Sozialpolitische Grundlagen der Sozialen Arbeit
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Sozialpolitische Grundlagen der Sozialen Arbeit

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Sozialpolitische Grundlagen der Sozialen Arbeit

About this book

Das deutsche System der Sozialen Sicherung ist komplex und gliedert sich in Versicherungs-, Versorgungs- und Fürsorgesysteme mit unterschiedlichen Organisationsstrukturen, Leistungen und Finanzierungsarten. Studierende sowie Praktiker und Praktikerinnen der Sozialen Arbeit befassen sich allerdings mit einzelnen Personengruppen und ihren jeweiligen sozialen Problemsituationen. Sie sind an sozialpolitischen Handlungsfeldern orientiert: Familien, Kinder und Jugendliche, Arbeit, Gesundheit, Alter, Pflegebedürftigkeit, Behinderung, Armut etc. An dieser Sicht- und Arbeitsweise der sozialen Arbeit orientiert sich das vorliegende Lehrbuch zur Sozialpolitik. Zu jedem sozialpolitischen Handlungsfeld bieten in sich geschlossene Kapitel eine zusammenhängende Darstellung aller hierfür relevanten Systeme und Leistungen der Sozialen Sicherung. Diesen wird ein Überblick über die historischen Entwicklungen, sozialpolitischen Ziele, Theorien und Instrumente sowie die Sozialpolitik auf europäischer Ebene vorangestellt. Ausführungen zu den derzeitigen und künftigen Herausforderungen der Sozialpolitik schließen dieses Buch ab.

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Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2011
Print ISBN
9783170211391
eBook ISBN
9783170278141

1 SOZIALPOLITIK – EINE EINFÜHRUNG

Was Sie in diesem Kapitel lernen können
Dieses einführende Kapitel zur Sozialpolitik wird sich mit verschiedenen Fragen zur Begründung von Sozialpolitik und den Formen ihrer Ausgestaltung beschäftigten. Somit werden hier die Grundlagen vermittelt, um zu verstehen, warum Sozialpolitik in einer bestimmten Weise ausgestaltet wird und welche Rolle hierbei der gesellschaftliche Hintergrund und die gesellschaftlichen Leitideen spielen. Diese Überlegungen ermöglichen es auch, ein Verständnis für die länderspezifischen Besonderheiten in der Ausgestaltung von Sozialpolitik zu entwickeln.
  • In einem ersten Schritt wird geklärt, warum Sozialpolitik überhaupt notwendig ist. Konkret wird es darum gehen, welche Bedarfe oder Bedürfnisse in einer Gesellschaft bestehen, die sozialpolitische Maßnahmen erfordern.
  • Die bestehenden Bedarfe bilden die Basis für Zielformulierungen an die Sozialpolitik vor dem jeweiligen gesellschaftlichen Hintergrund. Hier fließen immer Wertungen, also normative Setzungen mit ein.
  • Das zentrale Thema dieser normativen Setzungen ist die Frage nach einem als gerecht empfundenen Grad der Bedarfsdeckung. Oder anders ausgedrückt nach einer als gerecht empfundenen Verteilung von Rechten und Pflichten in einer Gesellschaft.
  • Vor dem Hintergrund dieser Grundlegungen können Handlungsfelder der Sozialpolitik definiert werden.

1.1 Notwendigkeit von und Ziele der Sozialpolitik

Zunächst kann festgehalten werden, dass Sozialpolitik in allen Gesellschaften notwendig war und ist, woraus sich je nach Gerechtigkeitsvorstellungen einer Gesellschaft Ziele der Sozialpolitik ableiten lassen.

1.1.1 Notwendigkeit von Sozialpolitik

Sozialpolitische Maßnahmen sind notwendig, weil es erstens in jeder Gesellschaft Personen gibt, die nicht oder nur zum Teil aus eigener Kraft für ihre Existenz sorgen können und auf die Hilfe Dritter angewiesen sind. Zweitens ergibt sich die Notwendigkeit aufgrund sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft, die einen verteilungsbedingten Bedarf an sozialpolitischen Maßnahmen auslöst (vgl. zu den folgenden Ausführungen Widmaier 1976).
Personenkreise, die aus eigener Kraft nicht für ihre Existenz sorgen können
Die fehlende Möglichkeit, seine Existenz vollständig aus eigener Kraft zu sichern, kann unterschiedliche Gründe haben. Hieraus entstehen Bedarfslagen, die unabhängig von der Gesellschaftsform bestehen:
  • Permanent vorhandener Bedarf beschreibt einen Bedarf, der in jeder Gesellschaft zu jeder Zeit besteht. Er betrifft Personen, die ihre Existenz aufgrund von Krankheit, Behinderung oder Alter nicht, nicht mehr oder nur zum Teil aus eigener Kraft sichern können.
  • Der katastrophenbedingte bzw. kriegsfolgenbedingte Bedarf entsteht dadurch, dass die betroffenen Personengruppen vorübergehend bei materiellen Schäden bzw. dauerhaft durch bleibende Behinderungen aufgrund von Verletzungen oder aufgrund des Todes des Versorgers/der Versorgerin einer Familie auf Hilfen angewiesen sind.
  • Entwicklungsbedingter Bedarf entsteht durch gesellschaftliche, kulturelle oder wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Im weiteren Sinn leiten auch Katastrophen oder Kriege Entwicklungen ein, aus denen eine Notsituation und dadurch ein sozialpolitischer Handlungsbedarf entsteht. Als Beispiel für gesellschaftliche, kulturelle Veränderungen im engeren Sinne kann die Auflösung der Leibeigenschaft und Beschränkung der Rechte der Zünfte Mitte des 19. Jahrhunderts genannt werden. Wie noch gezeigt werden wird (Abschnitt 2.1), war ein großer Personenkreis nun zwar persönlich frei, aber in großer existenzieller Not.
  • Auch wirtschaftliche Veränderungen erzeugen einen entwicklungsbedingten Bedarf. Denn solche Entwicklungen haben Arbeitslosigkeit, berufliche Fehlqualifikation und damit verbunden die Notwendigkeit beruflicher, sozialer und/oder regionaler Mobilität zur Folge, die möglichst nur vorübergehend der Unterstützung und damit sozialpolitischer Maßnahmen der Gesellschaft bedürfen. Besonders kritisch sind solche Entwicklungen, wenn ganze Regionen betroffen sind, wie z.B. bei der Stilllegung von Werften in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, bei der Beendigung des Kohleabbaus im Ruhrgebiet und im Saarland oder bei der Umstrukturierung der Montanindustrie im Ruhrgebiet.
Soziale Ungleichheit
Soziale Ungleichheit ist ebenfalls ein Thema, das alle Gesellschaften – wenn auch in unterschiedlicher Weise – betrifft, woraus ein verteilungsbedingter Bedarf für sozialpolitische Maßnahmen entsteht. Die soziale Ungleichheit drückt sich erstens aus in unterschiedlich guten Zugangsmöglichkeiten zu bestimmten (insbesondere höheren Entscheidungs-)Positionen und zweitens in den Verfügungsmöglichkeiten über wirtschaftliche Güter. Der Sozialpolitik kommt hier die Aufgabe zu, Sorge für eine gesellschaftlich akzeptierte Verteilung zu tragen und ggf. die Folgen einer bestimmten Verteilung zu mildern. Ersteres kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass die Zugangsmöglichkeiten zur Bildung als eine Grundvoraussetzung für spätere Chancen für alle in gleichen Maßen zugänglich gestaltet wird. Die Folgen einer bestimmten Verteilung werden beispielsweise dadurch sozialpolitisch abgemildert, dass es eine staatliche Leistung zur Existenzsicherung gibt.
Kasten 1
Exkurs: „Geweckter“ Bedarf
Ein weiterer Bedarf betrifft insbesondere die industrialisierten und sozialpolitisch entwickelten Systeme und wird hier weniger für die Herleitung der Notwendigkeit von Sozialpolitik erläutert, sondern vielmehr, weil er uns bei der Diskussion um die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Handlungsfelder begleiten wird: der geweckte Bedarf.
Ein Bedarf an sozialpolitischen Leistungen kann „geweckt“ oder erzeugt werden, weil die Leistungen in den unterschiedlichen sozialpolitischen Handlungsfeldern unter besonderen Voraussetzungen erbracht werden. Eine wichtige Besonderheit ist, dass die Person, die eine Leistung erhält (Leistungsempfänger), sie nicht direkt zahlt. Dies tun die sogenannten Leistungsträger, also z.B. die Sozialversicherungen oder die Sozialhilfeträger. Die Erbringer von sozialen Leistungen (z.B. Ärzte/innen, Krankenhäuser, Pflegedienste, Pflegeheime, Wohnheime für behinderte Personen usw.) haben das natürliche Bestreben, ihre Leistungen möglichst umfangreich zu erbringen. Und schließlich ist es für die Leistungsempfänger sehr schwierig zu beurteilen, Leistungen welcher Art und in welchem Umfang wirklich notwendig sind und ob die Qualität einer Leistung gut ist. Dieses Phänomen wird asymmetrische Information genannt und besteht auch in anderen Dienstleistungsbereichen, wie z.B. bei Banken oder privaten Versicherungen.
Das Zusammenwirken der beschriebenen Besonderheiten führt dazu, dass quantitativ mehr oder teurere Leistungen erbracht werden und finanziert werden müssen, als notwendig sind. Ein besonders einleuchtendes Beispiel hierfür ist der medizinische Bereich, in dem z.B. Ärztinnen und Ärzte die Nachfrage nach Arztbesuchen selbst erhöhen können, indem sie ihre Patient/innen häufiger wieder einbestellen als notwendig. Um diesen Mechanismus zu durchbrechen, werden die Leistungen von Ärzten/innen durch entsprechende gesetzliche Regelungen begrenzt (s. hierzu ausführlich Abschnitt 8.3).
Diese Ausweitung der Sozialleistungen ist neben unzureichender Steuerung und Organisation von Leistungen ein Grund für die verhältnismäßig hohen Kosten des deutschen Sozialsystems. Das „Maß des Notwendigen“ ist dabei ein Dreh- und Angelpunkt sozialpolitischer Debatten. Welche Leistungen sollen welcher Personengruppe mit welchen Bedarfslagen in welchem Umfang zur Verfügung gestellt werden? Die Beantwortung dieser Frage wird uns in den folgenden Kapiteln begleiten.
Welches Maß an Ungleichheit von einer Gesellschaft als gerecht akzeptiert wird, kann sich durchaus unterscheiden. Nimmt man die Einkommensverteilung in einem Land als einen möglichen Indikator zur Messung von Ungleichheit, so werden allein in Europa unterschiedliche Traditionen sichtbar: die nordischen Länder und hier insbesondere Dänemark oder Schweden legen offenbar größeren Wert auf eine geringe Einkommensungleichheit als die südlichen Mitgliedstaaten, allen voran Portugal mit einer sehr ungleichen Einkommensverteilung (vgl. European Commission 2008).

1.1.2 Ziele der Sozialpolitik

Die Auseinandersetzung mit dem Umgang der oben erläuterten Bedarfe und die Lösungen, die gefunden werden, finden ihren Ausdruck in den Zielsetzungen von Sozialpolitik. Diese hängen von den jeweils vorherrschenden gesellschaftlichen und politischen Systemen, dem vorherrschenden Menschenbild, den damit verbundenen normativen Setzungen sowie von der wirtschaftlichen Situation der jeweiligen Gesellschaft ab. Die Durchsetzung sozialpolitischer Maßnahmen hängt also erstens davon ab, was eine Gesellschaft durchsetzen will, und zweitens davon, was sie mit den ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln durchsetzen kann.
Grundlegende Zielsetzungen von freiheitlichen demokratischen Sozialstaaten, die als Auftrag an die Sozialpolitik formuliert werden können, sind: Die Milderung oder Abwendung der Folgen Existenz gefährdender Risiken sowie die Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit (s.o.).
Während die Milderung oder Abwendung der Folgen Existenz gefährdender Risiken als grundlegendes Ziel sozialpolitischer Maßnahmen – unabhängig vom jeweils zugestandenen Niveau – recht einleuchtend erscheint, wird über die Frage der sozialen Gerechtigkeit trefflich gestritten. Aus diesem Grund erscheint es angebracht, einige Überlegungen zu diesem Thema anzustellen.

1.2 Soziale Gerechtigkeit

Die Diskussion um soziale Gerechtigkeit dreht sich letztendlich immer um die Frage, wie in einer Gesellschaft Güter und Lasten verteilt werden. Der abstrakte Begriff Güter steht dabei für die „Habenseite“ und meint Besitz sowie die Möglichkeiten, sich Waren und Dienstleistungen zu beschaffen oder bestimmte Positionen zu besetzten. Der Begriff Lasten steht für die „Sollseite“ und meint insbesondere das Bezahlen von allgemeinen öffentlichen Leistungen (Schulen, Universitäten, Infrastruktur etc.) durch Steuern oder von Sozialleistungen durch Steuern oder Sozialabgaben.
Vor allem in demokratisch verfassten Gemeinwesen, in denen allen Bürgerinnen und Bürgern formal die gleichen Rechte zugesprochen werden, erfordert die Gerechtigkeit, dass die Verteilung von Gütern und Lasten durch eine unparteiische Anwendung allgemeiner Regeln so zu lösen ist, dass niemand strukturell benachteiligt wird (vgl. Liebig/May 2009).
Man kann sich leicht vorstellen, dass diese zunächst recht plausible Forderung in der praktischen Umsetzung je nach politischer Ausrichtung und persönlicher Stellung zu recht unterschiedlichen Lösungen führen wird, wie bspw. die Debatte um gerechtere Bildungschancen in Hamburg eindrucksvoll gezeigt hat.
Kasten 2
Bildungsstreit in Hamburg
Im Jahr 2009 hat die schwarz-grüne Koalition in Hamburg eine Schulreform auf den Weg gebracht, die die Einführung einer Primarschule vorsah, in der die Kinder sechs Jahre anstatt bisher vier Jahre gemeinsam lernen. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass aus fachlicher Sicht durch e...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort zur Reihe
  6. Zu diesem Buch
  7. 1 SOZIALPOLITIK – EINE EINFÜHRUNG
  8. 2 ENTSTEHUNGSGESCHICHTE NEUZEITLICHER SOZIALPOLITIK IN DEUTSCHLAND
  9. 3 DER DEUTSCHE SOZIALSTAAT
  10. 4 SOZIALPOLITIK IN DER EUROPÄISCHEN UNION
  11. 5 FAMILIEN, KINDER UND JUGENDLICHE
  12. 6 ARBEIT
  13. 7 ARBEITSLOSIGKEIT
  14. 8 GESUNDHEIT
  15. 9 ALTERSSICHERUNG
  16. 10 PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT
  17. 11 BEHINDERUNG
  18. 12 KRIEGSOPFER
  19. 13 SOZIALE MINDESTSICHERUNG UND ARMUT
  20. 14 GESELLSCHAFTLICHE HERAUSFORDERUNGEN
  21. Literaturverzeichnis
  22. Verzeichnisse
  23. Stichwortverzeichnis