Geschichte der Burgundischen Niederlande
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Geschichte der Burgundischen Niederlande

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Geschichte der Burgundischen Niederlande

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Die Geschichte der Burgundischen Niederlande ist bestimmt von machtvollen Auseinandersetzungen, in deren Zentrum als treibende Kraft die Herzöge von Burgund aus dem Haus Valois standen. Ihnen gelang es, die Niederlande als Herrschaftskonglomerat sowohl aus dem Königreich Frankreich als auch aus dem Heiligen Römischen Reich herauszulösen. Ihre Gegner waren dabei nicht nur die Könige, sondern auch die großen Städte Flanderns, die konkurrierenden französischen Fürsten, die Verwandten aus Holland sowie einzelne Adelsfamilien aus den niederländischen Fürstentümern.Von der Übernahme des flämischen Erbes durch Herzog Philipp den Kühnen 1384 bis zum sogenannten Damenfrieden von Cambrai 1529 schildert der Autor die wechselvolle Geschichte dieses Länderkomplexes, wobei erstmals in der deutschsprachigen Forschung die Zeit Maximilians I. und Philipps des Schönen als integraler Teil der Entstehung der Burgundischen Niederlande gewertet wird. Ein wichtiges Mittel der Integration des Adels und der städtischen Oberschichten in den erworbenen Ländern war der prunkvolle fürstliche Hof.

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Information

1 Einleitung

Für heutige Menschen mag es befremdlich erscheinen, die Niederlande als »burgundisch« zu bezeichnen. Doch für das 15. und 16. Jahrhundert ist diese Verknüpfung sinnvoll und geboten. Die Benennung beruht darauf, dass der Name Burgund von dem im Osten Frankreichs gelegenen Herzogtum Burgund sowie der sich weiter östlich anschließenden Freigrafschaft Burgund, die zum Heiligen Römischen Reich gehörte, auf Flandern und die vielen Fürstentümer im Nordwesten des Reichs übertragen wurde. Für diesen Raum war im Hochmittelalter die Bezeichnung Nieder-Lothringen üblich geworden. Mit Blick auf die vielen in diesem weiten Gebiet entstandenen Herrschaften sprach man später von den niederen Landen bzw. Niederlanden. Grund für die Benennung als burgundisch war die dynastische Vereinigung der Territorien in Händen der Herzöge von Burgund, einer Nebenlinie der französischen Königsfamilie Valois. Ab etwa 1420 wurden Flandern und die benachbarten Fürstentümer zum bevorzugten Aufenthaltsort und Aktionsfeld der regierenden Fürsten. Das Bemerkenswerte ist, dass diese Übertragung derart wirkmächtig war, dass sie auch nach dem Herrschaftswechsel von den Valois-Burgundern zu den Habsburgern erhalten blieb. Im 16. Jahrhundert bürgerte es sich im politischen Sprachgebrauch ein, von Burgund zu sprechen, wenn man die Niederlande meinte, so beispielsweise beim 1512 geschaffenen Burgundischen Reichskreis.
Die Geschichte der burgundischen Niederlande ist ein Musterfall für eine zunächst rein dynastisch gebildete Landesherrschaft, die auf mehrere bereits »fertige« Fürstentümer gleichsam aufgesetzt wurde, wobei die Eigenheiten eines jedes dieser Fürstentümer gewahrt wurden. Allmählich erst, nämlich unter Karl dem Kühnen, begann eine Politik der Länder übergreifenden Vereinheitlichung, die auf die einzelnen Territorien und ihre Traditionen wenig Rücksicht nahm.
Die Geschichte der burgundischen Niederlande kurz und bündig zu beschreiben ist keine leichte Sache, zumal sie kein Anfang und kein Ende hat, es sei denn, man legt die Lebens- bzw. Regierungsdaten der Herzöge als Grenze fest. Das erste Kapitel behandelt die Politik der beiden ersten Herzöge Philipps des Kühnen und Johanns ohne Furcht, die zu weiten Teilen auf das französische Königtum ausgerichtet war. Beide hielten sich nur selten im eigentlichen Burgund auf, und die niederländischen Teile ihres Herrschaftsgebietes zogen nur phasenweise ihre Aufmerksamkeit auf sich. Im letzten Kapitel wird die Nachgeschichte der burgundischen Niederlande unter den Habsburgern seit 1494 gerafft präsentiert. Die Darstellung endet mit dem für das Lehnswesen wichtigen sog. Damenfrieden von Cambrai 1529, da mit ihm die Grafschaft Flandern aus Frankreich herausgelöst und dem Reich übertragen wurde.
Im Mittelpunkt stehen die Regentschaften der machtvollen Herzöge Philipp der Gute (1419–1467) und Karl der Kühne (1467–1477). Hierzu gehört auch die Fortführung der Politik unter Maria und Maximilian (1477–1482) und die für die Landesherrschaft schweren Krisenjahre unter Maximilians von den Ständen bestrittener Alleinherrschaft (1482–1492). Bemerkenswerterweise führten die erbitterten Kämpfe zwischen Ständen und Fürst nicht zu einem Auseinanderbrechen des Länderkonglomerats. Die Einheit der Niederlande blieb gewahrt, da die Stände sie mittrugen, die Ländereinheit also nicht mehr nur von der Person des Fürsten abhing.
An den Anfang werden zwei Ausgangspunkte gesetzt, von denen der erste der modernen Forschung, der zweite der Vorgeschichte der verschiedenen Territorien gilt.

1.1 Ausgangspunkt: Moderne Literatur

Ausgangspunkt einer jeden Beschäftigung mit der Geschichte der burgundischen Niederlande sind die vier Bücher Richard Vaughans über die Herzöge Philipp den Kühnen, Johann ohne Furcht, Philipp den Guten und Karl den Kühnen. Es handelt sich bei ihnen nicht um Biographien im engeren Sinne, sondern um Darstellungen ihrer Machtpolitik im Hinblick auf die Verdichtung der Herzogsherrschaft zu einem, wenn man so will, Staat. Die Wertschätzung, die die moderne Forschung Vaughans Büchern entgegenbringt, wird daraus ersichtlich, dass sie Jahrzehnte nach ihrem ersten Erscheinen mit einem die jüngere Forschung resümierenden Vorwort und einer Ergänzungsbibliographie versehen wieder aufgelegt wurden.
Walter Prevenier und Wim Blockmans haben in mehreren Gesamtdarstellungen die Ergebnisse der in den 1970er und 1980er Jahren betriebenen sozio-ökonomischen Geschichtsforschung gebündelt. Als eine solche Gesamtdarstellung ist das 1986 erschienene, großmächtige und fulminant bebilderte Werk Die Burgundischen Niederlande zu nennen (1986, auch ndl., frz. und engl.). In der jüngsten Vergangenheit erfuhr die früher etwas stiefmütterlich behandelte Zeit nach 1477 mehr und mehr Aufmerksamkeit. So legte 2003 Jean-Marie Cauchies eine Biographie Philipps des Schönen vor mit einem bezeichnenden Untertitel, der diesen auch in Kastilien herrschenden Habsburger-Sohn als burgundischen Herzog reklamiert (Philippe le Beau. Le dernier duc de Bourgogne). Die Herrschaft Maximilians (1477–1494) hat bisher keine umfassende Gesamtwürdigung gefunden, näher untersucht wurde die gemeinsame Regierung von Maria und Maximilian 1477–1482 von Jelle Haemers: For the Common Good (2009), und die Auseinandersetzung zwischen Maximilian und den Ständen Flanderns 1482–1488, ebenfalls von Jelle Haemers: De strijd om het regentschap over Filips de Schone (2014). Für die Zeit Maximilians ist man daneben auf die entsprechenden Abschnitte in Hermann Wiesfleckers mächtiger Maximilian-Biographie angewiesen.
Neben den bereits genannten Werken von Prevenier und Blockmans hat die ältere und populäre Darstellung von Joseph Calmette über die Großen Herzöge von Burgund (im frz. Original 1949, in dt. Übersetzung zuletzt 1996) weite Verbreitung gefunden. Sowohl biographisch als auch sachthematisch ausgerichtet ist der detaillierte und faktengeschichtlich gehaltene Überblick von Bertrand Schnerb über den L’état bourguignon (1999). Nicht zu vergessen sind die einschlägigen Beiträge in der Algemenen Geschiedenis der Nederlanden aus den 1950er Jahren und der sozial- und wirtschaftsgeschichtlich ausgerichteten (Nieuwe) Algemene Geschiedenis der Nederlanden aus den 1980er Jahren. Als jüngeres Handbuch ist noch zu verweisen auf die 2010 erschienene Darstellung von Wim Blockmans: Metropolen aan de Nordzee, in welchem vor allem die Rolle der Städte als entscheidend in den Vordergrund gestellt wird. Von Robert Stein erschien 2014 die bisher jüngste Gesamtschau der Beziehungen zwischen den Herzögen und den Land- bzw. Generalständen, die bis in die 1480er Jahre reicht.
Die Erforschung der burgundischen Niederlande wird durch einen überbordenden Reichtum der Quellen geradezu behindert, wie Werner Paravicini in einem Aufsatz mit dem Titel Embarras de la richesse mit vielen Beispielen ausführt. Als Überblick über das Schriftgut der landesherrlichen Kanzleien, der Gerichtshöfe und der Rechenkammer dient das Werk von Robert-Henri Bautier und Janine Sornay: Les sources de l’histoire économique et sociale du Moyen Âge (1984 und 2001). Insbesondere sind vor allem die Rechnungen der herrschaftlichen Amtsträger und der Städte zu nennen, von Adligen sind vergleichsweise wenige überliefert.
Die spätmittelalterlichen Niederlande sind berühmt für ihre Städte, von denen man im Allgemeinen an die drei größten in Flandern denkt: Brügge, Gent und Ypern mit ihren jeweils ungefähr 40 000–60 000 Einwohnern. Sie kennen eine reiche Historiographie, die hier nicht weiter ausgebreitet werden kann. Als Beispiel eines umfassenden Handbuchs sei lediglich auf Jan van Houtte: Geschiedenis van Brugge (1982) hingewiesen. Festzuhalten bleibt, dass die Städte trotz ihrer Größe und politischen Bedeutung unter der Botmäßigkeit des Stadtherrn blieben, obwohl es nicht an Versuchen gefehlt hat, diese abzuschütteln, wie man insbesondere an Gent sehen kann. Dieser Stadt haftet der Ruf an, besonders rebellisch gewesen zu sein, so Johan Decavele (Hg.): Ghent. In Defence of a Rebellious City (1989), und Marc Boone: Gent en de Bourgondische hertogen (1990), und ferner Marc Boone: Geld en macht. Gentse stadsfinanciën en Bourgondische staatsvorming (1990).
Überhaupt ist nicht zu vergessen, dass es neben den großen und mittelgroßen eine Fülle kleinerer, mindermächtiger Städte gab. In der Grafschaft Flandern ist zudem das Phänomen zu beobachten, dass die drei großen Städte ihr Umland derart dominierten, dass im Laufe des 14. Jahrhunderts sogenannte Quartiere entstanden, wozu noch die Brügger Freiheit (auch Freiamt, ndl. Brugse Vrije, frz. Franc de Bruges) zu zählen ist, die sich im 13. Jahrhundert aus der Brügger Burggrafschaft entwickelt hatte. Die großen Städte verhinderten das Wachsen konkurrierender Bürgerschaften in ihrer Nähe, so dass viele flämische Städte klein blieben und nur als verlängerte Werkbank für die Textilproduktion der großstädtischen Kaufleute dienten (siehe hierzu Peter Stabel: Dwarfs amongs Giants, 1997). Die großen Städte waren beileibe nicht zimperlich, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen ging; ihre Beherrschung und gelegentliche Unterwerfung war keine geringe Herausforderung für die Herzöge.
Eine scharfe Trennung zwischen Städten und Adel zu ziehen ist nicht möglich: Adlige wohnten in den Städten, reiche Kaufleute erwarben größeren Landbesitz mit den dazu gehörigen Herrschaftsrechten, zudem gab es zwischen beiden Kreisen immer wieder Heiratsverbindungen. Für den Adel in einzelnen Landschaften sei nur auf die jüngeren Studien zur Grafschaft Holland von Antheun Janse: Ridderschap in Holland (2001), für die Grafschaft Zeeland von Arie van Steensel: Edelen in Zeeland (2010) und zur Grafschaft Flandern von Fredrik Buylaert: Eeuwen van ambitie, mit einem Repertorium van de Vlaamse adel, ca. 1350– ca. 1500 (beide 2010) verwiesen.
Der großgrundbesitzende Adel in den verschiedenen Ländern war es, der von den Herzögen an sich zu binden war. Der Hof mit seinen hohen Ämtern in der direkten Umgebung des Fürsten, die ehrenvollen Gesandtschaften zu fremden Herrschern, militärische Aufträge von nicht zu unterschätzenden Gefahren, Leitungspositionen an den Spitzen der fürstlichen Gerichts- und Verwaltungsgremien, für die höchste Schicht des Adels zudem die Mitgliedschaft im 1430 gegründeten Orden vom Goldenen Vlies, dieses alles waren Form der Integration neben dem traditionellen Lehnswesen, die der Unterordnung des in der Theorie eigentlich freien, unabhängigen adligen Herrn unter einen anderen, höherrangigen Herrn dienten.
In den vergangenen Jahren hat sich die sozial- und kulturgeschichtliche Forschung intensiv mit dem fürstlichen Hof beschäftigt, der für Teile der Forschung als die wichtigste Einrichtung bei der Entstehung der Landesherrschaft gilt, wobei der burgundische Hof wegen seiner vielfältigen Beziehungen in Westeuropa überdies als Vorbild gewirkt haben mag (Paravicini [Hg.]: La cour de Bourgogne, 2013; für das späte 15. und das 16. Jahrhundert die Beiträge in Gosman, MacDonald und Vanderjagt [Hg.]: Princes and Princely Culture, 2003, zum Hof der Grafen von Flandern im 13./14. Jahrhundert Vale: Princely Court, 2001).
Die heutigen Länder des spätmittelalterlichen burgundisch-niederländischen Raums, die (heutigen) Niederlande, Belgien, Frankreich und Luxemburg, kennen eine intensive Erforschung der Landes- und Ortsgeschichte sowie der Personengeschichte, die hier nicht im Detail auszubreiten ist. Im regen Austausch mit der anglo-amerikanischen Geschichtsschreibung hat sie in den vergangenen Jahren den Wandel von der Sozial- zur Kulturgeschichte mitgemacht und versucht nicht mehr, die Schichtung bzw. Gliederung der Gesellschaft zu bestimmen, sondern fragt nach Wahrnehmung und Deutung von Vorgängen, beispielsweise auch von Naturereignissen und Katastrophen, nach Selbstverständnis von Personen, nach gesellschaftlichen Leitvorstellungen, insgesamt Fragen, die bereits die frühere Geschichtswissenschaft bewegten, die in den letzten Jahren jedoch ein neues Gewicht erhielten, zumal man sich von den Urteilen der älteren, oftmals nationalgeschichtlich bestimmten Historiographie zu befreien sucht. Dieses alles hat auch Folgen für die Politik-, Macht- und Kriegsgeschichte. Sie darf und sollte man auch unter den Auspizien der modernen Kulturgeschichte betreiben, um herausarbeiten zu können, ob ein in der Rückschau so abstrakter Vorgang wie die Staatsentstehung überhaupt erfahrbar war. Dass dieses möglich war, zeigen die, modern gesprochen, Medien, die von den Herrschern genutzt wurden, und von denen neben den Botendiensten nur der Glockenschlag, der öffentliche Ausruf und der Aushang von Texten genannt seien (von Seggern: Herrschermedien, 2003).

1.2 Ausgangspunkt: Die niederen Lande

Im Folgenden werden die niederen Lande vor ihrer Einbindung in den burgundischen Herrschaftskomplex kurz skizziert, wobei von Nord nach Süd vorgegangen wird. Dieses hat zur Folge, dass das eigentliche Herzogtum Burgund am Ende behandelt wird.
Die niederen Lande waren seit dem 12./13. Jahrhundert eine der am dichtest bevölkerten Regionen West- und Mitteleuropas, lediglich Norditalien übertraf sie in dieser Hinsicht. In dem Küstenstreifen, der sich von Nordfrankreich bis nach Holland erstreckte und entlang der großen Flüsse, die im Maas- und Scheldedelta in die Nordsee mündeten, lebten bei aller Vorsicht, die man gegenüber Bevölkerungsangaben des Spätmittelalters haben muss, über 2 Millionen Menschen, im Laufe der frühen Neuzeit knapp 3 Millionen, der größte Teil davon in Flandern, Brabant und Holland. Diese drei Fürstentümer verfügten über einen relativ hohen Verstädterungsgrad von ca. 50 %. Auch die ländlichen Siedlungen in diesen drei Fürstentümern dürften relativ groß und dicht bevölkert gewesen sein. Entlang der großen Flüsse wie der Maas gab es größere Siedlungszentren weit ins Land hinein wie Maastricht und Lüttich. Einer der Gründe hierfür lag in den fruchtbaren Böden der Küstengegend sowie in dem Löß-Gürtel, der sich in Mittel- und Westeuropa vor der Mittelgebirgsschwelle erstreckt; Teile Brabants, des Hennegau, des Artois und der Pikardie galten als Kornkammern der Niederlande, wozu beispielsweise der Hespengau (frz. Hesbaye, ndl. Haspengouw) im Fürstbistum Lüttich zu rechnen ist. Da der Fernhandel im Hoch- und Spätmittelalter vorrangig mit (für heutige Verhältnisse) kleinen Schiffen entlang der Küste betrieben wurde und man weit die Flüsse hinauffuhr, um möglichst spät umzuladen, befanden sich die großen Hafen- und Handelsstädte relativ weit im Landesinneren. Dieses gilt auch für Hafenstädte Brügge, Gent, Antwerpen, Amsterdam. Daneben waren die durch Mittelgebirge geprägten Fürstentümer wie Luxemburg, Namur, das zu Brabant gehörende Limburg sowie das eigentliche Herzogtum Burgund und die Franche-Comté weniger stark verstädtert, in politischer Hinsicht blieb hier der großgrundbesitzende Adel stärker tonangebend. Städte und Märkte gab es zwar auch, doch waren sie deutlich kleiner und minder mächtig als die großen flämischen und brabantischen Zentren. Als weitere landschaftliche Zone sind die Gebiete mit leichten Sandböden zu nennen, die es vor allem im nördlichen Brabant und in Geldern gibt. Im Mittelalter waren diese Böden zwar leicht zu bearbeiten, sie erlaubten aber keine großen Erträge, weswegen hier die ländliche Besiedlung weniger dicht war und es nur an besonders verkehrsgünstig gelegenen Stellen wie der Einmündung von Flüssen zur Bildung von größeren Siedlungen kam, die dafür aber eine umso größere Bedeutung für ihr Um- und Hinterland hatten.
Friesland kann zurückgeführt werden auf die bereits in römischer Zeit an der Nordseeküste siedelnden Friesen. Das von ihnen bewohnte Gebiet war wesentlich größer als das spätere oder heutige Friesland in den Niederlanden und Deutschland. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts entwickelten sich die Landschaften auseinander. Zwischen Weser und Ems bildete sich Ost-Friesland. Zwischen der Ems und der Lauwers konnte die Stadt Groningen mit ihrem Umland so etwas wie einen Stadtstaat bilden. Weiter westlich schloss sich West-Friesland an, auch Friesland-bewesten-Lauwers genannt.
Entlang eines langen Dünengürtels an der Nordseeküste mit anschließenden waldreichen Geestlandschaften entstand zu Beginn des 10. Jahrhunderts innerhalb des friesischen Siedlungsgebiets eine Landschaft, deren Name Holland sich vom Waldreichtum ableitete (ndl. Houtland, direkt übersetzt: Holzland), zu Beginn des 12. Jahrhunderts wird die Benennung auf eine Grafschaft bezogen, zu der drei Landschaften gehörten, im Norden das Kennemerland, dessen Grenzen zu Friesland nicht genau bekannt sind, in der Mitte das Rijnland, und weiter nordöstlich das Waterland mit der späteren Großstadt Amsterdam. Grafen (aber noch ...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Der Auftakt: Philipp der Kühne und Johann ohne Furcht als burgundisch-flämische Herzöge
  8. 3 Der Ausbau: Philipp der Gute 1419–1467
  9. 4 Die Festigung: Karl der Kühne 1467–1477
  10. 5 Die Umformung der burgundischen Niederlande: der Aufstieg der Habsburger 1477–1530
  11. 6 Der Gewinn Flanderns im Damenfrieden von Cambrai 1529: Schlusspunkt der Geschichte der burgundischen Niederlande
  12. 7 Resümee und Ausblick
  13. 8 Literaturverzeichnis
  14. 9 Abbildungsverzeichnis
  15. 10 Register