Lernen von positiven Alternativen zu Verhaltensproblemen
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Lernen von positiven Alternativen zu Verhaltensproblemen

Strategien fĂŒr Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen

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Lernen von positiven Alternativen zu Verhaltensproblemen

Strategien fĂŒr Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen

About this book

Behavioural problems often make life very difficult for those affected by autism-spectrum disturbances and for those around them. Many parents, teachers and therapists are pushed to their limits with normal educational strategies, or may even regard the behavioural problems as an inevitable part of the personality of the individual affected. This book is intended to offer hope and provide specific strategies for understanding problems and addressing them in a concentrated way. What are the triggers and consequences of a behavioural problem, and what function does it serve? How can one intervene for prevention? What positive alternatives can be developed, and which consequences are useful? Autism-specific behavioural therapy and applied behaviour analysis are introduced here using example cases. Aspects discussed include self-stimulation and sensory problems, tantrums and aggressive behaviour, rigidity and compulsions, as well as concepts such as "counter-control" and "learned helplessness".

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Information

 
 
 
 
 

1          EinfĂŒhrung

Verhaltensprobleme machen das Leben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und ihrer Umwelt meist sehr schwer. Eltern, Lehrer, Schulbegleiter und Therapeuten sind hĂ€ufig ĂŒberfordert durch die heftigen WutausbrĂŒche, durch unflexibles, stereotypes, aggressives, (selbst-)destruktives oder auf andere Weise ungewöhnliches Verhalten. Oftmals leiden auch die Betroffenen unter ihrer Andersartigkeit und deren sozialen, schulischen und beruflichen Folgen. Strategien, die bei sogenannten »neurotypischen« Kindern, SchĂŒlern oder Klienten erfolgreich sind, helfen bei den meisten Personen mit ASS leider nicht.
‱  Offensichtlich besteht Handlungsbedarf, wenn der vierjĂ€hrige Michael bereits vom zweiten Kindergarten abgelehnt wird, nur, weil er im Morgenkreis ein bestimmtes Lied vermisst und aus diesem Grund solange schreit, bis alle es immer wieder singen.
‱  Hilflosigkeit breitet sich in der Klasse von Erik aus, wenn dieser zum gefĂŒhlten 100-sten mal den Unterricht mit verblĂŒffend echt klingenden RasenmĂ€her-GerĂ€uschen stört.
‱  Selbst die geduldigsten Eltern verlieren nicht nur ihre Nachtruhe, wenn ihr nicht-verbaler 14-jĂ€hriger Sohn um 4 Uhr nachts wiederholt mit den TĂŒren knallt, damit man genau jetzt mit ihm eine Fahrradtour macht.
‱  Auch herzzerreißendes Weinen oder blinde Wut bei kleinsten AnlĂ€ssen kann die Beteiligten zermĂŒrben, z. B. wenn die Schaukel bereits besetzt ist, der BĂ€cker bereits alle Pizzabrötchen verkauft hat oder in sonst irgendeiner Weise eine imaginĂ€re Ordnung gestört ist.
‱  In noch extremeren FĂ€llen steht eine GefĂ€hrdung der eigenen Person durch riskantes oder selbstverletzendes Verhalten im Vordergrund, wie z. B. im Fall der 18-jĂ€hrigen Marianne, die versucht, sich mit einem Kissen auf dem Kopf und HandtĂŒchern an den Beinen, vor den eigenen SchlĂ€gen zu schĂŒtzen
‱  Und was kann man tun, wenn das eigene Kind stĂ€ndig »unter Strom« steht und der normale Alltag nicht ohne Endlosdiskussionen bewĂ€ltigt werden kann?
‱  Auch der SchĂŒler, der zunehmend »hilfloser« wird, je weniger er vom Unterricht versteht und je mehr seine Schulbegleitung fĂŒr ihn ĂŒbernimmt, sollte ein Anlass fĂŒr die Suche nach fachlicher Hilfe sein.
‱  Selbst Erwachsene mit ASS scheitern oft – selbst nach erfolgreicher Ausbildung oder Studium – an den Anforderungen als Arbeitnehmer, Freund oder Partner. Die Äußerung eines erfolgreichen Unternehmers »Entweder habe ich Asperger oder ich bin ein A
, aber ich will meine Familie nicht verlieren« zeigt das Spektrum der Betroffenen und die Notwendigkeit von therapeutischer Hilfe.
Viele Eltern, PĂ€dagogen und Therapeuten stoßen bei vergleichbaren Problemen mit normalen Erziehungs- oder Therapiestrategien an ihre Grenzen. Besorgniserregender ist es allerdings, wenn die Beteiligten oder Betroffenen aufgeben oder signifikante Probleme als unverĂ€nderbaren Teil der Persönlichkeit der Person mit Autismus ansehen. Ohne angemessene Intervention neigen herausfordernde Verhaltensweisen dazu schlimmer zu werden (Autism Speaks, 2012). Hierbei stellt sich oft die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, nicht zu helfen, wenn andererseits Hilfe Entwicklungschancen eröffnen und eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft realistischer machen wĂŒrde.
Dieses Buch ist nicht fĂŒr diejenigen geschrieben ist, die froh und stolz sind »Aspies« zu sein und auch anderen Leidensdruck, Therapie- und ÄnderungswĂŒnsche absprechen. Vergleichbar zu den GrundsĂ€tzen jeglicher Erziehung geht es gewiss nicht darum, Menschen in eine unverĂ€nderliche Norm zu zwingen, sondern ihnen Chancen zu geben – soweit es ihr Potential erlaubt – aktiv an einem normalen Alltag und dem Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können. Eine weitere selbstverstĂ€ndliche Grundlage ist, dass die Umgebung sich nach Möglichkeit an die Besonderheiten des Betroffenen anpassen sollte, was hier unter prĂ€ventiven Strategien beschrieben wird.
Im vorliegenden Band geht es sowohl um prĂ€ventive als auch um reaktive Strategien, die beim Abbau von Verhaltensproblemen und der Entwicklung von positiven Verhaltensweisen berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen. Hierbei werden solche AuffĂ€lligkeiten beschrieben, die mit herkömmlichen Methoden kaum beeinflusst werden, wie andauernde Selbststimulationen, die Neugier, Spiel- und Sozialverhalten sowie Sprache verhindern können. Unflexibles oder gar zwanghaftes Verhalten kann den Betroffenen und seine Umwelt ebenfalls stark einschrĂ€nken und Entwicklungschancen oder soziale Möglichkeiten reduzieren. Auch selbstverletzendes Verhalten ist oft ein Anlass fĂŒr eine verhaltenstherapeutische Intervention. Ebenfalls fĂŒr viele Familien stark belastend sind Probleme ihrer Kinder mit extremer Aggression oder destruktiven Tendenzen. Diese sind nicht selten Anlass fĂŒr die meist schwere Entscheidung, das Kind in einem Heim unterzubringen.
Der vorliegende Band kann als eine EinfĂŒhrung in hĂ€ufige VerhaltensauffĂ€lligkeiten von Kindern und Jugendlichen mit ASS und in ihre positiven Alternativen verstanden werden. Die dargestellten AusfĂŒhrungen, Tabellen und Beispiele sollen das Vorgehen einer Verhaltensplanung konkret machen. Sie können allerdings nicht ein fachliches Training in ABA/AVT-Methoden (Applied Behavior Analysis und Autismusspezifische Verhaltenstherapie) oder als Verhaltenstherapeut bzw. BCBA (Board Certified Behavior Analyst) ersetzen (Bernard-Opitz & Nikopoulos, 2016).
Im Folgenden wird versucht, Eltern, Erzieher, Lehrer und andere Interaktionspartner in das Krankheitsbild und seine Besonderheiten einzufĂŒhren, VerstĂ€ndnis fĂŒr den Betroffenen zu entwickeln und darauf aufbauend proaktive und reaktive Interventionen vorzustellen. Einsicht und SensibilitĂ€t fĂŒr Andersartigkeit und eine positive Einstellung der Umwelt sind hierbei wichtige Voraussetzungen fĂŒr die Entwicklung von positivem Alternativverhalten wie z. B. angemessenes Sozial- und Kommunikationsverhalten, Spiel- und Freizeitverhalten oder aber auch einer erfolgreichen BewĂ€ltigung von emotionalen Problemen.
Dieses Buch hat sehr profitiert von Diskussionen mit Kollegen, Lehrern, Eltern, und Co-/Therapeuten. Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Hans-Heinz Wolpers sowie Frau Ute-Genser-Dittmann fĂŒr die detaillierte Korrektur und das Feedback zu meinem Manuskript. Meine Anerkennung gilt auch Frau Annika Grupp vom Kohlhammer-Verlag, die die »Autismus Konkret«-Serie sowie dieses Werk mit Enthusiasmus und Kompetenz betreut hat. Erneut bin ich meiner Tochter Andra dankbar fĂŒr ihre erfrischenden Strichzeichnungen.
Das vorliegende Buch enthĂ€lt zahlreiche Beispiele aus meiner Praxis. Diese sind durch Pseudonyme und zum Teil auch durch VerĂ€nderung von Details anonymisiert. Ich weiß es sehr zu schĂ€tzen, dass Eltern ihr EinverstĂ€ndnis zur Veröffentlichung von Fotos ihrer Kinder gegeben haben.

2 Welche Autismusmerkmale, StĂ€rken und SchwĂ€chen mĂŒssen beim Umgang mit Verhaltensproblemen berĂŒcksichtigt werden?

2.1 Was sind zentrale Merkmale von Autismus-Spektrum-Störungen?

Nach der neuen Klassifikation durch das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (5. Auflage, American Psychiatric Association [APA], 2013) sind Autismus-Spektrum-Störungen durch AuffÀlligkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion sowie eingeschrÀnkte und wiederholende Verhaltensweisen, Interessen und TÀtigkeiten gekennzeichnet.

2.1.1 AuffÀlligkeiten in der sozialen Kommunikation und der sozialen Interaktion

Ein zentrales Merkmal von ASS sind AuffĂ€lligkeiten in der Kommunikation und im Sozialverhalten. Beide Bereiche lassen sich kaum voneinander trennen, was bereits am ersten Blickkontakt von Kindern, ihrer Mimik und Gestik deutlich wird. Kinder mit ASS zeigen meist sehr frĂŒh mangelnden oder ungewöhnlichen Blickkontakt, so dass sie das soziale Geschehen um sie herum meist weniger mitbekommen als neurotypische Personen. Oft haben sie keinen Dreiecksblick (»joint attention«), zeigen nicht und kommunizieren weder ĂŒber Mimik noch Gestik. Speziell junge Kinder mit ASS oder Kinder und Jugendliche mit starken EinschrĂ€nkungen reagieren darĂŒber hinaus zunĂ€chst oft nicht auf Lob, subtile Mimik des GegenĂŒbers oder komplexe ErklĂ€rungen. Zum Teil suchen sie Aufmerksamkeit durch negatives Verhalten, auch, da sie komplexe ErklĂ€rungen, Benimmregeln, das sog. »Hidden Curriculum« (»Verstecktes Curriculum«, Smith Myles et al, 2004) oder soziale Hierarchien nicht verstehen.
Etwa 25% der Personen mit ASS entwickeln keine verbale Sprache, wobei GrĂŒnde u. a. in einer intellektuellen Behinderung, mangelnder NachahmungsfĂ€higkeit, unzureichendem SprachverstĂ€ndnis oder fehlender Motivation zu kommunizieren gesucht werden können. Etwa 50% haben keine funktionale Sprache (Wendt, 2017). Einige Kinder und Jugendliche lernen, sich durch visuelle Systeme wie Handzeichen, Bilder oder KommunikationsgerĂ€te zu verstĂ€ndigen (Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, 2007; Bondy & Frost, 2001).
Bei sprechenden Kindern treten oft sprachliche Stereotypien auf, wie z. B Wiederholungen von Lauten, GerĂ€uschen oder Phrasen, was fĂŒr Familien und Klassenkameraden recht anstrengend sein kann. Einige Kinder wiederholen zunĂ€chst gern das Gehörte (sog. »Echolalie«) und mĂŒssen mĂŒhselig lernen, ihre BedĂŒrfnisse mitzuteilen. Auch ein eingeschrĂ€nktes Repertoire an sprachlichen Funktionen ist hĂ€ufig. So mĂŒssen beschreibende, berichtende, fragende oder reziproke Äußerungen meist gezielt geĂŒbt werden. (vgl. Bernard-Opitz, 2014b).
Auch bei Kindern und Jugendlichen mit weniger UnterstĂŒtzungsbedarf sind Probleme mit kommunikativer Kompetenz oft der Grund fĂŒr Verhaltens- oder emotionale Probleme (Prutting & Kirchner, 1987). Stigmatisierung und Mobbing sowie Ausgrenzung können die Folge sein. So fĂ€llt es vielen schwer, nicht ausdauernd ĂŒber ihr Lieblingsthema zu monologisieren. Einige Betroffene können Themen nicht dem GesprĂ€chsverlauf anpassen und sind nicht in der Lage, Sprecher- und Hörerrolle flexibel zu wechseln. DarĂŒber hinaus ist es oft nicht leicht, die eigene Mimik, Gestik und Körperhaltung an das GesprĂ€ch und den GesprĂ€chspartner anzupassen. Selbst LautstĂ€rke, Intonation der Stimme und FlĂŒssigkeit der Sprache werden in einigen FĂ€llen von Gleichaltrigen als seltsam beurteilt (Koegel, 1994). Daher sollten obige Probleme als zugrundeliegende Merkmale von Verhaltensproblemen berĂŒcksichtigt werden und beim Aufbau von angemessenem Verhalten eine zentrale Rolle einnehmen.

Beachte!

Verhaltensprobleme und emotionale Schwierigkeiten sind oft bedingt durch Schwierigkeiten im Verstehen und in der Kommunikation.
Vielen Betroffenen mangelt es darĂŒber hinaus an einem Interesse an anderen, so dass sie sich von Sozialkontakten zurĂŒckziehen und keine Freundschaften entwickeln. Manche wĂŒnschen sich Freunde oder Partner, aber es fĂ€llt ihnen schwer, mit anderen angemessen zu spielen, GesprĂ€che zu beginnen, auf den Partner einzugehen und im Umgang mit anderen einfĂŒhlsam und flexibel zu sein. Die UnfĂ€higkeit, sich in den anderen hineinzudenken, ist auch bei Personen mit »high functioning autism« oft eine zentrale Schwierigkeit (sog. »Theorie des Denkens«). Meist gelingt es ohne gezielte Programme nicht, die Perspektive des anderen einzunehmen. So können sie schlecht oder gar nicht erkennen, dass der andere nicht das sieht, wĂŒnscht, weiß oder glaubt, was sie sehen, wĂŒnschen, wissen oder glauben.
‱ Fabi steht im Kindergarten immer an »seinem Platz« in der ersten Reihe, wenn die Erzieherin eine Geschichte vorliest. Die hinter ihm sitzenden Kinder schubsen ihn hĂ€ufig zur Se...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort zur Reihe »Autismus Konkret«
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1 EinfĂŒhrung
  7. 2 Welche Autismusmerkmale, StĂ€rken und SchwĂ€chen mĂŒssen beim Umgang mit Verhaltensproblemen berĂŒcksichtigt werden?
  8. 3 Wie können Verhaltensprobleme verstanden werden?
  9. 4 Was sind die Funktionen und die zugrundeliegenden Bedingungen von Verhaltensproblemen?
  10. 5 Wie kann man Verhaltensprobleme verÀndern?
  11. 6 Beispiele fĂŒr die Behandlung von Verhaltensproblemen entsprechend ihrer Funktion oder Ursachen
  12. 7 Zusammenfassung und Ausblick
  13. Literatur