1 Das Thema Vulnerabilität in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen
Der Begriff Vulnerabilität ist vielseitig und bezeichnet vor dem Hintergrund unterschiedlicher Disziplinen teilweise stark voneinander abweichende Phänomene. Vulnerabilität meint im Wesentlichen den Grad der Risiko- bzw. Schadensanfälligkeit oder auch -ausgesetztheit von Personen, Personengruppen, Gesellschaften, Infrastrukturen, Systemen und (Lebens-)Räumen und wird auf verschiedene Kontexte – soziale, politische, ökonomische, geographische, klimatische oder seit kurzem auch pädagogische usw. – angewandt (vgl. Weichselgartner 2001).
Je nach Kontextualisierung erhält der Vulnerabilitätsbegriff einen anderen Bedeutungsschwerpunkt. Seit einiger Zeit taucht der Begriff der Vulnerabilität mit zunehmender Häufigkeit in verschiedenen disziplinären Zusammenhängen auf, wird allerdings durch z. T. höchst unterschiedliche Indikatoren determiniert und mit Hilfe verschiedenster Untersuchungsmethoden erhoben (vgl. Bender/Schaller 2014, S. 96f.). Das verbindende und auch »nützlichste Element des Vulnerabilitätskonzeptes ist die Vorstellung, dass eine Gefahr nicht unmittelbar in ein Risiko übersetzt werden kann. Vielmehr beschreibt die Vulnerabilität das Maß der Verwundbarkeit in Bezug auf eine gegebene Gefahr« (ebd., S. 97). Die jeweilige Verletzbarkeit setzt sich aus nachteilig wirkenden Faktoren und vorteilhaften Anteilen zusammen. Neben einer (potentiellen oder tatsächlichen) Anfälligkeit beinhaltet das Konzept der Vulnerabilität zugleich stets verfügbare Bewältigungs- und/oder Anpassungsstrategien: Risiken und Ressourcen bilden die Komponenten von Vulnerabilität.
Im internationalen Vulnerabilitätsdiskurs wird ein enger Zusammenhang von Öko- und Sozialsystemen angenommen (vgl. Bürkner 2010, S. 8). Aus der Ökologieforschung gewonnene Erkenntnisse zur Vulnerabilität werden mit Ergebnissen anderer Disziplinen, z. B. der Soziologie, verknüpft und Vulnerabilität als »Interaktion von Mensch und Natur« (ebd., S. 7) bzw. »gesellschaftliche Produktion« (ebd., S. 8) betrachtet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beispielsweise nimmt entsprechend politische, ökonomische und soziale Ursachen für eine erhöhte Vulnerabilität im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und anderen Bedrohungen in den Blick (vgl. WHO 2012b, o. S.). Im deutschsprachigen Raum sind seit den 1980er Jahren die klassischen Referenzfelder der Vulnerabilitätsforschung ebenfalls die Ökologie, jedoch ohne eine »tief reichende gesellschaftstheoretische Verankerung« (Bürkner 2010, S. 10), und die Psychologie als Teilbereich der Medizin. Dort hat der Vulnerabilitätsbegriff auch seinen Ursprung und bezeichnet die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers und der Psyche. Ausgehend von diesen Feldern hat sich in den vergangenen Jahren der Begriff in angrenzenden Disziplinen etabliert. Über den Bereich der Psychologie und Medizin (1) sowie der Ökologieforschung (2) hinaus gewinnt er nunmehr in verschiedenen Feldern der Politik und Politikwissenschaften (3) an Bedeutung, bildet eine in Philosophie (4) und Theologie (5) vieldiskutierte Kategorie und ist relevant für (sozial-)pädagogische Arbeitsfelder (6).
Je nach Disziplin oder in der jeweiligen Disziplin eingenommener Perspektive kann Vulnerabilität einerseits gegenständlich-konkret gefasst werden und verweist dabei auf physische und psychische Verletzbarkeit, andererseits kann sie als Modell oder gedankliches Konstrukt dienen, um latente oder symbolische Verwundbarkeiten zu beschreiben. Eine weitere Differenzierung zeigt sich in der Bewertung von Vulnerabilität. Während sie innerhalb einiger Disziplinen, z. B. der Ökologieforschung, als negative und daher zu überwindende Eigenschaft betrachtet wird, sehen wieder andere Disziplinen, z. B. die Theologie, sie als neutrales bis positives und daher anzunehmendes oder gar wertzuschätzendes Attribut. Erkennbar wird bereits an dieser Stelle die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Vulnerabilität, um die Mannigfaltigkeit des Begriffs und seiner Verwendung erfassen zu können. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle ein Überblick über das Thema Vulnerabilität in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen erfolgen, um die Hintergründe und Sinnzusammenhänge des Vulnerabilitätsbegriffs aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und so Gemeinsamkeiten der Diskurse, die das Feld der Vulnerabilitätsforschung konturieren, herauszuarbeiten. Dies soll ein umfassendes und tiefergehendes Verständnis von Vulnerabilität ermöglichen sowie Zusammenhänge mit dem pädagogischen Diskurs aufzeigen.
Medizin und Psychologie
Der begriffliche Ursprung von Vulnerabilität wird in der Medizin verortet. Bereits im 19. Jahrhundert ist der Vulnerabilitätsbegriff in Deutschland in medizinischen Lehrbüchern zu finden. Vulnerabilität wird dabei jedoch noch nicht einheitlich gefasst und u. a. als Bezeichnung für die Empfindlichkeit von Nerven und Gefäßen verwendet, als Begriff, der die Anlage für Lungenschwindsucht anzeigt sowie zur Beschreibung von Krankheits- und Schadensanfälligkeit des Körpers allgemein (vgl. Albrecht et al. 2012, S. 11f.). Laut Duden wird der Vulnerabilitätsbegriff in der Medizin auch heute noch besonders häufig verwendet und bezeichnet die Verwundbarkeit »von Organen oder Gefäßen, die nahe an der Körperoberfläche liegen« oder auch die Störanfälligkeit innerhalb physiologischer Prozesse (vgl. Duden 2013, o. S.). In der Kardiologie wird ein Zeitraum im Herzzyklus, in dem die Anfälligkeit für Herzflimmern erhöht ist, als vulnerable Phase bezeichnet (vgl. Roche Lexikon Medizin 2003). Was auch immer genau unter medizinischer Vulnerabilität verstanden wird, in erster Linie wird sie innerhalb der Medizin als substantiell – konkret sichtbar und gegenständlich – aufgefasst.
Vulnerabilität spielt allerdings auch als medizinisches Erklärungsmodell, das nicht auf direkte physische Verwundungen verweist, eine Rolle, beispielsweise in der Stressforschung und der psychosomatischen Medizin. Dort dient sie als »Konstrukt, mit dem individuelle Dispositionen erkannt werden können, die zu Krankheiten führen« (Dorsch Lexikon der Psychologie 2015, o. S.). In der Stressforschung wird Vulnerabilität als Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten verstanden, die sich aber als solche erst in Kombination mit äußeren Stressfaktoren manifestieren:
»Diathese-Stress-Modelle, auch Vulnerabilitäts-Stress-Modelle genannt, betrachten Krankheit als das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen einer Person und äußeren Belastungsfaktoren. Unter Diathese versteht man all die Faktoren einer Person, die sie für eine bestimmte Krankheit besonders anfällig machen – anlagebedingt oder erworben« (Franke 2012, S. 158).
Anwendung finden Diathese-Stress-Modelle beispielsweise in der Allergologie oder zur Erklärung von Psychopathologien sowie ferner in der Verhaltensforschung und Psychosomatik, »da sie es ermöglichen, die besondere Bedeutung krankheitsauslösender Ereignisse angemessen zu berücksichtigen« (ebd., S. 161).
Auch die soziale Lage, in der sich Menschen befinden, kann Einfluss auf ihre Gesundheit respektive Krankheit haben. Uhlemann und Yan stellen dies anhand einer in China durchgeführten Studie fest, die mit dem Konzept der Vulnerabilität die gegenseitige Beeinflussung und den Zusammenhang von Armut, prekären Lebenslagen, Arbeitslosigkeit etc. und (chronischen) Krankheiten erfasst (vgl. Uhlemann/Yan 2004, S. 111ff.). In ähnlicher Hinsicht verwendet die WHO den Vulnerabilitätsbegriff. Sie bezeichnet vulnerability als »the degree to which a population, individual or organization is unable to anticipate, cope with, resist and recover from the impacts of disasters« (WHO 2002, S. 13). Im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und anderen verheerenden Ereignissen wie (Bürger-)Kriegen oder Hungersnöten stehen hier die Gesundheit bzw. die Anfälligkeit für Erkrankungen und Verletzungen der Menschen und deren Bewältigungskapazitäten im Mittelpunkt des Interesses (vgl. ebd.). Das Vulnerabilitätsmodell erlaubt dabei die Identifizierung besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen:
»Children, pregnant women, elderly people, malnourished people, and people who are ill or immunocompromised, are particularly vulnerable when a disaster strikes, and take a relatively high share of the disease burden associated with emergencies. Poverty – and its common consequences such as malnutrition, homelessness, poor housing and destitution – is a major contributor to vulnerability« (WHO 2012a, o. S.).
Dieser Zusammenhang hat selbstverständlich neben medizinischen auch politische Implikationen. In einer weiteren WHO-Publikation wird das Verhältnis von Gesundheit und Vulnerabilität folgendermaßen auf den Punkt gebracht: »A healthier population is less vulnerable, more resilient, and economically productive« (WHO 2012c, S. 2). Um dem sozialen Gefälle im Gesundheitsbereich zu begegnen, muss Vulnerabilität verringert werden, so die Schlussfolgerung (vgl. ebd., S. 22).
Vor dem Hintergrund neuer medizinischer Entwicklungen und Fortschritte in den Bio- und Lebenswissenschaften gewinnt der Vulnerabilitätsbegriff im Zusammenhang mit Human Enhancement gegenwärtig an Bedeutung. »Als Enhancement bezeichnet man allgemein einen korrigierenden Eingriff in den menschlichen Körper, durch den nicht eine Krankheit behandelt wird bzw. der nicht medizinisch indiziert ist« (Fuchs 1989, S. 604).
Enhancement-Kritiker betonen vor allem die Negierung menschlicher Vulnerabilität, die mit der conditio humana nicht vereinbar sei; Befürworter dagegen sehen gerade durch die Verletzbarkeit des Menschen Enhancement-Maßnahmen legitimiert (vgl. Clausen 2006, S. 398).
Ökologieforschung
Im Rahmen der Ökologieforschung wird im Hinblick auf Vulnerabilität die Anfälligkeit der natürlichen Umwelt – wie bestimmter Landstriche, Wasserquellen, Siedlungsgebiete (vgl. Birkmann et al. 2013, S. 7f.) – und vor allem der architektonisch-technischen Umwelt – wie Gebäude, Brücken, Dämme – für potentiell gefährliche Umweltphänomene, folglich die physische Vulnerabilität untersucht. Überdies geht es neben den Auswirkungen für die Regionen selbst auch um die Auswirkungen auf den dortigen Agrarsektor (Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft) oder auf Städtephysiognomien. Vulnerabilität ergibt sich stets aus dem Zusammenspiel mit getroffenen Vorsorgemaßnahmen gegen ökologische Bedrohungen, die die Vulnerabilität bestimmter Regionen senken, und bezeichnet im Kontext der Ökologie somit einen dynamischen Zustand (vgl. Bender/Schaller, o. S.).
Die Klimafolgenforschung bildet einen spezifischen Teilbereich innerhalb der Ökologieforschung. Hier meint Vulnerabilität die Anfälligkeit für Effekte klimatischer Veränderungen im Verhältnis zu den Bewältigungskapazitäten von Regionen und Ökosystemen (vgl. Parry et al. 2007). Die Klimafolgenforschung versucht die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen, die mit diesen Veränderungen (z. B. dauerhafter Temperaturanstieg) einhergehen, zu ermitteln (vgl. Bender/Schaller 2014, o. S.), um so vor allem Hinweise zur politischen Steuerung von Präventions- und Gegenmaßnahmen zum Katastrophenschutz und -management geben zu können.
Der Forschungsbereich der Raumplanung beschäftigt sich vor allem mit der Vulnerabilität von baulichen und sozialräumlichen Strukturen im Hinblick auf »die vorausschauende Planung resilienter, d. h. leicht wieder zu belebender Strukturen« (Bürkner 2010, S. 23).
Im deutschsprachigen Raum haben aktuelle Ereignisse – wie beispielsweise das ›Jahrhunderthochwasser‹ in weiten Teilen Deutschlands, Tschechiens und Österreichs im Jahre 2002 oder der Sturm Kyrill im Jahre 2007 – zu einer vermehrten Beschäftigung mit ökologischer Vulnerabilität geführt. »[D]ie Erarbeitung von Orientierungswissen für Politik und Planung« bildet dabei den Schwerpunkt der Ökologieforschung (Bürkner 2010, S. 35).
Politikwissenschaft
Seit Beginn des neuen Jahrtausends hat sich der Vulnerabilitätsbegriff vornehmlich im sicherheitspolitischen Kontext etabliert und ist zum Dreh- und Angelpunkt vor allem der Präventionsforschung in diesem Bereich geworden. In erster Linie geht es dort um die Ergreifung (sicherheits-)politischer Maßnahmen zum Katastrophenschutz. Für (sicherheits-)politische Erwägungen stehen zunächst die physischen, sozialen sowie institutionellen Vulnerabilitäten im Mittelpunkt, d. h. »Zustände und Prozesse, die die Ausgesetztheit, Anfälligkeit sowie die Reaktionskapazitäten eines Systems oder Objekts hinsichtlich des Umgangs mit Gefahren […] bedingen« (Birkmann et al. 2013, S. 25). Dabei spielen sowohl externe Vulnerabilitätsfaktoren – Umweltereignisse mit potentiell verheerenden Auswirkungen – als auch interne, gesellschaftlich bedingte Vulnerabilitätsfaktoren eine Rolle (vgl. Christmann et al. 2011). In diesem Zusammenhang werden hauptsächlich Fragen nach der Nahrungsmittel-, Trinkwasser- und Energieversorgung, einer gesundheitlichen Mindestfürsorge, der Aufrechterhaltung von Transport- und Kommunikationsketten sowie der öffentlichen Sicherheit im Falle von Naturkatastrophen virulent (vgl. Petermann et al. 2010).
Derartige anwendungsbezogene Fragen, die auf Sachkenntnis und Orientierungswissen für politische Steuerung und Planung abzielen, werden dabei aus zwei Perspektiven beleuchtet. Die erste Perspektive ist eine naturwissenschaftliche, die sich auf (potentielle) materielle Schäden durch derartige Katastrophen konzentriert und die vor allem in der Ökologie- und Klimafolgenforschung eingenommen wird. Die zweite Perspektive ist eine sozialwissenschaftliche, die soziale und gesellschaftliche Komponenten beim Eintritt solcher Vorkommnisse in den Blick nimmt (vgl. Lenz 2009). Sie fragt danach, welche sozialen Gruppen von einer erhöhten »Wahrscheinlichkeit einer negativen Betroffenheit infolge äußerer Ereignisse und Veränderungen« (Dietz 2011, o. S.) – beispielsweise einer ungenügenden Trinkwasserversorgung – betroffen sind und somit als besonders vulnerabel betrachtet werden müssen und aus welchen Gründen dies der Fall ist.
U. a. gelten Armut, soziale Ungleichheit, die Vorenthaltung von Rechten und/oder der erschwerte Zugang zu Institutionen als Faktoren, die soziale Vulnerabilität erhöhen (vgl. ebd.). Die WHO, die im Rahmen der Vereinten Nationen für die öffentliche Gesundheit zuständig ist, ist hier ein wichtiger politischer Akteur. Sie fokussiert auf besondere Gefährdungen bezüglich Erkrankungen oder krankheitserregender und -förderlicher Zustände, denen Bevölkerungsgruppen unter bestimmten sozialen Bedingungen ausgesetzt sind, und stößt zahlreiche politische Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene an.
Warum gerade arme und/oder rechtlose Menschen häufiger von Folgen des Klimawandels oder Naturkatastrophen betroffen sind, diskutieren Blaikie et al. (1994) anhand der vorherrschenden politischen Herrschaftsverhältnisse. Bestimmten gesellschaftlichen Gruppen werden durch diese ausreichender Schutz und angemessene Versorgung aktiv vorenthalten oder sie bleiben von diesen abgeschnitten (vgl. auch Morrow 2008).
Unter dem Stichwort institutionelle Vulnerabilität können weitere Fragen sowohl aus natur- als auch sozialwissenschaftlicher Perspektive politisch diskutiert werden. Sie fokussieren auf verfügbare behördliche und organisatorische Kapazitäten zum Katastrophenschutz und -management und zur Bewältigung von Verwundbarkeiten, die durch Folgen von Klimawandel und fatalen Naturereignissen entstehen. An dieser Stelle wird noch einmal besonders deutlich, dass sich Vulnerabilität stets aus Risikofaktoren und Widerstands- und Bewältigungsfaktoren zusammensetzt. Institutionelle Vulnerabilität meint »die gefahrenspezifische Anfälligkeit einer Kritischen Infrastruktur für Beeinträchtigung oder Ausfall ihrer Funktionsfähigkeit, welche zur Unterbrechung der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gütern und Diensten führen können« (Lenz 2009, S. 30). Das Bundesministerium des Innern definiert Kritische Infrastrukturen als »Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden« (BMI 2005, S. 6). Fehlende Ressourcen sowie eine nicht ausreichende Koordinierung von Hilfe sind in diesem Fall maßgebliche Vulnerabilitätsfaktoren (vgl. Petermann et al. 2010).
Im Zusammenhang mit Kritischen Infrastrukturen werden drei Dimensionen von Vulnerabilität vor dem Hintergrund von Technik sichtbar. Zum einen zeigt sich hier die Vulnerabilität von Technik – etwa von Telekommunikationssystemen – in ihrer Fehleranfälligkeit oder ihren Sicherheitslücken, zum anderen die Vulnerabilität durch Technik, da sich viele Bedrohungen – beispielsweise ein langwieriger Stromausfall – erst durch die Abhängigkeit der modernen Gesellschaft von Technologien als solche ergeben. Die Bewältigung und Verminderung von Vulnerabilität mit Technik, also der Einsatz von Technologien zu Problemlösezwecken – beispielsweise von Wasseraufbereitungsanlagen bei Trinkwasserknappheit – bildet die dritte Dimension.
Neben natürlichen Bedrohungen durch Klimawandel und Naturkatastrophen sind auch Gefahren durch Krieg, Terror und Kriminalität wesentliche Inhalte (sicherheits-)politischer Überlegungen: »Vulnerabilität ist die Schlüsselkategorie in gegenwärtigen Sicherheitsüberlegungen und Zukunftsprognosen« (Münkler/Wassermann 2012, S. 77). Diese sind Gegenstand staatlicher Sicherheitspolitik. Ihr geht es darum, innere und äußere Bedrohungen für den eigenen Staat, wie beispielsweise »Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten, […] grenzüberschreitende organisierte Kriminalität oder […] Terrorismus« zu verfolgen und zu bestrafen sowie primär »Unsicherheit und Ordnungsverstöße zu verhindern« (Glaeßner 2002, o. S.). Im militärischen Jargon verweist Vulnerabilität auf Lücken oder Schwachstellen im Verteidigungssystem im Falle einer kriegerischen Attacke. Von sicherheitspolitischer Vulnerabilität eines Staates wird dann gesprochen, wenn staatliche Institutionen nicht ausreichend dazu fähig sind, ihren Bürgern innere und äußere Sicherheit durch wirkungsvolle Gegen- und/oder Präventionsmaßnahmen zu garantieren.
»Während es bei der äußeren Sicherheit um die Abwehr von Bedrohungen geht, die sich von außen gegen den Staat und seine Entwicklungsfähigkeit richten, umfasst die innere Sicherheit die Abwehr von Gefahren, die ihren Ursprung innerhalb des Staates haben« (Knelangen 2014, o. S.).
Dementsprechend fallen jegliche den Staat und seine Ordnung bedrohenden Szenarien – also auch Straftaten, militärische Angriffe, Aufstände, Bürgerkriege usw. – in das Ressort der Sicherheitspolitik, die Vulnerabilitäten aufzudecken und aufzuheben sucht. Vulnerabilität als sicherheitspolitische Kategorie erlaubt es, »im Bewusstsein der Unvorhersehbarkeit und Unvorhersagbarkeit konkreter Gefährdungslagen die zentralen Verwundb...