Mädchen und Jungen in der KiTa
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Mädchen und Jungen in der KiTa

Körper - Gender - Sexualität

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Mädchen und Jungen in der KiTa

Körper - Gender - Sexualität

About this book

Die große Bedeutung geschlechterbezogener Faktoren für Bildungsprozesse bereits in der frühen Kindheit ist unumstritten. Das Lehrbuch vermittelt Grundlagen und Methoden zu den Themen Gender und Sexualität. Zentrale Fragen der psychosexuellen und geschlechtsbezogenen Entwicklung von Kindern werden thematisiert. Anregungen zur Selbstreflexion vermitteln Fachkräften ein Verständnis ihrer Bedeutung als Frau oder Mann in der pädagogischen Arbeit mit Mädchen und Jungen. Daran anknüpfend werden Ansatzpunkte und Konzepte geschlechterbewusster und sexualpädagogischer Handlungskompetenz im Elementarbereich anhand vieler Beispiele veranschaulicht.

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Information

 

1          Einführung

Alles erlebt das Kind über den Leib. Da ist die Haut. Welche Lust, eine solche Haut zu haben! (Hild, 1964, S. 32)
„Die auf das Geschlecht ausgerichtete Erziehung muss schon im frühen Kindesalter beginnen“, lesen wir in einem Ratgeber zur Sexualerziehung aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts (Hild, 1964, S. 19), und weiter: „Eigentlich ist jede Erziehung, jede Beschäftigung mit dem Kinde auch etwas Sexualerziehung“ (S. 34). Dies ist heute so aktuell wie vor fünfzig Jahren. Wie eine „auf das Geschlecht ausgerichtete Erziehung“ allerdings gestaltet werden sollte und welche Form der Sexualerziehung als angemessen gesehen wird, das hat sich in dieser Zeit erheblich geändert.
„Jungen tragen eben Hosen und Mädchen Röcke. So war es über tausend Jahre lang bei uns üblich. Warum sollte es heute anders sein?“, fragt Dr. Dr. Hild (1964, S. 19). Für ihn – wie in der damaligen Zeit ganz allgemein – war es selbstverständlich, dass Kleidung, Spiele und Beschäftigungen von Kindern ihrem Geschlecht entsprechen sollten. „Jungen brauchen nun einmal eine Streitaxt oder ein Schwert. Je früher sie sich austoben, umso eher tut es ein Holzgewehr! Und Mädchen brauchen Puppen!“ (S. 20). An solchen Sätzen wird deutlich, in welchem Ausmaß sich die Geschlechterverhältnisse in den letzten Jahrzehnten gewandelt haben. Schon seit einigen Jahrzehnten tragen Mädchen selbstverständlich Hosen, und Gewehre sind in Kindertageseinrichtungen (KiTas) meist unerwünscht, auch wenn sie nur aus Holz sind.
Heute ist es selbstverständlich, dass Mädchen und Jungen gleichberechtigt erzogen werden und gleiche Chancen haben sollen. Die in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts verbreitete Hoffnung, dass Geschlechterunterschiede und vor allem stereotypes Verhalten durch das Bemühen um gleichberechtigte Erziehung verschwinden würden, hat sich jedoch nicht erfüllt – fast könnte man den Eindruck gewinnen, das Gegenteil sei der Fall. Spielzeug und Mode für Kinder sind heute mehr nach Geschlecht sortiert als vor zwanzig oder dreißig Jahren. Geschlechtstypisches Verhalten und Abgrenzungsrituale zwischen Mädchen und Jungen sind in KiTas und Schulen nach wie vor häufig zu beobachten, obwohl sich Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen durchaus darum bemühen, dem entgegenzuwirken.
Andererseits sind die Einstellungen und Bilder vieler Erwachsener über Mädchen und Jungen und deren Verhaltensweisen weiterhin von stereotypen Vorstellungen geprägt. Ein Junge mit langen Locken oder gar im Rock kann auch heute noch starke Irritationen auslösen, und die meisten Eltern halten sich nach wie vor an den Vorschlag aus den 1960er Jahren: „Die süße Lockenpracht unseres kleinen Buben opfern wir, sobald der Filius laufen kann. (…) Schon jetzt will ja das Kerlchen auch selber als Junge gesehen werden, und wenn er es nicht will, wird es Zeit, dass er sich daran gewöhnt“ (Hild, 1964, S. 19). Das Bild eines Vaters, der stattdessen mit seinem Sohn – der gern Kleider anzog – aus Solidarität gemeinsam mit ihm im roten Rock durch eine süddeutsche Kleinstadt spazierte, ging um die Welt (Pickert, 2012) und führte zu höchst kontroversen Diskussionen im Netz. Was in Berlin heute als „normal verrückt“ durchgehen mag, ist in Kleinstädten oder auf dem Dorf noch lange nicht akzeptiert. Umgekehrt haben wir uns zwar an Frauen bei Polizei und Militär gewöhnt. Dennoch kommen nur wenige Menschen auf die Idee, Mädchen zum Spiel mit (Spielzeug-)waffen zu ermutigen. Dabei könnte sich das durchaus positiv auf das Miteinander von Mädchen und Jungen auswirken. Als meine Tochter einmal mit ihrem „Blutmesser“ (aus Plastik) auf dem Piratengeburtstag ihres Kindergartenfreundes erschien, verschaffte ihr das sogleich erheblichen Respekt in der Jungentruppe: „Mit der kann man spielen!“
Zudem stellen Erwachsene, die sich um eine „Gleichbehandlung“ von Mädchen und Jungen bemühen, nicht selten fest, dass dies nicht leicht zu verwirklichen ist – und Mädchen und Jungen wollen auch gar nicht gleich sein. Sie suchen bereits in den ersten Lebensjahren nach Antworten auf die Frage nach der Bedeutung der Geschlechterunterschiede und nach Orientierung auf dem Weg zum Frau- bzw. Mann-Sein. Dass Fragen geschlechtsbezogener Entwicklung bereits im Kindergarten von Bedeutung sind, hat sich in den letzten zwanzig Jahren allmählich herumgesprochen. Die Notwendigkeit einer geschlechterbewussten Pädagogik ist daher inzwischen auch in manchen Bildungs- und Orientierungsplänen für den Elementarbereich verankert.
Der Umgang mit Sexualität ist dagegen auch heute noch von großen Unsicherheiten geprägt, auch wenn die Einstellungen zur kindlichen Sexualität sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert haben. In den 1960er Jahren war es selbstverständlich, mit Kindern im Vor- und Grundschulalter nicht offen über Sexuelles zu sprechen. Noch einmal Dr. Hild: „Kinder zwischen sieben und elf Jahren wollen vom Akt der Zeugung und der Geburt im Grunde nichts wissen, weil diese Vorgänge nicht in den Weltbereich des gesunden Kindes hineingehören. Wir bringen sie auch nicht hinein!“ (Hild, 1964, S. 81). Ihnen den Geschlechtsverkehr zu erklären, wäre für Dr. Hild „eine Rohheit“ gewesen: „Das Kind soll nicht wissen, sondern ahnen: das ist besser!“ (ebd., S. 82).
Klar war damals auch, dass sexuelle Handlungen erst in der Ehe angebracht, Onanie oder Doktorspiele ein Zeichen von Unreife und möglichst zu vermeiden sind. Fortschrittlich war zur damaligen Zeit, dass auf Strafen und Beschämungen verzichtet werden sollte. Grundsatz war: „Innere Freiheit und äußere Zucht“ (ebd., S. 84) – Kinder sollten von selbst dazu kommen, auf das Ausleben sexueller Impulse zu verzichten.
Heute wird die Bedeutung von Sexualität für die Persönlichkeitsentwicklung von Mädchen und Jungen kaum noch in Frage gestellt. Jedoch wird noch immer kontrovers diskutiert, was Kinder im Umgang mit ihrer Sexualität konkret lernen sollen und zeigen dürfen. Manche Facetten kindlicher Ausdrucksformen, z. B. Selbstbefriedigung und wechselseitige Körpererkundungen, sind nach wie vor eher tabuisiert: Sie werden zwar nicht ausdrücklich verboten, aber auch nicht offen akzeptiert. Verstärkt wird diese Tabuisierung durch Aufklärungsbücher, in denen vor allem Geburt und Schwangerschaft Themen sind.
Dennoch setzt sich allmählich ein Perspektivenwechsel durch: weg von einem Verständnis, das Sexualerziehung in erster Linie als Vermeidung von Risiken und Gefahren versteht, hin zu einem umfassenden Konzept sexueller Bildung. Dabei steht die Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung im Zentrum, die altersentsprechend gelernt werden muss und die Grundlage auch dafür legt, dass Kinder und Jugendliche Grenzen setzen und Risiken angemessen einschätzen können. Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte ist es, diese Prozesse zu begleiten und dabei Kinderschutz und selbstbestimmtes Lernen von Kindern in Balance zu bringen.
Mit diesem Buch möchten wir Lust darauf machen, sich auf die Fragen und Themen von Jungen und Mädchen einzulassen. Gleichzeitig möchten wir dazu ermutigen, eigene Standpunkte zu entwickeln und in die Begegnungen mit Kolleginnen und Kollegen, Kindern und Eltern einzubringen.
In den ersten drei Kapiteln des Buches werden dazu zunächst grundlegende Theorien und Forschungsergebnisse vermittelt. Unsere theoretischen Ausführungen beginnen wir bewusst mit dem Thema Körper, da die Entwicklung von Identität, Sexualität und Geschlecht mit dem Umgang von Körper und Körperlichkeit eng verknüpft ist und dieser eine wichtige Grundlage für Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit darstellt. So stellt Kapitel 2 zunächst Grundlagen körperlicher Entwicklung dar. Kapitel 3 befasst sich mit geschlechtsbezogener Entwicklung und Sozialisation, Kapitel 4 mit der sexuellen Entwicklung im Kindesalter.
Kapitel 5 nimmt die Rolle der pädagogischen Fachkräfte als Frauen und Männer in den Blick. Dabei werden sowohl die Geschichte des Erzieherinnenberufs als „Frauenberuf“ diskutiert als auch aktuelle Entwicklungen hin zu mehr Männern in KiTas. Um (sexual)pädagogische Alltagssituationen angemessen einschätzen und beeinflussen zu können, ist entsprechend geschulte Handlungskompetenz nötig. Dies setzt Selbstreflexion, Reflexion der Berufsbiografie und persönliches Lernen voraus. Die bewusste Auseinandersetzung mit Nähe und Distanz im Kontext von Körper und Sexualität stellt ein weiterer wichtiger Aspekt reflexiver Arbeit mit Mädchen und Jungen dar.
Kapitel 6 greift aktuelle Diskussionen über Geschlechterdifferenzen im Bildungssystem auf. In der öffentlichen Diskussion wurden dabei in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem mögliche Benachteiligungen von Jungen dramatisiert. Hier wollen wir einen Beitrag zur Versachlichung leisten und eine differenzierte Sichtweise ermöglichen. Anschließend wird der Blick auf Geschlechteraspekte in Bildungs- und Orientierungsplänen gerichtet und in geschlechterbewusste Pädagogik eingeführt. Im Anschluss vermittelt Kapitel 7 Grundlagen der Sexualpädagogik. Sexualität ist Thema in KiTas. Die pädagogischen Fachkräfte und ihre Zusammenarbeit im Team sind der Schlüssel für eine sexualfreundliche Erziehung. Hier ist es uns ein wesentliches Anliegen, (angehende) Fachkräfte zu stärken und dabei zu unterstützen, die Sprachlosigkeit in diesem Bereich zu überwinden.
Die letzten drei Kapitel führen dann in die Praxis. Kapitel 8 gibt Anregungen zu Beobachtung, Raumgestaltung und Gesprächen mit Kindern. Diskutiert werden auch Ansatzpunkte und Möglichkeiten für geschlechtsgetrennte Arbeitsformen. Kapitel 9 betrachtet die einzelnen Bildungsbereiche aus Genderperspektive. Kapitel 10 ist schließlich der Zusammenarbeit mit Müttern und Vätern im Kontext geschlechterbewusster Pädagogik und Sexualerziehung gewidmet.
Dieses Buch gemeinsam zu verfassen war ein kleines Abenteuer. Christa Wanzeck-Sielert brachte ihre langjährige Erfahrung im Bereich Sexualpädagogik ein (insbesondere Kapitel 2, 4 und 7), Tim Rohrmann seinen Hintergrund aus Forschung und Weiterbildung zu geschlechtsbezogener Entwicklung und geschlechterbewusster Pädagogik (insbesondere Kapitel 3, 6 und 9). Über viele Themen und Praxisansätze haben wir uns im Prozess der Manuskripterstellung verständigt und dabei neue Perspektiven gewonnen. Natürlich sind in dieses Buch auch unsere je eigenen Lebenserfahrungen als Frau und Mann mit eingegangen. Dabei haben wir uns aber nicht als Vertreterin und Vertreter des jeweils eigenen Geschlechts erlebt – für uns ist es keineswegs so, dass Frauen qua Geschlechtszugehörigkeit besser über Mädchen Bescheid wissen und Männer automatisch für Jungen zuständig sind. Vielmehr geht es uns darum, Mädchen und Jungen in ihrer je individuellen Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen – und dabei die Bedeutung der eigenen Geschlechtlichkeit bewusster wahrzunehmen.
Wir widmen dieses Buch dem Gedenken an die im Januar 2013 verstorbene Melitta Walter. Sie war wesentliche Wegbereiterin sowohl der Sexualberatung und Sexualpädagogik als auch der geschlechtergerechten Pädagogik in KiTas in Deutschland. Unermüdlich hat sie Veränderungen in der Praxis angestoßen und sich für ein gelingendes Miteinander von Mädchen und Jungen, Frauen und Männern eingesetzt. Sie hat zu kreativem und konkreten Handeln ermutigt und dabei nie aus den Augen verloren, dass pädagogische Arbeit Spaß machen muss. Wir stellen unserem Buch daher den Titel eines ihrer Beiträge zum Thema voran (Walter, 2001):
„Probieren Sie es aus – und viel Vergnügen!“
Denkte und Kronshagen, im Frühjahr 2014
Tim Rohrmann & Christa Wanzeck-Sielert

2 Körper

2.1 Vom Umgang mit dem Körper

Ein persönlicher Einstieg
Als Einstieg in das Thema Umgang mit dem Körper ist es hilfreich, sich in Einzelarbeit mit folgenden Fragen und Impulsen zu beschäftigen:
Welche Rolle spielt Ihr Körper in Ihrem Leben?
Welche Rolle spielte Ihr Körper in Ihrer sexuellen Entwicklung?
Welche Erlebnisse haben Sie zum Nachdenken über Ihren Körper gebracht?
Wie wurde in Ihrer Familie mit Körperlichkeit umgegangen?
Wie haben Sie körperliche Veränderungen während Ihrer Pubertät erlebt?
Wie haben Ihre Familie und Ihr Umfeld auf körperliche Veränderungen reagiert?
Wie unterscheiden sich Frauen- und Männerkörper?
Wie gehen Sie im Alltag hauptsächlich mit Ihrem Körper um (pragmatisch, rücksichtslos, hemmungslos, erotisch, zärtlich, wild, posierend, versteckend, schonend, kontaktfreudig, ausdrucksstark, vorsichtig usw.)?
Vergleichen Sie sich körperlich mit anderen?
Haben Sie schon einmal über eine Schönheitsoperation bzw. Einnahme von Medikamenten zur Veränderung Ihres Körpers nachgedacht?
Tauschen Sie sich zu zweit aus und überlegen am Schluss, welches Ergebnis Ihres Gespräches Sie ins anschließende Plenum einbringen wollen.
Körperkontakte und Berührungen spielen in der Entwicklung des Menschen bis ins hohe Alter eine eminent wichtige Rolle. Ohne Berührungen kann ein Mensch nicht leben. Eine differenzierte Betrachtung der beiden Begriffe Körperkontakt und Berührung kann für eine bewusste Wahrnehmung der vielfältigen Kontaktaufnahmen besonders zu Beginn eines Lebens, also zwischen Säuglingen und Bezugspersonen sensibilisieren. „Berühren ist nach unserem Verständnis eine (intentionale) Handlung, Berührtwerden eine Wahrnehmung/Empfindung“ (Schmidt & Schetsche, 2012, S. 9).
Der Tastsinn entwickelt sich bereits innerhalb der ersten Monate einer Schwangerschaft. Das Neugeborene ist mit einem breiten taktilen Repertoire ausgestattet und somit für die Entdeckung der Umwelt bestens ausgerüstet.
Die Bindung des Umwelterkennens ist nicht nur elementar mit der explorativen Natur des Tastsinnes verbunden, sondern die Fähigkeit zur Verarbeitung taktiler, passiver Berührungsreize stellt für die Neugeborenen ein „Lebensmittel“ der besonderen Art dar. Wie aus zahlreichen Human- und Tierstudien bekannt ist, folgen wichtige Reifungsprozesse des Gehirns nur, wenn der jeweilige Organismus eine hinreichende adäquate taktile und sozialvermittelnde Stimulation seines Körpers erfährt (Grundwald, 2012, S. 43/44).
Ein positiver Zugang zum Körper und die Bedeutung von Körperkontakten für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern wird heute kaum noch kontrovers diskutiert und „so steht außer Zweifel, dass eine gesunde psychische Entwicklung und eine angemessene Reifung des neuronalen Systems direkt mit der sozial vermittelten körperlichen Interaktion und der daraus resultierenden haptischen und taktilen Stimulation verbunden ist“ (ebd. S. 45). Nähe, Berührungen und das Wissen über frühe Lebenserfahrungen von Säuglingen und Kleinkindern und deren Auswirkungen auf Identität, Körper-Selbst und Selbstempfindungen untermauert die Bedeutung und Wichtigkeit von Aktions-, Erlebnis- und Erfahrungsräumen in KiTas, denn durch Bewegung und Berührungen können sich Kinder entwickeln und wachsen.

2.2 Zu den Begriffen Leib und Körper

Wenn wir die Worte Leib und Körper hören, werden jeweils andere Assoziationen und Gedanken freigesetzt. Vielleicht klingen beim ersten eher emotionale Aspekte an, während beim zweiten eher etwas Distanzierendes, Sachlicheres zum Tragen kommt. Früher wurde eher von Leib als von Körper gesprochen. Beim Turn und Sportunterricht war von Leibesübungen und Leibeserziehung d...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort der Herausgeberin und der Herausgeber
  5. Inhalt
  6. 1 Einführung
  7. 2 Körper
  8. 3 Gender
  9. 4 Sexualität
  10. 5 Die Fachkräfte
  11. 6 Gender im Kontext der Bildungsdiskussion
  12. 7 Grundlagen der Sexualpädagogik
  13. 8 Schritte in die Praxis
  14. 9 Gender in den Bildungsbereichen
  15. 10 Zusammenarbeit mit Müttern und Vätern
  16. 11 Literatur