern, 2005) und VerlassenheitsgefĂŒhlen, im Erleben eines ungedacht Bekannten (Bollas, 1997, S. 287 ff.), in der Möglichkeit, Deutungen zu geben und diese anzunehmen, in den Traumgestaltungen, in der Übertragung und in der GegenĂŒbertragung.
Zwischen Analysand und Analytiker baut sich im Verlauf der Behandlung eine energetische Verbindung auf, fĂŒr deren Beschreibung der Begriff eines intersubjektiven Feldes geeignet erscheint, in dem sich die Wandlungsenergie entfalten kann, welche der Analysand fĂŒr seine Entwicklung benötigt (McFarland Salomon, 2013).
Die Behandlungspraxis der Analytischen Psychologie stĂŒtzte sich frĂŒh auf ein interpersonales und intersubjektives Beziehungsmodell, wie es spĂ€ter von der SĂ€uglingsforschung als Grundvoraussetzung jeglicher Kommunikation untersucht und beschrieben wurde.
Da sich Jung nach der Trennung von Freud ĂŒberwiegend den Inhalten des Unbewussten und dessen symbolischen Ausdrucksformen zuwandte, kam die Untersuchung des intersubjektiven Geschehens in der Analytischen Psychologie erst in jĂŒngerer Zeit theoretisch und praktisch mehr zur Geltung. Jungianische Psychotherapeuten beachten heute in hohem Maße die UmstĂ€nde der frĂŒhen Entwicklung ihrer Analysanden und arbeiten deshalb auch mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, um deren Entwicklungschancen zu verbessern.
Durch die Arbeiten der entwicklungspsychologisch orientierten Forscher der Analytischen Psychologie wurde es möglich, Befunde der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie, der SĂ€uglingsforschung, der Mentalisierungstheorie und der Bindungsforschung in Beziehung zu setzen zu jener intrapsychischen Beziehungsdynamik, die Jung als transzendente Funktion bezeichnet hat (Knox, 2011, S. 421 ff.). Die transzendente Funktion beschreibt die FĂ€higkeit, Inhalte des Bewusstseins mit Inhalten des Unbewussten in Verbindung zu bringen. Sie ist als ein dynamischer Abgleichungsprozess zu verstehen, bei dem einerseits explizite, bewusste Informationen mit den Erinnerungen und Engrammen verglichen werden, die in unseren unbewussten inneren Arbeitsmodellen als allgemeines Beziehungswissen gesammelt sind und die Basis unseres SelbstgefĂŒhls ausmachen. Andererseits ĂŒberfĂŒhrt die transzendente Funktion Wandlungsenergie in Symbolbildung und macht sie auf diesem Weg erfahrbar und wirksam.
Der Prozess des Filterns, Abgleichens, Bewertens, Evaluierens von realer und symbolischer Erfahrung wird in der Analytischen Psychologie als Vorgang der Sinnfindung verstanden. Dieser dient der Selbstregulation der Psyche und beinhaltet die Vorstellung einer zielgerichteten, funktionalen und ausgleichenden Erweiterung der bewussten Einstellung durch Inhalte des Unbewussten.
Die psychotherapeutische Arbeit im Geiste C. G. Jungs versteht sich eher als gemeinsamer Prozess des Nachdenkens im Dialog und weniger als dogmatische deutende Anwendung von psychoanalytischem ErklĂ€rungswissen. Jungianische Psychotherapie und Psychoanalyse ist sich stets bewusst, dass hinter und in den Beschwerden des Analysanden ein Wunsch nach Integration und Persönlichkeitsentwicklung oder Individuation wirksam ist, welcher im eigenen Selbst wurzelt. Gewollt ist auch, dass sich die persönliche Perspektive des Analysanden auf die kulturellen und historischen ZusammenhĂ€nge seiner persönlichen Lebensgeschichte hin erweitert und er eine grĂ¶ĂŸtmögliche Freiheit seines Denkens und FĂŒhlens entwickeln kann.
Die Geschichte der Psychoanalyse kann als eine Geschichte der sich verÀndernden Beziehungsgestaltung im psychotherapeutischen Prozess beschrieben werden.
In der klassischen Standardtechnik Freuds und seiner Nachfolger wird die analytische Situation wie eine naturwissenschaftliche Untersuchung konzipiert. In ihr gibt es nur Objekte: der Analytiker als Spiegel ist das Objekt der Übertragung, der Patient und dessen Material das Objekt der Beobachtung und Deutung.
Im spĂ€teren Modell der freudianischen Objektbeziehungstheorie, einer Zwei-Personen-Psychologie, nimmt der Analytiker die Rolle eines realen GegenĂŒbers ein. Der Analysand kann nun mit dem Analytiker neue emotionale Beziehungserfahrungen machen, indem sich der Analytiker in unterschiedlicher Weise nicht spiegelnd verbirgt, sondern sich als menschlicher GesprĂ€chspartner sichtbar macht. Die Deutungstechnik wurde durch eine Beziehungstechnik ergĂ€nzt, die Modifizierungen von Setting und Interventionsformen erlaubt.
Seit ungefĂ€hr 20 Jahren prĂ€gt das Paradigma der IntersubjektivitĂ€t zunehmend unser VerstĂ€ndnis des psychotherapeutischen Prozesses, welcher nun als fluktuierendes interaktives geistiges Feld gesehen wird. SubjektivitĂ€t und reale Beziehung als Ereignis- und Entwicklungsraum jenseits von Übertragung und GegenĂŒbertragung werden wichtige BezugsgrĂ¶ĂŸen des analytischen Geschehens. In diesem Feld oder in dieser Matrix realisieren sich gemeinsame geistige Schöpfungen des analytischen Paares als intersubjektives Drittes. Das intersubjektive oder analytische Dritte ist jene neue kognitive und emotionale QualitĂ€t, welche das jeweilige analytische Paar einzigartig hervorbringt. Jenes Dritte ist nicht als etwas GegenstĂ€ndliches zu verstehen, sondern als Medium der psychotherapeutischen Wandlungs- und Heilungsprozesse. Im intersubjektiven Feld des psychoanalytischen Vorgangs wachsen sowohl die interaktionell-kommunikativen Kompetenzen, als auch die Möglichkeiten des Blickes nach innen und der Verbindung mit dem eigenen Selbst.
Voraussetzung fĂŒr die bessere BewĂ€ltigung intrapsychischer und interpersoneller Konflikte sind auch VerĂ€nderungen im Integrationsniveau der psychischen Struktur. KonfliktbewĂ€ltigungskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung gehören untrennbar zusammen und sollen sich ĂŒber die psychotherapeutische Einsichts- und Beziehungsentwicklung entfalten. Die psychotherapeutische Erfahrung soll der Individuation des Analysanden dienen und Modellcharakter fĂŒr seinen Alltag bekommen.
In diesem Sinne bleibt eine jungianische Psychoanalyse nie tendenzlos, sie ist gegenwarts- und zukunftsorientiert und steht in der Überzeugung, dass die Wahrnehmung und Annahme der Entwicklungslinien, welche tief in der persönlichen Psyche verwurzelt sind, die Grundlage seelischer Heilungsprozesse bilden.
Nach den Erfahrungen meiner eigenen psychotherapeutischen Praxis und derjenigen anderer Kolleginnen und Kollegen (Otscheret & Braun, 2004) gibt es weder den Standardpatienten noch die psychotherapeutische Standardmethode. Jede psychotherapeutische Begegnung ist so besonders und einmalig, dass sie nicht nur einen individuellen Verlauf nimmt, sondern dass Analysand und Analytiker auch eine jeweils unterschiedliche Methode der Heilsamkeit erzeugen und entwickeln. Ob dies geschehen kann, hĂ€ngt in erster Linie von der professionellen Haltung des Analytikers ab und von seinem beharrlichen BemĂŒhen, sich in die Lebenserfahrung und Beziehungsgeschichte des Analysanden verstehend einzufĂŒhlen. Gleichzeitig muss er realisieren können, dass der Analysand auch ein fremd bleibender Anderer ist, den es trotzdem warmherzig anzuerkennen gilt.
Der vorliegende Band hat zwei Hauptteile. Der erste Teil (
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Kap. 2–6) widmet sich den theoretischen Grundlagen der therapeutischen Beziehung aus jungianischer Sicht. Es werden wichtige theoretische Unterschiede gegenĂŒber der auf Sigmund Freud aufbauenden Psychoanalyse beleuchtet. Danach erlĂ€utere ich die begrifflichen Koordinaten der jungianischen Theoriebildung, welche fĂŒr das VerstĂ€ndnis der psychotherapeutischen Beziehung und fĂŒr die Ziele eines analytischen Prozesses von Bedeutung sind. Ein Exkurs stellt die wichtigsten neurowissenschaftlichen und entwicklungspsychologischen Ergebnisse vor, welche fĂŒr das Entstehen von Bewusstsein und zwischenmenschlicher Bezogenheit entscheidend sind.
Danach formuliere ich Anforderungen an die Persönlichkeit und Ethik des Analytikers und Überlegungen zur Passung Analysand – Analytiker.
Kapitel 4 beschreibt psychopathologische Konzepte der Analytischen Psychologie, Kapitel 5 die psychotherapeutischen Behandlungsziele und Kapitel 6 den therapeutischen Raum und die Regeln, das Setting der Behandlung.
Den zweiten Hauptteil (
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Kap. 7–12) habe ich der psychotherapeutischen Behandlungs- und Beziehungspraxis gewidmet. Anhand einer ausfĂŒhrlichen, anonymisierten Behandlungsgeschichte werden Anfangsphase, Verlauf und Beendigung einer jungianischen analytischen Psychotherapie unter Beziehungsgesichtspunkten und – wie ich hoffe – argumentationszugĂ€nglich (Körner, 2003) beschrieben.
Mein besonderes Augenmerk gilt dabei der Wechselseitigkeit unbewusster EinflĂŒsse auf das Geschehen und VorgĂ€ngen der Differenzierung symbolischer Inhalte aus dem persönlichen und kollektiven Unbewussten. Der Traumarbeit und der jungianischen Methode des Amplifizierens habe ich dabei hervorgehobene Beachtung geschenkt.
Den Band beschließen Überlegungen zum Verfahren der versicherungsfinanzierten Psychotherapie in ihrem VerhĂ€ltnis zu verschiedenen Dimensionen heilender Individuationsprozesse.
Das Behandlungsbeispiel habe ich gewĂ€hlt, um wichtige Änderungs- und Integrationsschritte im Zusammenhang der intersubjektiven Dynamik von Analysand und Analytiker eingebettet in die sozialen Beziehungen und die soziale Lebenswirklichkeit gewissermaßen feinkörnig darstellen zu können. Obwohl ich beispielhaft eine analytische Psychotherapie als Langzeitbehandlung gewĂ€hlt habe, gelten alle wesentlichen inhaltlichen und psychodynamischen Gesichtspunkte auch fĂŒr die anderen Formen von tiefenpsychologischen Psychotherapien mit Erwachsenen, also auch fĂŒr die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Kurzzeitpsychotherapie. Die unterschiedlichen Einstellungen des Analytikers in der DurchfĂŒhrung analytischer und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapien werden im Kapitel 8.2 Indikationsfindungen im dialogischen Prozess beschrieben.
Die Besonderheiten der psychotherapeutischen Beziehung in der Gruppenpsychotherapie kann ich in diesem Band wegen ihrer KomplexitĂ€t nicht in der erforderlichen AusfĂŒhrlichkeit darstellen. Sie bleiben einer gesonderten Arbeit vorbehalten.
Im Text benutze ich durchweg die mĂ€nnliche Form, indem ich von Analysand und Analytiker oder Psychotherapeut spreche. Sie soll selbstverstĂ€ndlich fĂŒr beide Geschlechter stehen, wobei ich es fĂŒr richtig hielt, aus meiner Perspektive als Psychoanalytiker zu schreiben. Mögliche BeschrĂ€nkungen meines Textes, die sich aus der Genderperspektive ergeben, bitte ich zu berĂŒcksichtigen und zu entschuldigen.
Anstelle von eher passivierenden Bezeichnungen wie Klienten oder Patienten spreche ich durchgehend fĂŒr alle Psychotherapieformen von Analysanden, um die gemeinsame Aufgabe des Untersuchens und Verstehens im psychotherapeutischen Werk zu betonen. Ich verwende die Begriffe Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Analytiker aus demselben Grund synonym und bezeichne auch den Behandler in der tiefenpsychologisch fundierten und in der Kurzzeitpsychotherapie als Analytiker, da er ebenso zusammen mit dem Analysanden versucht, die unbewusste Psychodynamik seiner Leiden zu erforschen und auf der bewussten Ebene zugĂ€nglich zu machen.
An manchen Stellen des Textes verwende ich Verben wie »sollen« oder »mĂŒssen« und dies besonders auf AktivitĂ€ten des Analytikers bezogen. Ich möchte mit dieser Begrifflic...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Danksagung
  5. Geleitwort
  6. Inhaltsverzeichnis
  7. 1 EinfĂŒhrung
  8. 2 Das jungianische Modell der psychotherapeutischen Begegnungssituation
  9. 3 Der jungianische Psychoanalytiker
  10. 4 Psychopathologische Konzepte der Analytischen Psychologie
  11. 5 Psychotherapeutische Behandlungsziele der Analytischen Psychologie
  12. 6 Der therapeutische Raum
  13. 7 Psychotherapie: Verstehen, Erkennen, Lernen
  14. 8 Begegnung, Kontrakt, Beginnen
  15. 9 Die kontextgeleitete Behandlungspraxis
  16. 10 Die Hebammenmethode der Analytischen Psychologie
  17. 11 Die Bewusstheit des Unbewussten
  18. 12 Abschied ins Leben
  19. Literatur
  20. Stichwortverzeichnis
  21. Personenverzeichnis
  22. Verzeichnis der Abbildungen