Palliative Fallbesprechung etablieren
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Palliative Fallbesprechung etablieren

Ein Leitfaden fĂŒr die Praxis

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Palliative Fallbesprechung etablieren

Ein Leitfaden fĂŒr die Praxis

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Fallbesprechungen sind ein bewĂ€hrtes Instrument zur KlĂ€rung unklarer Situationen. Unter den verschiedenen Varianten hat sich vor allem ethische Fallbesprechung etabliert. Fallbesprechung ist im Rahmen des §132g SGB V ausdrĂŒcklich vorgesehen. Aber nicht nur dafĂŒr legt dieser Band ein neues Konzept vor. Das im Hospiz- und Palliativbereich und in Altenpflege-Einrichtungen praxiserprobte Konzept leitet Versorger und Begleiter an, sich regelgeleitet und interprofessionell auf einen gemeinsamen Handlungsansatz zu einigen, der die Interessen des Betroffenen herausstellt, aber auch Mitarbeitenden Entlastung bietet, PrioritĂ€tensetzung fördert und Aktionismus verhindert.

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Information

Year
2018
eBook ISBN
9783170329928
Edition
1
Topic
Medizin
Subtopic
Pflege
 
 
 

1          Entstehungsgeschichte

 
Das Augustinum ist ein diakonischer TrÀger von 23 Seniorenresidenzen, in denen etwa 7 500 Bewohner leben. Diese werden von ca. 4 400 Mitarbeitenden begleitet und versorgt. Basis dieser Form des Betreuten Wohnens ist ein ambulantes Versorgungskonzept, das dieses mit Pflegedienst, Seelsorge, Einzugsbegleitung und Bewohnerservice, Reinigungsservice, Restaurant und Appartementservice, um nur Beispiele zu nennen, umsetzt (www.augustinum.de).
Im Rahmen der Implementierung von Hospizkultur und Palliativkompetenz in die Wohnstifte des Augustinum wurden ganztĂ€gige Auftaktveranstaltungen mit ĂŒberwiegend Mitarbeitenden in Leitungsfunktionen als EntscheidungstrĂ€ger und Multiplikatoren durchgefĂŒhrt. Es sollten nicht nur Projektdaten in Form einer Informationsveranstaltung vermittelt werden, sondern auch in die Grundlagen von Hospizarbeit und Palliative Care in Seminarform eingefĂŒhrt werden. Dazu wurden wesentliche Themen unterrichtet, Selbstreflexionsanteile integriert und Bewohnerbeispiele aus dem Erfahrungsumfeld der Teilnehmenden herangezogen. Ziel dabei war es, die theoretischen Grundlagen unmittelbar entlang hauseigener Versorgungssituationen darzustellen, um einen bestmöglichen Transfer in die Praxis zu gewĂ€hrleisten und die Rolle jeder Berufsgruppe in der Hospiz- und Palliativarbeit des Hauses erfahrbar zu machen. Dabei wurde deutlich, dass es Bewohnersituationen gibt, die zwar keine medizinisch-pflegerische Entscheidung oder TherapiezielĂ€nderung bzw. eine Ethik-Beratung erfordern, wohl aber z. B. aufgrund ihrer KomplexitĂ€t oder fehlender Informationen keinen eindeutigen Versorgungs- bzw. Begleitungsansatz erkennen lassen. In diese Situation hinein wurde das Instrument der palliativen Fallbesprechung – in den Jahren 2014 und 2015, also vor Inkrafttreten des HPG – erprobt und konzeptionell weiterentwickelt. Dieses Konzept kam bei allen Auftaktveranstaltungen zur Anwendung. Bei allen Fallbeispielen fĂŒhrte die Systematik der Palliativen Fallbesprechung zu einer Klarheit bezĂŒglich des weiteren Vorgehens. Es wurde nicht nur deutlich, wie mit einer Situation weiter umzugehen ist. Die Fallbesprechung bzw. der erarbeitete Handlungsansatz fĂŒhrte i. d. R. auch zu einer Entlastung im Team, weil Klarheit hergestellt wurde und konkrete HandlungsauftrĂ€ge an einzelne Beteiligte erarbeitet werden konnten. Das Instrument ist inzwischen in der Etablierung begriffen in allen 23 Wohnstiften des Augustinum in Deutschland, weil die Aufwand-Nutzen-EinschĂ€tzung eindeutig zugunsten des Nutzens (fĂŒr Bewohner und Mitarbeiter gleichermaßen) ausgefallen ist.
Im weiteren Verlauf wurde die Palliative Fallbesprechung in einem Altenheim sowie einer Einrichtung des Betreuten Wohnens, beides Einrichtungen des Deutschen Ordens, durchgefĂŒhrt und fĂŒr diese Publikation ausgewertet und weiterentwickelt.
Trotz unternehmenseigener und spezifischer Entwicklungen stellt das Augustinum die wesentlichen Meilensteine der Implementierung von Hospizkultur und Palliativkompetenz, wie z. B. die Geriatrische Verlaufskurve (Gratz et al. 2017), Grundlagen zum Hospiz- und Palliativbeauftragten einer Einrichtung (Rösch et al. 2016), aber eben auch die Palliative Fallbesprechung, der Fachöffentlichkeit zur VerfĂŒgung.

2 Grundlegung

2.1 Definition Fallbesprechung aus multidisziplinÀrer Perspektive

WĂ€hrend der Begriff »Fallbesprechung« selbst bislang keinen Einzug in die WörterbĂŒcher des deutschsprachigen Raumes (vgl. Duden Online) gefunden hat, ist sein Sprachgebrauch vor allem im Gesundheitswesen weit verbreitet. Auch die medizinische Definition von »Fall« (vgl. Duden Online) als »das Auftreten, Vorhandensein einer Krankheit bei jemandem« wird dem tatsĂ€chlichen Gebrauch im Gesundheitswesen nur annĂ€hernd gerecht, da eine Fallbesprechung deutlich ĂŒber diesen Rahmen der »Krankheit« hinausgeht. Eine Definition von »Fallbesprechung« aus multidisziplinĂ€rer Perspektive erweist sich als schwierig, da die Literatur in erster Linie Bezug zum Gesundheitssektor und dort insbesondere im Bereich der Ethik nimmt, ohne dabei eine konkrete Definition aufzuzeigen, sodass im Folgenden auf das VerstĂ€ndnis von ethischen Fallbesprechungen verschiedener Autoren Bezug genommen wird.
Ethische Fallbesprechungen haben in den letzten Jahrzehnten einen klaren Bedeutungszuwachs erfahren, was durch eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle, die in diesem Bereich entwickelt wurden, deutlich wird. Charakteristisch an allen Modellen der Fallbesprechung ist, dass alle Mitarbeiter im Aktionsradius der betroffenen Person in den ethischen Entscheidungsprozess involviert werden (Kostrzewa und Gerhard 2010, S. 207). Gerade fĂŒr Wohnbereiche und stationĂ€re Bereiche empfehlen Kostrzewa und Gerhard (2010, S. 208) sog. »basisnahe Modelle der ethischen Fallbesprechung«, da diese den Personenkreis, welcher die betroffene Person am besten kennt und folglich die getroffenen Entscheidungen umsetzen muss, ausreichend an diesem Entscheidungsprozess beteiligt (Kostrzewa und Gerhard 2010, S. 207). In Wohnbereichen zĂ€hlen zu diesem Personenkreis bspw. die Bereichsleitung, das Pflegepersonal, der Hausarzt und in individueller Ausrichtung an die betroffene Person weitere Berufsgruppen wie z. B. Sozialarbeiter oder HospizkrĂ€fte. »Bei aktuellen ethischen Konflikten« (Kostrzewa und Gerhard 2010, S. 208) ist die Beteiligung aller mit dem Betroffenen agierenden Personen besonders wichtig. Im Rahmen der ethischen Fallbesprechung hat jede Person die Chance, seine Sichtweise hinsichtlich der ethischen Fragestellung mitzuteilen und in den Diskurs mit anderen am Entscheidungsprozess beteiligten Personen zu treten. Kostrzewa und Gerhard (2010, S. 208) machen zudem auf die Notwendigkeit eines Moderators im Prozess der ethischen Fallbesprechung und Entscheidungsfindung aufmerksam. Dieser trĂ€gt Sorge dafĂŒr, dass der Verlauf der Entscheidungsfindung geordnet verlĂ€uft und auch »ethisch nicht Ausgebildete[n] eine konstruktive Beteiligung« (Kostrzewa und Gerhard 2010, S. 208) am Prozess ermöglicht wird. Der Moderator soll dabei eine klare Linie verfolgen und die gewĂ€hlte Moderationsmethode kontinuierlich einhalten. GrĂ¶ĂŸte Aufgabe des Moderators ist es, eine neutrale Haltung einzunehmen, um keine Beeinflussung der Teilnehmer durch die Art und Weise seiner Moderation vorzunehmen. Einige Modelle involvieren zusĂ€tzlich die Angehörigen oder den Betroffenen selbst, da sie ebenso »Experten« fĂŒr die Situation des Betroffenen sind. Kritisch ist dabei, dass eine offene Kommunikation möglicherweise untergraben wird und mögliche »ethische Konflikte im Team verdeckt bleiben« (Kostrzewa und Gerhard 2010, S. 208). Davon unabhĂ€ngig ist eine kontinuierliche Begleitung und GesprĂ€chsfĂŒhrung mit dem Betroffenen selbst und seinen Angehörigen im Vorfeld und nach ethischen Fallbesprechungen unerlĂ€sslich, um diese »bestmöglich in den Prozess der Fallberatung einzubeziehen« (Kostrzewa und Gerhard 2010, S. 208).
GehĂ€uft wird inzwischen auch der Begriff » Ethikberatung« (Bockenheimer-Lucius 2015, S. 19; Riedel und Lehmeyer 2016, S. 67 f) verwendet. Bockenheimer-Lucius (2015, S. 19) zufolge erfordert die Arbeit in einem Beratungskomitee u. a. eine »multiprofessionelle und interdisziplinĂ€re Zusammensetzung« sowie eine »strukturierte Analyse ethisch und/oder rechtlich schwieriger, manchmal konfliktbeladener Situationen«, um ĂŒberhaupt »durch eine systematische Analyse einen Beitrag zu ethisch besser begrĂŒndeten Entscheidungen in der Medizin und im Gesundheitswesen [
] leisten« zu können (Marckmann 2013, zitiert nach Bockenheimer-Lucius 2015, S. 19). Folglich wird der Begriff der Ethikberatung von Bockenheimer-Lucius Ă€hnlich verstanden wie der Begriff der ethischen Fallbesprechung von Kostrzewa und Gerhard. Die BegrĂŒndungsgrundlage fĂŒr eine Ethikberatung bzw. eine ethische Fallbesprechung liegt hĂ€ufig in einer Ă€hnlichen Grundsituation: »Das pflegerische, Ă€rztliche oder â€șbetreuendeâ€č Handeln« (Bockenheimer-Lucius 2015, S. 19) gegenĂŒber der betroffenen Person fĂŒhrt durch die spezifischen situativen Gegebenheiten dazu, dass WidersprĂŒche zwischen Moral und Handeln einer Person selbst (intrapersonal), aber auch WidersprĂŒche im SelbstverstĂ€ndnis der Berufsgruppen untereinander (interpersonal) resultieren. Diesen moralischen Herausforderungen soll mittels Ethikberatung begegnet werden, um eine Entscheidung bezĂŒglich der Handlungsweise zu treffen, welche vom gesamten betreuenden Personenkreis getragen wird (Bockenheimer-Lucius 2015, S. 19 f).
Ethikberatung wird verstanden als »UnterstĂŒtzung bei der Entscheidungsfindung in ethischen Konfliktsituationen« (Vollmann 2008, zitiert nach Riedel und Lehmeyer 2016, S. 68). Dennoch liegt der Fokus auf dem Beratungscharakter eines oder mehrerer ausgebildeter Berater gegenĂŒber einem oder mehreren Ratsuchenden. Dabei ist das KompetenzgefĂ€lle der ausgebildeten Berater hin zu den Ratsuchenden deutlich herausgestellt. Ein Agieren auf Augenhöhe in der Ethikberatung ist im Gegensatz zum VerstĂ€ndnis der Ethikberatung von Bockenheimer-Lucius (2015, S. 19) nicht formuliert (Riedel und Lehmeyer 2016, S. 68). Die Inhalte der Ethikberatung selbst werden jedoch Ă€hnlich verstanden. So gehe es darum, in einem transparenten Prozess und im Austausch untereinander »ein moralisch-praktisches Urteil ĂŒber eine bestimmte moralische Handlungssituation« zu eruieren (Fahr 2008, S. 79, zitiert nach Riedel und Lehmeyer 2016, S. 68). Ziel der Ethikberatung, welches ein freiwilliges Beratungsangebot darstellt (Vollmann 2008, S. 10, zitiert nach Riedel und Lehmeyer 2016, S. 68), sei das Treffen »â€șgute[r] Entscheidungenâ€č in â€șguten Entscheidungsprozessenâ€č« (Riedel und Lehmeyer 2016, S. 68). Riedel (2015, S. 60) wĂŒnscht sich, dass sich das VerstĂ€ndnis von Ethikberatung als »bedeutungsvoller Gegenstand professionellen Pflegehandelns« manifestiere und so seinen Stellenwert im pflegerischen TĂ€tigkeitsbereich festige.
Das Konzept der » pĂ€dagogischen Fallbesprechung« hat eine andere Profession und einen anderen Kontext im Blick (Denner 2000, S. 69 f). Diese dient dem Austausch und der gegenseitigen Anregung von Lehrerkollegen untereinander. Dies kann sowohl schulintern als auch schulĂŒbergreifend in sog. PĂ€dagogischen Fallbesprechungsgruppen erfolgen. Wurden zu Beginn ausschließlich »SchĂŒler-FĂ€lle« thematisiert, waren im weiteren Verlauf auch Handlungen der LehrkrĂ€fte Gegenstand solcher Besprechungen. Diese FĂ€lle bzw. Problemsituationen werden besprochen und daraus Verhaltens- und Handlungsweisen abgeleitet. DarĂŒber hinaus dient dieses Verfahren der Förderung der ReflexionsfĂ€higkeit sowie der Selbst- und Fremdwahrnehmung unter dem ĂŒbergeordneten Ziel der beruflichen HandlungsfĂ€higkeit (Denner 2000, S. 70 f). Auch dieses VerstĂ€ndnis von Fallbesprechungen weist Parallelen zur ethischen Fallbesprechung sowie der Ethikberatung nach Bockenheimer-Lucius (2015, S. 19) auf, wobei jedoch die Verantwortung auf verschiedenen Ebenen einzuordnen ist.
Bei der » ethischen Entscheidungsfindung« geht es darum, »anstelle eines Menschen, der nicht mehr selbst fĂŒr sich sprechen kann, eine Behandlungsentscheidung zu treffen, die der [Situation] gerecht wird und dem (mutmaßlichen) Willen des [
] Menschen entspricht« (Wohlleben 2014, S. 145). Vor allem in der Intensivmedizin, der Onkologie und Psychiatrie ist der Bedarf hoch, eine gute Entscheidung fĂŒr die weitere Behandlung zu treffen (Werner 2015). Durch eine gemeinsame Entscheidungsfindung im multiprofessionellen Team wird den »wiederkehrenden moralischen Unsicherheiten« (Riedel 2015, S. 60) der einzelnen Mitarbeiter im TĂ€tigkeitsbereich der betroffenen Person entgegen...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Download Zusatzmaterialien
  6. Die Autoren
  7. Geleitwort
  8. Vorwort
  9. 1 Entstehungsgeschichte
  10. 2 Grundlegung
  11. 3 Hermeneutisches Fallverstehen als Grundlage von Fallbesprechungen
  12. 4 Palliative Fallbesprechung
  13. 5 Moderation
  14. 6 Fallbeispiele
  15. Literatur
  16. Anhang