Stress und Traumafolgen bei Kindern und Jugendlichen
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Stress und Traumafolgen bei Kindern und Jugendlichen

Stabilisierende Interventionen nach Gewalt, Missbrauch und Flucht

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Stress und Traumafolgen bei Kindern und Jugendlichen

Stabilisierende Interventionen nach Gewalt, Missbrauch und Flucht

About this book

Belastende Lebensereignisse oder -bedingungen können hohe Anspannung und emotionale Instabilität bei Kindern und Jugendlichen erzeugen. Insbesondere die Situation junger Flüchtlinge erforderte neue Konzepte zur emotionalen Stabilisierung. Das Buch fasst die aktuelle Stress- und Traumaforschung zusammen und berichtet über die Lebensumstände geflüchteter Minderjähriger. Neben anderen Therapiekonzepten stellt es das neu entwickelte Verfahren START vor, das international zur Erststabilisierung im Einsatz ist. Die resilienzfördernde und kulturintegrative Kurzintervention wird in Kliniken und Praxen, in Jugendhilfe und schulpsychologischen Diensten nachgefragt.

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Information

Year
2019
eBook ISBN
9783170337466
Edition
1

Teil IV – START

12 START – Ein Konzept für stark belastete Kinder und Jugendliche6

Das START-Konzept (START – Stress-Traumasymptoms-Arousal-Regulation-Treatment) wurde von Andrea Dixius in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. med. Eva Möhler zur Erststabilisierung für Kinder und Jugendliche mit starker emotionaler Belastung und hohem oder traumatischem Stresserleben entwickelt. START unterstützt Kindern und Jugendliche mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Krisen zu überwinden und Stress und Gefühle zu regulieren. Das Konzept ist resilienzfördernd und unterstützt die Integration von Kindern und Jugendlichen in sozialen Kontexte.
Mittlerweile wird das niedrigschwellige Interventionsprogramm in vielen psychosozialen Einrichtungen wie Jugendhilfeeinrichtungen, Schulen, Beratungsstellen, psychotherapeutischen Praxen und Kliniken national und international eingesetzt, und Netzwerke bilden sich aus. Bereits 2017 erhielt START den Innovationspreis auf dem Netzwerktreffen des Dachverbandes DBT e.V. Eine Pilotstudie (
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Kap. 15) zeigt positive Auswirkungen der Intervention auf.

12.1 Hintergrund des Konzepts

START wurde ursprünglich mit der Idee entwickelt, minderjährigen Kindern und Jugendlichen nach (un-)begleiteter Flucht, die durch starke psychische Belastungen beeinträchtigt waren, eine rasch wirksame und stabilisierende Hilfe anzubieten. Bereits in der Entwicklungsphase wurde das Konzept von den Autorinnen auf Kinder und Jugendliche auch ohne Migrationshintergrund erweitert. Das niedrigschwellige Hilfsangebot eröffnet einen einfachen Zugang und hat eine hohe Akzeptanz bei den Jugendlichen.
Ein Rückblick: In der Clearingeinrichtung (SHG Clearinghaus, Saarland) wurden seit 2015 minderjährige Flüchtlinge mit ausgeprägten psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen aufgenommen. Viele der beschriebenen Symptome schienen im traumaassoziierten Kontext zu stehen. Auch in der klinischen Versorgung in den SHG-Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Kleinblittersdorf (Saarland) und Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) beschrieben und zeigten die geflüchteten Kinder und Jugendlichen gravierende somatische und psychische Belastungen und Symptome. Ängste, Depressionen Dissoziationen, Schlafstörungen, Albträume, selbstverletzendes Verhalten und suizidale Krisen sind nur einige der Beeinträchtigungen, die zu »dysfunktionalen« Regulationsprozessen wie z. B. selbstverletzendem Verhalten führen können.
Die Flucht aus dem Heimatland erfolgte meistens aufgrund von existentiellen Bedrohungen. Besonders die unbegleiteten minderjährigen Kinder und Jugendlichen leiden unter den Fluchterfahrungen und sorgen sich, um die Sicherheit von Familienmitgliedern und anderen wichtigen und geliebten Personen im Herkunftsland. Heimweh und Trennungsschmerz wirken neben der stetigen Unsicherheit über ihre Zukunft im Ankunftsland belastend. Die Tatsache, sich in der Rolle des »Flüchtlings« zu finden, ist neben der Veränderung des sozialen Status und dem Gefühl des »Fremdseins« eine Herausforderung für die Jugendlichen. Dies hat Auswirkungen auf die Identitätsentwicklung, welche gerade in der Adoleszenz eine zentrale Entwicklungsaufgabe ist. Prä-, peri- und posttraumatische Stressoren wie Lebensgefahr, Ressourcenverluste, mangelnde soziale Unterstützung und weitere belastende Lebensereignisse sowie psychische Morbidität begünstigen die Entwicklung chronischer psychischer Erkrankungen.
Viele der geflüchteten Kinder und Jugendlichen haben Angst, die Kontrolle über ihre aktuelle Lebenssituation zu verlieren und stehen einer Psychotherapie oder der Behandlung in Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie misstrauisch gegenüber. Vor dem Hintergrund erlebter Traumata (besonders »man-made disasters«) ist das auch nachvollziehbar. Psychiatrie wird oft als Stigma empfunden und widerspricht damit identitätsstiftenden Werten der Jugendlichen, die bereits auf ihrer Flucht so viel bewältigt haben, und löst zudem bei vielen das Gefühl der Scham aus. Mit dem Ziel, Jugendlichen eine erste Hilfe zur emotionalen Stabilisierung bei starkem Stresserleben anzubieten, schien die Entwicklung von neuen und kurzen, rasch wirksamen Interventionskonzepten mit niedrigschwelligem Zugang notwendig. Dabei ist die Reduzierung von sich aufschaukelnden »Arousal-Schleifen« und akuten psychischen Krisen ein zentraler Fokus. Aus scheinbar einfachen zwischenmenschlichen Konflikten, verbunden mit einer hohen Grundanspannung durch chronischen Stress, entstehen schwere emotionale Krisen, die es den Betroffenen erschweren, ihren Lebensalltag zu bewältigen. Nicht selten wird dann die Akutbehandlung z. B. aufgrund einer suizidalen Krise in der Kinder- und Jugendpsychiatrie notwendig.

12.2 Der zweite Schritt der Konzeptualisierung

Die Erweiterung des START-Konzepts auf Kinder und Jugendliche auch ohne Migrationshintergrund hat sich den Autorinnen aus dem klinischen Alltag in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erschlossen. Viele Jugendliche, die in ihrer Entwicklung belastenden Ereignissen oder Vernachlässigungen und Misshandlungen ausgesetzt waren, erleben häufig und gerade im Jugendalter schwere emotionale Krisen. Diese Jugendliche können sich nicht für eine längere oder aufarbeitende Psychotherapie entscheiden. Vielmehr setzen sie häufig maladaptive Strategien zur Bewältigung ihrer Probleme ein. Selbstverletzungen, Suizidversuche, Alkohol-, Substanzabusus, impulsdurchbrechendes Verhalten und sozialer Rückzug sind maladaptive Regulationsversuche, um emotionale Anspannung und Stress kurzfristig zu mindern. Dies hat wiederum Auswirkungen auf das Funktionsniveau und führt zu Beeinträchtigungen in Schule, Ausbildung, Wohngruppe oder auch in der Peer-Group. Frühe Interventionen zur Stabilisierung unterstützen Jugendliche in ihrer emotionalen Not, Krisen überstehen zu können und ihre Selbstregulationsmöglichkeiten wiederzuerlangen, und verringern das Risiko, psychische Folgeerkrankungen nach traumatischen Ereignissen zu entwickeln (Krüsmann und Müller-Cyran 2005).

12.3 START in Einrichtungen der Jugendhilfe, Schulen, Beratungsstellen

In Wohngruppen und in Schulen führen dysfunktionale Verhaltensweisen impulsives Verhalten, selbstverletzendes Verhalten und sozialer Rückzug zur Überforderung und oft zum Ausschluss vom Schulunterricht oder zu Entlassungen aus Wohngruppen.
START kann vor Ort implementiert werden um präventiv und resilienzfördernd für Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen eingesetzt werden.
Der Ablauf des Programms kann natürlich auf die Strukturen der Einrichtungen angepasst werden. Die Handlungssicherheit der Mitarbeiter kann im Umgang mit Jugendlichen mit dysfunktionalen Verhaltensweisen stärken. Ein Trainingsprogramm für Lehrer, Schoolworker, Schulpsychologen und Mitarbeiter von Jugendhilfeeinrichtungen ist vorhanden und kann unter www.startyourway.de angefragt werden.
Für die Anwendung des Programms in Schulen sind zwei Überlegungen zum Setting bislang erprobt. Einerseits kann START in den Unterricht integriert werden und andererseits kann eine Gruppe als zusätzliches Angebot in unterstützendem Betreuungsbereich (z. B. Nachmittagsbetreuung) durch Lehrer, Schulpsychologen oder Schoolworker angeboten werden. Die Bereitstellung von Informationen soll belastete Jugendliche und Interessierte erreichen. Erste Erfahrungen und eine positive Resonanz von Schulen liegen bereits vor. Die Intervention hat eine gute Akzeptanz bei Jugendlichen und konnte in den schulischen Alltag integriert werden.

12.4 Grundlagen des START-Konzepts

Das niedrigschwellige und kulturintegrative Stabilisierungskonzept validiert Kinder und Jugendliche mit starkem Stresserleben, Traumafolgen und schweren emotionalen Belastungen.
START setzt sich aus fünf Modulen zusammen und wird bevorzugt im Gruppensetting (Durchführung auch im Einzelsetting möglich) angewendet. Fertigkeiten zur Achtsamkeit, Stress- und Emotionsregulation und die Förderung von Selbstwirksamkeit und Selbstfürsorge werden in den Gruppensessions geübt. START ist expliziert kein expositionsbasiertes Programm, sondern hat als primäre Zielsetzung die Stabilisierung durch Regulierung von Stress, heftigen emotional-instabilen Zuständen und krisengenerierenden Verhaltensweisen.
Das START-Manual integriert ein...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. Teil I – Trauma und Traumafolgestörungen
  7. Teil II – Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
  8. Teil III – Therapie und Behandlung
  9. Teil IV – START
  10. Literatur
  11. Register